Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Bei Befreiung des Erwerbs der Stiefkinder von der Grunderwerbsteuer nach § 3 Ziff. 6 Satz 2 GrEStG erstreckt sich auch auf den Erwerb durch Abkömmlinge der Stiefkinder.

 

Normenkette

GrEStG § 3 Ziff. 6

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Befreiungsvorschrift des § 3 Ziff. 6 Satz 2 GrEStG auch auf solche Erwerbsvorgänge anwendbar ist, bei denen das Kind eines Stiefkindes (Stiefenkel) von den Stiefgroßeltern Grundstücke erwirbt.

Die Bfin. hat durch notariellen Kaufvertrag vom ... Mai 1960 das der Stiefmutter ihres Vaters (Stiefgroßmutter) gehörige Grundstück erworben. Das Finanzamt sah diesen Erwerbsvorgang entgegen der Auffassung der Bfin. als grunderwerbsteuerpflichtig an.

Gegen den Grunderwerbsteuerbescheid des Finanzamts legte die Bfin. Sprungberufung ein. Wenn das GrEStG in § 3 Ziff. 6 Satz 2 die Stiefkinder den Kindern gleichstelle, so bedeute dies, daß zwischen Stiefkindern und anderen (eigenen) Kindern grunderwerbsteuerrechtlich nicht unterschieden werden solle. Kinder eines Stiefkindes seien grunderwerbsteuerrechtlich mit der Stiefgroßmutter in gerader Linie verwandt. Durch § 3 Ziff. 6 Satz 2 GrEStG werde also ein fiktives Verwandtschaftsverhältnis in gerader Linie zwischen Stiefgroßmutter und Stiefenkeln begründet. Wenn nach § 3 Ziff. 6 Satz 2 GrEStG sogar bei Annahme an Kindes Statt die Abkömmlinge des Angenommenen als in gerader Linie mit dem Annehmenden verwandt anzusehen seien, so müsse dies um so mehr in den Fällen gelten, in denen es sich um das Verhältnis zwischen Stiefenkeln und Stiefgroßmutter handle.

Die Sprungberufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht vertrat die Auffassung, daß die Steuerbefreiung des § 3 Ziff. 6 GrEStG, soweit sie durch Satz 2 auf Stiefeltern und Stiefkinder erstreckt werde, nur Erwerbsvorgänge zwischen diesen Personengruppen erfasse, aber nicht auf die Abkömmlinge des Stiefkindes ausgedehnt werden könne. Die an Kindes Statt angenommenen Personen seien gesetzlich den Abkömmlingen und nicht wie die Stiefkinder den Kindern gleichgestellt worden. In dieser unterschiedlichen Fassung des Gesetzestextes liege eine beabsichtigte unterschiedliche Behandlung der beiden Personengruppen begründet. Es bestehe auch kein Anlaß, die Steuerbefreiung bei den Stiefkindern auf die mittelbaren Abkömmlinge auszudehnen, da eine dem § 1762 BGB vergleichbare Vorschrift für Stiefkinder nicht bestehe. Stiefkinder hätten in familien- und erbrechtlicher Hinsicht nicht die bevorzugte Stellung der an Kindes Statt angenommenen Personen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. der Steuerpflichtigen führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Freistellung von der Grunderwerbsteuer.

§ 3 Ziff. 6 GrEStG begünstigt zunächst und vor allem die in gerader Linie miteinander verwandten Personen. Dabei ist es gleichgültig, ob der Verwandte absteigender Linie von den Verwandten der aufsteigenden Linie oder umgekehrt der Verwandte der aufsteigenden Linie von den Verwandten der absteigenden Linie erwirbt. Zu den Verwandten im eigentlichen Sinne (vgl. § 1589 BGB) gehören weder die durch Annahme an Kindes Statt miteinander verbundenen Personen (vgl. §§ 1763, 1764 BGB) noch die Stiefkinder und Stiefeltern; die letzteren sind nach bürgerlichem Recht lediglich miteinander verschwägert (vgl. § 1590 BGB). Die in § 3 Ziff. 6 Satz 1 GrEStG zugunsten der geradlinig Verwandten ausgesprochene Steuerbefreiung mußte durch Satz 2 erweitert werden, damit auch die durch Kindesannahmevertrag bzw. durch ein Stiefkindschaftsverhältnis miteinander verbundenen Personen ebenso begünstigt wurden.

Die Wortfassung des Gesetzestextes unterscheidet zwar hinsichtlich der Befreiung der durch Annahme an Kindes Statt verbundenen und den im Stiefkindschaftsverhältnis stehenden Personen: Die durch Annahme an Kindes Statt Verbundenen werden allgemein den Abkömmlingen (Descendenten) in gerader Linie gleichgesetzt, so daß auch die Kinder und Kindeskinder der an Kindes Statt Angenommenen steuerbegünstigt sind, sofern sich die Wirkungen der Adoption auch auf sie erstrecken; bei der Stiefverwandtschaft sind dagegen nur die Stiefkinder den sonstigen eigenen Kindern gleichgestellt. Die Vorinstanzen haben aus dieser unterschiedlichen Fassung des Gesetzestextes gefolgert, daß die Befreiungsvorschrift hinsichtlich der Stiefverwandten enger auszulegen sei als bei den durch Annahme an Kindes Statt Verbundenen und daß sie nicht auf die Abkömmlinge des Stiefkindes erstreckt werden könne. Für diese Auffassung der Vorinstanz scheint zu sprechen, daß manche der auf Grund der Adoption entstehenden Erb- und Familienrechte des Adoptivkindes nicht in gleicher Weise dem Stiefkind zustehen (vgl. dazu §§ 1757, 1758 BGB). Es ist auch nicht zu verkennen, daß es für verschwägerte Personen mit einziger Ausnahme der durch Stiefkindschaft verbundenen Personen eine Grunderwerbsteuerbefreiung grundsätzlich nicht gibt, sofern man davon absieht, daß der auf Grund des bestehenden Güterstandes kraft Gesetzes eintretende Miterwerb der Schwiegerkinder nach § 3 Ziff. 6 Satz 3 GrEStG zusätzlich steuerbefreit wird.

Trotzdem erscheint eine solche Beschränkung der im Hinblick auf die Stiefkinder ausgesprochenen Steuerbefreiung, wie sie die Vorinstanz für geboten erachtete, nicht gerechtfertigt. Die heutige Vorschrift des § 3 Ziff. 6 GrEStG ist an die Stelle des § 8 Ziff. 4 GrEStG 1919 bzw. 1927 getreten, dessen Wortfassung abweichend lautete:

".... 4. beim Erwerbe der Abkömmlinge von den Eltern, Großeltern und entfernteren Voreltern, sowie beim Erwerbe der Eltern von den Kindern; den Eltern stehen die Stiefeltern gleich, ebenso die Adoptiveltern, wenn kein Verdacht besteht, daß die Annahme an Kindes Statt zum Zwecke der Steuerhinterziehung vorgenommen ist;"

Da hier auch in Beziehung auf die Stiefkinder von "Abkömmlingen" (der Stiefeltern) gesprochen wurde, bezog sich die Steuerbefreiung auch auf den Erwerb der Kinder des Stiefkindes von den Stiefgroßeltern (vgl. Ott, Handbuch des gesamten Grunderwerbsteuerrechts, Bem. 1 zu § 8 Nr. 4). Nach der damaligen Fassung des Gesetzes war somit die Steuerbefreiung auch in einem Falle wie dem vorliegenden zu gewähren. Durch das GrEStG 1940, das die frühere Befreiungsvorschrift des § 8 Ziff. 4 GrEStG in der geänderten Fassung des § 3 Ziff. 6 übernahm, sollte sachlich nichts geändert werden (vgl. hierzu Boruttau-Klein, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 7. Aufl., Tz. 109 zu § 3); jedenfalls sollte die Vergünstigung nicht eingeschränkt, sondern eher in gewisser Weise bezüglich des Erwerbs der Großeltern usw. erweitert werden (vgl. hierzu § 3 Ziff. 6, RStBl 1940 S. 387 ff., S. 394). Aus diesen Ausführungen der Gesetzesbegründung ergibt sich insbesondere, daß, selbst wenn der jetzige Wortlaut des Gesetzes zu Mißdeutungen Anlaß geben könnte, die hier anzuwendende Vorschrift des § 3 Ziff. 6 GrEStG in der zu entscheidenden Frage in derselben Weise wie früher ausgelegt werden muß.

Auch das Erbschaftsteuergesetz, das aus ähnlichen Gründen familien- und erbrechtlicher Natur den Erwerb naher Verwandter begünstigt, beschränkt die Einreihung in die tarifgünstige Steuerklasse II nicht auf die leiblichen Enkel, Urenkel usw. und auch nicht auf die Adoptivenkel, Adoptivurenkel usw., auf die sich das Adoptivverhältnis erstreckt, sondern hält diese Steuerklasse ebenso für die Stiefenkel (Abkömmlinge des Stiefkindes) offen (vgl. § 10 Abs. 1 des Erbschaftsteuergesetzes).

Eine beschränkte Anwendung des § 3 Ziff. 6 Satz 2 GrEStG im Hinblick auf die Stiefkindschaft würde im übrigen die Stiefenkel im Ergebnis nur für den Fall des Vorversterbens des Stiefkindes von der Steuerbefreiung ausschließen, während sie in allen übrigen Fällen mittelbar über den steuerbegünstigten Zwischenerwerb des Stiefkindes ebenfalls nach § 3 Ziff. 6 GrEStG begünstigt wären. Auch dies spricht für eine weite Auslegung dieser Vorschrift.

Demnach ist eine steuerbegünstigte Verbundenheit im Sinne des § 3 Ziff. 6 Satz 2 GrEStG sowohl im Verhältnis zwischen dem Stiefvater und den Abkömmlingen der Ehefrau (vgl. hierzu Boruttau-Klein, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, a. a. O.) als auch umgekehrt zwischen der Stiefmutter und den Abkömmlingen ihres Ehemannes anzuerkennen.

Unter diesen Umständen waren das angefochtene Urteil sowie der zugrunde liegende Steuerbescheid aufzuheben und die Bfin. von der Grunderwerbsteuer freizustellen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 424012

BStBl III 1965, 513

BFHE 1966, 33

BFHE 83, 33

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