Leitsatz (amtlich)

Der Anspruch auf verbilligten Nachbezug von Rohstoffen, den Lieferanten solchen Kunden gewähren, welche die Ausfuhr der aus diesen Rohstoffen hergestellten Waren nachweisen, ist jedenfalls solange nicht zu aktivieren, als der Kunde die Bezugsberechtigungsscheine beim Lieferanten noch nicht eingereicht und keine entsprechende Bestellung neuer Rohstoffe aufgegeben hat.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 2; HGB §§ 38-40

 

Tatbestand

Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine KG, stellte ... Produkte her, für die u. a. Rohstoffe verschiedener Lieferanten verwendet wurden. Etwa ein Drittel des Umsatzes erbrachte das Exportgeschäft. Die Lieferanten gewährten zum Ausgleich für die niedrigeren Auslandspreise für die Rohstoffe nach einer allgemeinen Vereinbarung eine sogenannte Exportförderung. Entsprechend dem Rohstoffgehalt der exportierten Erzeugnisse räumten sie das Recht ein, verbilligte Rohstoffe nachzubeziehen. Der Anspruch gegenüber dem einzelnen Lieferanten wurde nach dem Anteil der von diesem bezogenen Rohstoffe an dem Gesamtbezug der entsprechenden Rohstoffe bemessen, der sich für einen Zeitraum von drei Monaten vor dem Exportmonat ergab. Er mußte innerhalb einer Ausschlußfrist von sechs Wochen nach dem Exportmonat unter Vorlage von Exportnachweisen bei einer Treuhandgesellschaft geltend gemacht werden, welche die Anspruchsgrundlagen nachprüfte und die Bezugsberechtigungsscheine ausstellte; diese waren innerhalb einer Ausschlußfrist von einem Monat dem Hersteller vorzulegen und die Berechtigung innerhalb von sechs Monaten in Anspruch zu nehmen.

Aufgrund einer Betriebsprüfung sah der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) den Anspruch auf verbilligten Nachbezug als aktivierungspflichtig an und erhöhte den Gewinn der KG für 1968 entsprechend. Streitig blieb bei der einheitlichen Gewinnfeststellung ein aktivierter Betrag von 389 179 DM für die am 31. Dezember 1968 noch nicht beim Lieferanten eingereichten Nachweise der Nachbezugsrechte. Soweit hingegen am Bilanzstichtag die Berechtigungsscheine dem Lieferanten schon übermittelt worden waren, erkannte die Klägerin die Aktivierung - hier in Höhe von 1915 DM - an.

Das Finanzgericht (FG) gab im ersten Rechtsgang der von der Klägerin erhobenen Klage im wesentlichen statt. Auf die Revision des FA hob der Bundesfinanzhof (BFH) die Entscheidung des FG - ohne auf die materielle Streitfrage einzugehen - aus formellen Gründen auf und verwies die Sache in die Vorinstanz zur Prüfung zurück, ob die Kommanditisten der inzwischen aufgelösten KG beigeladen werden müssen.

Nach ihrer Beiladung wies das FG die Klage nunmehr mit der Begründung ab, das Nachbezugsrecht der KG sei am 31. Dezember 1968 als so konkretisiert anzusehen, daß es zu einem zumindest im Entstehen begriffenen Anspruch geworden sei. Dieser hätte sich bei einer Veräußerung des Unternehmens im Kaufpreis niedergeschlagen und sei deshalb auch zu einem bewertungsfähigen Wirtschaftsgut geworden. In der Entscheidung vom 11. Mai 1973 III R 17/72 (BFHE 109, 270, BStBl II 1973, 606) habe der BFH zwar einen Ansatz verneint, weil die Vereinbarungen über das Nachbezugsrecht eine sog. Protestativbedingung enthielten. Dieser Auffassung könne aber nicht beigetreten werden.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der Revision. Sie rügt Verletzung materiellen Rechts (§ 5 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) und führt aus, nach den Vereinbarungen mit den Lieferanten könne erst nach einem besonderen Verfahren und unter Beachtung aller Fristen ein Einkaufskontrakt zu verbilligten Preisen mit der Chance eines späteren Gewinns geschlossen werden. Diese Gewinnchance werde erst dann zu einem ausweisfähigen Gewinn, wenn aus dem Einkauf - gegebenenfalls nach Be- oder Verarbeitung - ein Verkauf geworden sei, bei dem der erzielte Preis den Einkaufspreis zuzüglich weiterer entstandener Kosten übersteige. Das müsse erst recht gelten, wenn wie im Streitfall der Kontrakt am Bilanzstichtag noch nicht zustande gekommen sei. Die Aktivierung der künftigen Einkaufsverbilligung führe zu einer unzulässigen Vorverlagerung des beim Verkauf erhofften Gewinns.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Die hier noch streitigen Nachbezugsrechte von 389 179 DM waren in der Schlußbilanz der KG vom 31. Dezember 1968 nicht zu aktivieren.

Durch die ab Veranlagungszeitraum 1968 anzuwendende Neufassung der §§ 5, 6 Abs. 1 Satz 1 EStG ist klargestellt worden, daß nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung zu beurteilen ist, welche Wirtschaftsgüter anzusetzen, nach § 6 EStG hingegen, wie sie zu bewerten sind. Danach sind handelsrechtliche Bilanzierungsgrundsätze maßgeblich für die Frage, ob überhaupt ein Wirtschaftsgut vorliegt, wie auch für die Frage, ob die weiteren Voraussetzungen für die Aktivierungsfähigkeit eines Wirtschaftsgutes erfüllt sind. Was die Aktivierbarkeit anbelangt, kann der steuerrechtliche Begriff des Wirtschaftsgutes (§§ 4, 5, 6 EStG) nicht weitergehen als der handelsrechtliche Begriff des Vermögensgegenstands (§§ 38, 39, 40 HGB). Damit gelten handelsrechtliche Aktivierungsverbote und Passivierungsgebote grundsätzlich auch für die Steuerbilanz (BFH-Urteil vom 26. Februar 1975 I R 72/73, BFHE 115, 243, BStBl II 1976, 13).

Der erkennende Senat beurteilt in Übereinstimmung mit der Entscheidung III R 17/72 die der KG von ihren Lieferanten eingeräumten Rechte auf verbilligten Nachbezug von Rohstoffen als bürgerlich-rechtliche Ansprüche der KG auf Abschluß von Kaufverträgen zu ermäßigten Preisen. Nach den Feststellungen des FG setzt das vertragliche Recht auf verbilligten Nachbezug den Export von Erzeugnissen der KG voraus, zu deren Herstellung Rohstoffe der den Export fördernden Lieferanten verwendet worden waren. Diese Rechte konnten aufgrund des Rohstoffgehalts der exportierten Erzeugnisse, wenn auch in einem komplizierten Berechnungsverfahren, mengen- und preismäßig bestimmt werden. Zur Realisierung dieses Rechts bedurfte es aber vereinbarungsgemäß noch weiterer Voraussetzungen, wie fristgerechter Antrag auf Ausstellung eines Bezugsberechtigungsscheins bei der zwischengeschalteten Treuhandgesellschaft, Vorlage beim Hersteller innerhalb einer Ausschlußfrist von einem Monat und Inanspruchnahme des verbilligten Nachbezugs innerhalb von sechs Monaten. Nach dieser vertraglichen Gestaltung hat die KG im Zeitpunkt des Exports von Produkten, die in die Exportförderung der Lieferanten einbezogen waren, allenfalls eine näher konkretisierbare Anwartschaft erworben.

Nach Handelsrecht richtet sich die Aktivierung von Vermögensgegenständen (Wirtschaftsgütern), wozu auch Forderungsrechte gehören, nicht allein nach bürgerlich-rechtlichen, sondern in erster Linie nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten (vgl. Adler-Düring-Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, 4. Aufl., 1968, § 149, Tz. 31). Voraussetzung für eine Aktivierung ist, daß das Recht schon entstanden ist oder wenigstens die für seine Entstehung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen im abgelaufenen Geschäftsjahr gesetzt worden sind (vgl. BFH-Urteile vom 24. Juni 1969 I R 15/68, BFHE 96, 101, BStBl II 1969, 581; vom 31. Januar 1973 I R 205/69, BFHE 108, 194, BStBl II 1973, 305; vom 26. Oktober 1977 I R 148/75, BFHE 123, 547, BStBl II 1978, 97, und vom 26. Oktober 1977 I R 124/76, BFHE 123, 551, BStBl II 1978, 99). Daran fehlt es im Streitfall. Soweit die KG Exporte, die in die Förderung durch die Lieferanten einbezogen waren, erst getätigt und am Bilanzstichtag noch nicht einmal den Antrag auf eine Bezugsberechtigung bei der Treuhandgesellschaft gestellt hatte, fehlte es an wesentlichen Merkmalen zur vollen Entstehung des Rechts. Das Recht ist unter diesen Umständen auch noch nicht wirtschaftlich in dem abgelaufenen Geschäftsjahr verursacht. Soweit die Bezugsberechtigungsscheine schon ausgestellt, aber noch nicht bei dem Lieferanten eingereicht waren, gilt das gleiche. Zur vollen Verwirklichung des Rechts auf verbilligten Nachbezug von Rohstoffen waren der fristgerechte Nachweis der Bezugsberechtigung beim Lieferanten und der Abschluß eines neuen Vertrags, die Nachbestellung von Rohstoffen, erforderlich. In allen diesen Fällen war es am Bilanzstichtag noch ungewiß oder in der Schwebe, ob die KG von ihrem Recht auf verbilligten Nachbezug Gebrauch machen würde.

Besonders ins Gewicht fällt aber, daß ein wirtschaftlicher Erfolg aus der Berechtigung auf verbilligten Nachbezug erst in einer ungewissen Zukunft zutage tritt. Die KG mußte die verbilligt eingekauften Rohstoffe mit den Anschaffungskosten ansetzen. Mit diesen Anschaffungskosten gingen die Rohstoffe in die Herstellungskosten der von ihr gefertigten Produkte ein. Erst der Unterschiedsbetrag zwischen den Herstellungskosten und den später beim Verkauf erzielten Erlösen schlägt sich im Gewinn des Unternehmens nieder (vgl. das zur Inanspruchnahme von Skonti ergangene BFH-Urteil vom 3. Dezember 1970 IV R 216/67, BFHE 101, 370, BStBl II 1971, 323). Vor Eintritt dieses Erfolgs wirkt sich die Vereinbarung über den verbilligten Nachbezug allenfalls im Geschäftswert aus, der erst im Falle einer Veräußerung des Unternehmens im ganzen realisiert wird. Eine vorherige erfolgswirksame Aktivierung der Nachbezugsrechte würde gegen den Grundsatz verstoßen, daß Gewinne erst ausgewiesen werden dürfen, wenn sie verwirklicht (realisiert) worden sind.

Da die Vorentscheidung zu Unrecht davon ausgegangen ist, daß die streitigen Nachbezugsberechtigungen in Höhe von 389 179 DM in der Schlußbilanz der KG anzusetzen sind, ist sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73049

BStBl II 1979, 262

BFHE 1979, 549

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