Entscheidungsstichwort (Thema)

Überstundenvergütung für GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer

 

Leitsatz (NV)

Das Verhältnis zwischen der GmbH und ihrem Geschäftsführer wird von dem Vertrauen der Gesellschafter getragen, daß der Geschäftsführer -- wann auch immer -- seine Arbeit tut. Damit verträgt sich keine Vereinbarung über die Vergütung von Überstunden.

 

Normenkette

KStG § 8 Abs. 3 S. 2; GewStG § 7

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) -- eine GmbH -- betrieb u. a. im Erhebungszeitraum 1992 (Streitjahr) eine Kraftfahrzeugwerkstatt und handelte mit Kraftfahrzeugen. Ihr alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war der Kraftfahrzeugmeister B. Nach dem im Streitjahr geltenden schriftlichen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag erhielt B ein monatliches Festgehalt von 6000 DM und eine Gewinntantieme.

§ 6 des Anstellungsvertrags bestimmte:

"Der Geschäftsführer hat eine regelmäßige Arbeitszeit von Montag bis Freitag jeweils von 7.30--12.00 Uhr und vom 13.00--18.00 Uhr sowie Samstag von 7.30--12.00 Uhr (52 Stunden wöchentlich). Er ist bereit, Mehrarbeit zu leisten, soweit dies aus betrieblichen Gründen notwendig ist. Mehrarbeit wird mit dem durchschnittlichen Stundenlohn im Sinne von § 3 b Abs. 1 Satz 2 EStG zusätzlich zum vereinbarten Festgehalt vergütet. Daneben erhält der Geschäftsführer die in § 3 b Abs. 2 EStG genannten Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags- und Feiertags- oder Nacharbeit.

Die Voraussetzungen für die Zahlung der Mehrarbeit und der Zuschläge hat der Geschäftsführer durch Aufzeichnungen nachzuweisen".

Zusätzlich hatte B u. a. Anspruch auf die Nutzung eines betrieblichen PKW.

Im Streitjahr erhielt B für seine Tätigkeit als Geschäftsführer von der Klägerin folgende Vergütungen und Sachleistungen:

Grundgehalt 72 000,00 DM

Mehrarbeitvergütungen

(= Überstundenvergütungen) 33 221,88 DM

Zuschläge für Sonntags- und Nachtarbeit 6 090,80 DM

Gewinntantieme 10 032,00 DM

PKW-Nutzung 4 560,00 DM

Summe 125 904,68 DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) vertrat die Auffassung, die Vereinbarung von Überstundenvergütungen und Zuschlägen für Feiertags- und Nachtarbeit sei bei GmbH-Geschäftsführern allgemein unüblich und Zahlungen an Gesellschafter-Geschäftsführer aufgrund derartiger Vereinbarungen seien deshalb verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaft steuergesetzes (KStG). Er erhöhte den von der Klägerin für das Streitjahr erklärten Gewinn aus Gewerbebetrieb um 39 312 DM und setzte auf der Grundlage dieses erhöhten Gewinns den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag fest. Einspruch und Klage waren erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist auszugsweise in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 181 veröffentlicht.

Die Klägerin stützt ihre Revision auf Verletzung des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG i. V. m. § 7 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) und beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und den Gewerbesteuermeßbescheid 1992 dahingehend zu ändern, daß die Überstundenvergütungen und Zuschläge bei der Ermittlung des Gewerbeertrags nicht mehr als vGA behandelt werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision war als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das FG hat zu Recht entschieden, daß die B gezahlten Überstundenvergütungen und Zuschläge wegen Sonntags- und Nachtarbeit vGA sind, die den Gewinn und Gewerbeertrag der Klägerin nicht mindern (§ 7 GewStG i. V. m. § 8 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 KStG).

1. Eine vGA i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1991 ist bei einer Kapitalgesellschaft eine durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßte Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die sich -- läßt man die Rechtsfolge der Vorschrift außer acht -- auf die Höhe des Gewinns und damit des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden (= offenen) Ausschüttung steht (s. Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 1. Februar 1989 I R 73/85, BFHE 156, 155, BStBl II 1989, 522; vom 29. Juni 1994 I R 137/93, BFHE 175, 347; vom 24. Januar 1996 I R 41/95, BFHE 180, 272). In den meisten der entschiedenen Fälle hat der BFH eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft einem ihrer Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (vgl. BFH-Urteile vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626; vom 12. Oktober 1995 I R 127/94, BFHE 179, 258). Ist der Gesellschafter ein beherrschender, dann kann eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis und damit eine vGA auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn erbringt, für die es an einer klaren, im voraus getroffenen zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (vgl. BFH-Urteile vom 14. März 1990 I R 6/89, BFHE 160, 459, BStBl II 1990, 795; vom 2. Februar 1994 I R 78/92, BFHE 173, 412, BStBl II 1994, 479).

2. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG -- an die der erkennende Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO) -- sind die aufgrund der Zahlung der Überstundenvergütungen und Zuschläge bei der Klägerin entstandenen Vermögensminderungen vGA, falls sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt sind. Daß die übrigen Voraussetzungen der vGA erfüllt sind, ist zwischen den Verfahrensbeteiligten zu Recht unstreitig.

3. Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ergibt sich im Streitfall nicht bereits aufgrund der für beherrschende Gesellschafter geltenden besonderen Rechtsprechungsgrundsätze. B war zwar im Streitjahr alleiniger und somit beherrschender Gesellschafter der Klägerin. Die Zahlung der Überstundenvergütungen und Zuschläge beruhte aber nach den bindenden Feststellungen des FG auf der klaren, im voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs -- BGH -- vom 7. Dezember 1987 II ZR 206/87, GmbH-Rundschau -- GmbHR -- 1988, 138) und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung in § 6 des Anstellungsvertrags.

4. Eine vGA i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG kann aber auch dann anzunehmen sein, wenn eine Kapitalgesellschaft mit ihrem Gesellschafter Bedingungen vereinbart, die von denen abweichen, die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen vereinbart hätten (vgl. BFH-Urteile vom 16. Dezember 1992 I R 2/92, BFHE 170, 175, BStBl II 1993, 455; vom 5. Oktober 1994 I R 50/94, BFHE 176, 523, BStBl II 1995, 549; vom 25. Oktober 1995 I R 9/95, BFHE 179, 270). In diesen Fällen indiziert das vom Fremdvergleich abweichende Verhalten der Kapitalgesellschaft und ihres Gesellschafters die Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis. So ist auch der Streitfall gelagert.

a) Der Senat hat wiederholt entschieden, daß der Geschäftsführer einer GmbH sich regelmäßig in anderer Weise als ein "normaler" Angestellter mit dem Wohl und Wehe der Kapitalgesellschaft identifiziert (vgl. BFH-Urteil vom 11. Dezember 1991 I R 152/90, BFHE 167, 42, BStBl II 1992, 690). Er besitzt für die GmbH eine Allzuständigkeit, wenn er -- wie im Streitfall -- deren alleiniger Geschäftsführer ist. Daher entscheidet er auch, welche Aufgaben er persönlich wahrnimmt und welche er an Mitarbeiter delegiert. Von ihm wird ein persönlicher Einsatz erwartet, dem in der Regel ein deutlich höheres Gehalt entspricht. Während er das Einhalten der Arbeitszeiten der Arbeitnehmer überprüfen (lassen) kann und muß, gibt es praktisch keine Person, die das Einhalten der Arbeitszeit des Geschäftsführers überprüft. Dies wissen die Gesellschafter bei Bestellung des Geschäftsführers und bei Abschluß des Geschäftsführervertrages. Den Gesellschaftern kommt es deshalb weniger darauf an, daß der Geschäftsführer während einer bestimmten Stundenzahl pro Arbeitstag "im Dienst ist". Wichtiger ist ihnen, daß der Geschäftsführer -- wann auch immer -- seine Arbeit erledigt, selbst wenn dies die Ableistung sog. Überstunden bedeuten sollte. In diesem Sinne soll der Geschäftsführer regelmäßig seine Arbeitszeit in Grenzen selbst bestimmen. Das Verhältnis zwischen der GmbH und dem Geschäftsführer wird von dem Vertrauen der Gesellschafter getragen, daß der Geschäftsführer -- wann auch immer -- seine Arbeit tut. Damit verträgt sich keine Vereinbarung über die Vergütung von Überstunden, selbst wenn Arbeitszeitvereinbarungen der Organstellung des GmbH-Geschäftsführers zivilrechtlich nicht widersprechen (vgl. BGH-Urteil in GmbHR 1988, 138; Lutter/Hommelhoff, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 14. Aufl., 1995, Anh. § 6 Rdnr. 43). Die GmbH ist regelmäßig nicht in der Lage, die Berechtigung entsprechender Forderungen zu prüfen. Sie müßte den Angaben des Geschäftsführers Glauben schenken, womit ein unkalkulierbares Risiko verbunden wäre. Dieses Risiko wird sie regelmäßig nicht eingehen. Statt dessen wird sie für eine angemessene Gesamtausstattung des Geschäftsführers Sorge tragen, die das zu übernehmende Kostenrisiko kalkulierbar macht. Zu einer angemessenen Gesamtausstattung kann auch eine erfolgsabhängige Tantieme gehören, die dem Geschäftsführer einerseits einen Anreiz zu Mehrarbeit bietet und ihn andererseits am Erfolg seiner Arbeit teilnehmen läßt.

Im Streitfall vertrug sich eine Überstundenvergütungsvereinbarung auch deshalb nicht mit den Aufgaben des Geschäftsführers, weil die Klägerin nach ihren Angaben aufgrund des Standorts und des Kundenkreises ihres Betriebs darauf angewiesen war, daß ihr Geschäftsführer auch außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeiten der anderen Mitarbeiter fast täglich bis mindestens 21.00 Uhr und an Samstagen bis 18.00 Uhr für die Kunden erreichbar ist. Bei dieser Sachlage wäre einem Fremdgeschäftsführer zum Ausgleich der größeren zeitlichen Beanspruchung ein höheres Festgehalt und möglicherweise auch eine höhere Gewinntantieme gezahlt worden. Eine Überstundenvergütung mit einem Zuschlag auf den Stundensatz des Grundgehalts für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit hätten voneinander unabhängige Dritte aus den oben genannten Gründen nicht vereinbart.

b) Unerheblich ist, ob die Zahlung von Überstundenvergütungen an GmbH-Geschäftsführer unüblich oder üblich ist (zu dem Streit s. Hessisches FG Urteil vom 9. Dezember 1992 4 K 1284/92, EFG 1994, 220; FG des Saarlandes, Urteile vom 8. Februar 1994 1 K 135/93, EFG 1994, 676; vom 22. Juni 1994 1 K 162/93, EFG 1994, 939; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27. August 1996 2 K 1261/95, EFG 1997, 181; FG Köln, Urteil vom 20. Juni 1995 13 K 1379/93, EFG 1996, 341; FG München, Urteil vom 21. Januar 1992 7 K 4531/89 nicht veröffentlicht; s. a. FG Münster, Urteil vom 22. März 1995 13 K 3836/93 F, G, EFG 1995, 1116; Hessisches FG Beschluß vom 13. Dezember 1991 4 V 5579/ 91, EFG 1992, 415; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Oktober 1995 6 K 163/ 93, EFG 1996, 157; -- el -- Der Betrieb 1988, 2432; Richter, GmbHR 1988, 447; Roemer, Die Information über Steuern und Wirtschaft 1994, 750; GmbH-Steuerpraxis 1996, 101; Löhr, Neue Wirtschaftsbriefe 1995, Heft 6 S. 487 -- Meinungen Stellungnahmen --). Die Unüblichkeit der Zuwendung des Vermögensvorteils ist weder ein (ungeschriebenes) gesetzliches Tatbestandsmerkmal der vGA noch ein Element der von der Rechtsprechung entwickelten Definition der vGA. Sie ist lediglich ein als Indiz wirkendes Kriterium bei der Prüfung, ob eine Vereinbarung dem Fremdvergleich standhält (vgl. Senatsurteile in BFHE 170, 175, BStBl II 1993, 455; vom 17. Februar 1993 I R 3/92, BFHE 170, 550, BStBl II 1993, 457; vom 13. Juli 1994 I R 43/94, BFH/NV 1995, 548). Ihm liegt die Erkenntnis zugrunde, daß ein Vergleich mit dem unter fremden Dritten üblichen Verhalten am ehesten erkennen läßt, ob die zu beurteilende Zuwendung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist. Die Unüblichkeit der Zuwendung bzw. der ihr zugrundeliegenden Vereinbarung läßt jedoch nicht stets den Schluß zu, ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter hätte sie mit einem Nichtgesellschafter nicht abgeschlossen. Es kann im Einzelfall überzeugende betriebliche Gründe geben, die für die unübliche Vereinbarung sprechen. Sie müssen jedoch von dem Steuerpflichtigen plausibel dargelegt werden. Dies ist im Streitfall nicht geschehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 422227

BFH/NV 1997, 804

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