Leitsatz (amtlich)

Ein aus dem Vorderteil und dem Hinterteil zweier gebrauchter Schiffe zusammengesetztes Schiff ist kein neues Wirtschaftsgut.

 

Normenkette

BerlinFG § 19; InvZulG § 4b

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Binnenschiffer in Berlin (West). Er begehrt für ein Motorgüterschiff Investitionszulagen nach § 19 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) und § 4b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG). Das Motorgüterschiff wurde von einer Werft aus zwei alten Schiffen zusammengesetzt. Die vordere Hälfte stammt von einem Schleppkahn, den der Kläger bereits besaß. Dieses Schiff ohne eigenen Antrieb war darauf angewiesen, von fremden Schiffen geschoben oder gezogen zu werden. Dadurch war der Schleppkahn zwar noch in Berliner Gewässern, nicht aber mehr auf den Transitstrecken ins Bundesgebiet wirtschaftlich einzusetzen. Der Kläger erwarb deshalb ein gebrauchtes Motorgüterschiff für 20 000 DM hinzu. Von diesem Schiff wurde die hintere Hälfte einschließlich des Motors verwendet. Im Zusammenhang mit dem Zusammenbau der beiden Schiffshälften wurde das Schiff generalüberholt. Der Kläger wandte an Herstellungskosten für die Werft und den Kauf des alten Motorschiffes einen Betrag von 103 000 DM auf.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte die beantragten Investitionszulagen zunächst in voller Höhe ab. Das FA war der Auffassung, daß durch den Zusammenbau der beiden gebrauchten Schiffsteile kein neues Schiff hergestellt worden sei. Im Einspruchsverfahren gewährte das FA jedoch die Zulagen für die verwandten Neubauteile. Es handelt sich dabei um dem Kläger entstandene Kosten von 18 000 DM.

Auch die Klage war erfolglos. Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, daß von der Herstellung eines neuen Wirtschaftguts nur gesprochen werden könne, wenn es aus neuen, ungebrauchten Teilen zusammengesetzt werde. Dabei sei allerdings die Verwendung von gebrauchten Teilen in geringem Umfang unschädlich. Diese Voraussetzung liege hier aber nicht vor, weil das Motorgüterschiff aus zwei gebrauchten Schiffen zusammengesetzt worden sei und Neuteile nur in verhältnismäßig geringem Umfang verwendet worden seien. Seine Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1978 S. 530 abgedruckt.

Dagegen hat der Kläger Revision eingelegt, die er wie folgt begründet:

Das hergestellte Motorgüterschiff sei ein neues Wirtschaftsgut. Denn es habe mit dem früheren Schleppkahn keine Gemeinsamkeiten mehr. Es sei breiter, geräumiger, stabiler und auch erheblich länger als dieser. Auch das Verhältnis der Werftkosten (83 000 DM) zu den Anschaffungskosten der gebrauchten Teile (20 000 DM) sei erheblich. Dieses Verhältnis vergrößere sich noch, wenn man seine - des Klägers - Eigenleistungen als gelernter Maschinenschlosser von rd. 450 Arbeitstunden berücksichtige.

Nach Tz. 27 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen (BdF) vom 5. Mai 1977 (BStBl I 1977, 246) sei ein bewegliches Wirtschaftsgut, das der Investor selbst hergestellt habe, stets als "neu" anzusehen, wenn der Teilwert der bei der Herstellung verwendeten gebrauchten Wirtschaftgüter 10 v. H. des Teilwerts des hergestellten Wirtschaftsguts nicht übersteige. Diese Voraussetzungen lägen bei ihm vor. Denn der Teilwert des Schiffes betrage heute ca. 400 000 DM, während der Wert der Altteile nur rd. 20 000 DM betragen habe.

Der Bundesfinanzhof (BFH) habe in seinem Urteil vom 12. Juni 1975 VIII R 38/73 (BFHE 116, 573, BStBl II 1976, 96) aus gebrauchten Containern hergestellte Baubuden als neue Wirtschaftsgüter anerkannt, weil der Investor damit eine neue Idee verwirklicht habe, die ihm im Wettbewerb helfe. Diese Voraussetzung habe bei ihm auch vorgelegen, weil ihn seine mangelnde Wettbewerbsfähigkeit gezwungen habe, für sein Unternehmen ein neues Konzept zu erarbeiten.

Auch nach der Verkehrsanschauung sei hier ein neues Wirtschaftsgut entstanden. Das ergebe sich aus dem BFH-Urteil vom 9. August 1974 V R 79/74 (BFHE 113, 261, BStBl II 1974, 760). In diesem Urteil habe der BFH ausdrücklich entschieden, daß aus dem Zusammenbau eines noch brauchbaren Vorderteils eines Schiffes und dem noch brauchbaren Hinterteil eines weiteren Schiffes ein "neues" Wirtschaftsgut entstanden sei. Im vorliegenden Fall komme die Änderung der Wesensart noch hinzu; denn aus einem reinen Schleppkahn sei ein durch eigene Motorkraft betriebenes Motorgüterschiff hergestellt worden.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Bescheid des FA vom 17. Dezember 1976 i. d. F. der Einspruchsentscheidungen vom 1. Juni 1977 zu ändern und weitere Investitionszulagen in Höhe von ... DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Sowohl nach § 19 BerlinFG als auch nach § 4b Inv-ZulG wird eine Investitionszulage nur für neue abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens gewährt. Der Senat geht davon aus, daß das Tatbestandsmerkmal "neu" in beiden Gesetzen den gleichen Inhalt hat. Zwar ist der Sinn und Zweck dieser Bestimmungen nicht der gleiche. Für eine unterschiedliche Begriffsbestimmung sieht der Senat dennoch keinen Grund.

Unter einem "neuen" Wirtschaftsgut versteht die Rechtsprechung ein ungebrauchtes Wirtschaftsgut. Das muß kein neuwertiges Wirtschaftsgut sein, das technisch auf dem neuesten Stand ist. Es genügt, daß das Wirtschaftsgut fabrikneu ist. Diese Neuheit geht verloren, wenn das Wirtschafsgut wirtschaftlich genutzt wird. Der Begriff der Neuheit spielt hauptsächlich eine Rolle bei der Anschaffung von Wirtschaftsgütern (vgl. BFH-Urteil vom 13. März 1979 III R 71/78, BFHE 127, 117, BStBl II 1979, 287).

Bei der Herstellung von Wirtschaftsgütern wird man nur dann von einem neuen Wirtschaftsgut sprechen können, wenn dabei neue Teile verwendet werden. Die Herstellung eines Wirtschaftsguts aus alten, gebrauchten Teilen ist schon nach dem Sprachgebrauch kein "neues" Wirtschaftsgut. Allerdings wird die Einbeziehung von gebrauchten Teilen in geringem Umfang unschädlich sein. Der BdF sieht in Tz. 27 seines Schreibens vom 5. Mai 1977 diese Grenze als überschritten an, wenn der Teilwert der bei der Herstellung verwendeten gebrauchten Wirtschaftsgüter 10 % des Teilwerts des hergestellten Wirtschaftsguts überschreitet. Darüber hinaus hat der BFH in BFHE 116, 573, BStBl II 1976, 96, ein Wirtschaftsgut auch dann als neu bezeichnet, wenn trotz Verwendung von gebrauchten Gegenständen in größerem Umfang als 10 v. H. eine neue Idee verwirklicht wird, die dem Betrieb im Wettbewerb hilft.

2. Der Kläger erfüllt diese Voraussetzungen im Streitfall nicht.

Das Motorgüterschiff ist auch nach seiner Herstellung ein gebrauchtes Schiff geblieben. Denn seine hauptsächlichen Teile, der Bug, das Mittelteil und das Heck geben dem Schiff nach wie vor das Gepräge. Bei diesen Teilen handelt es sich aber um gebrauchte Wirtschaftsgüter. Auch sonstige wesentliche Teile des Schiffes, wie z. B. der Motor, waren bereits zuvor gebrauchte Gegenstände. Dementsprechend ist auch die Nutzungsdauer des Motorgüterschiffs geringer und die Reparaturanfälligkeit größer als bei einem neuwertigen modernen Schiff. Der Senat ist auch überzeugt, daß ein solches Schiff in den Verkehrskreisen des Klägers nicht als neues Schiff gilt und bei der Preisbemessung nicht mit einem neuwertigen Schiff konkurrieren kann.

3. Der Kläger hat auch nur in unbedeutendem Umfang neues Material verwendet. Er hat dies beim FA mit 18 000 DM beziffert. Die erstmals von ihm im Revisionsverfahren aufgemachte Rechnung, wonach einem Teilwert des neuen Schiffes von 400 000 DM nur ein Teilwert an Gebrauchtteilen von rd. 20 000 DM gegenüberstünde, enthält neues tatsächliches Vorbringen, das vom Senat nach § 18 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) im Revisionsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden kann. Weder die klägerischen Schriftsätze im finanzgerichtlichen Verfahren noch das Protokoll über die mündliche Verhandlung oder das angefochtene Urteil enthalten ein Vorbringen des Klägers in dieser Richtung.

4. Der Kläger kann sich auch nicht auf das Urteil in BFHE 116, 573, BStBl II 1976, 96, berufen. In dem entschiedenen Fall hatte der Investor aus gebrauchten Containern Bau-, Werkzeug- und Maschinenbuden hergestellt, die der BFH aufgrund "der neuen Idee" als neue Wirtschaftsgüter anerkannte. Eine solche neue Idee liegt hier aber nicht vor. Die Annahme einer neuen Idee scheitert schon daran, daß der Kläger aus den gebrauchten Schiffshälften nicht einen andersartigen Gegenstand, sondern wiederum ein Schiff hergestellt hat, wobei es ohne Bedeutung ist, daß der Kläger heute sein Unternehmen mit einem Motorgüterschiff betreibt, während er früher nur einen Schleppkahn zur Verfügung hatte.

5. Auch der Hinweis auf das Urteil in BFHE 113, 261, BStBl II 1974, 760, führt zu keinem anderen Ergebnis. Dieses Urteil ist zu § 30 des Umsatzsteuergesetzes 1967 (UStG 1967) a. F. ergangen. Nach dieser Bestimmung liegt Selbstverbrauch vor, wenn ein Unternehmer körperliche Wirtschaftsgüter, die einkommensteuerlich zu aktivieren sind, der Verwendung oder Nutzung als Anlagevermögen zuführt. Dies ist nach der Rechtsprechung dann nicht der Fall, wenn ein Wirtschaftsgut bereits zum Anlagevermögen gehört und sein Wert durch Aufwendungen lediglich erhöht wird. Eine solche Werterhöhung ist kein Selbstverbrauch. Es muß vielmehr ein Wirtschaftsgut "neu" angeschafft oder hergestellt werden, wobei ein solches Wirtschaftsgut aber auch ein gebrauchtes Wirtschaftsgut sein kann (vgl. BFH-Urteile vom 1. Oktober 1970 V R 69/70, BFHE 100, 278, BStBl II 1971, 36; vom 26. Januar 1978 V R 154/74, BFHE 124, 392, BStBl II 1978, 363). Der Begriff "neu" im vorliegenden Zusammenhang wird indessen in einem anderen Sinn gebraucht. § 30 UStG 1967 a. F. kennt im übrigen das Tatbestandsmerkmal "neu" auch nicht.

Anmerkung: Die Zahlenangaben wurden teilweise geändert.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73483

BStBl II 1980, 341

BFHE 1980, 102

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