Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsätzlich keine Investitionszulage für Systemsoftware

 

Leitsatz (NV)

Systemprogramme, für die -- z. B. bei gesonderter Anschaffung -- abgrenzbare Kosten von den Aufwendungen für die Hardware entstanden sind, stellen steuerlich und investitionszulagerechtlich selbständige Wirtschaftsgüter dar. Für diese Beurteilung ist weder Einzelveräußerbarkeit noch freie bürgerlich-rechtliche Übertragbarkeit erforderlich. Es handelt sich dabei grundsätzlich um immaterielle Wirtschaftsgüter (Anschluß an Senatsurteil vom 28. Juli 1994 III R 47/92, BFHE 175, 184, BStBl II 1994, 873).

 

Normenkette

InvZulG 1982 § 4b Abs. 1-2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) nutzte in den Streitjahren (1983/1984) eine Datenverarbeitungsanlage und Software des Herstellers X, welche ihr von der Y-GmbH zu diesem Zweck überlassen worden waren. Sechs der sieben Gesellschafter der Klägerin, welche zusammen Gesellschaftsanteile von insgesamt 90 % hielten, waren gleichzeitig mit insgesamt 87,75 % an der Y-GmbH beteiligt. Die Software zu einem Gesamt-Anschaffungspreis von ... DM bestand aus dem Betriebssystem A und weiterer Systemsoftware sowie einem Finanzbuchhaltungsprogramm. In der Rechnung stand: "Nutzung von Softwareprodukten gegen einmaliges Entgelt auf Datenverarbeitungsanlage Z". Die Lieferung der Software (an die Y-GmbH) fiel in das abweichende Wirtschaftsjahr der Klägerin, welches 1984 endete. Zur genannten Datenverarbeitungsanlage kaufte die Klägerin selbst noch zahlreiche Anwenderprogramme und stellte für sie auch eigene Individualprogramme her.

Die Klägerin beantragte eine Investitionszulage für ein Volumen von ... DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) kürzte dieses um ... DM für das Buchhaltungsprogramm und gewährte eine Investitionszulage in Höhe von ... DM. Der Bescheid vom 14. Januar 1985 erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung -- AO 1977 --). Im Jahre 1988 führte eine Außenprüfung des FA bei der Klägerin zu dessen Auffassung, daß die gesamte Software ein immaterielles Wirtschaftsgut darstelle und damit nicht zulagenbegünstigt sei. Das FA erließ daraufhin am 8. März 1989 einen auf § 164 Abs. 2 AO 1977 gestützten Änderungsbescheid, mit dem die Investitionszulage unter Nichtberücksichtigung der gesamten Softwarekosten (um ... DM) auf nunmehr ... DM herabgesetzt wurde. Im selben Bescheid setzte das FA Rückzahlungszinsen fest.

Einspruch und Klage hiergegen blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, daß die Klägerin zwar anspruchs- und klageberechtigt sei, weil ihre Gesellschafter mehrheitlich sowohl an dem nutzenden als auch an dem die Nutzung überlassenden Unternehmen beteiligt seien (§ 4 b Abs. 6 des Investitionszulagengesetzes -- InvZulG -- 1982). Es seien aber nach § 4 b Abs. 1 und 2 InvZulG 1982 nur bewegliche, also körperliche Wirtschaftsgüter zulagenbegünstigt. Bei der fraglichen Software handle es sich dagegen um ein immaterielles Wirtschaftsgut. Sie sei insbesondere kein unselbständiger Teil der Datenverarbeitungsanlage, da sie getrennt verkauft und damit kaufmännisch als selbständig angesehen wurde. Es sei auch nicht ausgeschlossen, daß die Software von einem anderen Hersteller als demjenigen hätte erworben werden können, der die Datenverarbeitungsanlage geliefert habe.

Zwar sei Betriebssystem-Software nicht mit Anwender-Software gleichzusetzen, weil sie den Einsatz der Anwender-Software überhaupt erst ermögliche. Aber auch die hier zu beurteilende Betriebssystem-Software sei ein immaterielles Wirtschaftsgut, weil sie durchweg Befehlsstrukturen enthalte (Hinweise auf die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 2. September 1988 III R 38/84, BFHE 154, 573, BStBl II 1989, 160; vom 5. Februar 1988 III R 49/83, BFHE 153, 269, BStBl II 1988, 737, und vom 3. Juli 1987 III R 7/86, BFHE 150, 259, BStBl II 1987, 728).

Mit ihrer Revision trägt die Klägerin insbesondere vor, daß es sich bei der von ihr für den Großrechner angeschafften Betriebssystem-Software nicht um ein selbständiges Wirtschaftsgut handele, weil es -- anders als möglicherweise bei gängiger PC-Software -- dafür keinen Markt gebe. Das folge daraus, daß Systemsoftware rechnergebunden, also nicht kompatibel sei und die Hersteller von Computern im übrigen ihren Kunden wie im vorliegenden Fall die isolierte Weitergabe der Software ohne gleichzeitige Überlassung des Rechners vertraglich untersagen würden. Schließlich sei die Frage der selbständigen Handelbarkeit eines Gegenstandes kein geeignetes Kriterium für seine Bestimmung als eigenes Wirtschaftsgut, wenn wie hier ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang bestehe. So stelle man bei der Bewertung eines Gebäudes als Wirtschaftsgut z. B. auch nicht auf die selbständige Verwertbarkeit der Türen oder Fenster ab.

Die gesonderte Inrechnungstellung sei kein Beweis für die Selbständigkeit eines Wirtschaftsguts Betriebs-Software. Sie sei allenfalls ein Indiz für die Einordnung, wobei die separate Inrechnungstellung auch aus urheberrechtlichen Gründen erfolgt sein könne.

Ungeachtet dessen gehörten gemäß § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und Abschn. 32 a der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1987 sowie gemäß den rechtsformunabhängigen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu den Anschaffungskosten eines Wirtschaftsguts auch diejenigen Ausgaben, die der Erlangung seiner Betriebsbereitschaft dienten. Die Software-Aufwendungen seien daher als Anschaffungsnebenkosten einzuordnen.

Da es beim Erwerb von Systemsoftware in erster Linie um diese Erlangung der Betriebsbereitschaft des Großrechners und nicht um den Besitz des dem Programm innewohnenden problemlösenden Wissens gehe, liege jedenfalls kein immaterielles Wirtschaftsgut vor.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG und den angefochtenen Bescheid vom 8. März 1989 betreffend Investitionszulage 1983/1984 und Zinsen hierzu aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Es weist u. a. darauf hin, daß es nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (Hinweis auf Urteil vom 25. Januar 1979 IV R 21/75, BFHE 127, 180, BStBl II 1979, 369, 371 betreffend Aufwendungen für ein unbefristetes Wettbewerbsverbot) für die Bejahung eines selbständigen immateriellen Wirtschaftsguts ausreiche, daß es zusammen mit dem Unternehmen übertragen werden könne. Die Betriebssysteme A und B könnten im übrigen von jedem Interessenten für einen Einsatz auf den X-Rechnern der Serientypen ... erworben werden. Demgemäß habe der Bundesgerichtshof (BGH) Vereinbarungen über die Lieferung von Hardware und die Überlassung von Software, die gleichzeitig geschlossen wurden, nicht als einheitlichen Vertrag gewertet, wenn das "Gesamtsystem Hard- und Software durch (Teil-)Neubeschaffung (wenn auch vom selben Hersteller) wieder komplettiert werden könne" (Hinweis auf Urteile vom 25. März 1987 VIII ZR 43/86, Der Betrieb -- DB -- 1987, 1290, und vom 4. November 1987 VIII ZR 314/86, Betriebs-Berater -- BB -- 1988, 20).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat zu Recht die von der Klägerin genutzte Software als selbständiges immaterielles Wirtschaftsgut beurteilt und es deshalb zutreffend abgelehnt, für deren Anschaffung Investitionszulage zu gewähren.

1. Der Senat hat in dem Urteil vom 28. Juli 1994 III R 47/92 (BFHE 175, 184, BStBl II 1994, 873) entschieden, daß Systemprogramme, für die -- z. B. bei gesonderter Anschaffung -- von den Aufwendungen für die Hardware abgrenzbare Kosten entstanden sind, steuerlich und investitionszulagenrechtlich selbständige Wirtschaftsgüter darstellen. Er hat seine Auffassung damit begründet, daß Systemsoftware ebenso wie Computeranwenderprogramme im Geschäftsverkehr selbständige Handelsobjekte und nach der Verkehrsauffassung selbständig bewertbar seien. Systemsoftware sei oft auf verschiedenen Computern lauffähig und könne häufig auch von unterschiedlichen Anbietern bezogen werden. Ferner würden getrennte Preise berechnet. Dies gelte jedenfalls seit der allmählich eingetretenen Verselbständigung der Märkte für Hardware und Systemsoftware ab etwa Mitte der 80er Jahre. Daß Systemprogramme ohne eine entsprechende Hardware nicht nutzbar seien, könne -- ebenso wie bei Anwenderprogrammen -- kein Kriterium für die Eigenschaft als unselbständiges Wirtschaftsgut sein.

Lediglich für Ausnahmefälle, wie z. B. beim Erwerb von Hardware und zugehöriger Systemsoftware im Rahmen eines sog. Bundling, bei dem die Systemsoftware zusammen mit der Hardware ohne gesonderte Berechnung und ohne eine Aufteilbarkeit des Entgelts zur Verfügung gestellt wird, bilde die Hardware mit der Systemsoftware eine Einheit (Beschluß des Senats vom 16. Februar 1990 III B 90/88, BFHE 160, 364, BStBl II 1990, 794).

Hiervon ausgehend stellt die von der Klägerin genutzte Software ein selbständiges Wirtschaftsgut dar. Bei ihrer Anschaffung sind von den Aufwendungen für die Hardware abgrenzbare Kosten entstanden. Sie kann unstreitig zumindest faktisch auch auf anderen Datenverarbeitungsanlagen des gleichen Typs und Herstellers eingesetzt werden. Eine etwa bestehende urheberrechtliche Beschränkung der Weitergabe der Software (z. B. Weitergabe nur in Verbindung mit einer Überlassung auch des Rechners) steht ihrer Einordnung als (selbständiges) Wirtschaftsgut nicht entgegen, da hierfür nach der BFH-Rechtsprechung weder Einzelveräußerbarkeit noch freie bürgerlich-rechtliche Übertragbarkeit erforderlich sind (vgl. Urteile des BFH vom 26. Mai 1982 I R 180/80, BFHE 136, 222, BStBl II 1982, 695, und vom 30. Mai 1984 I R 146/81, BFHE 141, 509, BStBl II 1984, 825, Abschn. II Nr. 4 b der Entscheidungsgründe).

Die Erwerberin der Software hat somit nach der Verkehrsauffassung ein selbständig bewertbares Wirtschaftsgut erworben. Daß sie die Software für den Einsatz in einer ganz bestimmten Datenverarbeitungsanlage angeschafft hat und daß die Programme ohne die Anlage nicht nutzbar sind -- ebenso wie auch die Computeranlage ohne Programme nutzlos ist --, ist nicht entscheidend (Senatsurteil in BFHE 175, 184, BStBl II 1994, 873).

2. Das FG hat die Systemsoftware ferner zu Recht als immaterielles Wirtschaftsgut beurteilt, da ihr Materialwert weit hinter dem geistigen Gehalt der Programme (Steuerung einer Maschine durch Befehle) zurückbleibt (Senatsurteil in BFHE 175, 184, BStBl II 1994, 873).

 

Fundstellen

Haufe-Index 421289

BFH/NV 1996, 643

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