Entscheidungsstichwort (Thema)

(Lieferung von Getränken in Verzehrkinos keine unselbständige Nebenleistung zur Filmvorführung - Begriff der Filmvorführung)

 

Leitsatz (amtlich)

Der Verkauf von Getränken an die Besucher eines sog. Verzehrkinos ist keine unselbständige Nebenleistung zur Filmvorführung.

 

Orientierungssatz

1. Der Senat läßt offen, ob er mit dieser Entscheidung von der Entscheidung des X.Senats des BFH vom 18.5.1988 X R 11/82 abweicht.

2. Unter Filmvorführung i.S.d. § 12 Abs.2 Nr.7b UStG 1980 ist neben dem technischen Vorgang die Darbietung des Films gegenüber dem Publikum zu verstehen (vgl. BFH-Urteil vom 29.11.1984 V R 96/84).

 

Normenkette

UStG 1980 § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b, Nr. 7b

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt drei Filmtheater mit Getränkeverkauf und Saalbedienung als sog. "Verzehrkinos". In den Kinosälen bestehen zwischen den Sitzreihen größere Abstände, es sind kleine Tischchen zum Abstellen von Getränken vorhanden. Die Tischchen sind mit Lampen versehen und haben eine Rufanlage für die Saalbedienung. Der jeweilige Getränkeverkauf erfolgt an die Kinobesucher erst nach Durchschreiten der Kinokasse und der Einlaßsperre.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte es ab, auf die Getränkeumsätze in den Kinos den ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs.2 Nr.7 b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 anzuwenden.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führt im wesentlichen aus, Filmvorführung und Getränkeabgabe durch den Kläger ständen nicht im Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung zueinander. Unter Beachtung der vom Bundesfinanzhof (BFH) zur unselbständigen Nebenleistung aufgestellten Grundsätze stellten die Filmvorführung einerseits und die Getränkelieferung andererseits jeweils gesondert, voneinander zivilrechtlich getrennte und jeweils gegen gesondert berechnetes Entgelt erbrachte Leistungen dar. Die Abgabe von Getränken sei im Verhältnis zur Filmvorführung nicht nebensächlich. Der Erwerb eines Getränks durch den Kinobesucher sei allein von dessen Willen abhängig. Der Kläger fordere vom Kinobesucher nicht den Abschluß eines auf den Erwerb eines Getränks gerichteten Kaufvertrages. Er biete lediglich den Kauf der Getränke an. Auch aus der Sicht eines Kinobesuchers ergänze der Erwerb eines Getränks nicht wirtschaftlich das Recht, an der Filmvorführung teilzunehmen. Die Verpflichtung, die der Kläger gegenüber dem Kinobesucher eingehe, nämlich ihm die Filmvorführung zu ermöglichen, werde durch die Getränkelieferung weder abgerundet, ergänzt oder verbessert. Auf die Frage, ob die Abgabe von Getränken in Verzehrkinos inzwischen branchenüblich geworden sei, komme es deshalb für die Entscheidung nicht an.

Mit der vom FG wegen Abweichung von den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 18. Mai 1988 X R 11/82 (BFHE 153, 459, BStBl II 1988, 799) zugelassenen Revision rügt der Kläger unzutreffende Auslegung des § 12 Abs.2 Nr.7 b UStG 1980 sowie die Verletzung des umsatzsteuerrechtlichen Grundsatzes der Einheitlichkeit der Leistung in bezug auf Haupt- und Nebenleistung. Nach dem BFH-Urteil in BFHE 153, 459, BStBl II 1988, 799 sei die Lieferung von Speisen, Getränken und Süßwaren als eine Nebenleistung anzusehen, wenn das Theater die Waren in unmittelbarem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einer typischen Theaterleistung ausschließlich an Theaterbesucher zum Verzehr an Ort und Stelle abgebe; ein gleichzeitiger Verkauf an andere Personen müsse ausgeschlossen sein. Bei Anwendung der Grundsätze dieses Urteils seien auch die Getränkelieferungen an die Besucher seiner Kinos Nebenleistungen zu den Filmvorführungen. Er rüge außerdem mangelnde Sachaufklärung. Die Platzreihen in den Kinos seien zweigeteilt, ca. zwei Drittel der vorderen Sitzreihen beständen aus normalen Kinositzen, das hintere Drittel der Sitzreihen sei mit den Einrichtungen zum Verzehr ausgestattet. In diesen Reihen herrsche branchenüblich Verzehrzwang für die Besucher, diese würden also sehr wohl zu einem Kaufvertrag über Getränke aufgefordert. Während der mündlichen Verhandlung sei dieser Punkt, der anscheinend mit entscheidungserheblich gewesen sei, nicht zur Sprache gekommen. In der mangelnden Sachaufklärung für einen Entscheidungsgrund, der in der mündlichen Verhandlung nicht zur Sprache gekommen sei, werde ein Verfahrensfehler gesehen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidungen vom 4. Juni 1991 aufzuheben und die Umsatzsteuer unter Abänderung der Bescheide für 1988 und für 1989 herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es trägt vor, entgegen der Auffassung des Klägers könnten die Grundsätze des BFH-Urteils in BFHE 153, 459, BStBl II 1988, 799 auf den Streitfall nicht angewendet werden. Während die Lieferung von Speisen und Getränken im Theater nur in einer kurzen Pause erfolge, habe der Kinobesucher während der gesamten Kinoveranstaltung die Möglichkeit, Speisen und Getränke zu sich zu nehmen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Sie wird nach § 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückgewiesen.

Zu Recht hat das FG auf die Umsätze aus dem Getränkeverkauf nicht den ermäßigten Steuersatz des § 12 Abs.2 Nr.7 b UStG 1980 angewendet. Nach dieser Vorschrift ermäßigt sich die Steuer auf 7 v.H. für die Überlassung von Filmen zur Auswertung und Vorführung sowie die Filmvorführungen.

Unter Filmvorführung ist neben dem technischen Vorgang die Darbietung des Films gegenüber dem Publikum zu verstehen (vgl. BFH-Urteil vom 29. November 1984 V R 96/84, BFHE 142, 319, BStBl II 1985, 271).

Eine das umsatzsteuerrechtliche Schicksal der Hauptleistung teilende unselbständige Nebenleistung ist gegeben, wenn die Leistung im Vergleich zur Hauptleistung nebensächlich ist, mit dieser in engem Zusammenhang steht, indem sie diese ermöglicht, abrundet, ergänzt oder verbessert und üblicherweise in ihrem Gefolge vorkommt (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Urteile vom 4. Dezember 1980 V R 60/79, BFHE 132, 124, BStBl II 1981, 231; vom 3. März 1988 V R 183/83, BFHE 153, 90, BStBl II 1989, 205; vom 8. Oktober 1991 V R 46/88, BFHE 167, 200, BStBl II 1992, 368, und vom 10. September 1992 V R 99/88, BFHE 169, 255, BStBl II 1993, 316).

Bei der Beurteilung des Streitfalls ist der Senat mangels zulässiger und begründeter Revisionsgründe nach § 118 Abs.2 FGO an die Feststellung des FG gebunden, daß das Kino insgesamt --nicht nur ein Teil der Sitzreihen-- mit den beschriebenen Einrichtungen zum Verzehr ausgestattet ist. Die Rüge mangelnder Sachaufklärung kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil nicht schlüssig dargetan ist, weshalb sich dem FG die weitere Aufklärung bezüglich der Einrichtung des Kinos hätte aufdrängen müssen. Darüber hinaus fehlt es an der schlüssigen Darlegung, daß das Urteil auf der mangelnden Sachaufklärung beruhen kann (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3.Aufl., § 120 Rdnr.37 ff.).

Der Verkauf von Getränken in einem Verzehrkino stellt keine unselbständige Nebenleistung zur Filmvorführung dar. Der Begriff der Nebenleistung ist nicht schon deshalb erfüllt, weil die Getränke in unmittelbarem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit der Filmvorführung ausschließlich an Kinobesucher zum Verzehr an Ort und Stelle abgegeben werden. Gegen eine unselbständige Nebenleistung spricht, daß durch die Einrichtung des Zuschauerraums mit beleuchtbaren Tischchen, die mit einer Rufanlage für Bedienung versehen sind, die Lieferung von Getränken gegenüber der Filmvorführung eigenständigen Charakter hat. Die beiden Leistungen sind auch der Sache nach nicht dergestalt miteinander verbunden, daß die Getränkelieferung die Filmvorführung als solche inhaltlich oder wirtschaftlich ergänzt (vgl. Urteil in BFHE 153, 90, BStBl II 1989, 205). Hierfür reicht es nicht aus, daß die Abgabe von Getränken während der Filmvorführung dem Publikum den Aufenthalt im Kino angenehmer gestalten soll. Dies gilt unabhängig davon, ob Verzehrzwang besteht oder nicht.

Der Senat läßt offen, ob er mit dieser Entscheidung von der Entscheidung des X.Senats in BFHE 153, 459, BStBl II 1988, 799 abweicht. Einer Anrufung des X.Senats nach § 11 Abs.3 FGO bedürfte es nicht, weil der X.Senat wegen Änderung des Geschäftsverteilungsplans mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden kann. Zuständig für den Fall wäre nunmehr der erkennende XI.Senat (§ 11 Abs.3 Satz 2 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 65658

BFH/NV 1995, 54

BStBl II 1995, 429

BFHE 177, 165

BFHE 1996, 165

BB 1995, 1525

BB 1995, 1525 (LT)

DB 1995, 1262 (L)

DStR 1995, 803-804 (KT)

DStZ 1995, 539 (KT)

HFR 1995, 474 (LT)

StE 1995, 332 (K)

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