Entscheidungsstichwort (Thema)

Abstandszahlungen an Mieter bei beabsichtigter Selbstnutzung keine Werbungskosten

 

Leitsatz (amtlich)

Entschädigungen, die der Vermieter bei beabsichtigter Selbstnutzung an den Mieter für dessen vorzeitigen Auszug leistet, sind nicht als Werbungskosten abziehbar.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 21 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Köln (Entscheidung vom 27.05.2003; Aktenzeichen 8 K 155/00; EFG 2003, 1235)

 

Tatbestand

I. Die Beteiligten streiten über die Abziehbarkeit von Abstandszahlungen an Mieter als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr (1996) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Der Kläger ist Eigentümer eines mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks. Es gelang ihm im Streitjahr, mehrere Mietverhältnisse (aus der ersten und zweiten Etage) gegen Abstandszahlungen an die Mieter zu beenden. Im Anschluss daran ließ er das Haus renovieren und das Dach ausbauen. Er vermietete im Erd- und zweiten Obergeschoss je eine Wohnung sowie die beiden Dachgeschosswohnungen und nutzt seit dem Jahr 1998 die anderen Teile des Gebäudes selbst.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger die Abfindungen an die Mieter und dadurch bedingte Rechtsanwaltskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Zusammenhang mit dem Mehrfamilienhaus als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) lehnte das auch mit seiner Einspruchsentscheidung vom 13. Dezember 1999 ab. Die Kläger hätten nicht mitgeteilt, welche Wohnungen nunmehr selbst genutzt würden. Nur soweit sie die Wohnungen weiterhin zu vermieten beabsichtigten, seien sie zum Abzug der Abfindungszahlungen als Werbungskosten berechtigt.

Die Klage war erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) setzte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1235 veröffentlichten Urteil die Abstandszahlungen an die Mieter wie auch die damit zusammenhängenden Rechtsanwaltskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ab, und zwar soweit der Kläger diese Aufwendungen im Streitjahr getragen hat. Dies gelte auch für Abstandszahlungen, die die von den Klägern selbst genutzten Wohnungen beträfen (16 000 DM). Denn die Räumung sei der zeitlich letzte Akt der Vermietung. Deshalb sehe sich das FG nicht veranlasst, der Frage nachzugehen, ob der Kläger zur Zeit der Beendigung der Mietverhältnisse zunächst noch die Absicht gehabt habe, auch diese Wohnungen wieder fremd zu vermieten.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der es die Verletzung des § 9 Abs. 1 Satz 1 und des § 12 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend macht. Abstandszahlungen an Mieter in Höhe von 16 000 DM könnten nicht als Werbungskosten anerkannt werden. Im Zeitpunkt dieser Aufwendungen fehle ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Nutzungsüberlassung, wenn ―was hier nahe liege― eine Eigennutzung geplant gewesen sei.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als darin Abstandszahlungen an Mieter in Höhe von 16 000 DM als Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung anerkannt worden seien.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist im beantragten Umfang aufzuheben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Unzutreffend hat die Vorinstanz auch diejenigen Abstandszahlungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt, die im Zusammenhang mit der Räumung von nach der Renovierung selbst genutzten Wohnungen angefallen sind. Es hat dadurch § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG verletzt.

1. Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sind Werbungskosten grundsätzlich alle durch diese Einkunftsart veranlassten Aufwendungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) liegt eine derartige Veranlassung vor, wenn (objektiv) ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der auf Vermietung und Verpachtung gerichteten Tätigkeit besteht und (subjektiv) die Aufwendungen zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden (z.B. BFH-Urteil vom 5. April 2005 IX R 48/04, BFHReport 2005, 513, m.w.N.). Sind Aufwendungen aber nicht (allein) durch die Einnahmeerzielung (§ 21 Abs. 1 EStG), sondern auch, und zwar nicht unerheblich, durch die private Lebensführung veranlasst (§ 12 Nr. 1 EStG), können sie nicht als Werbungskosten abgezogen werden (BFH-Urteil vom 14. Dezember 2004 IX R 34/03, BFHE 208, 232, BStBl II 2005, 343, m.w.N.)

a) So verhält es sich, wenn der Vermieter Abfindungen an den Mieter zur Räumung einer Wohnung zahlt, die er anschließend nicht mehr vermietet, sondern selbst nutzt. Zwar hängt die Abstandszahlung mit der früheren Vermietung zusammen. Hätte nämlich der Steuerpflichtige das Grundstück nicht durch Vermietung genutzt, so wären die Räumungskosten nicht entstanden (so BFH-Urteil vom 25. Juli 1972 VIII R 56/68, BFHE 106, 532, BStBl II 1972, 880). Der Vermieter findet seinen Mieter indes nicht ab, um Einnahmen zu erwerben, zu sichern oder zu erhalten, sondern um seine Vermietungstätigkeit zu beenden. Er löst sich aus den Verpflichtungen des Mietvertrags, um selbst die Wohnung nutzen zu können. Deshalb ist die dafür an den Mieter zu entrichtende Entschädigung nicht mehr der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung, sondern der nicht einkommensteuerbaren privaten Lebensführung zuzurechnen. Dieser Zusammenhang überlagert die Veranlassung durch die frühere Einkunftsart.

b) In vergleichbarer Weise hat der BFH Entschädigungen, die ein Vermieter infolge einer auf vorzeitige Kreditablösung gerichteten Änderung des Kreditvertrags leistet, um sein bisher vermietetes Objekt lastenfrei übereignen zu können, der nicht einkommensteuerbaren Veräußerung zugerechnet (BFH-Urteile vom 23. September 2003 IX R 20/02, BFHE 203, 352, BStBl II 2004, 57, und vom 14. Januar 2004 IX R 34/01, BFH/NV 2004, 1091). Folgerichtig hatte der BFH schon bisher Aufwand für die Räumung eines vermieteten Objekts vornehmlich in Erwartung der besseren Verwertung als nicht durch die Einkunftsart Vermietung und Verpachtung veranlasst angesehen (BFH-Urteil vom 23. Februar 1988 IX R 151/86, BFH/NV 1989, 485). Er überträgt diese Wertungen auf Entschädigungen, die der Vermieter bei beabsichtigter Selbstnutzung an den Mieter für dessen vorzeitigen Auszug leistet (so auch Mellinghoff in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, KompaktKommentar, 5. Aufl., 2005, § 21 Rn. 125 Stichwort "Abstandszahlungen"; von Bornhaupt, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 9 Rdnr. B 776 a.E.; a.A. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 24. Aufl., § 21 Rz. 100 "Abstandszahlungen"; von Reden in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 21 EStG Rz. 245).

c) Dagegen spricht entgegen der Auffassung des FG nicht die typisierende Annahme, während der Vermietungszeit durchgeführte Erhaltungsaufwendungen dienten noch der Einkünfteerzielung (BFH-Urteil vom 10. Oktober 2000 IX R 15/96, BFHE 193, 318, BStBl II 2001, 787). Weil sich der Vermieter mit Abfindungsleistungen an den Mieter ―wie im Streitfall― gerade mit Blick auf die beabsichtigte Selbstnutzung von seiner Vermietungstätigkeit löst, fehlt es an einem entsprechenden üblichen ("typischen") Geschehensablauf, um Abstandszahlungen durch Abstellen auf den Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme der Vermietungstätigkeit zuordnen zu können.

2. Nach diesen Maßstäben ist das angefochtene Urteil im beantragten Umfang aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG ist von seinem Standpunkt aus folgerichtig nicht der Frage nachgegangen, ob der Kläger zur Zeit der Beendigung der Mietverhältnisse zunächst noch die Absicht hatte, auch diese Wohnungen fremd zu vermieten. Dies wird das FG in einer neuen Verhandlung und Entscheidung nachzuholen haben. Es wird prüfen müssen, ob und ggf. inwieweit der Kläger auch die streitigen 16 000 DM an die Mieter gezahlt hat, um die frei werdenden und anschließend renovierten Wohnungen weiterhin ―und zwar, wie die Kläger vortragen, zu einem höheren Mietzins― fremd zu vermieten (dann Werbungskosten, vgl. BFH-Urteile vom 25. Februar 1975 VIII R 115/70, BFHE 115, 563, BStBl II 1975, 730, und in BFH/NV 1989, 485, jeweils m.w.N.). Dabei wird das FG vor allen Dingen zu berücksichtigen haben, wie sich der Kläger tatsächlich verhalten hat (vgl. dazu BFH-Urteil vom 14. Dezember 2004 IX R 1/04, BFHE 208, 235, BStBl II 2005, 211).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1409321

BFH/NV 2005, 1937

BStBl II 2005, 760

BFHE 2006, 335

BFHE 210, 335

BB 2005, 2006

DB 2005, 2001

DStR 2005, 1563

DStRE 2005, 1111

DStZ 2005, 619

HFR 2005, 1073

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