Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsätze von Einrichtungen der Wohlfahrtspflege nur bei unmittelbarer Erbringung an Hilfsbedürftige steuerfrei - Vermietung einer zentralen Fernsprechanlage in Büroräumen nicht steuerfrei

 

Leitsatz (amtlich)

Leistungen einer Einrichtung der Wohlfahrtspflege an andere steuerbegünstigte Körperschaften oder Behörden sind nicht nach § 4 Nr.18 UStG 1991 steuerfrei, wenn sie nicht unmittelbar, sondern allenfalls mittelbar hilfsbedürftigen Personen i.S. der §§ 53, 66 AO 1977 zugute kommen.

 

Orientierungssatz

1. Ausführungen mit Rechtsprechungshinweisen zum leistungsbezogenen Merkmal der Unmittelbarkeit in § 4 Nr.18 Satz 1 Buchst.b UStG 1991 sowie zum Zweck der Norm.

2. Die mit der Vermietung von Büroräumen verbundene Berechtigung zur Benutzung einer zentralen Fernsprechanlage ist keine Nebenleistung zur Vermietung von Büroräumen und damit nicht nach § 4 Nr.12 Buchst.a UStG 1991 steuerfrei.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 53, 66; UStG 1991 § 4 Nr. 12 Buchst. a, Nr. 18 S. 1 Buchst. b

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG (Entscheidung vom 27.03.1996; Aktenzeichen IV 137/96)

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist ein Landesverband des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands e.V. Nach § 2 Abs.1 seiner Satzung dient er ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigten gemeinnützigen und mildtätigen Zwecken i.S. der Abgabenordnung (AO 1977). § 2 Abs.2 bis 4 der Satzung des Klägers lauten wie folgt:

"(2) Der Landesverband arbeitet aus humanitärer

Verantwortung ohne konfessionelle und parteipolitische

Bindungen. Er repräsentiert und fördert seine

Mitgliedsorganisationen unter Wahrung ihrer

Selbständigkeit und Eigenart in ihrer fachlichen

Zielsetzung und ihren rechtlichen gesellschaftlichen und

wirtschaftlichen Belangen. Durch verbandseigene

Einrichtungen kann er zur Erhaltung, Zusammenarbeit und

Neugründung von Organisationen und Einrichtungen der

Sozialarbeit beitragen.

(3) Aufgaben des Landesverbandes sind insbesondere:

1. Beratung und Information der Mitgliedsorganisationen.

2. Förderung der fachlich-methodischen Sozialarbeit.

3. Aus- und Fortbildung haupt- und ehrenamtlich

tätiger Mitarbeiter.

4. Weckung und Entwicklung wohlfahrtspflegerischer

Aktivitäten, insbesondere für Kinder, Jugendliche,

Mütter, alte Menschen, Kranke und Behinderte.

5. Werbung für seine Aufgaben, Spendensammlungen und

Bereitstellung von Hilfsmitteln.

6. Pflege ehrenamtlicher Arbeit.

7. Öffentlichkeitsarbeit über die Ziele des Verbandes.

8. Zusammenarbeit mit und Vertretung der

Mitglieder gegenüber dem Gesamtverband, der

Landesregierung, den Gebietskörperschaften und den auf

Landesebene tätigen Verbänden und Einrichtungen.

(4) Daneben kann der Landesverband durch Errichtung und

Unterhaltung von Krankenhäusern, Heimen, Werkstätten,

Horten und Schulen für Behinderte, therapeutische

Einrichtungen, mobilen Hilfsdiensten,

Altenbegegnungsstätten, Altenheimen, Altenklubs und

ähnlichen Einrichtungen i.S. des § 68 AO 1977 seine

sozialen Leistungen verstärken."

Mitglieder des Klägers sind u.a. der Landesverband S der S

Gesellschaft, die Arbeitsgemeinschaft B gGmbH und das

Kinderzentrum P, Sonderkrankenhaus zur Entwicklungsförderung

und Rehabilitation gemeinnützige GmbH.

An diese Mitglieder und zwei andere Organisationen (den

Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband, Landesverband M und

das Bundesamt für Zivildienst) erbrachte der Kläger nach den

Feststellungen einer Außenprüfung folgende Leistungen, um die

es im vorliegenden Rechtsstreit noch geht:

1. Der Kläger hatte im Streitjahr u.a. an die S Gesellschaft

Räume vermietet; diese nutzte --wie auch andere Mieter-- die

Telefonanlage des Klägers und entrichtete hierfür monatliche

Kostenpauschalen (im Streitjahr 5 144,71 DM). Die

Gebühreneinheiten wurden daneben gesondert erfaßt und

abgerechnet. Vertragspartner der Post war ausschließlich der

Kläger.

2. Im Dezember 1991 stellte der Kläger dem Deutschen

Paritätischen Wohlfahrtsverband, Landesverband M für die

Fortbildung, Beratung und Begleitung in den Bereichen

Behinderten- und Altenpflege sowie der allgemeinen

Geschäftsführung 40 000 DM in Rechnung.

3. Ein Arbeitnehmer des Klägers übernahm die Funktion des kaufmännischen Verwaltungsleiters bei der Arbeitsgemeinschaft B gGmbH und dem Sonderkrankenhaus zur Entwicklungsförderung und Rehabilitation gemeinnützige GmbH. Im Gegenzug erstatteten die beiden Gesellschaften dem Kläger die gesamten den Mitarbeiter betreffenden Personalkosten.

4. Der Kläger führte gemeinsam mit den Landesverbänden H und B im Namen und im Auftrag des Bundesamtes für Zivildienst Verwaltungsaufgaben durch, die ihnen nach § 5a Abs.2 des Zivildienstgesetzes (ZDG) vom Bundesamt für Zivildienst übertragen worden waren. Die Höhe der Zahlung richtete sich nach der Anzahl der zu betreuenden Zivildienstleistenden. Aufwendungen für Abordnungen der Zivildienstleistenden sowie erhöhte Verwaltungskosten bei Einsatz in der Schwerstbehindertenbetreuung wurden daneben zu festgesetzten Sätzen vergütet.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) beurteilte diese Sachverhalte als steuerpflichtige Leistungen des Klägers und besteuerte sie nach § 12 Abs.2 Nr.8 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1991) mit dem ermäßigten Steuersatz (Steuerbescheid für das Jahr 1991 vom 15. Mai 1995); die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr.18 UStG 1991 sah das FA als nicht erfüllt an, da die Leistungen nicht gemäß § 4 Nr.18 Satz 1 Buchst.b UStG 1991 unmittelbar dem begünstigten Personenkreis zugute gekommen seien.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg, soweit sie die oben genannten Punkte betraf. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, die Empfänger der Leistungen, um die es hier geht, gehörten zu dem in § 4 Nr.18 Satz 1 Buchst.b UStG 1991 genannten Personenkreis.

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision. Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger ist der Revision entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Der Kläger hat die Leistungen, um die es geht, gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens gemäß § 1 Abs.1 Nr.1 UStG 1991 erbracht. Dies gilt auch für die Leistungen an die Mitgliedsverbände. Die Leistungen einer Personenvereinigung an ihre Mitglieder sind jedenfalls dann auf die Erlangung einer Gegenleistung gerichtet, wenn sie gegen ein --zusätzlich zu dem allgemeinen Mitgliedsbeitrag gezahltes-- Sonderentgelt erbracht werden (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. Dezember 1984 V R 25/76 unter B.3.c der Entscheidungsgründe, BFHE 142, 524, BStBl II 1985, 176; vom 8. September 1994 V R 46/92, BFHE 175, 467, BStBl II 1994, 957, und vom 27. Juli 1995 V R 40/93, BFHE 178, 480, BStBl II 1995, 753). Nach den Sachverhaltsfeststellungen des FG liegen derartige Leistungen gegen Sonderentgelte vor.

2. Die Leistungen waren nicht nach § 4 Nr.18 UStG 1991 steuerfrei.

Nach § 4 Nr.18 UStG 1991 sind die Leistungen der amtlich anerkannten Verbände der freien Wohlfahrtspflege und der der freien Wohlfahrtspflege dienenden Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die einem Wohlfahrtsverband als Mitglied angeschlossen sind, umsatzsteuerfrei, wenn

a) diese Unternehmer ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen,

b) die Leistungen unmittelbar dem nach der Satzung, Stiftung oder sonstigen Verfassung begünstigten Personenkreis zugute kommen und

c) die Entgelte für die in Betracht kommenden Leistungen hinter den durchschnittlich für gleichartige Leistungen von Erwerbsunternehmen verlangten Entgelten zurückbleiben.

Der Kläger bildete mit anderen Landesverbänden den Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband e.V., der nach § 23 Nr.3 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV 1991) als amtlich anerkannter Verband der Wohlfahrtspflege gilt. Der Kläger gehörte demnach zu den nach § 4 Nr.18 UStG 1991 begünstigten Personen.

Das Unternehmen des Klägers diente auch gemäß § 4 Nr.18 Satz 1 Buchst.a UStG 1991, § 53 AO 1977 ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken. Die Leistungen, um die es hier geht, kamen aber nicht unmittelbar dem nach der Satzung begünstigten Personenkreis zugute.

Der nach der Satzung des Klägers begünstigte Personenkreis geht nicht über die in §§ 53, 66 AO 1977 genannten Personen hinaus. Der Kläger ist nur deshalb eine gemeinnützige Einrichtung der Wohlfahrtspflege, weil seine Tätigkeit unter den weiteren Voraussetzungen des § 53 AO 1977 darauf gerichtet ist, Personen zu unterstützen, die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes auf die Hilfe anderer angewiesen sind; die Sorge für diese notleidenden oder gefährdeten Mitmenschen kann sich auf das gesundheitliche, sittliche, erzieherische oder wirtschaftliche Wohl erstrecken und Vorbeugung oder Abhilfe bezwecken (§ 66 Abs.2 AO 1977).

Der Kläger hat mit den Umsätzen, um die es hier geht, nicht unmittelbar die genannten notleidenden und gefährdeten Mitmenschen unterstützt, sondern an die oben genannten Organisationen Leistungen erbracht, die den begünstigten Personen nicht unmittelbar, sondern allenfalls mittelbar zugute kamen.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist das Merkmal der Unmittelbarkeit in § 4 Nr.18 Satz 1 Buchst.b UStG 1991 leistungsbezogen (vgl. BFH-Urteil vom 18. Oktober 1990 V R 76/89, BFHE 162, 510, BStBl II 1991, 268). An seiner Verwirklichung fehlt es, wenn ein unter § 4 Nr.18 Satz 1 Buchst.a UStG 1991 fallender Unternehmer in seiner Krankenhauswäscherei Wäsche für ein fremdes Krankenhaus wäscht (vgl. BFH-Urteil vom 18. Oktober 1990 V R 35/85, BFHE 162, 502, BStBl II 1991, 157) oder aus seiner Krankenhausapotheke Arzneimittel an ein fremdes Krankenhaus liefert (BFH in BFHE 162, 510, BStBl II 1991, 268). Diese Leistungen kommen den begünstigten Kranken selbst dann nicht unmittelbar zugute, wenn die Leistungsempfänger gemeinnützig sind.

Es ist zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, daß Leistungen eines Wohlfahrtsverbandes an einen anderen Verband oder eine Behörde nach § 4 Nr.18 UStG 1991 begünstigt sind; doch müssen auf jeden Fall die Leistungen unmittelbar den begünstigten notleidenden und gefährdeten Mitmenschen zugute kommen. So mag es z.B. sein, wenn ein Wohlfahrtsverband in seinem Obdachlosenheim Personen aufnimmt, die ihm vom Sozialamt der Gemeinde zugewiesen werden (vgl. Hartmann/ Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 4 Nr.18 Rz.30), oder wenn ein Wohlfahrtsverband Personal für die Führung eines fremden Studentenheims und Schullandheims abstellt (vgl. BFH-Urteil vom 8. Juli 1971 V R 1/68, BFHE 103, 247, BStBl II 1972, 70). Um derartige personenbezogene Leistungen geht es im Streitfall jedoch nicht.

Eine Veranlassung, von der zitierten Rechtsprechung abzurücken, sieht der Senat nicht. Aus dem Umstand, daß nach § 4 Nr.18 UStG 1991 auch (Spitzen-)Verbände der freien Wohlfahrtspflege begünstigt sind, denen die in dieser Vorschrift genannten gemeinnützigen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen als Mitglied angeschlossen sind, folgt nicht, daß auch die Mitgliedsverbände eines Wohlfahrtsverbandes --oder gar Schwesterverbände und Behörden-- zum begünstigten Personenkreis gehören. § 4 Nr.18 UStG 1991 bezweckt nicht die Förderung mehrstufiger Wohlfahrtsorganisationen, sondern die Entlastung der in §§ 53, 66 AO 1977 genannten Mitmenschen. Da sich die Mitgliedsverbände nur im Kernbereich ausschließlich der gemeinnützigen Wohlfahrtspflege widmen müssen, widerspräche die generelle Befreiung der Leistungen der in § 4 Nr.18 UStG 1991 genannten Spitzenverbände an ihre Mitgliedsverbände nicht nur dem Wortlaut, sondern auch dem Sinn dieser Vorschrift. Selbst wenn die Spitzenverbände ihre Leistungen zu niedrigeren Entgelten als vergleichbare Erwerbsunternehmen anböten, würde ihre umfassende Steuerbefreiung doch zu Wettbewerbsverzerrungen führen, die mit der Wettbewerbsneutralität der Umsatzsteuer nicht vereinbar wären.

3. Die Nutzungsüberlassung der Telefonanlage an die S Gesellschaft (und die anderen Mieter) war auch nicht nach § 4 Nr.12 Buchst.a UStG 1991 steuerfrei. Die mit der Vermietung von Büroräumen verbundene Berechtigung zur Benutzung einer zentralen Fernsprechanlage ist keine Nebenleistung zur Vermietung von Büroräumen (BFH-Urteil vom 14. Juli 1977 V R 20/74, BFHE 123, 203, BStBl II 1977, 881).

 

Fundstellen

Haufe-Index 65779

BFH/NV 1997, 235

BStBl II 1997, 366

BFHE 181, 532

BFHE 1997, 532

BB 1997, 721 (Leitsatz)

DB 1997, 859-860 (Leitsatz und Gründe)

DStRE 1997, 391-393 (Leitsatz und Gründe)

HFR 1997, 499-500 (Leitsatz)

StE 1997, 207-208 (Kurzwiedergabe)

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