Leitsatz (amtlich)

1. § 43 LStDV ist auch für die örtliche Zuständigkeit bei der Bemessung der Lohnsteuer nach einem Pauschsteuersatz maßgebend.

2. Sind mehrere Unternehmen organschaftlich miteinander verbunden, so kann die Obergesellschaft insoweit als mittelbare Arbeitgeberin für die Lohnsteuer in Anspruch genommen werden, als sie sich die Gewährung bestimmter Zuwendungen an die Arbeitnehmer der Untergesellschaften, die deren unmittelbare Arbeitgeber im lohnsteuerlichen Sinne sind, vorbehält und in ihren Geschäftsbüchern ausweist.

 

Normenkette

EStG § 38 Abs. 3; LStDV §§ 35a, 43; AO § 97; StAnpG § 3

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin war organschaftlich mit der Firma P-AG verbunden. Sie ist ab 1. Januar 1964 liquidiert worden. Der Beklagte, das FA A, erließ aufgrund einer Lohnsteuerprüfung am 2. Dezember 1963 einen Lohnsteuerhaftungsbescheid, mit dem wegen lohnsteuerpflichtiger Sachzuwendungen aus Anlaß von Betriebsveranstaltungen im Jahre 1963 Lohnsteuer und Kirchenlohnsteuer von der Klägerin nachgefordert wurden.

Mit dem Einspruch wendete sich die Klägerin gegen die Heranziehung zur Lohnsteuer mit der Begründung, die für die Sachzuwendungen pauschalierte Lohnsteuer sei bereits von der P-AG an das für den Organträger zuständige FA H abgeführt worden. In der Einspruchsentscheidung wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

Das FG wies die Klage ab. Es führte aus, im Lohnsteuerrecht sei die Frage, welches FA für die Abführung der pauschalierten und vom Arbeitgeber zu tragenden Lohnsteuer örtlich zuständig sei, nicht ausdrücklich geregelt. Nach seiner Ansicht müsse aber die Zuständigkeitsregelung des § 43 LStDV 1962 nicht nur für die einbehaltene, sondern auch für die pauschalierte Lohnsteuer gelten. Da die Lohnkonten der Arbeitnehmer der Klägerin in S geführt würden, spreche auch die Regelung des § 31 Abs. 3 Nr. 7 LStDV 1962 für die Zuständigkeit des FA A. Dieses habe deshalb die Lohnsteuer zu Recht angefordert.

Mit der wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision macht die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht geltend. Das FG habe über die doppelte Heranziehung derselben Aufwendungen zur Lohnsteuer nicht entschieden. Die einfache Versteuerung des festgestellten Sachverhalts werde nach Grund und Höhe nicht bestritten. Die Festsetzung des Streitwerts sei jedoch fehlerhaft. Das FG bürde die Kosten des Zuständigkeitsstreites zwischen zwei FÄ der Klägerin auf.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Verfahrensrechtlich hat das FG zutreffend die Klägerin, die noch während des außergerichtlichen Vorverfahrens am 1. Januar 1964 liquidiert worden ist, als Beteiligte im Sinne des § 57 FGO angesehen. Das Verfahren wird durch die Liquidatoren fortgesetzt. Das FG hat im Rubrum seiner Entscheidung die Firma P-AG als Vertreterin der GmbH bezeichnet. Eine juristische Person kann zwar nicht als Bevollmächtigte im Sinne des § 62 FGO auftreten. Die mit der Klägerin organschaftlich verbundene AG ist jedoch berechtigt, die Funktion des Liquidators auszuüben (Hachenburg, Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 6. Aufl. § 66 Anm. 2a).

Das FG hat bei der Entscheidung über die örtliche Zuständigkeit auch mit Recht den § 43 LStDV auf die pauschalierte Lohnsteuer für die Sachzuwendungen aus Anlaß der Betriebsveranstaltungen angewendet. Die nach § 35a LStDV 1962 pauschalierte Lohnsteuer gehört grundsätzlich zur "einbehaltenen" Lohnsteuer im Sinne der §§ 30 und 41 Abs. 1 LStDV 1962. Die Pauschalierung dient nach § 42a Abs. 1 EStG 1961 der Vereinfachung des Verfahrens bei der Bemessung der Steuer von sonstigen Bezügen. Die Einbehaltung und die Verwendung der Lohnsteuer richten sich auch in diesem Fall nach den allgemeinen Vorschriften. Aus der Stellung des § 43 LStDV im Abschn. C "Verwendung der einbehaltenen Lohnsteuer" kann nicht geschlossen werden, daß sich diese Regelung nur auf die im Wortsinn "einbehaltene" Lohnsteuer beziehe. Die Vorschrift des § 43 LStDV enthält eine ausschließlich für das Lohnsteuerrecht geltende, aus den besonderen Bedürfnissen des Lohnsteuerabzugsverfahrens zu erklärende Umschreibung des Begriffs "Betriebstätte", die für eine große Zahl von Bestimmungen der LStDV maßgebend ist (vgl. dazu Oeftering-Görbing, Das gesamte Lohnsteuerrecht, 4. Aufl. § 43 Bl. 1, 1). Der Anwendungsbereich geht deshalb über den Abschnitt C der LStDV hinaus. Die örtliche Zuständigkeit für die Erhebung der Lohnsteuer wird durch § 43 LStDV sowohl für die Lohnsteuer, die der Arbeitgeber nach der Vorschrift des § 30 LStDV einbehalten hat, als auch für die pauschalierte Lohnsteuer, die er nach § 35a LStDV hätte einbehalten sollen, einheitlich festgelegt.

Die Vertreterin der Klägerin hat aber bereits im Einspruchsverfahren mehrfach unwidersprochen vorgetragen, daß die Sachzuwendungen anläßlich der Betriebsveranstaltungen von dem für die AG zuständigen FA H zur Lohnsteuer herangezogen worden seien. Das FA H habe schon im Jahre 1962 erklärt, eine zutreffende Versteuerung der Aufwendungen für Betriebsveranstaltungen sei auch insoweit, als diese bei den einzelnen Werken der AG stattfänden, nur in H möglich, weil sich bei der Hauptverwaltung der AG die Unterlagen befänden, aus denen der vollständige Aufwand ersichtlich sei. Für die Sachzuwendungen, für die sie, die Klägerin, als Haftende in Anspruch genommen werde, habe die AG die Lohnsteuer und die Kirchenlohnsteuer bereits auf Anforderung des FA H abgeführt.

Trifft dieser Vortrag zu, so ist die streitige Lohnsteuer von der Obergesellschaft in H an das für sie zuständige FA entrichtet worden. Die Klägerin war, wie unstreitig feststeht, eine Tochtergesellschaft der Firma P-AG. Beide Unternehmen waren organschaftlich verbunden. Es bestand zwischen ihnen ein Gewinnabführungsvertrag. Die organschaftliche Abhängigkeit von der Obergesellschaft führte zwar nicht dazu, daß die Untergesellschaft ihre Eigenschaft als Arbeitgeberin verlor (so auch Oeftering-Görbing, a. a. O., § 1 Anm. 40). Die Lohnkonten der Arbeitnehmer der Klägerin wurden, wie das FG festgestellt hat, an deren Betriebstätte geführt. Das schließt jedoch nicht aus, daß die Obergesellschaft sich die Gewährung bestimmter Sachzuwendungen an die zum Konzern gehörigen Arbeitnehmer vorbehalten und diese Zuwendungen in ihren Geschäftsbüchern ausgewiesen hat.

Der RFH hat entschieden, daß aufgrund der wirtschaftlichen Betrachtungsweise eine Muttergesellschaft, die die Arbeitnehmer einer Organgesellschaft aus eigener Tasche bezahlt, mittelbar selbst als Arbeitgeberin in Anspruch genommen werden kann (RFH-Urteil VI A 431/26 vom 17. März 1927, RStBl 1927, 146; RFH-Urteil VI A 2/35 vom 30. Januar 1935, Steuer und Wirtschaft 1935 Nr. 218). Dieser Rechtsgedanke kommt auch dann zur Geltung, wenn sich die Zahlungen der Muttergesellschaft auf gewisse soziale Leistungen für die Arbeitnehmer der Organgesellschaften beschränken. Die Obergesellschaft tritt insoweit in ein partielles mittelbares Arbeitgeberverhältnis zu den Arbeitnehmern, für die im übrigen die Untergesellschaften die unmittelbaren Arbeitgeber sind.

Trifft es zu, daß, wie die Vertreterin der Klägerin unwidersprochen ausgeführt hat, die Mittel für alle an Betriebsveranstaltungen teilnehmenden aktiven Arbeitnehmer von der Hauptverwaltung der P-AG zur Verfügung gestellt wurden und daß die Betriebstätten hierüber abrechneten, während die Verbuchung des Aufwands zentral in der Hauptbuchhaltung in H erfolgte, so war für die lohnsteuerliche Erfassung der Sachzuwendungen nicht das FA A, sondern das FA H zuständig. Zwischen dem FA A und der Klägerin bestand dann kein Steuerschuldverhältnis, das den Erlaß des Lohnsteuer-Haftungsbescheides durch das FA A rechtfertigte.

Die Vorentscheidung, die von anderen rechtlichen Erwägungen ausgeht, war danach aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif, weil das FG aufgrund seiner Rechtsauffassung keine Feststellungen darüber getroffen hat, ob der Sachvortrag der Vertreterin der Klägerin zutrifft. Die Sache ist deshalb nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68425

BStBl II 1969, 207

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