Entscheidungsstichwort (Thema)

(Offene Galerie, Arbeitsecke in privat genutztem Raum oder durch Raumteiler abgetrennter Bereich kein häusliches Arbeitszimmer)

 

Leitsatz (amtlich)

Eine zum Wohnzimmer hin offene Galerie kann mangels räumlicher Trennung vom privaten Wohnbereich steuerlich nicht als häusliches Arbeitszimmer anerkannt werden.

 

Orientierungssatz

Die in einem ansonsten privat genutzten Raum eingerichtete Arbeitsecke oder der durch einen Raumteiler abgetrennte Arbeitsbereich in einem ansonsten privat genutzten Raum kann steuerlich nicht als häusliches Arbeitszimmer anerkannt werden (vgl. FG-Rechtsprechung).

 

Normenkette

EStG 1981 § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG (Entscheidung vom 07.04.1987; Aktenzeichen II 132/84 (III))

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Bankangestellter. Er bewohnte im Streitjahr 1982 zusammen mit seiner ebenfalls berufstätigen Ehefrau ein eigenes Einfamilienhaus (Doppelhaushälfte). Das Haus mit einer Wohnfläche von 109 qm ist weitgehend in offener Bauweise gestaltet. Der Luftraum des Wohnzimmers reicht bis unter die Dachschräge. Im Dachgeschoß befindet sich etwa 3 m oberhalb des Wohnbereichs eine ca. 20 qm große Galerie, die durch eine außerhalb des Wohnzimmers verlaufende, gewendelte Freitreppe ohne Türabschluß zu erreichen ist. Zum darunterliegenden Wohnzimmer ist die Galerie durch eine neben der Treppe senkrecht bis zum Dachfirst angeordnete, 2 m breite Mauer mit den Kaminzügen sowie daran anschließend durch eine ca. 85 cm hohe und 2,75 m breite Brüstung aus Plexiglas begrenzt. Auch im Bereich der Dachschräge wird die Galerie durch eine Brüstung abgeschlossen. Beheizt wird das Obergeschoß ausschließlich durch die aufsteigende Wärme aus dem Wohnbereich.

Der Kläger und seine Ehefrau nutzten den büromäßig eingerichteten Galeriebereich unstreitig für berufliche Zwecke. In der Einkommensteuer-Erklärung 1982 machte der Kläger für die Galerie, die er als Arbeitszimmer bezeichnete, Aufwendungen von 5 568,81 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte den Werbungskostenabzug ab, weil es sich nicht um einen abgeschlossenen Raum handele.

Die Klage hatte dem Grunde nach Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, die Galerie sei als häusliches Arbeitszimmer anzuerkennen, weil eine ausreichende bauliche Trennung von Arbeits- und Wohnbereich gegeben sei. Das Urteil ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1987, 453 veröffentlicht.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die unrichtige Anwendung von § 9 Abs.1 und § 12 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger tritt der Revision entgegen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

1. Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer werden nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) als Werbungskosten nach § 9 Abs.1 Satz 1 EStG bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anerkannt, wenn dieses Zimmer so gut wie ausschließlich beruflich genutzt wird; bei einer mehr als nur geringfügigen privaten Mitbenutzung steht die Vorschrift des § 12 Nr.1 EStG der Abziehbarkeit auch nur eines Teils der Aufwendungen entgegen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18.Oktober 1983 VI R 180/82, BFHE 139, 518, BStBl II 1984, 110, m.w.N.).

Da der Umfang der in der Vergangenheit liegenden tatsächlichen Nutzung eines häuslichen Arbeitszimmers in der Regel nicht mehr unmittelbar festgestellt werden kann, müssen aus den objektiven Gegebenheiten des Falles entsprechende Schlüsse auf die Art der Benutzung in der Vergangenheit gezogen werden; dabei ist eine gewisse Typisierung nicht zu vermeiden. In dem Urteil vom 28.Oktober 1964 IV 168/63 S (BFHE 81, 45, BStBl III 1965, 16) hat der IV.Senat des BFH die tatsächlichen Kriterien zusammengestellt, die als Beweisanzeichen dafür zu würdigen sind, ob ein Raum so gut wie ausschließlich beruflich oder betrieblich genutzt wurde. Der erkennende Senat hat sich den Erwägungen des IV.Senats angeschlossen (vgl. Urteil vom 19.August 1988 VI R 69/85, BFHE 154, 128, BStBl II 1988, 1000).

2. Von diesen Grundsätzen ist die Vorentscheidung zwar zutreffend ausgegangen. Das FG hat jedoch im Hinblick auf die Frage, ob das Arbeitszimmer von den Privaträumen getrennt liegt und deshalb die private Benutzung nicht wahrscheinlich ist, gegen Erfahrungssätze verstoßen.

a) Da die Lebenserfahrung für eine steuerschädliche private Mitbenutzung spricht, wenn keine klare Abgrenzung zwischen dem Arbeitszimmer und dem privaten Wohnbereich gegeben ist, wird die räumliche Trennung des Arbeitszimmers von den übrigen Räumen der Wohnung in der Rechtsprechung des BFH als wesentliches Beweisanzeichen für die steuerliche Anerkennung des Arbeitszimmers gewertet. Ist eine solche Trennung nicht vorhanden, so kann nicht mehr davon gesprochen werden, daß eine private Mitbenutzung von nicht nur untergeordneter Bedeutung vorliegt (BFH-Urteil in BFHE 139, 518, BStBl II 1984, 110). Der Senat hat deshalb Aufwendungen für ein Arbeitszimmer in einem Fall nicht zum Abzug zugelassen, in dem der Raum vom angrenzenden Wohnzimmer aus durch einen offenen Durchgang ohne Türabschluß betreten werden konnte und dadurch nicht gewährleistet war, daß das Arbeitszimmer getrennt vom Wohnraum hätte genutzt werden können (Urteil vom 28.Oktober 1977 VI R 194/74, insoweit in BFHE 123, 558, BStBl II 1978, 151, nicht veröffentlicht). Auf derselben Linie liegt die Rechtsprechung des Senats, wonach grundsätzlich eine schädliche private Mitbenutzung anzunehmen ist, wenn das Arbeitszimmer als Durchgangszimmer zu mehreren Privaträumen dient (Urteil in BFHE 139, 518, BStBl II 1984, 110; s. auch Urteil in BFHE 154, 128, BStBl II 1988, 1000). Zutreffend ist ferner in der Rechtsprechung der FG darauf abgestellt worden, daß bei einem nicht räumlich abgeschlossenen Zimmer die steuerliche Berücksichtigung zu versagen ist, wenn in einem ansonsten privat genutzten Raum eine Arbeitsecke eingerichtet oder der Arbeitsbereich durch einen Raumteiler abgetrennt ist (vgl. z.B. Urteile des FG Nürnberg vom 7.Mai 1969 V 31/66, EFG 1969, 585, und des FG Rheinland-Pfalz vom 23.Mai 1989 2 K 81/88, EFG 1990, 171).

b) Entgegen der Ansicht der Vorinstanz sind im Streitfall die geltend gemachten Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer bereits deshalb nicht als Werbungskosten anzuerkennen, weil nach der baulichen Gestaltung Wohnzimmer und Galerie nur einen Raum --wenn auch mit einer zusätzlichen Ebene-- darstellen, der gleichzeitig sowohl für private Zwecke (Wohnzimmerebene) als auch für berufliche Zwecke (Galerie) genutzt wird. Der Höhenunterschied zwischen dem Wohnbereich und der Galerie sowie das dort angebrachte Geländer führen nicht dazu, daß zwei gegeneinander abgetrennte Räume vorliegen. Vielmehr gehört es gerade zu der besonderen, von der herkömmlichen Bauweise abweichenden und auf großzügige Raumgestaltung gerichteten Konzeption, daß die Galerie zusammen mit dem Wohnzimmer eine räumliche Einheit bildet. Da für die rechtliche Beurteilung auf den Gesamtraum abzustellen ist, kann dieser wegen der nicht nur geringfügigen Privatnutzung des Wohnbereichs nicht nahezu ausschließlich für berufliche Zwecke genutzt worden sein. Bei dieser räumlichen Gestaltung fällt der Umstand, daß die Galerie selbst unstreitig nur beruflich genutzt wurde, nicht ins Gewicht.

c) Die Vorentscheidung war aufzuheben, weil die Sachverhaltswürdigung des FG hinsichtlich der räumlichen Trennung von Arbeitszimmer und Privaträumen nicht mit allgemeinen Erfahrungssätzen vereinbar ist. Der Senat ist infolgedessen nicht nach § 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an die tatsächliche Schlußfolgerung des FG gebunden, daß ein so gut wie ausschließlich beruflich genutzter Raum vorgelegen habe (vgl. Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 118, Anm.40). Die Sache ist entscheidungsreif. Da die Indizwirkung der fehlenden räumlichen Trennung des Arbeitsbereichs schon ausreichend ist, um die private Mitbenutzung nicht mehr als untergeordnet erscheinen zu lassen, weist der Senat die Klage ab.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63799

BFH/NV 1992, 28

BStBl II 1992, 304

BFHE 166, 285

BFHE 1992, 285

BB 1992, 555 (L)

DStR 1992, 390 (KT)

DStZ 1992, 312 (KT)

HFR 1992, 230 (LT)

StE 1992, 175 (K)

WPg 1992, 324 (S)

StRK, WK R.128 (LT)

FR 1992, 290 (KT)

Information StW 1992, 208 (KT)

NJW 1992, 1408 (LT)

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