Leitsatz (amtlich)

Zur Sanierungseignung als tatbestandlicher Voraussetzung eines steuerfreien Sanierungsgewinns einer KG.

 

Orientierungssatz

Eine Betriebsvermögensmehrung durch Schulderlaß ist bei einer GmbH & Co. KG nur dann als Sanierungsgewinn gemäß § 3 Nr. 66 EStG steuerfrei, wenn sowohl Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungseignung des Unternehmens als auch Sanierungsabsicht der Gläubiger gegeben sind. Hat die GmbH & Co. KG im Zeitpunkt des Schulderlasses ihren Geschäftsbetrieb auf Dauer eingestellt, fehlt das Tatbestandselement Sanierungseignung (Sanierungserfolg). Eine "unternehmerbezogene" Sanierung aus persönlichen Billigkeitsgründen scheidet bei einer GmbH & Co. KG aus, da natürliche Personen, die unbeschränkt für die Verbindlichkeiten der KG haften und denen durch den Schulderlaß ein wirtschaftliches Bestehen als Angestellter oder in irgendeiner anderen Tätigkeit ermöglicht wird, nicht vorhanden sind. Sanierungseignung liegt auch nicht allein deshalb vor, weil die Schulden insgesamt erlassen werden (vgl. Rechtsprechung: BFH, RFH, FG; Literatur).

 

Normenkette

EStG 1975 § 3 Nr. 66, § 15 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

FG Berlin (Entscheidung vom 27.05.1983; Aktenzeichen III 495/82)

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, betrieb ein Einzelhandelsgeschäft. Gesellschafter waren als Komplementär die H-GmbH (im folgenden: GmbH) und als Kommanditisten E mit einer Kommanditeinlage von 180 000 DM und A mit einer Kommanditeinlage von 20 000 DM. Mit Wirkung vom 1.Januar 1976 übertrug A seinen Kommanditanteil auf E und schied damit aus der Klägerin aus. Die GmbH leistete keine Einlage; sie war laut Gesellschaftsvertrag nicht am Vermögen und nicht am Verlust der Klägerin beteiligt. Alleiniger Gesellschafter der GmbH war E.

Die Klägerin gab ihr in gemieteten Räumen betriebenes Ladengeschäft am 11.Februar 1978 auf. Seither war sie nicht mehr werbend tätig.

Die Klägerin erwirtschaftete seit ihrer Gründung in 1973 nur Verluste, die in den Jahresabschlüssen 1973 bis 1977 mit insgesamt rund 610 000 DM ausgewiesen sind.

Bei Schließung ihres Ladengeschäfts hatte die Klägerin erhebliche Verbindlichkeiten aus Warenlieferungen und aus einem Darlehen des früheren Gesellschafters A, zu deren Erfüllung sie nicht in der Lage war. Ihr Aktivvermögen bestand im wesentlichen nur aus einem Warenbestand und Forderungen. Zur Abwendung eines gerichtlichen Vergleichsverfahrens und eines eventuellen Anschlußkonkursverfahrens machte die Klägerin ihren Lieferanten im April 1978 ein Angebot zum Abschluß eines außergerichtlichen Vergleichs des Inhalts, daß die Klägerin 50 v.H. ihrer Warenschulden teilweise durch Warenrückgabe mit Abschlag und teilweise in bar erfüllt und die Gläubiger sodann ihre Restforderungen erlassen. Zur Durchführung des Vergleichs stellte der frühere Gesellschafter A ein weiteres "Darlehen" von 60 000 DM und den Verzicht auf den größten Teil seiner gesamten Darlehensforderung gegen die Klägerin in Aussicht. Der außergerichtliche Vergleich kam zustande. Auch A verzichtete nahezu auf seine gesamte Darlehensforderung gegen die Klägerin; ebenso erließen die GmbH und E der Klägerin die gegen sie bestehenden Forderungen. Die Klägerin war danach im wesentlichen schuldenfrei, aber auch vermögenslos.

Im Jahresabschluß zum 31.Dezember 1978 behandelte die Klägerin den Erlaß ihrer Verbindlichkeiten gegenüber den Lieferanten im Nennbetrag von 137 085 DM, den Erlaß ihrer Darlehensverbindlichkeiten gegenüber dem früheren Gesellschafter A im Nennbetrag von 235 128 DM und den Erlaß ihrer Schulden gegenüber der GmbH und dem Gesellschafter E erfolgsneutral als Einlagen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) vertrat demgegenüber die Ansicht, daß in Höhe der erlassenen Verbindlichkeiten gegenüber den Lieferanten und gegenüber dem früheren Gesellschafter A außerordentliche Erträge der Klägerin vorlägen, die steuerpflichtig seien, da auch die Voraussetzungen eines steuerfreien Sanierungsgewinns nicht erfüllt seien; als erfolgsneutrale Einlagen könnte nur der Forderungsverzicht der Gesellschaftergläubiger, also der GmbH und des Gesellschafters E, angesehen werden. Demgemäß stellte das FA im Gewinnfeststellungsbescheid für 1978 statt eines von der Klägerin erklärten und voll dem Gesellschafter E zugerechneten Verlustes von 199 550 DM einen ebenfalls voll dem Gesellschafter E zugerechneten Gewinn von 172 664 DM fest.

Einspruch und Klage waren erfolglos. Das Finanzgericht (FG) entschied, daß die Betriebsvermögensmehrung aus dem Erlaß der Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber ihren Lieferanten ein steuerpflichtiger außerordentlicher Ertrag sei, weil die Voraussetzungen für einen steuerfreien Sanierungsgewinn nicht erfüllt seien; es fehle insoweit sowohl an einer Sanierungsabsicht der Gläubiger als auch an einer Sanierungseignung der Klägerin. Auch der Erlaß der Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber dem früheren Gesellschafter A sei kein steuerfreier Sanierungsgewinn; selbst wenn insoweit eine Sanierungsabsicht des A vorgelegen haben sollte, fehle es doch an der Sanierungseignung. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 110 veröffentlicht.

Mit der Revision beantragt die Klägerin, das angefochtene Urteil aufzuheben und "in der Sache dahingehend zu entscheiden, daß ein Sanierungsgewinn festgestellt wird". Die Klägerin rügt Verletzung materiellen Rechts und Verfahrensmängel.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Gemäß § 3 Nr.66 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Streitjahr 1978 maßgeblichen Fassung sind Erhöhungen des Betriebsvermögens steuerfrei, sofern diese dadurch entstehen, "daß Schulden zum Zwecke der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden". Eine damit wörtlich und sachlich übereinstimmende Regelung enthielt bereits § 11 Nr.4 des Körperschaftsteuergesetzes alter Fassung (KStG a.F.); diese war analog im Einkommensteuerrecht angewendet worden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (und ebenso bereits des Reichsfinanzhofs --RFH--) ist eine Betriebsvermögensmehrung durch Schulderlaß nur dann als Sanierungsgewinn gemäß § 3 Nr.66 EStG steuerfrei, wenn

a) das Unternehmen sanierungsbedürftig ist,

b) die Gläubiger in der Absicht handeln, die geschäftliche und finanzielle Gesundung des Schuldners herbeizuführen (sog. Sanierungsabsicht) und

c) der Schulderlaß geeignet ist, "das sanierungsbedürftige Unternehmen vor dem Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen" (sog. Sanierungseignung). Fehlt nur eine dieser tatbestandlichen Voraussetzungen, ist der Schulderlaß kein solcher "zum Zwecke der Sanierung" und die dadurch bedingte Betriebsvermögensmehrung nicht steuerbefreit (z.B. BFH-Urteil vom 22.November 1983 VIII R 14/81, BFHE 140, 521, BStBl II 1984, 472). Das Tatbestandserfordernis der sog. Sanierungseignung, gelegentlich auch als Sanierungserfolg bezeichnet (z.B. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 4.Aufl., S.180), folgt aus dem primären wirtschafts- und sozialpolitischen Zweck und der sachlichen Rechtfertigung der Steuerbefreiung, das Unternehmen als Faktor des Wirtschaftslebens, insbesondere als Einkunftsquelle des Unternehmers und seiner Arbeitnehmer und mittelbar auch seiner Geschäftspartner, "am Leben zu erhalten" (z.B. Senatsurteil vom 15.Dezember 1966 IV 232/64, BFHE 88, 122, 123, BStBl III 1967, 309; vgl. auch Groh in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 3 EStG Anm.424).

Demgemäß hat die Rechtsprechung entschieden, daß das Tatbestandselement der Sanierungseignung (Sanierungserfolg) nicht erfüllt ist, wenn einer Kapitalgesellschaft im Zusammenhang mit deren gesellschaftsrechtlicher Liquidation Schulden erlassen werden, oder wenn der Schulderlaß einer gesellschaftsrechtlich bisher nicht aufgelösten und liquidierten Kapitalgesellschaft gewährt wird, die ihre gewerbliche Betätigung auf Dauer eingestellt hat (BFH-Urteil vom 22.April 1964 I 62/61 U, BFHE 79, 382, BStBl III 1964, 370). Nur ausnahmsweise ist ein Schulderlaß, der nicht "unternehmensbezogen" ist, also nicht unternehmenserhaltenden Charakter hat, sondern nur einer natürlichen Person als früherem Unternehmer und persönlichem Schuldner zugute kommt, aus Gründen der persönlichen Billigkeit steuerbefreit (Groh, a.a.O., § 3 EStG Anm.459), wenn der Schulderlaß dazu bestimmt und geeignet ist, "dem Schuldner ein wirtschaftliches Bestehen als Angestellter oder in irgendeiner anderen Tätigkeit" zu ermöglichen (RFH-Urteil vom 12.Oktober 1938 VI 621/38, RStBl 1939, 86).

War Schuldner der erlassenen Verbindlichkeiten eine KG, deren einziger persönlich haftender Gesellschafter eine GmbH ist, so scheidet --von Sonderfällen abgesehen-- eine "unternehmerbezogene" Sanierung naturgemäß aus, da natürliche Personen, die unbeschränkt für die Verbindlichkeiten der KG haften und denen durch den Schulderlaß "ein wirtschaftliches Bestehen als Angestellter oder in irgendeiner anderen Tätigkeit" ermöglicht wird, nicht vorhanden sind. Tatbestandliche Voraussetzung der Steuerbefreiung ist in diesem Falle vielmehr ebenso wie bei einer Kapitalgesellschaft, daß der Schulderlaß die Erhaltung des Unternehmens der GmbH & Co. KG bewirkt; nur in diesem Falle ist der Schulderlaß ein solcher "zum Zwecke der Sanierung" i.S. von § 3 Nr.66 EStG.

2. Nach den zu 1. dargestellten Rechtsgrundsätzen hat das FG zu Recht verneint, daß im Streitfall die Erhöhung des buchmäßigen Betriebsvermögens der Klägerin durch Erlaß ihrer Verbindlichkeiten gegenüber den Lieferanten und dem Darlehensgläubiger A gemäß § 3 Nr.66 EStG steuerbefreit ist.

a) Dabei kann der Senat offenlassen, welche Anforderungen an die Sanierungsabsicht der Gläubiger im einzelnen zu stellen sind, insbesondere ob, wie die Revision geltend macht, dazu nicht gehört, daß die Gläubiger mindestens auch in der Absicht handeln, sich nach Möglichkeit eine Geschäftsverbindung für die Zukunft zu erhalten. Denn jedenfalls hat das FG zutreffend entschieden, daß das Tatbestandserfordernis der "Sanierungseignung" nicht erfüllt ist.

Nach den tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils, die für den Senat bindend sind, ist davon auszugehen, daß die Klägerin ihren Geschäftsbetrieb im Zeitpunkt des Schulderlasses auf Dauer eingestellt hatte. Wie das FG in anderem Zusammenhang zu Recht betont, hat der Vertreter der Klägerin im Vergleichsvorschlag an die Gläubiger vom 3.April 1978 ausdrücklich hervorgehoben, daß die Klägerin ihr Ladengeschäft in der X-Straße geschlossen und mangels anderer geeigneter Ladengeschäfte ihre Geschäftstätigkeit eingestellt habe. Unstreitig ist auch, daß die Klägerin seither zu keiner Zeit unternehmerisch tätig war. Schließlich konnte das FG auch auf der Grundlage des Sachvortrags der Prozeßbeteiligten im Klageverfahren ohne weitere Ermittlungen zu der Feststellung kommen, daß bei Abschluß des Vergleichs mit den Gläubigern kein Sanierungsplan im Sinne eines mehrere Maßnahmen umfassenden Konzepts vorlag, dessen Ziel die alsbaldige Wiederaufnahme einer mit den bisherigen Aktivitäten vergleichbaren unternehmerischen Betätigung war.

Im Ausgangspunkt richtig ist der Einwand der Revision, daß der VIII.Senat des BFH in seinem Urteil vom 25.Februar 1972 VIII R 30/66 (BFHE 105, 260, BStBl II 1972, 531) die Sanierungseignung vor allem deshalb verneint hat, weil nur ein Teil der Schulden erlassen worden war. Daraus folgt aber nicht, daß umgekehrt in Fällen, in denen die Schulden insgesamt erlassen werden, stets und ausnahmslos die Sanierungseignung zu bejahen ist.

Nicht überzeugen kann der Hinweis der Revision auf das Urteil des Niedersächsischen FG vom 2.Juni 1981 (EFG 1982, 64), da dieses Urteil den Sonderfall einer "unternehmerbezogenen" Sanierung betrifft. Schuldner der erlassenen Verbindlichkeiten war zwar ebenfalls eine KG; der Schulderlaß diente aber dazu, natürlichen Personen, die persönlich für die Schulden der KG unbeschränkt hafteten, die wirtschaftliche Existenz zu erhalten. Der Streitfall ist damit nicht vergleichbar.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61050

BStBl II 1985, 504

BFHE 143, 531

BFHE 1985, 531

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