Entscheidungsstichwort (Thema)

Umzugskosten in eine zuvor erworbene Eigentumswohnung als Werbungskosten

 

Leitsatz (NV)

Umzugskosten sind auch dann beruflich veranlaßte Werbungskosten, wenn der Arbeitnehmer seine Tätigkeit an einem anderen Ort aufnimmt und innerhalb von zwei Monaten im Einzugsbereich des neuen Arbeitsorts eine Eigentumswohnung kauft und bezieht, wodurch sich eine tägliche Fahrtzeitersparnis von insgesamt mindestens einer Stunde ergibt.

 

Normenkette

EStG 1980 § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Der ledige Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Jahre 1979 als Lehrer im Ort A tätig, wo er eine 80 qm große Mietwohnung bewohnte. Seit dem 1. Februar 1980 ist er an einer Schule in B beschäf

tigt. Der Kläger besitzt keinen Führerschein. Für die Fahrt von seiner Wohnung in A zu seiner neuen Dienststelle in B benötigte er mit öffentlichen Verkehrsmitteln eine Zeit zwischen 52 bis 70 Minuten. Seit Ende Januar 1980 bemühte er sich um eine Mietwohnung und sodann auch um eine Eigentumswohnung in B. Aufgrund einer Zeitungsanzeige Ende Februar 1980 fand er eine ca. 90 qm große Eigentumswohnung in C bei B, in die er am 24. März 1980 einzog. Hierdurch verkürzte sich die Fahrzeit zur Schule auf 21 bis 35 Minuten; die Bahnen bzw. Busse fuhren zudem in kürzeren Abständen von C nach B.

Der Kläger machte die Aufwendungen für den Umzug in seine Eigentumswohnung in C als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend, und zwar Beförderungsauslagen nach § 4 des Bundesumzugskostengesetzes (BUKG) von 1 650,41 DM, Reisekosten nach § 5 Abs. 1 und 2 BUKG von insgesamt 390 DM und sonstige Umzugsaufwendungen nach § 9 BUKG von 450 DM. Diese Aufwendungen wurden vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) nicht anerkannt. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte u. a. aus:

Umzugskosten könnten nur dann als Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn einwandfrei feststehe, daß der Umzug nahezu ausschließlich beruflich veranlaßt gewesen sei und private Gründe keine oder nur eine ganz untergeordnete Rolle gespielt hätten. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall nicht erfüllt.

Zwischen dem Umzug des Klägers und seiner beruflichen Tätigkeit bestehe zwar ein objektiver Zusammenhang und die Aufwendungen dienten auch subjektiv der Förderung seiner Berufstätigkeit.

Die Verkürzung der Fahrzeit von ca. 30 Minuten pro Strecke sei auch als ausreichender beruflicher Anlaß für einen Umzug bei einem Arbeitsplatzwechsel anzusehen. Die Förderung der Berufstätigkeit sei aber nicht der alleinige Anlaß für den Umzug gewesen. Denn der Kläger habe am neuen Wohnort eine Eigentumswohnung erworben. Die erstmalige Schaffung eigenen Vermögens in Form von Grundbesitz sei der privaten außerberuflichen Sphäre zuzurechnen und begründe einen objektiven Zusammenhang mit der allgemeinen Lebensführung.

Der erheblichen außerberuflichen Mitveranlassung des Umzuges stehe nicht die Einlassung des Klägers entgegen, er habe die Wohnung nur deshalb gekauft, weil eine geeignete Mietwohnung nicht zu finden gewesen sei. Das Gericht habe sich nicht davon überzeugen können, daß der Kläger sich um eine Mietwohnung in der Nähe seines neuen Arbeitsplatzes intensiv bemüht habe. Die Befragung von Kollegen und die Beantwortung von sechs Zeitungsanzeigen könnten nicht als intensive Wohnungssuche gewertet werden.

Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Revision ein. Er rügt die Verletzung des § 9 Abs. 1 und des § 12 Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie des Art. 3 des Grundgesetzes (GG).

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung und den angegriffenen Einkommensteuerbescheid 1980 aufzuheben sowie ersatzweise, das FA zu verurteilen, an den Kläger 816 DM Einkommen- und Kirchensteuer zu erstatten.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

a) Da das Bewohnen einer Wohnung in der Regel dem privaten Lebensbereich zuzurechnen ist, sind auch Aufwendungen wegen Umzugs in eine neue Wohnung grundsätzlich steuerlich nicht abziehbare Kosten der allgemeinen Lebensführung i. S. des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG. Sie sind nur dann als Werbungskosten i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG anzuerkennen, wenn sie beruflich veranlaßt sind. Das ist der Fall, wenn die berufliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen als Arbeitnehmer den entscheidenden Grund für den Umzug darstellt, Umstände der allgemeinen Lebensführung also nur eine ganz untergeordnete Rolle spielen (vgl. z. B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. Mai 1964 VI 122/63, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Einkommensteuergesetz, § 9 Sätze 1 und 2, Rechtsspruch 265 und vom 10. September 1982 VI R 95/81, BFHE 136, 478, BStBl II 1983, 16).

Das FG hat im Streitfall festgestellt, daß die Umzugskosten insoweit beruflich veranlaßt waren, als objektiv ein Zusammenhang zwischen ihnen und der Tätigkeit des Klägers als Arbeitnehmer bestand und die Ausgaben subjektiv der Förderung seines Berufs dienten. Diese Würdigung läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Der Umzug war dadurch beruflich veranlaßt, daß der Kläger den Arbeitgeber und den Ort seiner Tätigkeit zum 1. Februar 1980 gewechselt hatte. In unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang damit, nämlich nicht einmal zwei Monate später, zog der Kläger von seinem bisherigen Wohn- und Arbeitsort A nach C, einem Ort, der nach den Feststellungen des FG nicht weiter von seinem Arbeitsplatz in B entfernt liegt, als wenn er in einer anderen Gegend von B eine Wohnung genommen hätte. Nach den unbestrittenen Angaben des FA im Klageverfahren hat sich durch den Umzug nach C die Entfernung zum Arbeitsort zwar nur um sechs bis acht Kilometer verringert. Das hat das FG jedoch zu Recht nicht für wesentlich angesehen. Denn da der Kläger ohne Führerschein auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel angewiesen war, hat sich der Umzug für ihn vor allem zeitlich nicht unerheblich ausgewirkt. Nach den unbestrittenen Feststellungen des FG erzielte der Kläger bei der täglichen Hin- und Rückfahrt eine Zeitersparnis von insgesamt rd. einer Stunde. Diesen Umstand konnte das FG im Streitfall ohne Rechtsverstoß als ausreichenden beruflichen Anlaß für einen Umzug bei einem Arbeitsplatzwechsel werten (vgl. das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des Senats vom 6. November 1986 VI R 106/85 sowie Offerhaus in Lademann / Söffing / Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 12 Rdnr. 29, Stichwort: Umzusgskosten). Im Streitfall kam hinzu, daß der Kläger, wie er unwidersprochen vorgetragen hat, teilweise auch nachmittags Schulunterricht geben und abends an Lehrerkonferenzen teilnehmen mußte, so daß er die Strecke mit öffentlichen Verkehrsmitteln u. U. viermal täglich bewältigen mußte.

b) Das FG hat trotz dieser Umstände die geltend gemachten Umzugskosten nicht zum Abzug zugelassen, weil sie wegen des Erwerbs und Bezugs der Eigentumswohnung teilweise mit der allgemeinen Lebensführung im Zusammenhang gestanden hätten. Es müsse deshalb das allgemeine Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG eingreifen. Dieser Ansicht tritt der Senat nicht bei.

Wie der Senat in dem vorgenannten Urteil VI R 106/85 ausgeführt hat, können Umzugskosten je nach den Umständen des Einzelfalls auch dann als Werbungskosten anerkannt werden, wenn der beruflich veranlaßte Umzug in ein zuvor erworbenes Eigenheim (Eigentumswohnung) erfolgt. Ein Indiz für die berufliche Veranlassung des Umzugs in Fällen dieser Art kann nach dieser Entscheidung, auf die im einzelnen Bezug genommen wird, in der Annahme bestehen, daß der Steuerpflichtige den Umzug in dieselbe oder eine nach Lage und Ausstattung ähnliche Wohnung auch dann vorgenommen hätte, wenn er kein Eigentum daran erworben hätte. Von einem solchen Sachverhalt kann im Streitfall ausgegangen werden, da die für die berufliche Veranlassung des Umzugs sprechenden Umstände so gewichtig sind, daß sie eine private Veranlassung des Umzugs ausschließen oder diese zumindest als unwesentlich erscheinen lassen.

Die Vorentscheidung ist aufzuheben, da das FG von anderen rechtlichen Gesichtspunkten ausgegangen ist. Die Sache ist an das FG zurückzuverweisen, weil dieses - von seinem Standpunkt aus zu Recht - bisher keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen im einzelnen anzuerkennen sind. Diese Feststellungen muß das FG nachholen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414850

BFH/NV 1987, 236

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