Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Senat schließt sich dem Urteil IV 393/53 U vom 8. April 1954 (Slg. Bd. 58 S. 692, BStBl 1954 III S. 175) an, nach dem das Jahr der Herstellung eines Gebäudes das Jahr ist, in dem dieses bezugsfertig geworden ist.

Ein Steuerpflichtiger, der in dem auf das Jahr der Bezugsfertigkeit folgenden Jahre weitere Herstellungsarbeiten hat ausführen lassen, kann für die Inanspruchnahme der erhöhten AfA als Jahr der Herstellung nicht statt des Jahres der Bezugsfertigkeit das folgende Jahr in Anspruch nehmen.

 

Normenkette

EStG § 7b/1; EStR Abschn. 55

 

Tatbestand

Der Beschwerdegegner (Bg.) hat ein Einfamilienhaus errichtet, das er am 1. Oktober 1950 bezog. Im Jahre 1951 sind an dem Haus weitere Arbeiten am Außenputz, zur Anbringung einer Bodentreppe und zur Einfriedung des Grundstücks ausgeführt worden. Der Gesamtaufwand für die Herstellung des Hauses hat 33.200 DM betragen, von denen etwa 1.600 DM auf die nach dem 31. Dezember 1950 durchgeführten Arbeiten entfielen. Der Bg., der erstmals im Jahre 1951 die erhöhte Absetzung für Abnutzung (AfA) von 10 v. H. nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) und § 10 Abs. 3 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) in Anspruch genommen hatte, beantragte die gleiche Vergünstigung mit 3.220 DM auch für das Jahr 1952. Das Finanzamt hat ihm nur die erhöhte AfA von 3 v. H. auf den gesamten Herstellungsaufwand mit 966 DM zugebilligt. Auf den Einspruch hat der Steuerausschuß die AfA in Höhe von 1.078 DM zugestanden, indem er für den in das Jahr 1951 gefallenen nachträglichen Herstellungsaufwand von 1.600 DM eine AfA von 10 v. H. und eine solche von 3 v. H. auf den um die 1.600 DM gekürzten gesamten Herstellungsaufwand zuließ.

Der Finanzgericht entsprach der Berufung, indem es für 1952 die AfA auf 10 v. H. des gesamten Herstellungsaufwands festsetzte. Das Finanzgericht hat die Frage geprüft, ob der Steuerpflichtige, wenn Bezugsfertigkeit und tatsächliche Fertigstellung eines Gebäudes in zwei verschiedene Jahre fallen, die Vergünstigung des § 7 b EStG für das Jahr der Bezugsfertigkeit oder der tatsächlichen Fertigstellung in Anspruch nehmen kann. Es hat dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht zuerkannt, welches von diesen beiden Jahren für die Vergünstigung des § 7 b EStG als Jahr der Herstellung gelten soll.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) beantragte der Vorsteher des Finanzamts, die in der Einspruchsentscheidung getroffene Steuerfestsetzung wiederherzustellen. Der Begriff "Jahr der Herstellung" vertrage nur eine einheitliche Auslegung, wie sie in dem Urteil des Bundesfinanzhofs IV 393/53 U vom 8. April 1954 (Slg. Bd. 58 S. 692, Bundessteuerblatt - BStBl - 1954 III S. 175) gegeben sei. Nach der Systematik des EStG trete die erhöhte AfA des § 7 b EStG anstelle der normalen des § 7 EStG. Wie letztere könne auch die erhöhte AfA nicht später nachgeholt werden, wenn sie in einem Jahr nicht geltend gemacht worden sei. Dem Einwand des Bg., es sei gleichgültig, ob der Steuerpflichtige mit der ihm zustehenden erhöhten AfA früher oder später beginne, hält der Beschwerdeführer (Bf.) entgegen, daß das Wahlrecht einer willkürlichen Verteilung der erhöhten AfA je nach Interessenlage des Steuerpflichtigen den Weg öffne.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

§ 7 b EStG legt als Erstjahr für die anstelle der normalen AfA nach § 7 EStG tretende erhöhte AfA das Jahr der Herstellung des begünstigten Gebäudes fest. Unter dem Jahr der Herstellung kann in jedem Einzelfall nur das gleiche verstanden werden. Nach dem Urteil vom 8. April 1954 ist ein Wohngebäude als fertiggestellt i. S. des § 7 b EStG, §§ 10 Abs. 2, 9 Abs. 1 EStDV anzusehen, sobald es bewohnbar geworden ist. Hiernach steht der Umstand, daß noch kleinere Arbeiten nachzuholen sind, der Annahme der Fertigstellung nicht entgegen, wenn das Haus bewohnbar ist. Das folgt auch aus dem Zweck der Vorschrift des § 7 b EStG, den Wohnungsmarkt schnell zu entlasten. Nach diesen Grundsätzen, an denen der Senat festhält, ist im vorliegenden Fall das Jahr 1950, in dem der Bg. sein Einfamilienhaus bezogen hat, das Jahr der Herstellung. Ein Wahlrecht, anstelle dieses Jahres das Jahr 1951, in dem kleine Arbeiten nachgeholt worden sind, als Jahr der Herstellung gelten zu lassen, steht dem Bg. nicht zu. Diese Auffassung wird auch im Schrifttum überwiegend vertreten (Herrmann-Heuer, Anm. 6 zu § 7 b EStG; Hartmann-Böttcher, Anm. 13 zu § 7 b EStG; "Der Betrieb" 1954 S. 586; Steuer und Wirtschaft 1954 Spalte 425 ff.). Mit Recht hat der Bf. darauf hingewiesen, daß die Gewährung eines Wahlrechts hinsichtlich des Beginns der erhöhten AfA zu einer willkürlichen Beeinflussung der Besteuerung nach der jeweiligen Interessenlage des Steuerpflichtigen führen würde.

Ein Nachholen der im ersten Jahr versäumten AfA in den Folgejahren wäre mit dem Begriff der AfA nicht zu vereinbaren, die den Wertverzehr des Wirtschaftsguts während des Veranlagungszeitraums zum Inhalt hat. Dies gilt für die erhöhte AfA des § 7b EStG in gleicher Weise wie für die allgemeine AfA des § 7 EStG, an deren Stelle sie unter den gegebenen Voraussetzungen tritt.

Auch der Zweifel, in dem sich der Bg. über den Zeitpunkt der Herstellung des Gebäudes i. S. des § 7 b EStG befunden hat, vermag eine andere Entscheidung nicht zu rechtfertigen. Es kann dahingestellt bleiben, ob, wie der Bf. meint, eine Bindung für das Finanzamt entstanden wäre, wenn der Bg. vor der Veranlagung auf seinen Antrag eine schriftliche Zusage des Finanzamts über die Anwendung des § 7 b EStG in seinem Falle erhalten hätte. Denn der Bg. hat eine solche Entscheidung des Finanzamts weder erbeten noch erhalten. Ohne das Vorliegen einer solchen Zusage ging der Entschluß des Bg., ob er die erhöhte AfA für 1950 geltend machen sollte oder nicht, auf dessen Gefahr.

Die in Abschn. 48 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1953 und Abschn. 59 der EStR 1955 für nach dem 1. Januar 1953 fertiggestellte Gebäude eingeräumten Möglichkeiten, eine im Jahr der Herstellung und in dem darauf folgenden Jahr nicht ausgenutzte AfA auf das darauf folgende Jahr in der dort nachgelassenen Weise zu übertragen, können von der Rechtsprechung nicht angewendet werden. Während es die EStR 1953 in Abschn. 48 offenlassen, ob die gegebene Verwaltungsanweisung eine Auslegung des Gesetzes oder eine Billigkeitsmaßnahme bedeuten solle, ist im Abschn. 59 der EStR 1955 zum Ausdruck gebracht worden, daß Billigkeitsgründe zu der getroffenen Regelung geführt haben. Eine aus Billigkeitsgründen ergangene Verwaltungsanweisung, die von der gesetzlichen Regelung abweicht - mag sie auch sinnvoll erscheinen - kann aber von den nur an das Gesetz gebundenen Steuergerichten nicht beachtet werden. Um eine Auslegung des Gesetzes handelt es sich bei der in Frage stehenden Verwaltungsanweisung wiederum auch nach der Auffassung der Richtlinien selbst nicht, was aus Abschn. 59 EStR 1955 zu entnehmen ist. Denn diese Anweisung würde zu der bereits angedeuteten Aufspaltung des Begriffs der Herstellung und damit zu einer Anerkennung jeweiliger Teilherstellungskosten als Maßstab für die erhöhte AfA führen. Dies würde wiederum mit dem Willen des Gesetzgebers nicht zu vereinbaren sein, dem offenbar in sich geschlossene Bauvorhaben als AfA-Einheit vorschwebten, wie die Fassung des § 7 b Abs. 2 EStG erkennen läßt (vgl. Vangerow in Steuer und Wirtschaft 1954 a. a. O.). Die Vorentscheidung war daher aufzuheben.

Die Sache ist entscheidungsreif. Die zu treffende Entscheidung vermag nicht zur Wiederherstellung der Einspruchsentscheidung zu führen, weil diese mit der Zubilligung der erhöhten AfA von 10 v. H. auf die im Jahre 1951 entstandenen weiteren Herstellungsaufwände von 1.600 DM ebenfalls den Begriff der Herstellung aufgespalten hat, die im Sinn des § 7 b schon in 1950 mit der Bezugsfertigkeit des Einfamilienhauses vollendet war. Es kann daher nur die in dem Steuerbescheid zutreffend mit 3 v. H. des Herstellungsaufwands für das zweite Jahr nach der Herstellung zugebilligte AfA anerkannt werden.

Die Einkünfte aus der Nutzung des Einfamilienhauses im Jahre 1952 sind danach wie folgt festzustellen:

Nutzungswert -------------------------- 661,50 DM, Schuldzinsen bis zu dessen Höhe ------- 661,50 DM verbleiben: --------------------------- 0,-- DM erhöhte AfA im zweiten Jahr nach der Herstellung 3 v. H. von 33.200 ------ - 996,-- DM.Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung betragen danach 1.619 DM - 996 DM = 623 DM und das gesamte Einkommen des Bg. 43.659 DM, nach dem die Steuer (Gruppe III 2) auf 18.795 DM festzusetzen war.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408693

BStBl III 1957, 133

BFHE 1957, 352

BFHE 64, 352

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge