Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer, Verfahrensrecht, Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Wenn ein Bauwerk beim Einheitswert der Betriebsgrundstücke dort als Betriebsvorrichtung ausgeschieden wird, so ist als Folgeänderung beim Einheitswert des Betriebsvermögens nicht nur der niedrigere Einheitswert des neuen Grundlagenbescheides, sondern gleichzeitig der ausgegliederte Gegenstand des Betriebsvermögens beim sonstigen Anlagevermögen besonders anzusetzen.

 

Normenkette

BewG § 50/1, § 68/2/2, §§ 54, 95, 57, 99; AO § 218 Abs. 4

 

Tatbestand

In dem Einheitswertbescheid des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1956 wurden für Betriebsgrundstücke X DM angesetzt. Die Bfin. hatte bei der Einheitsbewertung 1952 und 1953 mit Erfolg gerügt, daß die Kammertrocknerei doppelt, nämlich sowohl im Einheitswert für das Fabrikgrundstück als auch als sonstiges Anlagevermögen (Betriebsvorrichtung) erfaßt worden sei. Bei diesen Einheitswertbescheiden wurden die damaligen Werte für die Trockenanlage im Wege der änderung nach § 94 AO beim sonstigen Anlagevermögen herausgenommen. Deshalb hatte das Finanzamt diese Anlage auch bei der Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens 1956 nicht mehr als sonstiges Anlagevermögen herangezogen, sondern den bis dahin für das alte Trockengebäude eingesetzten Wert abgesetzt, weil nach Auffassung der Veranlagungsstelle die Trockenanlage im Einheitswert für das Fabrikgrundstück enthalten sei. Andererseits wurde bei der Fortschreibung des Einheitswertes für das Fabrikgrundstück zum 1. Januar 1956 durch Bescheid vom 2. November 1959 das Trockengebäude als Betriebsvorrichtung angesehen und deshalb nicht mitangesetzt. Daraufhin wurde durch Berichtigungsbescheid vom 1. Juli 1960, gestützt auf § 218 Abs. 4 und § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO, der Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1956 dahin festgestellt, daß für das Fabrikgrundstück nur der im Bescheid vom 2. November 1959 gesondert festgestellte Einheitswert angesetzt wurde und das sonstige Anlagevermögen um den im Einheitswert des Fabrikgrundstücks nicht mehr erfaßten Wert für diese nunmehrige Betriebsvorrichtung, und zwar um den in der Bilanz zum 31. Dezember 1955 eingesetzten Wert erhöht wurde.

Mit der Sprungberufung machte die Bfin. geltend, die Berücksichtigung der niedrigeren Grundstückswerte auf Grund der neuen Einheitswertfeststellung betreffend Fabrikgrundstück sei nach § 218 Abs. 4 AO zulässig, nicht dagegen die Berichtigung des sonstigen Anlagevermögens durch Zurechnung der Kammertrocknerei. Dem Finanzamt sei auf Grund der Vermögensaufstellung die Zusammensetzung der Betriebsgrundstücke bekannt gewesen. Es liege keine neue Tatsache im Sinne des § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO vor. Wenn das Finanzamt in dem Bescheid vom 1. Juli 1960 zu dem Ergebnis komme, im Einheitswert des Fabrikgrundstücks sei die Kammertrocknerei nicht enthalten und deshalb dem sonstigen Anlagevermögen zuzurechnen, so ändere es seine bisherige Auffassung. Diese änderung liege nicht auf tatsächlichem, sondern auf rechtlichem Gebiete.

Die Berufung blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht führte aus: Werde ein Feststellungsbescheid deshalb ermäßigt, weil ein darin enthaltenes Wirtschaftsgut nicht hineingehöre, so sei der neue, gesondert festgestellte, niedrigere Einheitswert einerseits anzusetzen, aber andererseits der ausgeschiedene Wert beim Einheitswert des Betriebsvermögens unmittelbar zu erfassen (so Entscheidungen des Reichsfinanzhofs III A 775/31 vom 7. Dezember 1932, RStBl 1933 S. 96, und VI A 192/36 vom 24. Juni 1936, RStBl 1936 S. 747). Bei der ursprünglichen Feststellung des Betriebsvermögens habe eine besondere Feststellung für das Fabrikgrundstück noch nicht vorgelegen, und es sei lediglich ein Betrag für die noch zu erwartende Feststellung eingesetzt worden, der etwas niedriger war als der bei der Berichtigung des Betriebsvermögens angesetzte. In dem ursprünglichen Bescheid sei die Trocknerei als Teil des Fabrikgrundstücks berücksichtigt, während bei der geänderten Feststellung des Betriebsvermögens der sich aus den Bilanzen zum 31. Dezember 1955 ergebende etwas höhere Wert angesetzt worden sei. Trotzdem sei diese Berichtigung wertmäßig zulässig.

Im übrigen seien auch die Voraussetzungen des § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO gegeben. Das Finanzamt habe bisher die Trocknerei als Teil des Grundstücks in der Annahme behandelt, sie werde in dem besonders festzustellenden Einheitswert für das Grundstück erfaßt, während sie dort als Betriebsvorrichtung behandelt sei. Die Tatsache sei für das Finanzamt als Bewertungsstelle für das Betriebsvermögen neu gewesen.

Mit der Rb. beantragt die Bfin., "den nach §§ 218 Abs. 4 und 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO berichtigten Einheitswertbescheid auf 1. 1. 1956 vom 1. 7. 1960 aufzuheben und einen nach § 218 Abs. 4 AO berichtigten Bescheid zu erteilen, in dem lediglich der Ansatz des Geschäftsgrundstücks entsprechend der Wertfortschreibung auf 1. 1. 1956 berücksichtigt wird". Sie wiederholt ihr bisheriges Vorbringen. Des weiteren wendet sie sich insbesondere dagegen, daß das Finanzgericht für die Zurechnung der Kammertrocknerei § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO als zusätzliche Rechtsgrundlage angesehen habe. Denn nach der Rechtsauffassung sowohl der Bewertungsstelle als auch der Veranlagungsstelle habe die alte fertiggestellte Kammertrocknerei bewertungsrechtlich zum Geschäftsgrundstück gehört. Das Finanzamt habe auch die im Zustand der Bebauung befindliche neue Kammertrocknerei als Teil des Geschäftsgrundstücks angesehen. Die Nichterteilung eines Bescheides nach § 33 a der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz sei kein Gegenbeweis. Die Berichtigung des Einheitswertes des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1956 beruhe deshalb auf einer geänderten Rechtsauffassung des Finanzamts und nicht auf neuen Tatsachen.

Das Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung müsse gegenüber der Rechtssicherheit und dem Vertrauensschutz mindestens dann zurücktreten, wenn die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht auf die Dauer verletzt werde (z. B. bei einer Vermögensaufstellung für das nächste Jahr).

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet.

Rechtsgrundlage für den änderungsbescheid vom 1. Juli 1960 betreffend Einheitswert des gewerblichen Betriebes ist § 218 Abs. 4 AO. Unstreitig ist die Folgeänderung insoweit, als der Einheitswert des Fabrikgrundstücks durch Herausnahme der Kammertrocknerei auf einen geringeren Wert fortgeschrieben worden war. Denn der Einheitswertbescheid für das Betriebsgrundstück ist ein Feststellungsbescheid im Sinne des § 218 Abs. 4 AO, so daß der darauf beruhende Einheitswertbescheid betreffend Betriebsvermögen von Amts wegen durch einen neuen, der Fortschreibung vom 2. November 1959 Rechnung tragenden Bescheid zu ersetzen war. Die Folgeänderung erfaßt aber nicht nur den Ansatz des geringeren Einheitswertes für das Fabrikgrundstück, sondern auch die Aufnahme des dort ausgeschiedenen Wirtschaftsgutes als Betriebsvorrichtung beim sonstigen Anlagevermögen. Es ist zwar einerseits richtig, daß eine Berichtigung nach § 218 Abs. 4 AO nicht zur Wiederaufrollung des ganzen Falles führt (Entscheidungen des Bundesfinanzhofs VI 23/62 U vom 12. Juli 1963, BStBl 1963 III S. 471, Slg. Bd. 77 S. 416, und VI 78/63 S vom 3. Juli 1964, BStBl 1964 III S. 566, Slg. Bd. 80 S. 257). Andererseits reicht aber auch nach der oben wiedergegebenen Rechtsprechung die änderung so weit, wie sie durch die änderung des zugrunde liegenden Feststellungsbescheides gerechtfertigt ist. Geht man von diesem Gesichtspunkt aus, und zwar ganz unabhängig von § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO, dann ist eine Berücksichtigung der beim Einheitswert des Fabrikgrundstücks ausgeschiedenen Kammertrocknerei als sonstiges Wirtschaftsgut beim Einheitswert des Betriebsvermögens nicht nur zulässig, sondern notwendig. Der Ansatz beim Einheitswert des Betriebsvermögens unter den sonstigen Wirtschaftsgütern (Betriebsvorrichtung) ist erforderlich, um § 54 des Bewertungsgesetzes (BewG) zu erfüllen. Denn zum Betriebsvermögen gehören alle Teile einer wirtschaftlichen Einheit, die dem Betrieb eines Gewerbes als Hauptzweck dient, soweit die Wirtschaftsgüter dem Betriebsinhaber gehören (gewerblicher Betrieb). Wenn die Kammertrocknerei bei den Betriebsgebäuden ausgegliedert wird, muß sie gleichzeitig als Betriebsvorrichtung bzw. sonstiges Wirtschaftsgut beim Betriebsvermögen angesetzt werden. Diese änderung auf der Grundlage des § 218 Abs. 4 AO ist zulässig, da sie nicht weiter reicht, als erforderlich ist, um dem geänderten Feststellungsbescheid Rechnung zu tragen. So hat auch der Reichsfinanzhof bereits in dem vom Finanzgericht angeführten Urteil III A 775/31 vom 7. Dezember 1932 entschieden, daß, sofern Gegenstände des Betriebsvermögens aus dem Grundstückseinheitswert ausgeschieden würden, diese nunmehr bei der Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens besonders zu erfassen seien, auch wenn der Einheitswert des Betriebsvermögens bereits rechtskräftig sein sollte.

Wie unbefriedigend die entgegengesetzte Auffassung der Bfin. ist, ergibt sich, wenn, umgekehrt wie hier, der Einheitswert des Betriebsvermögens durch Hereinnahme einer bisherigen Betriebsvorrichtung in den Einheitswert des Betriebsgrundstücks erhöht und das Finanzamt darauf beharren würde, das gleiche Bauwerk am Stichtage auch noch als Betriebsvorrichtung bewerten zu wollen. Hier bringt, gleich ob zugunsten oder zuungunsten des Steuerpflichtigen, der Grundlagenbescheid neue Feststellungen und insoweit erfolgt änderung des Bescheides höherer Ordnung. Denn maßgeblich für die Bewertung eines Bauwerks als Gebäude im Sinne der §§ 50, 57 BewG ist die Bewertung als Betriebsgrundstück, d. h. ob es losgelöst von seiner Zugehörigkeit zum gewerblichen Betrieb zum Grundvermögen gehören oder, was hier nicht in Frage kommt, einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb bilden würde. Die Frage, ob ein Betriebsgrundstück gegeben ist, ist nach § 216 Abs. 1 Ziff. 1 AO in dem Verfahren über die Einheitsbewertung des Betriebsgrundstücks zu klären (Entscheidung des Bundesfinanzhofs III 153/58 S vom 24. Oktober 1958, BStBl 1959 III S. 2, Slg. Bd. 68 S. 1). In dem Einheitswertverfahren betreffend Betriebsgrundstück liegt gleichzeitig eine positive und eine negative Feststellung.

Es ist somit zutreffend der Wert der Kammertrocknerei nach Ausgliederung beim Einheitswert des Fabrikgrundstücks als sonstiges Wirtschaftsgut beim Betriebsvermögen besonders angesetzt worden.

Die Bfin. kann sich demgegenüber nicht auf das Prinzip der Rechtssicherheit berufen. Die änderung von Steuerbescheiden bzw. Feststellungsbescheiden gemäß § 218 Abs. 4 AO nimmt nach herrschender Rechtsprechung und Lehre keine Rücksicht auf den Gedanken der Rechtskraft, sondern löscht vielmehr in ihrem Geltungsbereich die Rechtsbeständigkeit aus (vgl. Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, § 218 Anm. 8 und die dort angeführten Fundstellen).

Es bedarf keines Eingehens auf § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO, da die vom Finanzamt vorgenommene änderung als Folgeänderung gemäß § 218 Abs. 4 AO gerechtfertigt ist.

Die Höhe des Ansatzes ist nicht zu beanstanden, wie bereits das Finanzgericht ausgeführt hat. Eine Bindung an den früheren Einheitswert des Bauwerks als Betriebsgrundstück besteht nicht, da dieser Einheitswert am Stichtage nicht mehr vorhanden ist. Der alte Betrag des Einheitswertes Betriebsgrundstück ist auch deswegen nicht maßgebend, da für Betriebsgrundstücke der Einheitswert und für sonstige Wirtschaftsgüter (abgesehen von Wertpapieren usw. des § 66 Abs. 2, 3 BewG) der Teilwert gilt (ß 66 Abs. 1 BewG). Der angesetzte Betrag entspricht dem Bilanzwert zum 31. Dezember 1955.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411609

BStBl III 1965, 376

BFHE 1965, 352

BFHE 82, 352

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