Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Kaufmann mit einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr darf in seiner Bilanz die tarifvertraglich auf das Kalenderjahr bezogenen und im Kalenderjahr des Bilanzzeitpunkts gezahlten Urlaubsgelder insoweit aktiv und passiv abgrenzen, als die vor dem Bilanzstichtag gezahlten Urlaubsgelder auch Dienstleistungen nach diesem Zeitpunkt und die nach dem Bilanzstichtag gezahlten Urlaubsgelder auch Dienstleistungen vor diesem Zeitpunkt betreffen.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Ziff. 3

 

Tatbestand

Streitig ist, ob und in welchem Umfang noch nicht gezahlte Urlaubsgelder an Arbeitnehmer in der Bilanz vom 30. Juni 1956 passiviert werden dürfen.

Der Ehemann der beschwerdeführenden Eheleute ist Inhaber eines Fabrikationsbetriebs. Er bildete wegen noch nicht an seine Arbeitnehmer bezahlter Urlaubsgelder in der Bilanz seines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahres vom 30. Juni 1956 eine Rückstellung von 28 672,58 DM, die er aus dem Unterschied zwischen den im Kalenderjahr 1956 tatsächlich gezahlten und den in der Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1956 angefallenen Urlaubsgeldern (43 204,58 DM - 14 552 DM) berechnete. Er ging dabei davon aus, daß er den am 30. Juni 1956 beschäftigten Arbeitnehmern, die im Kalenderjahr 1956 ihren Urlaub noch nicht erhalten hätten, an dem Bilanzstichtag den vollen, auf das Kalenderjahr 1956 entfallenden Urlaub schulde. Das ergebe sich aus dem Rahmentarifvertrag für die Arbeiter der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie für Nordrhein-Westfalen vom 12. Januar 1952, wonach das Urlaubsjahr das Kalenderjahr sei und der Arbeiter nach dem 1. Mai seinen Urlaubsanspruch auch dann in voller Höhe geltend machen dürfe, wenn er noch im Laufe des Kalenderjahres ausscheide (§ 10 Ziff. 3 und 14 des Tarifvertrags).

Das Finanzamt erkannte die Rückstellung nicht an. Die Sprungberufung der Bf. hatte zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht ließ die Rückstellung insoweit zu, als die nach dem Bilanzstichtag, aber noch im Kalenderjahr 1956 gezahlten Urlaubsgelder (28 672,58 DM) höher waren als die Hälfte der im Kalenderjahr 1956 gezahlten Urlaubsgelder (43 204,58 DM). Das ergab einen Rückstellungsbetrag von 7071 DM. Das Finanzgericht ging dabei von der Erwägung aus, daß das einem Arbeitnehmer gezahlte Urlaubsgeld eine zusätzliche Vergütung für die im Kalenderjahr von ihm geleistete Arbeit darstelle und daß deshalb die im Kalenderjahr 1956 tatsächlich gezahlten Urlaubsgelder zeitanteilig auf das ganze Kalenderjahr verteilt werden dürften.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. der Bf. ist nicht begründet.

Der Auffassung des Finanzgerichts, daß der einem Arbeitnehmer während des Jahresurlaubs weitergezahlte Lohn (Urlaubsgeld) zeitanteilig als Vergütung für Arbeitsleistungen auf den Zeitraum verteilt werden darf, auf den sich der Jahresurlaub bezieht, ist zuzustimmen. Sie ergibt sich aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 61/53 U vom 5. Juni 1953, BStBl 1953 III S. 221, Slg. Bd. 57 S. 573, in dem zu Ungunsten des Arbeitgebers die passive Abgrenzung der im Kalenderjahr 1948, aber nach dem 20. Juni 1948 den Arbeitnehmern gezahlten Urlaubsgelder insoweit verlangt wird, als sie sich auf den vor dem 21. Juni 1948 liegenden Zeitraum des Kalenderjahres 1948 bezogen. Diese Abgrenzung beruhte auf der Auffassung, daß Urlaubsgelder anders als Weihnachtsgratifikationen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 13/52 U vom 1. April 1952, BStBl 52 III S. 143, Slg. Bd. 56 S. 365), aber ebenso wie das 13. Monatsgehalt der Bankangestellten einen zusätzlichen Lohn für das Kalenderjahr darstellen. Dem schließt sich der Senat jedenfalls insoweit an, als es sich um Urlaubsgelder handelt.

Man könnte die Auffassung vertreten, daß es für die Zulässigkeit einer Rechnungsabgrenzung bei abweichendem Wirtschaftsjahr nur darauf abzustellen sei, ob, da der Urlaub ein Jahresurlaub ist, eine zwölfmonatige Arbeitsleistung des Arbeitnehmers mit dem Urlaubsgeld belastet werde. Geht man entscheidend von dieser Erwägung aus, so besteht bei einer Bilanzierung am 30. Juni in der Regel keine Veranlassung, wegen des erst in der ersten Hälfte des folgenden Wirtschaftsjahres gewährten Urlaubs an bestimmte Arbeitnehmer eine passive Rechnungsabgrenzung zuzulassen, weil bei in etwa gleichbleibenden Verhältnissen hinsichtlich der Belastung der einzelnen Kalendermonate mit Urlaub auch innerhalb des zwölf Monate umfassenden Wirtschaftsjahres derselbe Ausgleich wie bei einem mit dem Kalenderjahr übereinstimmenden Wirtschaftsjahr eintritt, und weil die Häufung von Urlaub in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres (erste Hälfte des Wirtschaftsjahres) durch eine entsprechend geringere Urlaubszeit in der ersten Hälfte des Kalenderjahres (zweite Hälfte des Wirtschaftsjahres) ausgeglichen wird.

Andererseits ist es gerade die Aufgabe der Rechnungsabgrenzungsposten in der Bilanz, Aufwand und Ertrag des Wirtschaftsjahres periodengerecht darzustellen, insbesondere Aufwand ohne Rücksicht auf die Ausgabe dem Wirtschaftsjahr zuzurechnen, in dem er seine Ursache hat. Im Fall des Auseinanderklaffens von Wirtschaftsjahr und Urlaubsjahr ist der durch die Verpflichtung zur Zahlung der Urlaubsvergütung verursachte Aufwand dem Wirtschaftsjahr zuzurechnen, in dem die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbracht wird, für die ihm die Urlaubsvergütung als Arbeitsentgelt gewährt wird. Lassen sich demnach gute Gründe sowohl für die Auffassung des Finanzamts als auch für die Auffassung des Finanzgerichts anführen, so muß es dem Kaufmann überlassen werden, für welche Bilanzierungsmethode er sich entscheidet, bei der er dann allerdings verbleiben muß (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 13/52 U und die dort bezeichnete Rechtsprechung).

Die Auffassung der Bf., daß, wenn man überhaupt in übereinstimmung mit dem Finanzgericht die Zulässigkeit einer passiven Rechnungsabgrenzung dem Grunde nach bejahe, das volle in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1956 tatsächlich gezahlte Urlaubsgeld passiviert werden dürfe, berücksichtigt nicht, daß jeweils zeitanteilige Teile der in der Zeit vom 30. Juni bis 31. Dezember 1956 und in der Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1956 gezahlten Urlaubsgelder auf die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1956 und vom 30. Juni bis 31. Dezember 1956 entfallen. Das führt folgerichtig zu dem Ergebnis, daß die nach dem Bilanzstichtag, aber noch im Kalenderjahr 1956 gezahlten Urlaubsgelder nur insoweit passiv abgrenzbar sind, als sie auch die Dienstleistungen in der Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1956 betreffen, und daß die vor dem Bilanzstichtag im Kalenderjahr 1956 gezahlten Urlaubsgelder insoweit als Lohnvorauszahlungen aktiv abzugrenzen sind, als sie Dienstleistungen vom 30. Juni bis 31. Dezember 1956 betreffen. Gegen diese Verrechnung von passiver und aktiver Abgrenzung können keine Einwendungen erhoben werden, weil sich aus der vom Kaufmann einmal getroffenen Entscheidung, die Urlaubsgelder abzugrenzen, zwingend die Charakterisierung der in der Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni gezahlten Urlaubsgelder als anteilige Lohnvorauszahlungen ergibt. überwiegen einmal in der Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni gezahlte Urlaubsgelder die im zweiten Halbjahr des Kalenderjahres gezahlten Urlaubsgelder, so verlangt der Grundsatz der Stetigkeit der Bilanzierung, daß dann eine aktive Rechnungsabgrenzung vorgenommen wird.

Die der Entscheidung zugrunde liegenden überlegungen gehen davon aus, daß das Wirtschaftsjahr einen zwölfmonatigen Zeitraum umfaßt und daß die Urlaubsgelder an Arbeitnehmer gezahlt wurden, die während des ganzen Kalenderjahres 1956 beschäftigt waren. Schied also z. B. ein Arbeitnehmer am 1. Juli 1956 aus oder trat er erst am 1. April 1956 seinen Dienst an, so ergeben sich andere zeitanteilige Abgrenzungen, als der Entscheidung des Finanzgerichts zugrunde liegen. Da die Bf. indessen keine Abgrenzung verlangen, die auf Einzelaufzeichnungen des Eintritts, des Austritts und des Urlaubs jedes Arbeitnehmers beruht, sondern auch ihrer Berechnung verallgemeinernde Pauschalbetrachtungen zugrunde legen, brauchen solche Sonderfälle hier nicht berücksichtigt zu werden. Es bleibt den Bf. allerdings überlassen, in Zukunft für jeden einzelnen Arbeitnehmer Sonderaufzeichnungen zu führen und nach diesen Sonderaufzeichnungen die Rechnungsabgrenzungen zu berechnen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411019

BStBl III 1964, 123

BFHE 1964, 311

BFHE 78, 311

BB 1964, 340

DB 1964, 537

DStR 1964, 201

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