Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung des Gewerbeverlustes gemäß § 10a GewStG nach dem Tod eines Gesellschafters - Übergang des Verlustabzugs durch Gesamtrechtsnachfolge

 

Leitsatz (amtlich)

Beim Tod eines Gesellschafters einer Personengesellschaft entfällt der Verlustabzug gemäß § 10a GewStG, soweit der Fehlbetrag anteilig auf den ausgeschiedenen Gesellschafter entfällt (Anschluß an den Beschluß des Großen Senats des BFH vom 3.Mai 1993 GrS 3/92, BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616).

 

Orientierungssatz

Die (Gesamt-)Rechtsnachfolge allein ist kein Grund für den Übergang des Rechts zum Verlustabzug. Auch sind Einzelregelungen des Einkommensteuerrechts nicht ohne weiteres auf das Gewerbesteuerrecht zu übertragen. Im Streitfall blieb offen, ob für die Höhe des Verlustabzugs die Beteiligung im Verlustjahr oder im Abzugsjahr maßgebend ist.

 

Normenkette

EStG § 10d; GewStG § 10a

 

Tatbestand

Der einzige Kommanditist der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) --K.P.-- starb am 4.Januar 1974 und wurde von seiner Ehefrau sowie seinen 3 Töchtern beerbt. Die Erben traten mit Wirkung vom 1.Januar 1974 als Kommanditisten in die Klägerin ein und brachten gleichzeitig das frühere Einzelunternehmen des K.P. ein.

Bis zum Tode des K.P. war Komplementärin der KG die X-GmbH mit einem Kapitalanteil von 10 v.H. Gesellschafter dieser GmbH waren K.P. mit einem Anteil von 90 v.H. und eine seiner Töchter mit einem Anteil von 10 v.H. Nach dem Tode des K.P. waren die GmbH zu 7,6 v.H. und die Erben des K.P. zu 92,4 v.H. an der Klägerin beteiligt.

In den Gewerbesteuererklärungen für die Streitjahre 1974 bis 1976 kürzte die Klägerin ihren positiven Gewerbeertrag um die in den Jahren 1972 und 1973 von ihr erlittenen Gewerbeverluste (1972: 217 511 DM; 1973: 384 849 DM).

Im Anschluß an eine Betriebsprüfung änderte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Gewerbesteuermeßbescheide 1974 und 1975 und ließ nur noch 10 v.H. der geltend gemachten Verluste zum Abzug zu. Das entsprach der ursprünglichen Beteiligung der GmbH an der Klägerin. Auch für das Streitjahr 1976 erkannte das FA einen weitergehenden Verlustabzug nicht an. Das FA war der Ansicht, daß insofern weder die Unternehmens- noch die Unternehmergleichheit gegeben seien.

Nach vergeblichem Einspruch erhob die Klägerin Klage, der das Finanzgericht (FG) stattgab. Während des Klageverfahrens hat das FA den Gewerbesteuermeßbescheid 1976 geändert; die Klägerin hat gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beantragt, den geänderten Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.

Das FG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 115 Abs.2 Nr.1 FGO).

Gegen das finanzgerichtliche Urteil hat das FA Revision eingelegt, mit der es Verletzung materiellen Rechts rügt.

Das FA beantragt, unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten. Er hat in grundsätzlicher Weise zur Frage der Unternehmeridentität Stellung genommen; der BMF ist der Ansicht, daß ein Verlustabzug gemäß § 10a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) nur insoweit möglich sei, als Unternehmeridentität gegeben sei.

Der Senat hat mit Beschluß vom 14.August 1992 das Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) in der Sache VIII R 4/88 gemäß § 155 FGO i.V.m. § 251 Abs.1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) angeordnet. Der Große Senat des BFH hat über den Vorlagebeschluß des erkennenden Senats vom 12.November 1991 VIII R 4/88 (BFHE 166, 576, BStBl II 1992, 563) durch Beschluß vom 3.Mai 1993 GrS 3/92 (BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616) entschieden. Damit ist der Grund für das Ruhen des Verfahrens weggefallen. Das Verfahren war wieder aufzunehmen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage als unbegründet (§ 126 Abs.3 Nr.1 FGO). Das FA hat zu Recht den Gewerbeertrag der Klägerin im Streitjahr 1974 um jedenfalls nicht mehr als einen Fehlbetrag in Höhe von 60 237 DM gemäß § 10a GewStG i.d.F. vom 15.August 1974 (BGBl I 1974, 1971) gekürzt und eine Berücksichtigung der Verluste in den Streitjahren 1975 und 1976 gemäß § 10a GewStG in der ab 1975 geltenden Fassung (vgl. Art.10 Nr.7 und 14 des Steuerbereinigungsgesetzes --StBereinG-- 1986, BGBl I 1985, 2436, 2451 f.) abgelehnt, weil die Unternehmeridentität nicht gegeben war.

Nach § 10a GewStG wird der maßgebende Gewerbeertrag um die Fehlbeträge gekürzt, die sich bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrags für die fünf vorangegangenen Erhebungszeiträume ergeben. Allerdings kann diesen Verlustvortrag nur der Unternehmer und Mitunternehmer in Anspruch nehmen, der den Verlust (Fehlbetrag) selbst getragen hat (sog. Unternehmeridentität, Beschluß des Großen Senats des BFH in BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616). Wegen der Begründung im einzelnen wird auf den Inhalt dieses Beschlusses verwiesen.

Im Streitfall sind die Kommanditisten ab 1974 als Erben nach dem verstorbenen K.P. Gesellschafter der Klägerin geworden. Der Große Senat hat in seinem Beschluß nicht ausdrücklich zu der Frage Stellung genommen, ob Unternehmeridentität gegeben ist, wenn ein Rechtsnachfolger (Erbe) des Gesellschafters an seine Stelle tritt (vgl. aber a.a.O., zu C III.3.). Die Frage ist zu verneinen.

Der Große Senat hat entschieden, daß das Recht zum Verlustabzug dem Unternehmer des Betriebs zusteht (zu C III.9.a), d.h. nicht dem Gewerbebetrieb als solchem. Nur der Gesellschafter (Mitunternehmer), der den Verlust erlitten hat, ist zum Abzug des Verlusts berechtigt. Stirbt der Gesellschafter (Mitunternehmer), dann endet damit seine Mitunternehmerschaft. Sein Erbe oder sonstiger Rechtsnachfolger in der Gesellschaft ist mit ihm nicht identisch. Die (Gesamt-)Rechtsnachfolge allein hat der BFH nicht als Grund für den Übergang des Rechts zum Verlustabzug angesehen (vgl. zum Verlustabzug gemäß § 6 des Körperschaftsteuergesetzes a.F., § 10d des Einkommensteuergesetzes --EStG-- bei gesellschaftsrechtlicher Gesamtrechtsnachfolge, BFH-Urteile vom 5.November 1969 I R 60/67, BFHE 97, 360, BStBl II 1970, 149; vom 19.August 1981 I R 223/78, nicht veröffentlicht).

Für den Verlustabzug gemäß § 10a GewStG hat der BFH entschieden (Urteile vom 23.Juli 1958 I 139/57 U, BFHE 67, 400, BStBl III 1958, 426, und vom 4.Februar 1966 VI 272/63, BFHE 86, 123, BStBl III 1966, 374), daß im Falle des Todes eines Gesellschafters einer Personengesellschaft der auf ihn entfallende Anteil an einem Gewerbeverlust nicht von den übrigen Gesellschaftern, auch wenn sie seine Erben sind, abgezogen werden darf (vgl. zum Erben eines Einzelunternehmers BFH-Urteil vom 14.Januar 1965 IV 173/64 S, BFHE 81, 318, BStBl III 1965, 115). Nachdem der Große Senat in der Änderung der Fassung des § 10a Satz 1 GewStG durch das StBereinG 1986 keinen Grund sieht, von dem Erfordernis der Unternehmeridentität als Voraussetzung des Verlustabzugs abzugehen, sieht auch der erkennende Senat keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung des BFH abzuweichen, die wiederholt bestätigt worden ist (BFH-Urteile vom 14.Dezember 1989 IV R 116/88, BFH/NV 1991, 112; IV R 117/88, BFHE 159, 528, BStBl II 1990, 436 zu 2.; vgl. auch BFH-Urteile vom 18.Mai 1972 I R 153/70, BFHE 106, 225, 228, BStBl II 1972, 775, und vom 14.November 1968 I R 16/66, BFHE 94, 342, BStBl II 1969, 169).

Die Rechtsprechung hat allerdings im Rahmen des § 10d EStG den Abzug eines Verlustes des Erblassers bei dessen Erben und Nachfolger im Gesellschaftsverhältnis zugelassen (BFH-Urteil vom 22.Juni 1962 VI 49/61 S, BFHE 75, 328, BStBl III 1962, 386; kritisch zu dieser Rechtsprechung Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9.Aufl., S.307). Der Senat läßt offen, ob insoweit die Durchbrechung des Grundsatzes gerechtfertigt ist, wonach der Abzug des Verlustes nur demjenigen zusteht, der ihn erlitten hat (Grundsatz der Personenidentität, BFH-Urteil vom 4.Dezember 1991 I R 74/89, BFHE 166, 342, BStBl II 1992, 332, zu II.1.). Der BFH hat es jedenfalls von Anfang an abgelehnt, die einkommensteuerliche Behandlung auf das Gewerbesteuerrecht zu übertragen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 67, 400, BStBl III 1958, 426). Die Regelung des Verlustabzugs in § 10a GewStG ist zwar in ihrem Ursprung auf den einkommensteuerlichen Verlustvortrag zurückzuführen (vgl. Runderlaß des Reichsministers der Finanzen vom 14.Juli 1939, RStBl 1939, 849). Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, daß Einzelregelungen des Einkommensteuerrechts auf das Gewerbesteuerrecht zu übertragen sind.

Der erkennende Senat kann offenlassen, ob das FA zu Recht 10 v.H. (entsprechend der Beteiligung der GmbH in den Verlustjahren) statt 7,6 v.H. (Beteiligung im Abzugsjahr) des Verlustes zum Abzug zugelassen hat (vgl. dazu BFH-Urteil vom 12.Januar 1978 IV R 26/73, BFHE 124, 348, zu 2.3., BStBl II 1978, 348). Der Senat wäre aufgrund des Verböserungsverbots (vgl. dazu Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 3.Aufl., § 96 Rdnr.5) gehindert, den streitigen Steuermeßbescheid insofern zu ändern.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64748

BFH/NV 1994, 28

BStBl II 1994, 331

BFHE 173, 371

BFHE 1994, 371

BB 1994, 564

BB 1994, 706

BB 1994, 706-707 (LT)

DB 1994, 564 (LT)

DStR 1994, 615 (KT)

DStZ 1994, 251-252 (LT)

HFR 1994, 404-405 (LT)

StE 1994, 159 (K)

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