Leitsatz (amtlich)

Zinsen für hinterzogene Grunderwerbsteuer schuldet gemäß § 4a StSäumG nur derjenige, der selbst Täter, Mittäter oder Gehilfe einer vorsätzlichen Steuerverkürzung ist oder der gemäß § 111 AO für das Verhalten der anderen einzustehen hat.

 

Normenkette

StSäumG § 4a

 

Tatbestand

Die Klägerin erwarb durch notariellen Vertrag vom 7. November 1966 von ihrem Bruder ein Grundstück. Der Kaufpreis bestand nach dem beurkundeten Vertragstext in der Übernahme von Schulden in Höhe von 83 225 DM. Der Beklagte (FA) unterwarf diesen Vorgang durch Bescheid vom 3. Januar 1967 einer Grunderwerbsteuer in Höhe von 5 825,75 DM. Dieser Betrag wurde durch die Klägerin entrichtet. Später stellte das FA fest, daß über den vorgenannten Kaufpreis hinaus weitere 25 000 DM an den Verkäufer gezahlt werden sollten. Daraufhin erging unter dem 1. November 1967 ein berichtigter Steuerbescheid über 7 575,75 DM. Der danach sich ergebende Steuerrestbetrag wurde von der Klägerin in Teilbeträgen beglichen. Das gegen die Klägerin wegen Verdachts von Grunderwerbsteuerhinterziehung eingeleitete Strafverfahren wurde eingestellt, während der Bruder der Klägerin, der Verkäufer, wegen dieses Delikts durch Strafbefehl des Amtsgerichts zu einer Geldstrafe rechtskräftig verurteilt wurde.

Am 24. April 1969 setzte das FA gegen die Klägerin wegen des nachgeforderten Grunderwerbsteuerbetrages von 1 750 DM (abgerundet = 1 700 DM) gemäß § 4a StSäumG Zinsen fest. Als Beginn des Zinslaufs wurden der 10. Februar 1967, als Ende des Zinslaufs der 10. Dezember 1967 angenommen, so daß sich bei 1/2 v. H. Zinsen je Monat eine Zinsforderung von 85 DM ergab.

Die Klage blieb erfolglos.

Mit der vom Senat durch Beschluß vom 24. November 1971 II B 20/71 wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision beantragt die Klägerin, die Vorentscheidung und den angefochtenen Bescheid aufzuheben, hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Der in der Vorentscheidung festgestellte Sachverhalt trägt das angefochtene Urteil nicht.

Gemäß § 4a StSäumG sind in bestimmten Fällen des § 392 AO die hinterzogenen Beträge zu verzinsen. Wer Schuldner der Zinsen ist, wird in dieser Vorschrift nicht ausdrücklich festgelegt. Nach § 6 StSäumG sind Zinsen Nebenleistungen der Steuer, zu der sie erhoben werden. Auf sie finden die für Steuern geltenden Vorschriften entsprechend Anwendung. Daraus folgt indes für den Fall der Gesamtschuld nicht, daß jeder der Gesamtschuldner stets auch Schuldner der Hinterziehungszinsen sein muß. Auch der im Schrifttum häufig wiedergegebene Satz, § 4a StSäumG solle dazu dienen, dem Nutznießer einer Hinterziehung die Vorteile dieser strafbaren Handlung wieder abzunehmen, ermöglicht - jedenfalls für den Bereich der Grunderwerbsteuer - keine genaue Bestimmung des Schuldners oder der Schuldner der Hinterziehungszinsen, denn bei dieser Steuer läßt sich bei (etwa) alleiniger Steuerhinterziehung des Verkäufers (ohne Kenntnis des Käufers) nicht ohne weiteres unterstellen, daß der Vorteil der Hinterziehung allein dem Käufer zufließe.

Das Urteil vom 7. November 1973 I R 92/72 (BFHE 111, 7, BStBl II 1974, 125) steht hierzu nicht in Widerspruch, denn es enthält nur allgemeine Ausführungen zur Verzinsung hinterzogener Beträge unter besonderer Hervorhebung des Gedankens der Vorteilsneutralisierung, die wegen der Besonderheiten der Grunderwerbsteuer auf diese Steuer nicht angewendet werden können. Da der sich mit der Rechtsnatur der Hinterziehungszinsen befassende Teil des Urteils I R 92/72 die Entscheidung nicht trägt, bedürfte es der vom FA angeregten Anrufung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs selbst dann nicht, wenn die Ausführungen des I. Senats zu der Auffassung des erkennenden Senats in Widerspruch stünden.

Wenn auch Zinsen im Rechtsleben in der Regel das Schicksal der Hauptschuld teilen, so können sie gleichwohl in besonderen Fällen verselbständigt in Erscheinung treten. Dies gilt auch im Falle einer Gesamtschuld bezüglich der Person des Schuldners der Zinsen. So kann z. B. einem der Schuldner die Schuld zinslos gestundet werden (§ 127a Abs. 2 Satz 2 AO), dem anderen hingegen nicht. Auch Aussetzungszinsen (§ 112 Abs. 1 FGO) entstehen nur zu Lasten desjenigen der Gesamtschuldner, der das erfolglose Rechtsmittel führte, nicht aber zu Lasten der übrigen.

Die an diesen Beispielen deutlich werdende Möglichkeit, daß Zins- und Hauptsacheschuldner nicht identisch sind, verbietet es trotz der Vorschrift des § 6 Abs. 2 StSäumG, bei Hinterziehungszinsen im Zuge von Gesamtschuldverhältnissen uneingeschränkt jeden beliebigen der Gesamtschuldner in Anspruch zu nehmen. Vielmehr bedarf es ähnlich wie in den obengenannten Verzinsungsfällen eines besonderen Rechtsgrundes für die Inanspruchnahme gerade eines bestimmten Schuldners auf Zahlung der Zinsen. Ein solcher Rechtsgrund kann nicht schlechthin dann angenommen werden, wenn ein anderer als der in Anspruch genommene Gesamtschuldner Steuern vorsätzlich verkürzt hat; denn es wäre nicht verständlich, warum ein Steuerschuldner, der selbst leichtfertig Steuern verkürzt, dem Steuergläubiger somit durch eigenes Tun objektiv einen Schaden zugefügt hat, auch für sich selbst keine Verzinsungspflicht auslöst, ein an einer Hinterziehung objektiv und subjektiv unbeteiligter Gesamtschuldner der hinterzogenen Steuer dagegen einer Zinspflicht unterliegen sollte. Aus der Unterscheidung, die der Gesetzgeber hinsichtlich der Zinsfolge zwischen vorsätzlicher Tat gemäß § 392 AO einerseits und leichtfertiger Handlung im Sinne § 404 AO andererseits getroffen hat, muß mithin geschlossen werden, daß für die Frage der Verzinsung dem subjektiven Unrechtsgehalt der Handlung eine entscheidende Bedeutung zukommen soll. Unter Berücksichtigung dieser Überlegung erscheint es gerechtfertigt und geboten, den Kreis der Zinsschuldner nach deren subjektiver Beteiligung abzugrenzen. Daraus folgt jedenfalls für die Grunderwerbsteuer, daß nur derjenige, der selbst Täter, Mittäter oder Gehilfe einer vorsätzlichen Steuerverkürzung ist oder aber gemäß § 111 AO für das Verhalten des anderen einzustehen hat, auf Hinterziehungszinsen in Anspruch genommen werden darf.

Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben, denn das FG hat weder hinreichende tatsächliche Feststellungen darüber getroffen, ob der Bruder der Klägerin den Tatbestand des § 392 AO verwirklicht hat - die Verweisung auf eine strafrechtliche Verurteilung ersetzt die eigene Feststellung der Tatbestandsmerkmale des § 392 AO im Urteil des FG nicht -, noch wurde festgestellt, ob die Klägerin selbst als Mittäterin oder Gehilfin an dieser strafbaren Handlung anzusehen ist. Da das FG diese Feststellungen noch zu treffen haben wird, geht die Sache an die Vorinstanz zurück.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71194

BStBl II 1975, 129

BFHE 1975, 426

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