Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Erlaß einer Billigkeitsmaßnahme bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer 1977 gegenüber einer inländischen GmbH

 

Leitsatz (NV)

1. Die Anrechnung von Körperschaftsteuern gemäß § 49 Abs. 1 KStG 1977 i. V. mit § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG vollzieht sich ausschließlich im Steuererhebungsverfahren (§§ 218 ff. AO 1977). Sie betrifft die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis und nicht deren Festsetzung. Ein auf Billigkeitsgründe gestützter Anrechnungsanspruch kann deshalb nur im Verfahren nach § 227 AO 1977 und nicht in dem nach § 163 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 geltend gemacht werden.

2. Eine GmbH kann keine unbillige Härte daraus ableiten, daß sie ihren nichtanrechnungsberechtigten Anteilseignern für das Übergangsjahr 1977 nur eine prozentual geringere Bardividende ausschütten kann.

 

Normenkette

KStG 1977 § 27 Abs. 1, §§ 34, 49 Abs. 1, §§ 51-52; KStG 1975 § 9; EStG § 36 Abs. 2 Nr. 3, § 50 Abs. 5; AO 1977 § 163 Abs. 1 S. 1, § 218 ff., § 227

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Die Klägerin ist eine inländische GmbH, die im Jahre 1977 an der E-AG wesentlich beteiligt war. An der Klägerin waren verschiedene Körperschaften beteiligt.

Im Wirtschaftsjahr 1976/77 erzielte die Klägerin einen Bilanzgewinn von rd. . . . Mio DM. Darin war eine Dividendenausschüttung der E-AG für deren Wirtschaftsjahr 1976 in Höhe von rd. . . . DM enthalten. Die Gesellschafter der Klägerin beschlossen am 22. 12. 1977, den Bilanzgewinn des Geschäftsjahres 1976/77 in voller Höhe auszuschütten. Dadurch ergab sich eine Körperschaftsteuerschuld in Höhe von rd. . . . Mio DM, die sich aus einer tariflichen Körperschaftsteuer von rd. . . . Mio DM und einer Körperschaftsteuerminderung von rd. . . . DM zusammensetzte.

Bereits vorher hatte die Klägerin eine niedrigere Steuerfestsetzung gemäß § 163 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 insoweit beantragt, als durch die Besteuerung des ausschüttungsfähigen Gewinns der E-AG nach dem KStG 1975 und durch die Herstellung der Ausschüttungsbelastung bei der Klägerin trotz nichtanrechnungsberechtigter Gesellschafter eine Übermaßbesteuerung eintrete. Das FA lehnte am 26. 4. 1979 den beantragten Erlaß ab. Die zuständige OFD wies die Beschwerde der Klägerin am 8. 1. 1980 als unbegründet zurück. Auf die Klage der Klägerin hob das FG die Verwaltungsentscheidungen auf und verpflichtete das FA, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des FG zu bescheiden.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des § 163 AO 1977.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die nach § 163 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 zu treffende Entscheidung des FA über den Antrag der Klägerin auf eine Billigkeitsmaßnahme bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer 1977 ist eine Ermessensentscheidung, die materiell-rechtlich von den FG nur auf Ermessensüberschreitung und Ermessensfehlgebrauch nachgeprüft werden kann und bei der eine Verpflichtung zum Erlaß einer Billigkeitsmaßnahme nur dann ausgesprochen werden kann, wenn nach den Umständen des Einzelfalles jede andere Entscheidung ermessensfehlerhaft wäre (vgl. Beschluß des Gemeinsamen Senates der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 - GmS-OGB - 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603). Das FA hat in seiner Verfügung vom 26. April 1979 die Unbilligkeit der Festsetzung der Körperschaftsteuer 1977 unter Hinweis auf die Vorschriften des KStG 1977 verneint. Die zuständige OFD hat diese Entscheidung bestätigt. Die Rechtsauffassungen der Finanzbehörden und die dazu gegebenen Begründungen lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Dies schließt eine Verletzung der Ermessensgrenzen aus (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. März 1981 VIII R 117/78, BFHE 133, 60, BStBl II 1981, 505).

2. Im Streitfall erzielte die Klägerin in ihrem Wirtschaftsjahr 1976/77 Dividendenerträge. Die Dividendenerträge waren nach dem KStG 1977 zu besteuern (§ 54 Abs. 1 i. V. m. § 7 Abs. 4 KStG 1977). Für die Dividendenerträge war das Schachtelprivileg gemäß § 9 KStG 1975 nicht mehr zu gewähren (§ 54 Abs. 7 KStG 1977). Soweit deshalb die Dividenden einen Gewinn der Klägerin im Wirtschaftsjahr 1976/77 auslösten, unterlag letzterer der tariflichen Körperschaftsteuer in Höhe von 56 v. H. (§ 23 Abs. 1 KStG 1977). Dies wird auch von der Klägerin nicht als unbillige Härte empfunden (vgl. Revisionserwiderung vom 25. September 1986, Seite 4). Da die Klägerin ihren gesamten Gewinn des Wirtschaftsjahres 1976/77 auf Grund eines den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschlusses ausschüttete, war für den ausgeschütteten Gewinn die sog. Ausschüttungsbelastung gemäß § 27 Abs. 1 KStG 1977 herzustellen. Auch diese Rechtsfolge wird von der Klägerin nicht als unbillige Härte empfunden (vgl. Revisionserwiderung vom 25. September 1986, Seite 4). Die Klägerin leitet vielmehr die vermeintlich unbillige Härte daraus ab, daß sie für die Dividenden im ,,Übergangsjahr 1977" weder das Schachtelprivileg gemäß § 9 KStG 1975 noch die Anrechnung der Körperschaftsteuer gemäß § 49 Abs. 1 KStG 1977 i. V. m. § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG erhielt. Sie übersieht jedoch, daß beides ohne Einfluß auf die Höhe der für 1977 festzusetzenden Körperschaftsteuer ist. Würde die Klägerin einen Anspruch auf steuerfreien Bezug der Dividenden der E-AG entsprechend dem § 9 KStG 1975 haben, dann würde dies lediglich zu einem Ansatz der tariflichen Körperschaftsteuer 1977 in Höhe von 0 DM führen. Da die Klägerin den Gewinn des Wirtschaftsjahres 1976/77 jedoch in voller Höhe ausschüttete, würde sich aus der Herstellung der Ausschüttungsbelastung (§ 27 Abs. 1 KStG 1977) eine festzusetzende Körperschaftsteuer 1977 ergeben, die der Höhe nach der tatsächlich festgesetzten entspräche. Die Anrechnung von Körperschaftsteuern gemäß § 49 Abs. 1 KStG 1977 i. V. m. § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG vollzieht sich dagegen ausschließlich im Steuererhebungsverfahren (§§ 218 ff. AO 1977). Sie betrifft die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis und nicht deren Festsetzung. Selbst wenn deshalb der Klägerin ein Anrechnungsanspruch im Billigkeitswege zuzugestehen sein sollte, so könnte dieser nur im Verfahren gemäß § 227 AO 1977 geltend gemacht werden.

3. Die Klägerin hat aus Billigkeitsgründen keinen Anspruch auf Gewährung einer Körperschaftsteuerminderung über den in § 27 Abs. 1 KStG 1977 gesetzlich vorgeschriebenen Betrag hinaus. Nach § 27 Abs. 1 KStG 1977 ist die Belastung des ausgeschütteten Gewinns auf 36 v. H. zu mindern oder zu erhöhen, weil eine Körperschaftsteuer in Höhe von 36 v. H. des ausgeschütteten Gewinns als Steuerguthaben auf die Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer des Anteilseigners angerechnet wird (§ 49 Abs. 1 KStG 1977, § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG). Die Ausschüttungsbelastung ist bei der ausschüttenden Kapitalgesellschaft unabhängig davon herzustellen, wer Anteilseigner ist und ob er anrechnungsberechtigt ist oder nicht. Zwar wird die gemäß § 27 Abs. 1 KStG 1977 angesetzte Körperschaftsteuer im Verhältnis zu einem nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner zu einer definitiven Belastung. Diese Rechtsfolge ist jedoch vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollt. Sie ist in § 50 Abs. 5 Satz 2 EStG bzw. in § 51 KStG 1977 angeordnet. Eine Ausnahme gilt insoweit nur unter den Voraussetzungen des § 52 KStG 1977 i. V. m. § 36 e EStG. Der Streitfall läßt sich jedoch unter die genannten Vorschriften nicht subsumieren.

4. Die Klägerin kann keine unbillige Härte daraus ableiten, daß sie ihren nichtanrechnungsberechtigten Anteilseignern für das Übergangsjahr 1977 nur eine prozentual geringere Bardividende ausschütten konnte. Dies ergibt sich aus folgenden Gründen:

a) Der von der Klägerin begehrte Steuererlaß läßt die Höhe der Bardividende unberührt, die die Klägerin für das Wirtschaftsjahr 1976/77 an ihre nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner ausschüttete. Die Höhe der Bardividende ergibt sich allein aus dem Gewinnverteilungsbeschluß vom 22. Dezember 1977. Sollte heute ein Erlaß von Körperschaftsteuer 1977 ausgesprochen werden, so würde dieser Erlaß Bestand und Inhalt des Gewinnverteilungsbeschlusses vom 22. Dezember 1977 nicht verändern. Zwar würde der Erlaß den laufenden Handelsbilanzgewinn der Klägerin in dem Wirtschaftsjahr erhöhen, in dem der Erlaß ausgesprochen würde. Steuerrechtlich würde sich jedoch durch den Erlaß nicht mit Körperschaftsteuer belastetes verwendbares Eigenkapital bilden (§ 34 KStG 1977). Sollte dieses Eigenkapital zu Ausschüttungszwecken verwendet werden, so wäre die Ausschüttungsbelastung gemäß § 27 Abs. 1 KStG 1977 herzustellen. Es käme damit zu einer Nacherhebung der Körperschaftsteuer, deren Erlaß die Klägerin heute begehrt. Für den Anteilseigner bliebe die Belastungssituation unverändert.

b) Darüber hinaus folgt aus §§ 49 Abs. 1, 51 und 52 KStG 1977 einerseits sowie aus § 36 bis § 36 e EStG andererseits, daß nach den Vorstellungen des Gesetzgebers der Zufluß der Dividende beim Anteilseigner zusätzlich dessen Anspruch auf Anrechnung oder Vergütung der Körperschaftsteuer auslöst. Soweit der Ausschluß des Anteilseigners von der Anrechnung oder Vergütung im Einzelfall eine unbillige Härte beinhaltet, kann deshalb als Billigkeitsmaßnahme auch nur die Anrechnung oder Vergütung der Körperschaftsteuer durch den Anteilseigner begehrt werden. Den entsprechenden Antrag kann nur der Anteilseigner persönlich stellen (vgl. BFH-Urteil vom 4. Februar 1987 I R 252/83, BFHE 149, 50, BStBl II 1987, 682). Jede andere Maßnahme würde dem System des seit dem 1. Januar 1977 geltenden Körperschaftsteuerrechts nicht entsprechen. Sie würde erst die unter 4. a dargestellten Schwierigkeiten auslösen.

Der erkennende Senat folgt nicht der vom FG Münster im Urteil vom 14. Juni 1983 IX-VII 6519/81 K vertretenen Rechtsauffassung. Das FG hat in der genannten Entscheidung übersehen, daß ein Steuerschuldverhältnis auch aus einem Steuervergütungsanspruch bestehen kann (§ 37 Abs. 1 AO 1977). Die in §§ 51 und 52 KStG 1977 sowie in §§ 36 b bis 36 e EStG getroffenen Regelungen zeigen deutlich, daß der Dividendenzufluß beim Anteilseigner einen Steuervergütungsanspruch auslösen kann. Macht deshalb ein nicht anrechnungsberechtigter Anteilseigner geltend, sein Ausschluß von der Vergütung der Körperschaftsteuer bedeute eine unbillige Härte, so fehlt es nicht an einem behaupteten Steuerschuldverhältnis, vielmehr ist über die Rechtmäßigkeit des behaupteten Billigkeitsanspruches zu entscheiden.

Mit seiner Entscheidung weicht der erkennende Senat nicht von dem Urteil des VII. Senats des BFH vom 25. April 1978 VII R 24/74 (BFHE 125, 129) ab. Das Urteil betrifft nicht den Antrag auf Vergütung einer Steuer im Billigkeitswege.

5. Ausgehend von den Zahlen lt. Anlage 3 zum Antrag der Klägerin vom 23. Juni 1978 auf Erlaß einer Billigkeitsmaßnahme ergibt sich als festzusetzende Körperschaftsteuerschuld

a) für die Zeit vor Inkrafttreten der Körperschaftsteuerreform 1977 aus Gründen des § 9 KStG 1975 ein Betrag von 0 DM,

b) für das Übergangsjahr 1977 ein Betrag von 36 v. H. von 75,4 Punkten = 27,14 Punkte,

c) für die Zeit nach dem Veranlagungszeitraum 1977 ein Betrag von 36 v. H. von 100 Punkten = 36 Punkte.

Damit weicht die festzusetzende Körperschaftsteuer 1977 von der für die Folgejahre festzusetzenden prozentual gesehen nicht ab. Entsprechend besteht für eine Billigkeitsmaßnahme i. S. des § 163 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 kein Raum.

6. Die Vorentscheidung entspricht nicht diesen Überlegungen. Sie kann deshalb keinen Bestand haben. Die Sache ist entscheidungsreif. Da dem FA kein Rechtsfehler unterlaufen ist, scheidet die Annahme eines Ermessensfehlers bzw. eines Ermessensfehlgebrauchs aus. Die Vorentscheidung war deshalb aufzuheben. Die Klage war abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416933

BFH/NV 1990, 737

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