Leitsatz (amtlich)

Die Zuweisung einer Tätigkeitsvergütung an den Wohnsitzstaat des geschäftsführenden Gesellschafters einer OHG erfordert, daß dieser in der Betriebstätte der OHG im Tätigkeitsstaat tätig gewesen ist.

 

Normenkette

DBA SWE Art. 3 Abs. 5, Art. 4 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Revisionsklägerin (Rev. Kl.) ist eine OHG deutschen Rechts. Ihre beiden geschäftsführenden Gesellschafter sind Schweizer Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Schweiz, wo sie ein weiteres gemeinschaftliches Unternehmen betreiben. Eine im Jahre 1957 durchgeführte Betriebsprüfung führte zur Wiederaufrollung der einheitlichen Gewinnfeststellungen für die Jahre 1951 bis 1954 gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO sowie zur erstmaligen einheitlichen Gewinnfeststellung für die Jahre 1955 und 1956. Nach Durchführung des insoweit erfolglos gebliebenen Einspruchs- und Berufungsverfahrens verfolgen sie mit der als Revision zu behandelnden Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung des FG nunmehr noch folgendes.

Die Rev. Kl. ist der Auffassung, daß ihr Gewinn in jedem der sechs Streitjahre (1951 bis 1956) um eine Tätigkeitsvergütung von monatlich 1 000 DM für jeden ihrer beiden geschäftsführenden Gesellschafter, somit um 24 000 DM jährlich gekürzt werden müsse. Dies folge aus Art. 3 Abs. 5 des Abkommens zwischen dem Deutschen Reich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftsteuern vom 15. Juli 1931 - DBAS - (RGBl II 1934, 38, RStBl 1934, 199), der wie folgt lautet:

"Befindet sich die Betriebstätte des Unternehmens in dem einen Staat, der Wohnsitz eines in der Betriebstätte tätigen Inhabers oder Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen ist, in dem anderen Staat, so wird von dem Teil der Einkünfte, welcher einem angemessenen Entgelt für die Tätigkeit entsprechen würde, nur der Wohnsitzstaat Steuern erheben."

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift würden von ihren Gesellschaftern in tatsächlicher Hinsicht dadurch erfüllt, daß sie die Geschäfte der OHG fernmündlich, im Wege einer umfangreichen Korrespondenz sowie mittels gelegentlicher persönlicher Besuche am Sitz der OHG in F. leiteten. Eine ständige persönliche Anwesenheit ihrer Gesellschafter in der Betriebstätte (in F.) sei nicht erforderlich; es genüge vielmehr eine Tätigkeit für die Betriebstätte. Das folge auch aus Art. 4 Abs. 1 DBAS, der für den geschäftsführenden Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft - genauer: für seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit - das Besteuerungsrecht desjenigen Staates begründe, in dessen Gebiet die persönliche Tätigkeit ausgeübt werde; hier werde es als ausreichend zur Erfüllung dieser Voraussetzung angesehen, wenn der geschäftsführende Gesellschafter die Geschäfte der Gesellschaft von seinem ausländischen Wohnsitz aus leite und nur gelegentlich am Ort der Betriebstätte anwesend sei. Beide Vorschriften regelten somit das gleiche Problem, nämlich die Zuweisung des Besteuerungsrechts für Tätigkeitsvergütungen geschäftsführender Gesellschafter; im Falle der Kapitalgesellschaft könne auf Grund der arbeitsrechtlichen Ausgestaltung des Tätigkeitsverhältnisses zwischen der Gesellschaft und ihren geschäftsführenden Gesellschaftern an deren Einkünfte aus dem Arbeitsverhältnis angeknüpft werden, während im Falle der Personengesellschaft eine Ausgliederung eines Teiles der gewerblichen Einkünfte der Gesellschafter als Tätigkeitsvergütung erforderlich sei.

Der Revisionsbeklagte (das FA) ist demgegenüber der Auffassung, daß die Berücksichtigung einer Tätigkeitsvergütung in Ansehung einer Tätigkeit in der Betriebstätte, nicht nur für die Betriebstätte, d. h. die persönliche Anwesenheit der geschäftsführenden Gesellschafter verlange. Die zu Art. 4 Abs. 1 DBAS begründete Ausnahme, nämlich die Erzielung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch bei persönlicher Ortsabwesenheit, lasse sich auf Fälle der hier vorliegenden Art nicht übertragen.

Das FG folgte in seiner Entscheidung der Auffassung des FA und einer Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen vom 25. November 1963, die dieser auf Ersuchen des FG zu der streitigen Rechtsfrage abgegeben hat. Die Vorschrift des Art. 3 Abs. 5 DBAS sei eine Ausnahmevorschrift, die auf den Wunsch der Schweiz aus deren interkantonalem Steuerrecht in das DBAS übernommen worden und deshalb aus einem Vergleich mit anderen Vorschriften des DBAS nicht zu erklären sei. Die Betriebstätte als Quelle gewerblicher Einkünfte sei ein räumlich gesehen fester Punkt, der für die Zuweisung der an ihm erzielten Einkünfte bestimmend sei (Art. 3 Abs. 1 und 5 DBAS). Demgegenüber knüpfe die Zuweisung der Besteuerung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht an einen bestimmten Punkt an, sondern weise das Besteuerungsrecht demjenigen Staate zu, in dessen Gebiet die persönliche Tätigkeit ausgeübt werde. Wollte man der Rev. Kl. darin folgen, daß Art. 4 Abs. 1 DBAS zur Auslegung der Vorschrift des Art. 3 Abs. 5 DBAS heranzuziehen sei, so würde sich als Folge ergeben, daß die im Inland erzielten Tätigkeitsvergütungen gewerblicher Art dem Betriebstättenstaat zugunsten des Wohnsitzstaates entzogen würden, während die entsprechenden Vergütungen leitender Angestellter gerade dem Tätigkeitsstaat (welcher auch der Wohnsitzstaat sein könne) zugewiesen würden.

Mit ihrer Revision macht die Rev. Kl. erneut geltend, daß Art. 3 Abs. 5 DBAS nur im Zusammenhang mit dem "rechtsähnlichen Art. 4 Abs. 1 DBAS" verstanden und richtig ausgelegt werden könne. Art. 3 Abs. 5 DBAS schließe hinsichtlich der Tätigkeitsvergütung das Besteuerungsrecht des Quellenstaates aus und weise es dem Wohnsitzstaat zu. Wäre die Auffassung des FA richtig, so wären die Voraussetzungen dieser Vorschrift in idealer Weise erfüllt, wenn der geschäftsführende Gesellschafter das ganze Jahr über in der Betriebstätte anwesend gewesen und dort tätig geworden sei. Das sei jedoch nur in Fällen grenznaher Lage sowohl der Betriebstätte einerseits als auch des Wohnortes andererseits überhaupt möglich und deshalb für grundsätzliche Überlegungen zur Auslegung des Art. 3 Abs. 5 DBAS nicht anzunehmen. Je mehr man nun die Zahl der Tage mit einer persönlichen Anwesenheit des geschäftsführenden Gesellschafters in der Betriebstätte verringere, desto mehr steige die praktische Möglichkeit, daß der geschäftsführende Gesellschafter seinen Wohnsitz in einem anderen Staat habe als seine Betriebstätte. Desto mehr stiegen aber - folge man FA und FG - auch die Bedenken, daß er noch in der Betriebstätte tätig sei; es sei mithin abzugrenzen, wann - zeitlich/räumlich - die Tätigkeit in der Betriebstätte aufhöre und die Tätigkeit für die Betriebstätte beginne. Richtig gesehen sei es demgegenüber aber doch vielmehr so, daß eine Zuweisung des Besteuerungsrechts an den Wohnsitzstaat um so unverständlicher erscheinen müsse, je mehr eine Tätigkeit in der Betriebstätte die Verknüpfung der Tätigkeitsvergütung mit dem Quellenstaat aufzeige. Nun sei es aber gerade bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften besonders häufig, daß der Unternehmer bzw. der geschäftsführende Gesellschafter die Geschäfte des Unternehmens von seinem Wohnort aus, nicht am Ort der Betriebstätte leite. Für diesen Fall aber sei die Vorschrift des Art. 3 Abs. 5 DBAS gedacht, indem sie einen angemessenen Teil des Betriebsgewinns als Tätigkeitsvergütung demjenigen Staat zuweise, in dessen Gebiet die Geschicke der Gesellschaft maßgebend bestimmt würden, auch wenn dies nicht in der Betriebstätte geschehe. Die gleichen Überlegungen habe auch der Vorsitzende des erkennenden Senats des FG in seinem Schreiben vom 24. Juli 1963, mit dem er den Bundesminister der Finanzen um Stellungnahme ersucht hat, angestellt und dabei auf die Bedeutung und den heutigen Entwicklungsstand der modernen Kommunikationsmittel (Telefon, Fernschreiber, Funk) für die wirksame Geschäftsleitung hingewiesen.

Was schließlich die vermeintliche Systemwidrigkeit der Vorschrift des Art. 3 Abs. 5 DBAS betreffe, so sei bereits vor dem FG darauf hingewiesen worden, daß die Vorschrift ebenso wie die des Art. 4 Abs. 1 DBAS eine Ortsbestimmung enthalte ("in der Betriebstätte", "in dem Staate, in dessen Gebiet die persönliche Tätigkeit ausgeübt wird"). Wenn man deshalb bei Anwendung des Artikels 4 Abs. 1 DBAS das Besteuerungsrecht eines Staates für die Früchte einer Tätigkeit (Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit) anerkenne, die eindeutig nicht in seinem Gebiet ausgeübt wurde, so könne auch bei Anwendung des Art. 3 Abs. 5 DBAS für das Besteuerungsrecht einer Tätigkeit für die Betriebstätte nichts anderes gelten.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

Die Vorschrift des Art. 3 Abs. 5 DBAS (alter Fassung) enthält mit der Zuweisung des Besteuerungsrechts für das Betriebstätteneinkommen in Höhe einer angemessenen Tätigkeitsvergütung an den Wohnsitzstaat eine Sonderregelung des Abkommens. Sie bringt (nach Korn-Dietz, Doppelbesteuerung, Schweiz, Anm. 5 zu Art. 3 DBAS) eine "wichtige Verfeinerung der Zuteilungsnorm" und bildet (nach Rennebaum-Zitzlaff, Die Deutschen Doppelbesteuerungsverträge, S. 233) einen Ausgleich zu dem in Art. 4 DBAS niedergelegten Prinzip, nach dem der Ort der entwickelten Tätigkeit für die Besteuerung des Arbeitseinkommens entscheidet.

Danach soll nach Art. 3 Abs. 5 DBAS - abstellend auf den Ort der entwickelten Tätigkeit - dem ausländischen Wohnsitzstaat ein angemessener, auf die Tätigkeit des ausländischen geschäftsführenden Gesellschafters einer deutschen OHG entfallender Anteil am Betriebsgewinn zur Besteuerung zufallen, den dieser mit seiner Tätigkeit in der Betriebstätte der deutschen OHG erzielt hat (so auch Eiche-Fromer-Speiser, Internationale Steuern, Schweiz, 1955, S. 20). Die Sondervorschrift hat in der Tat - wie ihre Übernahme aus dem interkantonalen Recht der Schweiz deutlich macht - nur für Fälle grenznaher Belegenheit der Betriebstätte einerseits und des Wohnsitzes des Unternehmers (Mitunternehmers, geschäftsführenden Gesellschafters) andererseits praktische Bedeutung (siehe auch Buckel, Das Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen Deutschland und der Schweiz, 1935, S. 11). Sie greift mithin nur Platz, wenn der ausländische geschäftsführende Gesellschafter in der deutschen Betriebstätte seines Unternehmens vermittels seiner Tätigkeit in der Geschäftsführung Gewinne erzielt hat.

Demgegenüber können Begriff und Auslegung der Vorschrift des Art. 4 Abs. 1 DBAS, die nicht auf die Betriebstätte, in der eine Tätigkeit ausgeübt wurde, sondern auf das Gebiet des Staates abstellen, in dem eine Tätigkeit ausgeübt wurde, für die Auslegung der Sondervorschrift des Art. 3 Abs. 5 DBAS nichts hergeben. Obwohl es, wie die Steuerpflichtige zu Recht vorträgt, in beiden Fällen auf die persönliche Ortsanwesenheit des geschäftsführenden Gesellschafters ankommt, wird die Tätigkeit des Geschäftsführers einer Kapitalgesellschaft "mit Rücksicht auf ihre Bedeutung für das Schicksal der Kapitalgesellschaft und vor allem auch im Hinblick auf die Tatsache, daß die Kapitalgesellschaft rechtlich und wirtschaftlich durch die Direktoren und Geschäftsführer als ihre Organe gewissermaßen selbst handelt, jedenfalls dann als an dem Ort ausgeübt angesehen werden müssen, an dem sich der Sitz der Kapitalgesellschaft befindet, wenn der Direktor oder Geschäftsführer sich wenigstens gelegentlich an diesem Ort aufgehalten hat und seine Tätigkeit nicht so abgegrenzt ist, daß sie lediglich im Ausland sich auswirkende Aufgaben umfaßt" (Urteil des BFH VI 300/58 S vom 12. August 1960, BFH 71, 514, BStBl III 1960, 441; vgl. auch BFH-Urteil VI 121/61 vom 9. Februar 1962, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Doppelbesteuerung Schweiz, Abkommen vom 15. Juli 1931, Art. 4, Rechtsspruch 2). Etwas Entsprechendes läßt sich für die OHG nicht sagen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68016

BStBl II 1968, 454

BFHE 1968, 90

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