Leitsatz (amtlich)

Eine Beteiligung des Gesellschafter-Geschäftsführers von 50 v. H. und weniger an einer GmbH reicht für sich allein nicht aus, um dem Gesellschafter-Geschäftsführer den beherrschenden Einfluß auf die Gesellschaft zu sichern, den die Rechtsprechung des BFH über die steuerrechtliche Unbeachtlichkeit rückwirkender Gehaltserhöhungen verlangt.

 

Normenkette

KStG § 6 Abs. 1 S. 2

 

Tatbestand

Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige), eine GmbH, wurde im März 1960 mit einem Stammkapital von 100 000 DM gegründet. Die Fa. S. übernahm Stammeinlagen in Höhe von 51 000 DM, Herr W. und seine Ehefrau übernahmen die übrigen Stammeinlagen. Spätere Kapitalerhöhungen im Oktober 1960 und Mai 1961 um jeweils weitere 100 000 DM entfielen je zur Hälfte auf die Fa. S. und auf W., so daß zu Beginn des Streitjahres 1962 die Fa. S. mit 151 000 DM = 50 1/3 v. H., W. mit 124 000 DM = 41 1/3 v. H. und dessen Ehefrau mit 25 000 DM = 8 1/3 v. H. an der Steuerpflichtigen beteiligt waren. Geschäftsführer der Steuerpflichtigen waren in den Streitjahren 1962 und 1963 der Gesellschafter W. und ein Nichtgesellschafter. Die Steuerpflichtige hat auch einen Aufsichtsrat gebildet, der aus dem Präsidenten der Firma S., einem Vertreter der Eheleute W. und dem Wirtschaftsprüfer der Steuerpflichtigen besteht. Der Gründung der Steuerpflichtigen lag der Plan zugrunde, die W. KG, deren persönlich haftender Gesellschafter W. war, mit Hilfe des Kapitals der Fa. S. aus dem Konkurs zu retten. Diesem Zweck dienten mehrere Verträge: Ein Pachtvertrag zwischen der Steuerpflichtigen und der W. KG über das Fabrikgrundstück, die Maschinen und die Geschäftsausstattung der W. KG mit einem monatlichen Pachtzins von 3 000 DM, der Anstellungsvertrag zwischen der Steuerpflichtigen und W., ein Vertrag über die Benutzung von Warenzeichen der Fa. S. durch die Steuerpflichtige, zwei Darlehnsverträge zwischen der Fa. S. und W., durch die W. in die Lage versetzt wurde, die Einzahlung auf die Stammeinlagen zu leisten.

Der Gesellschafter-Geschäftsführer W. erhielt zunächst ein Monatsgehalt von 1 000 DM. Durch Beschluß der Gesellschaftsversammlung vom 1. Mai 1963 wurde das Gehalt rückwirkend auf den 1. Januar 1962 auf 2 000 DM monatlich erhöht. Die Nachzahlung von 12 000 DM für das Streitjahr 1962 stellte die Steuerpflichtige in der Bilanz 1962 zu Lasten des Erfolges zurück, die Nachzahlung von 4 000 DM für die ersten vier Monate des Streitjahres 1963 behandelte die Steuerpflichtige als Betriebsausgaben.

Der Revisionsbeklagte (das FA) rechnete die Gehaltsnachzahlungen im Anschluß an eine Betriebsprüfung als verdeckte Gewinnausschüttungen dem Gewinn der Streitjahre 1962 und 1963 hinzu.

Die Klage blieb ohne Erfolg. Das FG hat die nachträgliche Gehaltserhöhung unter Berufung auf die Rechtsprechung des BFH über die steuerrechtliche Unbeachtlichkeit rückwirkender Gehaltsvereinbarungen zwischen der Kapitalgesellschaft und dem Gesellschafter-Geschäftsführer als verdeckte Gewinnausschüttung angesehen. Diese Rechtsprechung setze allerdings voraus, daß der Gesellschafter-Geschäftsführer einen ins Gewicht fallenden Einfluß auf die Kapitalgesellschaft ausüben könne und daß bei ihm die Gesellschaftereigenschaft nicht offensichtlich gegenüber der Angestellteneigenschaft zurücktrete. Diese Voraussetzung sei im Streitfall erfüllt. W. sei zusammen mit seiner Ehefrau mit 49 2/3 v. H. und somit in einem beachtlichen Umfang an der Steuerpflichtigen beteiligt. Die daraus fließende Machtstellung des Gesellschafter-Geschäftsführers W. werde durch die besonderen Umstände, die zur Gründung der Steuerpflichtigen geführt hätten, nicht beeinträchtigt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Steuerpflichtigen.

Die Steuerpflichtige meint zunächst, die Eheleute W. hätten, da ihre Beteiligung 50 v. H. nicht erreiche, keinen größeren oder geringeren Einfluß auf die Gesellschaft als bei einer Beteiligung von 20 bis 25 v. H., die nach der Rechtsprechung für die Anwendung der Grundsätze über die steuerrechtliche Unbeachtlichkeit rückwirkender Gehaltserhöhungen nicht ausreiche. Überhaupt keinen Einfluß hätten die Eheleute W. auf die Festsetzung des Gehalts des W., da dieses nach dem Gesellschaftsvertrag durch den Aufsichtsrat festgesetzt werde. Auf diesen Punkt sei das FG trotz des Hinweises der Steuerpflichtigen nicht eingegangen. Entgegen der Auffassung des FG sei im Streitfall die völlige wirtschaftliche Abhängigkeit der Steuerpflichtigen von der Fa. S. gegeben. Ein Unternehmen, das 95 v. H. seiner Produkte an eine einzige Abnehmerin liefere, die über die Qualitätsansprüche bestimme, die Zahlungsweise festlege, bis ins einzelne gehende Anweisungen über Preisstellung, Vertreterprovisionen usw. treffe, sei von dieser Großabnehmerin abhängig. Dies gelte vor allem dann, wenn zu befürchten sei, daß die Lösung dieses Vertragsverhältnisses dem beherrschenden Gesellschafter kaum Unbequemlichkeiten, dem mitbeteiligten Gesellschafter aber den Existenzverlust einbringe.

Auch der Vorgang der Gehaltserhöhung lasse erkennen, daß W. ohne jeden Einfluß auf diese Entscheidung gewesen sei.

Die Steuerpflichtige beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die nachträgliche Gehaltserhöhung nicht als verdeckte Gewinnausschüttung zu betrachten und daher von ihrer Zurechnung zum Gewinn abzusehen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist begründet. Die nachträgliche Erhöhung des Gehaltes des Gesellschafter-Geschäftsführers W. kann nicht als verdeckte Gewinnausschüttung dem Gewinn der Steuerpflichtigen hinzugerechnet werden.

Richtig ist, daß nach ständiger Rechtsprechung des BFH für den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft mit steuerlicher Wirkung keine Vergütung für eine zurückliegende Zeit vereinbart und keine vereinbarte Vergütung für eine zurückliegende Zeit erhöht werden kann (BFH-Urteil I 135/65 vom 6. März 1968, BFH 92, 205, BStBl II 1968, 482). Das BVerfG hat durch Beschluß 1 BvR 495/63 und 325/66 vom 11. Juli 1967 (HFR 1967, 465) die Vereinbarkeit dieser Rechtsprechung mit dem Grundgesetz jedenfalls für den Fall bestätigt, daß die beiden Gesellschafter-Geschäftsführer (Eheleute) zu je 50 v. H. an der Gesellschaft beteiligt sind, und es offen gelassen, ob bei einer geringeren Beteiligung noch weitere Umstände hinzukommen müssen, damit die Stellung des Gesellschafter-Geschäftsführers als maßgebend angesehen werden könne.

Die steuerrechtliche Unbeachtlichkeit rückwirkender Gehaltserhöhungen setzt voraus, daß der Gesellschafter-Geschäftsführer einen ins Gewicht fallenden Einfluß auf die Kapitalgesellschaft ausüben kann und bei ihm die Gesellschaftereigenschaft nicht offensichtlich hinter der Angestellteneigenschaft zurücktritt (BFH-Urteile I 119/64 vom 8. März 1967, BFH 88, 289, BStBl III 1967, 372; I 4/59 S vom 4. August 1959, BFH 69, 299, BStBl III 1959, 374). Die Auffassung des FG, daß diese Voraussetzung im Streitfall erfüllt sei, hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Die Beteiligungen des W. und seiner Ehefrau von zusammen 49 2/3 v. H. reichen für sich allein nicht aus, um dem Gesellschafter-Geschäftsführer W. den beherrschenden Einfluß auf die Steuerpflichtige zu sichern, den die Rechtsprechung verlangt. Da die Beschlüsse einer GmbH nach der gesetzlichen Regel mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefaßt werden, kann nur bei einer Beteiligung von über 50 v. H. ein Beschluß über die Erhöhung des Gehalts des Geschäftsführers erzwungen werden (§§ 47, 46 Nr. 5 GmbHG). Der BFH hat wiederholt ausgeführt, die Rechtsprechung über die steuerrechtliche Unbeachtlichkeit rückwirkender Gehaltsvereinbarungen gelte in der Regel nicht für Gesellschafter-Geschäftsführer, die selbst oder zusammen mit ihren Angehörigen oder sonst nahestehenden Personen zu weniger als 25 v. H. an der Gesellschaft beteiligt sind (BFH-Urteile I 119/64, a. a. O.; I 96/64 vom 29. November 1967, BFH 91, 151, BStBl II 1968, 234; I 4/59 S, a. a. O.). Das bedeutet aber nicht, daß bei einer Beteiligung von 25 v. H. und darüber stets ein beherrschender Einfluß im Sinne der erwähnten Rechtsprechung anzunehmen wäre. Vielmehr ist zu unterscheiden: Eine Beteiligung von mehr als 50 v. H. wird, da sie die erforderliche Mehrheit für Gesellschafterbeschlüsse sichert (§ 47 GmbHG), stets genügen, es sei denn, daß besondere Umstände vorliegen, die eine Beherrschung ausschließen. Umgekehrt müssen zu einer Beteiligung von 50 v. H. und weniger besondere Umstände hinzutreten, um einen beherrschenden Einfluß auf die Gesellschaft zu begründen, wobei es vor allem auf die Möglichkeit des Einflusses bei Beschlüssen über die Vergütung des Gesellschafter-Geschäftsführers ankommt. Solche besonderen Umstände liegen z. B. vor, wenn Eheleute Gesellschafter mit einer Beteiligung von je 50 v. H. und zugleich Geschäftsführer der Gesellschaft sind (BFH-Urteil I 164/62 U vom 31. Juli 1963, BFH 77, 328, BStBl III 1963, 440), aber auch, wenn die beiden zu je 50 v. H. beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführer nicht Eheleute und nicht verwandt sind, weil hier die Interessen der Gesellschafter-Geschäftsführer in bezug auf die Höhe ihrer Vergütungen in der Regel in die gleiche Richtung gehen werden (BFH-Urteile I 96/64, a. a. O.; I 135/65, a. a. O.). Selbst im Fall einer Beteiligung von weniger als 25 v. H. sind rückwirkende Gehaltsvereinbarungen steuerrechtlich unbeachtlich, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer nach Lage des Einzelfalles einen ins Gewicht fallenden Einfluß auf die Willensbildung der Gesellschaft ausüben konnte und ausgeübt hat (BFH-Urteil I 178/63 U vom 10. November 1965, BFH 84, 202, BStBl III 1966, 73).

Im Streitfall fehlen Umstände, die dem Gesellschafter-Geschäftsführer W. einen beherrschenden Einfluß auf die Willensbildung der Steuerpflichtigen, insbesondere in der Frage der Höhe seiner Vergütungen, sicherten. Die Tatsache, daß W. im Laufe der Jahre weit über die Hälfte seiner Schulden gegenüber der Fa. S. getilgt hat, hat allenfalls seine Abhängigkeit von der Fa. S. verringert, seinen Einfluß auf die Steuerpflichtige aber nicht über das Maß der ihm und seiner Ehefrau zustehenden Beteiligung hinaus verstärkt. Auch der Anteil des W. und seiner Ehefrau an den durch nicht ausgeschüttete Gewinne angereicherten Rücklagen hat über die Beteiligung hinaus keinen zusätzlichen Wert. Denn das Vermögen der Steuerpflichtigen, das in den Rücklagen bilanzrechtlich zum Ausdruck kommt, steht den Gesellschaftern wiederum nur nach dem Maße ihrer Beteiligung und in den Schranken der gesellschaftsrechtlichen Bindung zu (vgl. §§ 29, 72 GmbHG). Vor allem ist nicht zu erkennen, auf welche Weise die Erhöhung der Rücklagen den Einfluß des Gesellschafter-Geschäftsführers W. auf die Willensbildung der Gesellschaft verstärkt haben soll. Was schließlich den Pachtvertrag zwischen der Steuerpflichtigen und der W. KG anlangt, so steht der durch ihn möglicherweise bedingten Abhängigkeit der Steuerpflichtigen von W. die Abhängigkeit der Steuerpflichtigen von der Fa. S. gegenüber, die durch den Vertrag über die Benutzung der Warenzeichen und durch die Eigenschaft der Fa. S. als Hauptabnehmerin der Steuerpflichtigen begründet ist.

Bei dieser Sach- und Rechtslage kann der Erhöhung des Gehalts des Gesellschafter-Geschäftsführers W., auch soweit sie für eine zurückliegende Zeit gewährt wurde, die steuerliche Anerkennung nicht unter Berufung auf die Rechtsprechung über die steuerrechtliche Unbeachtlichkeit rückwirkender Gehaltsvereinbarungen versagt werden. Eine verdeckte Gewinnausschüttung läge nur dann vor, wenn das erhöhte Gehalt von 2 000 DM monatlich unangemessen hoch wäre (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KStG, § 19 Nr. 1 KStDV). Dafür bestehen im Streitfall keine Anhaltspunkte.

Die Körperschaftsteuer für die Streitjahre ist demnach neu festzusetzen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68500

BStBl II 1969, 347

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