Leitsatz (amtlich)

Eine Schuld mit wechselndem Bestand kann nicht generell nur in Höhe des Mindestbestandes als Dauerschuld angesehen werden.

 

Normenkette

GewStG 1969 § 8 Nrn. 1, 12 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, wandte zur Unterstützung bedürftiger Belegschaftsmitglieder ihrer Tochtergesellschaft, der X-Unterstützungskasse-GmbH (X), deren Alleingesellschafterin sie ist, im Rahmen des Gesetzes über die Behandlung von Zuwendungen an betriebliche Pensionskassen und Unterstützungskassen bei den Steuern vom Einkommen und Ertrag vom 26. März 1952 (BGBl I 1952, 206, BStBl I 1952, 227) Beträge zu. Diese Beträge wurden der X nicht ausgezahlt, sondern einem bei der Klägerin geführten Konto Nr. 152.08 "Unterstützungskasse" gutgeschrieben. Die X stellte der Klägerin ihr gesamtes Kassenvermögen zur Verfügung.

Das Guthaben wurde im Streitjahr mit 5 % verzinst. Die Kontobewegungen verliefen regelmäßig so - auch vor und nach dem Streitjahr -, daß sich der Anfangssaldo im Laufe des Jahres durch Auszahlung von Unterstützungsleistungen - im Streitjahr bis zu drei Abbuchungen monatlich - verminderte und am 30. Dezember durch Gutschrift der Jahreszuwendung, der Jahreszinsen sowie des Ersatzes der geleisteten Unterstützungszahlungen über den Anfangsbestand hinaus erhöhte.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) rechnete im Anschluß an eine Betriebsprüfung dem Gewinn aus Gewerbebetrieb gemäß § 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) 1969 die im Streitjahr insgesamt gezahlten Zinsen (112 362 DM) hinzu und setzte bei der Ermittlung des Gewerbekapitals als Dauerschuld gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG 1969 den Saldo per 1. Januar 1969 in Höhe von 2 361 730 DM an (Gewerbesteuermeßbescheid vom 17. Februar 1976).

Demgegenüber war die Klägerin der Ansicht, daß als Dauerschuld nur der Mindestsaldo in der Zeit von einem Jahr vor und einem Jahr nach dem 1. Januar 1969 anzusetzen sei; als Dauerschuldzinsen seien die auf den maßgeblichen Mindestbetrag im Streitjahr entfallenden Zinsen hinzuzurechnen.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab.

Mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung der §§ 8 Nr. 1 und 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG 1969.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den Gewerbesteuermeßbescheid in der Weise zu ändern, daß Dauerschulden in Höhe von 1 944 516 DM und Dauerschuldzinsen in Höhe von 111 456 DM angesetzt werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Gemäß § 8 Nr. 1 GewStG 1969 werden dem Gewinn aus Gewerbebetrieb Zinsen für Schulden, die wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebs (Teilbetriebs) oder eines Anteils am Betrieb oder mit einer Erweiterung oder Verbesserung des Betriebs zusammenhängen oder - allein diese Alternative ist im Streitfall einschlägig - der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen, wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt sind.

a) Bei dieser Alternative spielt die Dauer der Laufzeit der Verbindlichkeit eine erhebliche Rolle (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. Juli 1976 I R 91/74, BFHE 119, 569, BStBl II 1976, 789). Steht eine Schuld - wie im Streitfall die Verbindlichkeit der Klägerin gegenüber der X - nicht mit einem bestimmten Geschäftsvorfall in unmittelbarem Zusammenhang, so dient sie der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals, wenn sie nicht innerhalb von 12 Monaten getilgt wird.

Diese Voraussetzung trifft auf die gegenüber der X bestehende Verbindlichkeit der Klägerin zu. Die X hat der Klägerin ihr gesamtes Kassenvermögen langfristig überlassen.

b) Die Verbindlichkeit wird nicht dadurch zu einer laufenden Schuld, daß die Klägerin auf Anforderung der X bestimmte Beträge aus dem ihr zur Verfügung gestellten Vermögen freigegeben hat.

Eine laufende Verbindlichkeit ist regelmäßig gegeben, wenn die Schuld mit nach der Art des Betriebs immer wiederkehrenden, bestimmbaren Geschäftsvorfällen, insbesondere mit dem Erwerb oder der Veräußerung von Umlaufvermögen, in wirtschaftlichem Zusammenhang steht (vgl. BFH-Urteil vom 4. Juli 1969 VI R 276/66, BFHE 96, 535, BStBl II 1969, 712, m.w.N.). Aus dieser Definition folgt, daß der Begriff "laufende Verbindlichkeit" entscheidend durch den Finanzierungsanlaß geprägt wird. Ohne Bedeutung ist dagegen, wie die Verbindlichkeit abgewickelt wird und obdie Abwicklung zum laufenden Geschäftsbetrieb gehört (vgl. BFH-Urteil vom 15. Oktober 1962 I 244/61, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, § 8 Nr. 1 Gewerbesteuergesetz, Rechtsspruch 20). Wie das FG zutreffend ausführt, stellt die Freigabe angeforderter Beträge lediglich eine teilweise Tilgung des Darlehens dar.

c) Der wechselnde Bestand der Schuld führt nicht dazu, daß diese in eine laufende Schuld und eine Dauerschuld zerlegt werden kann. Maßgeblich ist vielmehr, daß das einheitliche Schuldverhältnis - wie im Streitfall - insgesamt der nicht nur vorübergehenden Stärkung des Betriebskapitals dient (vgl. BFH-Urteile vom 2. Mai 1961 I 63/60 S, BFHE 73, 744, BStBl III 1961, 537, und vom 20. Juli 1965 I 7/65 U, BFHE 83, 333, BStBl III 1965, 620).

Kontokorrentschulden (Differenz zwischen Forderungen und Verbindlichkeiten) dagegen sind im allgemeinen laufende Schulden, es sei denn, daß aus dem Geschäftsverhältnis der Beteiligten geschlossen werden muß, daß trotz der äußeren Form des Kontokorrentverkehrs ein bestimmter Mindestkredit dem Unternehmen dauernd gewidmet werden soll (vgl. BFH-Urteil vom 20. November 1980 IV R 81/77, BFHE 132, 89, BStBl II 1981, 223). Kontokorrentschulden werden also erst durch die dauernde Widmung eines bestimmten Mindestbetrages und nur in dieser Höhe zu Dauerschulden. Im Unterschied dazu ist - wie ausgeführt - die Verbindlichkeit der Klägerin gegenüber der X bereits wegen der Dauer ihrer Laufzeit als Dauerschuld zu qualifizieren. In diesem Fall hat nicht nur der jeweilige Mindestbestand Dauerschuldcharakter, sondern die gesamte Schuld dient der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals (vgl. BFHE 83, 333, BStBl III 1965, 620). Entgegen der Auffassung der Klägerin können also Schulden mit wechselndem Bestand nicht generell nur in Höhe des Mindestbestandes als Dauerschulden angesehen werden; der Mindestbestand ist nur dann maßgeblich, wenn dieser erst die laufende Schuld zu einer Dauerschuld werden läßt.

Dementsprechend kann sich die Klägerin auch nicht mit Erfolg auf die Urteile des Reichsfinanzhofs (RFH) vom 15. November 1938 I 298/38 (RStBl 1939, 288), vom 8. Oktober 1940 I 130/40 (RStBl 1941, 75) und vom 3. August 1943 I 197/42 (RStBl 1943, 750) berufen. In diesen Fällen konnte nur der jeweilige Mindestbetrag als Dauerschuld berücksichtigt werden, weil es sich bei den einzelnen Schulden ihrer Art nach um kurzfristige Schulden handelte, die erst durch die dauernde Widmung eines Mindestbetrages Dauerschuldcharakter erlangten.

d) Da nach den vorstehenden Ausführungen die Schuld der Klägerin gegenüber der X insgesamt als Dauerschuld zu bewerten ist, müssen die Zinsen als Dauerschuldzinsen erfaßt werden, die während des Erhebungszeitraums auf die Schuld tatsächlich gezahlt worden sind (vgl. BFH-Urteil vom 28. Juli 1976 I R 12/75, BFHE 120, 57, BStBl II 1976, 792). Die Zinsen dürfen nicht nur aus dem Mindestbetrag errechnet werden; denn eine Dauerschuld bestand nicht nur in Höhe dieses Mindestbestandes.

2. Bei der Ermittlung des Gewerbekapitals sind gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG 1969 dem Einheitswert des gewerblichen Betriebs die Verbindlichkeiten, die den Schuldzinsen i. S. des § 8 Nr. 1 GewStG 1969 entsprechen, hinzuzurechnen, soweit sie bei der Feststellung des Einheitswerts abgezogen worden sind. Dabei ist grundsätzlich das Stichtagsprinzip maßgeblich: Änderungen in der Höhe der hinzuzurechnenden Verbindlichkeit seit der letzten Einheitswertfeststellung bleiben für die Ermittlung des Gewerbekapitals so lange unberücksichtigt, bis ein neuer Einheitswert festgestellt worden ist (vgl. BFH-Urteile vom 19. Juni 1962 I 18/62 U, BFHE 75, 225, BStBl III 1962, 349, und vom 28. Januar 1970 I R 12/68, BFHE 98, 186, BStBl II 1970, 336).

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt für den Fall, daß eine Dauerschuld nur in Höhe eines bestimmten Mindestbetrages vorliegt. In diesem Fall ist für die Feststellung des Mindestbetrages der Zeitraum zugrunde zu legen, der ungefähr ein Jahr vor und ein Jahr nach dem für die Feststellung des Einheitswerts maßgebenden Stichtag liegt (vgl. Urteil in RStBl 1939, 288, und Urteil in BFHE 98, 186, BStBl II 1970, 336). Diese Sonderregelung ist erforderlich, weil die am Stichtag bestehende Höhe der Verbindlichkeit in den meisten Fällen nicht dem maßgeblichen als Dauerschuld zu erfassenden Mindestbetrag entspricht.

Da aber - wie dargelegt - im Streitfall nicht ein bestimmter Mindestbetrag als Dauerschuld zu erfassen ist, sondern die Verbindlichkeit der Klägerin gegenüber der X insgesamt Dauerschuldcharakter hat, hat das FA die Schuld zu Recht mit dem Wert, mit dem sie in der Vermögensaufstellung per 1. Januar 1969 ausgewiesen war, dem Einheitswert des gewerblichen Betriebs hinzugerechnet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74954

BStBl II 1984, 379

BFHE 1984, 468

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