Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Aufwendungen für Beschaffung eines Hörapparates sind keine Werbungskosten; anders dagegen die Kosten der Apparatbatterien, soweit diese im Dienst verbraucht werden.

 

Normenkette

EStG §§ 9, 12 Nr. 1, § 33/1

 

Tatbestand

Strittig ist die Frage, ob der Beschwerdeführer (Bf.), der im wesentlichen als Vorstandsmitglied mehrerer Kapitalgesellschaften Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezieht, Aufwendungen für Hörgeräte, die er sich im Veranlagungszeitraum 1949 wegen seiner Schwerhörigkeit beschafft hat, als Werbungskosten abziehen kann. Die Vorbehörden haben die Frage verneint unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, insbesondere auf das Urteil vom 17. Juli 1930, Reichssteuerblatt (RStBl) 1931 S. 6.

In seiner Rechtsbeschwerde (Rb.) rügt der Steuerpflichtige unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts und unzureichende Sachaufklärung.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Die Vorbehörden haben mit Recht die geltend gemachten Aufwendungen für die Beschaffung zweier Hörapparate im Betrage von 133 und 469,80 DM und für die Anfertigung eines Gipsabdrucks der Hörmuschel und des Gehörgangs im Betrage von 10 DM nicht als Werbungskosten (§ 9 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) angesprochen. (Der zweite Apparat wurde beschafft, weil der erste sich als unzureichend erwies.) In der in Bezug genommenen Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 1134/30 vom 17. Juli 1930, RStBl 1931 S. 6, ist ausgeführt, daß alle zur Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit gemachten Aufwendungen aus den Werbungskosten auszuscheiden haben und nur solche Fälle davon ausgenommen werden könnten, in denen gesundheitliche Störungen ihrer Art nach gerade für die betreffende Tätigkeit typisch seien (Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 839/28 vom 30. Juli 1929, RStBl 1929 S. 554). Im Fall der Beschaffung eines Hörapparates seien Werbungskosten zu verneinen, weil die Beschaffung solcher Apparate zwar mit der Berufsausübung zusammenhänge, man aber trotzdem nicht sagen könne, daß der Steuerpflichtige nur im Interesse seines Berufs darauf bedacht sei, die durch seine Schwerhörigkeit auftretende Behinderung zu mindern. Auch in dem damaligen Fall hatte der Steuerpflichtige geltend gemacht, daß er ohne die Benutzung solcher Apparate seinem Beruf nicht nachgehen könne und daß die Apparate vorwiegend während der Dienstzeit verwendet würden.

Der Senat hält an den vom Reichsfinanzhof entwickelten Grundsätzen fest. Wenn der Bf. meint, die Ausführungen des eben erwähnten Urteils des Reichsfinanzhofs sprächen für ihn, so ist seine Auffassung irrig. Unzutreffend ist insbesondere, daß es entscheidend sei, ob der Hörapparat ausschließlich während des Dienstes benutzt wurde. Er habe nämlich, wie er behauptet, außerhalb des Dienstes kein Interesse an der Benutzung des Apparates. Er besuche kaum Theater, Kinos und Vorträge, und auch sonst benötige er den Apparat zur Verständigung mit Einzelnen nicht so sehr wie im Dienst; hier sei dagegen vielfach gezwungen, in größeren Gremien mitzuwirken, es komme dabei darauf an, die Darlegungen der anderen deutlich zu verstehen. Wollte man, wie es der Bf. will, darauf abstellen, in welchem Umfange jeweils im einzelnen Veranlagungszeitraum ein technisches Hilfsmittel zur Behebung körperlicher Mängel tatsächlich im Beruf und außerhalb des Berufs benutzt worden ist, so würde mit der Ermittlung dieser subjektiven Tatbestände der Finanzverwaltung eine Aufgabe zugemutet werden, die sie schlechterdings nicht erfüllen könnte. Diese Feststellungen würden außerdem ein Eindringen in die Lebensverhältnisse des einzelnen Steuerpflichtigen erfordern, das auf die Dauer als eine unerträgliche Belästigung empfunden und obendrein letztlich zu objektiv kaum brauchbaren Ergebnissen führen würde, weil es an wirklich überzeugenden Beweismitteln zumeist fehlen und die Finanzverwaltung deshalb mehr oder weniger auf die jeweiligen subjektiven Behauptungen des einzelnen Steuerpflichtigen über die Gestaltung seines privaten Lebens angewiesen sein würde. Diese auf die Bedürfnisse der Praxis abstellenden Erwägungen müssen dazu führen, Aufwendungen, die ihrer Natur nach in erster Linie zur Behebung körperlicher Mängel dienen, als die private Lebenssphäre angehend anzusprechen und sie deshalb grundsätzlich zu den nach § 12 EStG nicht abzugsfähigen Kosten der Lebensführung zu rechnen, auch wenn die Behebung des Mangels zugleich im beruflichen Interesse liegt. Eine auf das subjektive Bild des einzelnen Falles abgestellte Behandlung würde schließlich auch mit den Grundsätzen der Gleichmäßigkeit und der möglichsten Einfachheit der Besteuerung nicht zu vereinbaren sein.

Anders liegt es hinsichtlich der Aufwendungen, die sich verhältnismäßig leicht und klar als nur durch die Tätigkeit hervorgerufener Aufwand darstellen, wie es nach der obenerwähnten Entscheidung VI A 1134/30 hinsichtlich der Kosten für die im Dienst verbrauchten Batterien des Hörgeräts der Fall ist. Insoweit entsteht durch den Dienst tatsächlich eine notfalls zu schätzende und wirtschaftlich als gerechtfertigt anzuerkennende Mehraufwendung, die sich schließlich auch z. B. mit den steuerlich anzuerkennenden Mehraufwendungen für Verpflegung außerhalb des Hauses bei besonders langer dienstlicher Abwesenheit von der Wohnung (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 119/53 U vom 17. September 1953, Bundessteuerblatt - BStBl - 1953 III S. 322) vergleichen läßt. In dieser Beziehung hat nun zwar das Finanzgericht für den Streitfall keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen. Wie sich aber aus dem Zahlenmaterial der Steuererklärung des Bf. und den Darlegungen des Finanzamts in der Einspruchsentscheidung sowie aus dem Inhalt der Akten hinsichtlich der späteren Veranlagungszeiträume 1950 und 1951 ergibt, können die beruflich erforderlich gewesenen Aufwendungen des Bf. für Batterien des Apparates im strittigen Veranlagungszeitraum 1949 nicht derart hoch gewesen sein, daß sie, zusammengenommen mit den geringen sonst geltend gemachten Werbungskosten, dem gesetzlich vorgeschriebenen und bei der Veranlagung berücksichtigten Werbungskostenpauschsatz von 312 DM überschritten hätten. Es ist deshalb im Ergebnis nicht zu beanstanden, wenn das Finanzgericht auf diesen Punkt nicht weiter eingegangen ist.

Zu den vom Bf. noch angeführten Vergleichstatbeständen, insbesondere der Zulassung von Werbungskosten für ein beruflich benötigtes Arbeitszimmer oder Kraftfahrzeug und für beruflich erforderliche Arbeitsmittel (Berufskleidung, Werkzeug), sei darauf hingewiesen, daß hier die wirtschaftliche Lage völlig anders liegt als in den Fällen der Ausgleichsmittel für körperliche Schäden. Denn anders als bei diesen dienen die vom Bf. angeführten beruflichen Hilfsmittel ihrem wirtschaftlichen Zweck nach unmittelbar den beruflichen Belangen und können die bei einer gelegentlichen privaten Benutzung etwa in Betracht kommenden Entnahmewerte aus den Gesamtaufwendungen nach Erfahrungsregeln einigermaßen genau und zuverlässig abgegrenzt werden. Dagegen würde der Versuch, die für Körperschäden benötigten Hilfsmittel nach dem Grade ihrer beruflichen Bedingtheit als Werbungskosten oder Betriebsausgabe zu berücksichtigen, praktisch undurchführbar sein.

Nach den vorstehenden Ausführungen kommt es mithin auf die vom Bf. in den Vordergrund gestellte Behauptung, daß die Beschaffung der Hörapparate weitaus überwiegend oder für den strittigen Veranlagungszeitraum 1949 so gut wie ausschließlich durch seine beruflichen Belange erforderlich geworden sei, nicht an. Es sei deshalb auch kein wesentlicher Verfahrensmangel, wenn das Finanzgericht weitere Nachforschungen, insbesondere durch Anhörung von Zeugen über den Grad der dienstlichen Verwendung des Hörapparates, nicht angestellt, sondern die Rechtslage an Hand der von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze gewürdigt hat.

Besondere Aufwendungen, die infolge gesundheitlicher oder sonstiger körperlicher Schäden erforderlich und nicht Werbungskosten oder Betriebsausgaben sind, können unter dem Gesichtspunkt der außergewöhnlichen Belastung (§ 33 EStG) berücksichtigt werden. Auch dem hat die Vorentscheidung hinreichend Rechnung getragen. Sie stellt fest, daß die geltend gemachten Aufwendungen noch unterhalb der Mehrbelastungsgrenze (§ 51 Abs. 3 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung) liegen, es also nach dem Willen des Gesetzgebers dem Bf. zugemutet werden kann, sie noch aus den laufenden Einkünften zu decken, so daß eine Steuerermäßigung aus § 33 EStG hieraus nicht begründet ist.

Nach alledem mußte der Rb. der Erfolg versagt bleiben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407912

BStBl III 1954, 174

BFHE 1954, 689

BFHE 58, 689

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