Leitsatz (amtlich)

Ist ein nachträglich zu einem Überpreis erworbener überbauter Grundstücksstreifen nur noch als unselbständiger Teil des gesamten Gebäudegrundstücks anzusehen, so kommt eine Teilwertabschreibung von den Anschaffungskosten dieses Grundstücksteils nicht in Betracht.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Alleinerbin ihres Ehemannes, des im Jahre 1971 verstorbenen ursprünglichen Klägers. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) schätzte bei der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1966 (Streitjahr) die Besteuerungsgrundlagen, da die Eheleute keine Steuererklärung abgegeben hatten. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Im Klageverfahren wurde die Steuererklärung nachgereicht. Streitig blieb eine Teilwertabschreibung in Höhe von 9 257 DM auf den Grund und Boden des Anwesens des Erblassers. Die Klägerin machte geltend, ihr Ehemann sei bereits 1965 wirtschaftlicher Eigentümer einer mit notariellem Kaufvertrag vom 19. November 1969 erworbenen Teilfläche von 37 qm dieses Gesamtgrundstücks gewesen. Es handelte sich um einen von dem Erblasser mit Zustimmung des Eigentümers des Nachbargrundstücks vorgenommenen Überbau. Dazu wurde vorgetragen, daß sich der Abschluß des Kaufvertrages und die Eintragung des Erblassers im Grundbuch wegen einiger Streitfragen bis 1969 verzögert habe. Der Kaufpreis für die genannte Teilfläche habe 25 000 DM, die Notariatskosten hätten 289 DM und die Kosten für den bereits 1965 durchgeführten Abbruch eines dort befindlichen Bauwerkes 2 968 DM betragen. Auf diese gesamten Anschaffungskosten für den erworbenen Grund und Boden sei die begehrte Teilwertabschreibung vorzunehmen. Denn einschließlich des bereits vorher im Eigentum des Erblassers befindlichen und mit 6 000 DM zu Buche stehenden Grund und Bodens hätte sich sonst ein Bilanzansatz von insgesamt 34 257 DM ergeben. Der tatsächliche Wert zum 31. Dezember 1966 habe aber - im Hinblick auf eine Auskunft der Stadtverwaltung - nicht mehr als 25 000 DM betragen.

Die Klage hatte im Streitpunkt keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, daß der Erblasser im Streitjahr noch nicht bürgerlich-rechtlicher Eigentümer der bezeichneten Teilfläche von 37 qm gewesen sei. Eine abschließende Entscheidung der Frage, ob der Erblasser zu dieser Zeit bereits als wirtschaftlicher Eigentümer anzusehen sei, könne dahingestellt bleiben, weil auch bei Bejahung dieser Frage die begehrte Teilwertabschreibung nicht gerechtfertigt wäre. Denn der Teilwert der gesamten, als einheitliches Wirtschaftsgut zu behandelnden Grundfläche (483 qm + 37 qm) habe nicht weniger als die gesamten Anschaffungskosten von 34 257 DM betragen. Für die ursprüngliche Fläche (483 qm) ergebe sich ein qm-Durchschnittswert von 50 DM. Auf die Teilfläche von 37 qm entfalle daher ein anteiliger Wert von 10 107 DM. Der Erwerb der für den gutrentierlichen Betrieb des Erblassers offenkundig nützlichen, wenn auch für seine Existenz nicht unbedingt notwendigen Teilfläche stelle keine Fehlmaßnahme dar.

In ihrer Revision beantragt die Klägerin, die Vorentscheidung und den Einkommensteuerbescheid 1966 aufzuheben sowie das FA zu verurteilen, die Einkommensteuer für das Streitjahr unter Anerkennung der begehrten Teilwertabschreibung anderweit festzusetzen, hilfsweise, die Sache zur weiteren Sachaufklärung an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Gerügt wird die Verletzung sachlichen und formellen Rechts. Die Vorentscheidung sei mit dem Grundsatz der Einzelbewertung nicht vereinbar (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. Juli 1968 GrS 7/67, BFHE 94, 124, BStBl II 1969, 108; BFH-Urteil vom 29. September 1971 I R 195/69, BFHE 103, 182, BStBl II 1972, 13). Danach müsse das hinzuerworbene Grundstück von 37 qm als selbständiges Wirtschaftsgut bilanziert und bewertet werden. Dabei ergebe sich ein qm-Preis von rd. 514 DM. Nach einer Auskunft der Stadtverwaltung sei der sich nach der Berechnung des FG ergebende qm-Preis (31 820 : 37 = 860 DM) für die Lage des Grundstücks vollkommen unmöglich. Der Wert sei daher nach zwingenden handelsrechtlichen Vorschriften zu berichtigen. Diese Teilwertabschreibung müsse bereits für das Anschaffungsjahr vorgenommen werden. Der Ehemann der Klägerin habe sich in einer baurechtlich bedingten Notlage befunden, welche vom Verkäufer ausgenutzt worden sei. Der Grundstücksverkaufspreis sei während der Verhandlungen mehrmals gesteigert worden. Ein so entstandener Überpreis begründe eine Fehlmaßnahme, welche bilanzmäßig zu berücksichtigen sei. Die vom FG vorgenommene Durchschnittsbewertung des Gesamtgrundstücks führe zu einer Aufwertung des Bilanzansatzes für den bisherigen Grund und Boden. Sie hätte unzulässige Ausweisung eines nicht verwirklichten Gewinnes zur Folge.

Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Für die Entscheidung ist davon auszugehen, daß Grundstück und aufstehendes Gebäude auch wertmäßig als selbständige Wirtschaftsgüter zu behandeln sind (BFH-Beschluß GrS 7/67). Diese getrennte Bilanzierung schließt nicht aus, daß es sich auch im Falle eines einheitlichen Gebäudes um mehrere Grundstücke als selbständige Wirtschaftsgüter handeln kann (vgl. BFH-Urteile I R 195/69 und vom 19. Juni 1973 I R 201/71, BFHE 109, 529, BStBl II 1973, 706). So lag die Sache im Streitfall indessen nicht.

Ursprünglich war das Gebäude auf mehreren selbständigen Grundstücken errichtet. Der Senat läßt offen, ob der Erblasser bereits mit dem Überbau wirtschaftlicher Eigentümer des überbauten Grundstücksteils geworden war, wie die Klägerin geltend macht. Unterstellt man aber einen Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums im Streitjahr, so bestand jedenfalls am Bilanzstichtag 31. Dezember 1966 wirtschaftlich keine Mehrheit von Grundstücken mehr, sondern es war bilanzrechtlich nur noch ein Grundstück vorhanden, und zwar auch dann, wenn grundbuchrechtlich noch zwei Parzellen geführt wurden. Die überbaute und von dem Erblasser zu einem Überpreis erworbene Teilfläche bildete in der Hand des Erwerbers kein selbständiges Wirtschaftsgut mehr.

a) Der Begriff des Wirtschaftsguts ist zwar nach ständiger Rechtsprechung weit zu fassen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 3. Februar 1969 GrS 2/68, BFHE 95, 31, BStBl II 1969, 291; vom 2. März 1970 GrS 1/69, BFHE 98, 360, BStBl II 1970, 382), stets ist aber vorausgesetzt, daß es sich um einen Gegenstand handelt, der nach der Verkehrsauffassung einer besonderen Bewertung zugänglich ist. Der Gegenstand muß also so beschaffen sein, daß - entsprechend der Teilwertdefinition des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) - ein gedachter Erwerber des Betriebes im Rahmen des Gesamtkaufpreises für den Gegenstand oder einen Teil des Gegenstandes einen besonderen Betrag ansetzen würde.

Diese Voraussetzung war - Erwerb wirtschaftlichen Eigentums unterstellt - bei dem hinzuerworbenen Grundstücksteil am Bilanzstichtag nicht mehr erfüllt. Der Grundstücksteil bildete bei dem Erblasser nur noch einen unselbständigen Teil des gesamten bebauten Grundstücks. Die Teilfläche war vom Erwerbszeitpunkt an, auch im Rahmen des Betriebs, wirtschaftlich kein selbständiger Gegenstand des Rechtsverkehrs mehr. Nach der Beendigung der Ausnahmelage wäre ein Erwerber des Betriebs nicht mehr bereit gewesen, für den überbauten, früher dem Nachbarn gehörigen Grundstücksstreifen einen besonderen Kaufpreisteil auszuwerfen. Vor dem wirtschaftlichen Eigentumswechsel besaß der Grundstücksteil Interesse als Verkehrsgegenstand nur für den Erblasser und den Nachbarn, und zwar ausschließlich bedingt durch die aufgrund der Überbauung geschaffene Ausnahmesituation.

b) Eine Teilwertabschreibung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG kann nur hinsichtlich eines Wirtschaftsguts im ganzen vorgenommen werden. Sie kommt deshalb für den erworbenen Grundstücksteil als einem unselbständigen Bestandteil des bebauten Gesamtgrundstücks nicht in Betracht. Die Sache lag im Streitfall anders als im Falle des von der Klägerin angeführten BFH-Urteils I R 195/69. Dort bildete die betreffende Grundstücksteilfläche einen selbständigen Gegenstand des Rechtsverkehrs, sie behielt also ihre Eigenschaft als Wirtschaftsgut, so daß sich nach Maßgabe der auf die Teilfläche entfallenden Anschaffungskosten später ein individueller Veräußerungsgewinn ermitteln ließ.

2. Unter den im Streitfall festgestellten Umständen könnte eine Teilwertabschreibung nur hinsichtlich des bebauten Gesamtgrundstücks in Betracht kommen. Dessen Teilwert lag jedoch am Bilanzstichtag, wie das FG ohne Rechtsirrtum festgestellt hat, nicht unter der Summe der Anschaffungskosten der als wirtschaftliche Einheit anzusehenden mehreren Grundstücksteile. Ein niedrigerer Teilwert könnte nur dann angenommen werden, wenn der Zukauf eine Fehlmaßnahme gewesen wäre (vgl. die Rechtsprechungsübersicht bei Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 72 b [2] zu § 6 EStG, S. E 233 ff.). Die Klägerin hat indes nicht dargetan, daß eine andere Art der Abwicklung des Grundstückszukaufs (vgl. § 915 BGB) zu einem niedrigeren Preis geführt hätte. Der Umstand allein, daß der Kläger vom Veräußerer unter Druck gesetzt worden war, reicht nicht aus, das Vorliegen einer Fehlmaßnahme zu begründen. Auch die Bescheinigung der Stadtverwaltung legte eine solche Annahme nicht nahe. Denn sie bezog sich allgemein auf baureife Grundstücke, nicht auf bebaute Grundstücke in der besonderen Lage des Klägers.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73047

BStBl II 1979, 259

BFHE 1979, 546

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