Entscheidungsstichwort (Thema)

Bescheinigung nur der nach dem festen Verhältnis berechneten Körperschaftsteuer - Anrechnung von Körperschaftsteuer auch bei Nichterfassung der anzurechnenden Körperschaftsteuer als Einnahme - Keine Bindung zwischen Einkommensteuerbescheid und Abrechnungsbescheid hinsichtlich anzurechnender Körperschaftsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach § 44 Abs.1 Satz 1 Nr.4 KStG 1977 muß nur die nach dem festen Verhältnis berechnete Körperschaftsteuer, d.h. nur die materiell-rechtlich vorgeschriebene Steuerbelastung bescheinigt werden. Nicht zu bescheinigen ist die tatsächliche Erhebung der Körperschaftsteuer.

2. § 36 Abs.2 Nr.3 Satz 4 Buchst.f EStG 1990 schließt die Anrechnung nur für den Fall aus, daß die mit der anzurechnenden Körperschaftsteuer zusammenhängenden Einnahmen i.S. des § 20 Abs.1 Nrn.1 oder 2 oder Abs.2 Nr.2 Buchst.a EStG bei der Steuerfestsetzung nicht erfaßt worden sind.

 

Orientierungssatz

Zwischen einem Einkommensteuerbescheid und einem Abrechnungsbescheid besteht keine Bindung gemäß § 182 Abs. 1 AO 1977 dergestalt, daß die Körperschaftsteuer in dem Abrechnungsbescheid nur insoweit zu berücksichtigen ist, als sie im Einkommensteuerbescheid als Einnahme gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG angesetzt und keine Vergütung nach §§ 36b, 36c oder 36d EStG beantragt oder durchgeführt worden ist (vgl. Literatur). Die Einnahmen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG werden im Einkommensteuerbescheid nicht gesondert festgestellt. Sie werden in ihm nicht als besonderer Betrag ausgewiesen und sind als Teil der im Bescheid erfaßten Einkünfte wie diese lediglich unselbständige Besteuerungsgrundlagen i.S.d. § 157 Abs. 2 AO 1977.

 

Normenkette

AO 1977 § 157 Abs. 2, § 182 Abs. 1, § 218; EStR 1990 Abschn. 213g Abs. 1 Sätze 1-2; EStG § 20 Abs. 1 Nrn. 1-3, Abs. 2 Nr. 2, § 36 Abs. 2 Nr. 3 S. 1, § 36a; KStG 1977 § 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, §§ 45-46; EStG 1990 § 36 Abs. 2 Nr. 3 S. 4 Buchst. f.

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf (Urteil vom 26.05.1992; Aktenzeichen 6 K 258/89 AO)

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr 1984 beherrschender Gesellschafter der C-GmbH. Die C-GmbH war eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft, die in 1984 dem Kläger eine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe von 520 414 DM zuwendete. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte diesen Betrag gemäß § 20 Abs.1 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und die darauf entfallende Körperschaftsteuer gemäß § 20 Abs.1 Nr.3 EStG als Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen in den Einkommensteuerbescheiden 1984 vom 5.August 1987, vom 6.Oktober 1988 und vom 10.November 1988 an. In den zu den Einkommensteuerbescheiden erlassenen Anrechnungsverfügungen ging das FA von einer anrechenbaren Körperschaftsteuer in Höhe von nur 149 597 DM aus. Mit diesem Betrag hat es folgende Bewandtnis:

Dem für die C-GmbH örtlich zuständigen FA unterlief bei Erlaß des Körperschaftsteuerbescheides 1984 ein Fehler. Bei der Herstellung der Ausschüttungsbelastung für 1984 hätte richtigerweise eine Körperschaftsteuerminderung in Höhe von 111 324 DM mit einer Körperschaftsteuererhöhung in Höhe von 91 830 DM saldiert werden müssen (Auswirkung: Körperschaftsteuerminderung in Höhe von 19 494 DM). Statt dessen setzte das FA nur eine Körperschaftsteuerminderung in Höhe von 162 629 DM an. Dadurch wurde die Körperschaftsteuer 1984 um die Differenz zwischen 162 629 DM und 19 494 DM = 143 135 DM zu niedrig festgesetzt. Der Körperschaftsteuerbescheid 1984 ist gegenüber der C-GmbH bestandskräftig und kann nicht mehr geändert werden.

Um den Betrag in Höhe von 143 135 DM minderte das FA die beim Kläger an sich anrechenbare Körperschaftsteuer. Es setzte nur 292 732 DM ./. 143 135 DM = 149 597 DM an. Während es als Erhöhungsbetrag i.S. des § 20 Abs.1 Nr.3 EStG zunächst 292 733 DM ansetzte, korrigierte es diesen Betrag in dem geänderten Einkommensteuerbescheid 1984 vom 10.November 1988 ebenfalls auf 149 597 DM. Die Einkommensteuerbescheide vom 6.Oktober 1988 und vom 10.November 1988 weisen wegen eines höheren Verlustanteils bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb eine festgesetzte Einkommensteuer 1984 von jeweils 0 DM aus.

Da der Kläger gegen die Anrechnungsverfügungen des FA zu den einzelnen Einkommensteuerbescheiden Einwendungen erhob, erließ das FA am 26.Januar 1989 einen Abrechnungsbescheid zur Einkommensteuer 1984, aus dem sich ergab, daß die auf die festgesetzte Einkommensteuer 1984 anzurechnenden Lohn-, Kapitalertrag- und Körperschaftsteuern durch Erstattungen und Verrechnungen an den Kläger zurückbezahlt worden waren. Als anrechenbare Körperschaftsteuer berücksichtigte der Abrechnungsbescheid allerdings nur den Betrag von 149 597 DM. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 3.Februar 1989 erfolglos Einspruch.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es änderte den Abrechnungsbescheid dahingehend, daß es zugunsten des Klägers einen Erstattungsbetrag in Höhe von 143 135 DM festsetzte. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1992, 530 veröffentlicht.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung der korrespondierenden gesetzlichen Regelungen in § 20 Abs.1 Nr.3, § 36 Abs.2 Nr.3 und § 36a EStG einerseits und in § 27 i.V.m. § 44 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 andererseits.

Es beantragt, das Urteil des FG Düsseldorf vom 26.Mai 1992 6 K 258/89 AO aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Die Vorentscheidung betrifft den Abrechnungsbescheid i.S. des § 218 Abs.2 der Abgabenordnung (AO 1977) des FA vom 26.Januar 1989 zur Einkommensteuer 1984 des Klägers. Da die Einkommensteuer 1984 gegenüber dem Kläger durch bestandskräftigen Steuerbescheid auf 0 DM festgesetzt ist, besteht die Streitigkeit i.S. des § 218 Abs.2 AO 1977, über die durch Abrechnungsbescheid zu entscheiden war, in der Rechtsfrage, ob zugunsten des Klägers ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von 143 135 DM besteht. Nach dem vom FG bindend festgestellten Sachverhalt (§ 118 Abs.2 FGO) besteht ein entsprechender Rückzahlungsanspruch nur dann, wenn der Kläger einen Rechtsanspruch auf Anrechnung von Körperschaftsteuer in Höhe von 292 733 DM auf die Einkommensteuer 1984 hat.

2. Ein entsprechender Rechtsanspruch ergibt sich aus § 36 Abs.2 Nr.3 Satz 1 EStG. Danach ist zugunsten des Klägers die Körperschaftsteuer einer unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Körperschaft in Höhe von 9/16 der Einnahmen i.S. des § 20 Abs.1 Nr.1 oder 2 EStG auf dessen Einkommensteuer anzurechnen. Zu diesen Voraussetzungen hat das FG in tatsächlicher Hinsicht und den erkennenden Senat bindend (§ 118 Abs.2 FGO) festgestellt, daß der Kläger in 1984 von der C-GmbH eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 20 Abs.1 Nr.1 EStG in Höhe von 520 414 DM erzielte. Die C-GmbH war in 1984 eine unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaft. Der Kläger war an der C-GmbH beteiligt. Damit sind alle in § 36 Abs.2 Nr.3 Satz 1 EStG für die Anrechnung von Körperschaftsteuer in Höhe von 292 733 DM (*= 9/16 von 520 414 DM) genannten Voraussetzungen erfüllt.

3. Nach § 36 Abs.2 Nr.3 Satz 3 EStG erfolgt die Anrechnung der Körperschaftsteuer unabhängig von ihrer Entrichtung durch die Körperschaft. Entsprechend kommt es für die revisionsrechtliche Überprüfung der Vorentscheidung nicht darauf an, ob die C-GmbH den Betrag von 292 733 DM an das FA zahlte.

4. Dem Begehren des Klägers steht entgegen der Auffassung des FA auch nicht entgegen, daß die Körperschaftsteuer nach § 36 Abs.2 Nr.3 Satz 4 Buchst.b EStG dann nicht angerechnet wird, wenn die in den §§ 44, 45 oder 46 KStG 1977 bezeichnete Bescheinigung nicht vorgelegt ist. Die entsprechende Voraussetzung ist im Streitfall schon deshalb nicht erfüllt, weil der Kläger dem FA eine Bescheinigung der C-GmbH i.S. des § 44 Abs.1 KStG 1977 vorlegte. Die vorgelegte Bescheinigung enthielt alle gesetzlich vorgeschriebenen Daten. Sie war auch inhaltlich zutreffend, weil sich aus ihr ein Beteiligungsertrag des Klägers in Höhe von 520 414 DM und eine anzurechnende Körperschaftsteuer in Höhe von 292 733 DM ergab. Da die Bescheinigung auf amtlichem Vordruck ausgestellt war, war sie dem Abrechnungsbescheid zugrunde zu legen.

5. Entgegen der Auffassung des FA setzt § 44 Abs.1 Satz 1 Nr.4 KStG 1977 nicht voraus, daß die nach § 36 Abs.2 Nr.3 Satz 1 EStG anrechenbare Körperschaftsteuer zuvor gegenüber der Körperschaft festgesetzt wurde. Richtigerweise steht die nach § 36 Abs.2 Nr.3 Satz 1 EStG anrechenbare Körperschaftsteuer in einem festen Verhältnis (9/16) zur Höhe der Beteiligungserträge i.S. des § 20 Abs.1 Nrn.1 und 2 EStG (vgl. Dötsch, in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 36 EStG Rdnr.19; Blümich/Stuhrmann, Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, 14.Aufl., § 36 EStG Rdnr.58; Conradi in: Littmann/Bitz/Meincke, Die Einkommensteuer, § 36 Rdnr.19). Nach § 44 Abs.1 Satz 1 Nr.4 KStG 1977 muß nur die nach dem festen Verhältnis berechnete Körperschaftsteuer bescheinigt werden, nicht aber deren Festsetzung durch das FA. Nach dem System des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens kann der Beteiligungsertrag des Gesellschafters in der Regel keiner bestimmten Körperschaftsteuerfestsetzung zugeordnet werden. Dem entspricht es, wenn der VIII.Senat in seinem Beschluß vom 26.September 1991 VIII B 41/91 (BFHE 165, 287, BStBl II 1991, 924) ausführt, durch die Bescheinigung gemäß § 44 Abs.1 KStG 1977 führe der Anteilseigner den Nachweis, daß ihm mit Körperschaftsteuer belasteter Gewinn (richtig: ein mit Körperschaftsteuer belasteter Beteiligungsertrag) zugeflossen ist.

Die hier vorgenommene Unterscheidung macht einen Sinn, wenn man bedenkt, daß zwischen der von der Körperschaft entrichteten und der beim Anteilseigner anzurechnenden Körperschaftsteuer nur ein vom Gesetzgeber gedanklich angenommener, aber kein tatsächlicher Zusammenhang besteht. Die Anrechnung wird beim Anteilseigner vorgenommen, weil der Gesetzgeber eine entsprechende Steuerbelastung der Körperschaft unterstellt. Deshalb ist diese jedoch nicht im Einzelfall zu ermitteln. Dies ist häufig schon aus praktischen Gründen nicht möglich. So kann eine GmbH ihre Gewinne der Jahre 01 bis 05 jeweils vortragen, um im Jahre 06 einen Teilbetrag des Gewinnvortrags auszuschütten. Aus der Sicht des Gesellschafters, der im Jahre 06 einen entsprechenden Beteiligungsertrag erzielt, läßt sich nicht exakt feststellen, wann der Beteiligungsertrag bei der ausschüttenden Körperschaft mit Körperschaftsteuer belastet wurde. Sollte dem FA z.B. im Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 03 ein Veranlagungsfehler unterlaufen und deshalb die Körperschaftsteuer zu niedrig festgesetzt worden sein, so läßt sich dieser Fehler jedenfalls dann nicht der im Jahre 06 vorgenommenen Ausschüttung zuordnen, wenn die Ausschüttung nicht den gesamten Gewinnvortrag umfaßt. Dies ist der Grund, weshalb sich bezogen auf einen bestimmten Beteiligungsertrag nur dessen materiell-rechtlich vorgeschriebene Steuerbelastung bescheinigen läßt. Ob eine der Bescheinigung entsprechende Körperschaftsteuer tatsächlich erhoben wurde, ist eine andere Frage, die im Bescheinigungsverfahren nicht entschieden werden kann.

Zwar betrifft der Streitfall eine verdeckte Gewinnausschüttung, die möglicherweise bei der C-GmbH nicht nur in 1984 abfloß, sondern in diesem Veranlagungszeitraum auch die Rechtsfolge des § 8 Abs.3 Satz 2 KStG 1977 auslöste. Dennoch gilt deshalb nichts anderes. Dies wird deutlich, wenn man an die Möglichkeit denkt, daß neben dem Kläger noch andere Personen Gesellschafter der C-GmbH waren und daß auch diese anderen Gesellschafter einen Beteiligungsertrag erhielten, für den die Ausschüttungsbelastung in 1984 bei der C-GmbH herzustellen war. In diesem Fall läßt sich der dem FA unterlaufene Fehler nicht der Ausschüttung an einen bestimmten Gesellschafter zuordnen. Gerade deshalb kann auch die Anrechnung der Körperschaftsteuer bei dem einzelnen Gesellschafter nicht voraussetzen, daß für den auf ihn entfallenden Beteiligungsertrag eine Festsetzung der Körperschaftsteuer in Höhe von 9/16 des Beteiligungsertrags festgestellt wird. Soweit in diesem Zusammenhang in Rechtsprechung (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26.November 1986 VIII B 114/86, BFHE 148, 129, BStBl II 1987, 179) und Schrifttum (Conradi in: Littmann/Bitz/Meincke, a.a.O., § 36 Rdnr.24) von einer Steuerschuld der Körperschaft die Rede ist, handelt es sich nur um die Frage der formellen und materiellen Steuerschuldnerstellung, die jedoch nichts über die Höhe der tatsächlich festgesetzten Körperschaftsteuer aussagt. Dabei darf nicht außer Betracht bleiben, daß der dem FA unterlaufene Fehler auch einem sog. Zweitbescheid anhaften kann. Ist aber die Körperschaftsteuer durch Erstbescheid zutreffend festgesetzt und unterläuft dem FA ein Fehler erst bei Erlaß des Zweitbescheids, so ist von einer (durch den Erstbescheid) festgesetzten Körperschaftsteuer auszugehen, weshalb im Schrifttum die Auffassung vertreten wird (vgl. Dötsch, a.a.O., § 36 EStG Rdnr.19; § 27 KStG Rdnr.42), daß nachträgliche Änderungen der Körperschaftsteuerbelastung bei der ausschüttenden Körperschaft (z.B. aufgrund einer steuerlichen Betriebsprüfung) ohne Einfluß auf die beim Anteilseigner anrechenbare Körperschaftsteuer ist.

Selbst wenn der Kläger --was das FG in tatsächlicher Hinsicht nicht festgestellt hat-- in 1984 Alleingesellschafter der C-GmbH gewesen sein sollte, gilt nichts anderes. Dies folgt aus der Überlegung, daß dem Fehler, der dem FA unterlaufen ist, letztlich der ursächliche Zusammenhang mit dem dem Kläger zugeflossenen Beteiligungsertrag nicht anzusehen ist. Der zu hohe Ansatz einer Körperschaftsteuerminderung kann eine Vielzahl von Ursachen haben. Das FA kann die Zu- oder Abgänge im verwendbaren Eigenkapital (vEK) unzutreffend ermittelt haben. Der Vergleich zwischen dem vEK laut Gliederungsrechnung und dem laut Steuerbilanz kann unzutreffend durchgeführt worden sein. Das FA kann Ausschüttungen angenommen haben, die tatsächlich keine waren, oder Ausschüttungen übersehen haben, die tatsächlich als solche hätten erfaßt werden müssen. Der Fehler des FA hätte auch zu Lasten der C-GmbH wirken können, z.B. wenn die Körperschaftsteuerminderung für eine Ausschüttung nicht gewährt wird, die unzweifelhaft abgeflossen ist. Auch in diesem Fall kann sich der Anteilseigner nicht auf den Standpunkt stellen, bei ihm müsse die festgesetzte Körperschaftsteuer in voller Höhe angerechnet werden. Diese Überlegungen zeigen ausnahmslos, daß im Bescheinigungsverfahren nicht auf die tatsächlich festgesetzte, sondern nur auf die materiell-rechtlich an sich zu erhebende Körperschaftsteuer abgestellt wird. Wäre die Rechtslage eine andere, so müßten im Veranlagungsverfahren des Gesellschafters stets die Steuerakten der Kapitalgesellschaft beigezogen werden.

Zu Unrecht spricht das FA in seiner Revisionsbegründung von einer in den Gewinn der Körperschaft eingeflossenen verdeckten Gewinnausschüttung, die zu bescheinigen sei. Eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs.3 Satz 2 KStG 1977 kann sich auch im Bereich steuerfreier Einkünfte (z.B. ausländische DBA-Betriebsstätteneinkünfte) vollziehen. Dann ist die verdeckte Gewinnausschüttung wie die übrigen Betriebsstätteneinkünfte steuerfrei. Eine Körperschaftsteuerbelastung entsteht dann erst mit der Herstellung der Ausschüttungsbelastung. Dem Beteiligungsertrag des Gesellschafters ist es aber in der Regel nicht anzusehen, wann und in welcher Weise er mit Körperschaftsteuer belastet wurde. Gerade deshalb lassen sich viele Veranlagungsfehler nicht einem bestimmten Beteiligungsertrag zuordnen.

6. Aus § 36a EStG folgt nichts anderes. Die Voraussetzungen der Vorschrift sind schon deshalb nicht erfüllt, weil es an Vollstreckungsmaßnahmen gegenüber der C-GmbH fehlt und es auch in der Zukunft zu solchen nicht kommen kann. Im übrigen handelt es sich um die Ausnahme von einer Regel. Es ist kein Anhaltspunkt dafür zu erkennen, daß ihre Regelung auch auf den Streitfall auszudehnen ist.

7. a) Umstritten ist, ob die Anrechnung der Körperschaftsteuer auch dann ausgeschlossen ist, wenn zwar die Einnahmen i.S. des § 20 Abs.1 Nr.1 oder 2 oder Abs.2 Nr.2 Buchst.a EStG, nicht aber die Einnahmen i.S. des § 20 Abs.1 Nr.3 EStG (Einkünfte = Einnahmen, s. § 51 KStG 1977/1984) bei der Veranlagung erfaßt wurden. Die Finanzverwaltung ist der Ansicht, die anzurechnende Körperschaftsteuer gehöre zu den Einnahmen i.S. des § 36 Abs.2 Nr.3 Satz 4 Buchst.f EStG 1990; die Anrechnung setze somit voraus, daß auch die anzurechnende Körperschaftsteuer als Einnahme bei der Veranlagung erfaßt worden ist (s. Abschn.213g Abs.1 Sätze 1 und 2 der Einkommensteuer- Richtlinien --EStR-- 1990, Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main, Verfügung vom 21.Mai 1990 S 0450 A 1-St II 40, Steuererlasse in Karteiform --StEK--, § 36, Einkommensteuergesetz, Nr.20, Steuer-Eildienst 1990, 341; gl.A. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 8.Aufl. 1991, § 17 II 2a, S.554; Dötsch/Eversberg/ Jost/Witt, a.a.O., § 36 Tz.59; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 11.Aufl. 1992, § 36 Anm.17 d; Seemann in Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 36 Rdnr. 143 b; wohl auch Blümich/Stuhrmann, a.a.O., § 36 EStG Rdnr.43/44; a.A. Streck, Körperschaftsteuergesetz, 3.Aufl. 1991, EStG Anm.14 und 19).

b) Nach Auffassung des erkennenden Senats setzt die Anrechnung der Körperschaftsteuer nicht voraus, daß die anzurechnende Körperschaftsteuer als Einnahme gemäß § 20 Abs.1 Nr.3 EStG bei der Veranlagung erfaßt worden ist.

aa) § 36 Abs.2 Nr.3 Satz 4 Buchst.f EStG 1990 schließt die Anrechnung nur für den Fall aus, daß die mit der anzurechnenden Körperschaftsteuer zusammenhängenden Einnahmen i.S. des § 20 Abs.1 Nr.1 oder 2 oder Abs.2 Nr.2 Buchst.a EStG bei der Steuerfestsetzung nicht erfaßt worden sind.

§ 36 Abs.2 Nr.3 Satz 4 Buchst.f EStG 1990 knüpft an Abs.2 Nr.3 Sätze 1 und 2 der Vorschrift an. In ihnen sind die Ein- nahmen i.S. des § 20 Abs.1 Nr.3 EStG nicht erwähnt. Der Wortlaut des § 36 Abs.2 Nr.3 EStG 1990 enthält keinen Hinweis darauf, daß zu den Einnahmen i.S. des Satzes 4 Buchst.f auch die anzurechnende Körperschaftsteuer gehört. Nach der Gesetzesbegründung zu § 36 Abs.2 Nr.3 Satz 4 Buchst.f EStG sollte durch die Vorschrift zwar klargestellt werden, daß entsprechend der zuvor schon bestehenden Verwaltungspraxis (vgl. Abschn.213g Abs.1 EStR 1987) die Anrechnung von Körperschaftsteuer nur möglich ist, wenn die zugrunde liegenden Einnahmen bei der Veranlagung erfaßt werden (s. BTDrucks 11/5970, S.12, 40). Diese Verwaltungspraxis rechnete zu den der Körperschaftsteuer zugrunde liegenden Einnahmen auch die anzurechnende Körperschaftsteuer i.S. des § 20 Abs.1 Nr.3 EStG. Im Gesetzestext fand diese Vorstellung aber keinen Niederschlag. Das wird deutlich, wenn der Text des § 36 Abs.2 Nr.3 EStG mit dem des § 51 KStG 1977/1984 verglichen wird. § 51 KStG schließt die Anrechnung der Körperschaftsteuer ausdrücklich auch für den Fall aus, daß die Einnahmen i.S. des § 20 Abs.1 Nr.3 EStG bei der Veranlagung nicht erfaßt werden. Diese Rechtsfolge tritt allerdings nur ein, wenn die Einnahmen aufgrund § 50 Abs.2 Nr.1 und 2 KStG 1977/1984 bei der Veranlagung nicht zu erfassen sind.

Im Streitfall kommt hinzu, daß das FA den Einkommensteuerbescheid 1984 vom 10.November 1988 bezüglich des Erhöhungsbetrages gemäß § 20 Abs.1 Nr.3 EStG für vorläufig gemäß § 165 AO 1977 erklärt hat. Auf der Grundlage der jetzt ergangenen Entscheidung wird es diesen Bescheid erneut ändern und die anrechenbare Körperschaftsteuer bei der Veranlagung erfassen müssen. Damit steht letztlich auch § 36 Abs.2 Nr.3 Satz 4 Buchst.f EStG der Anrechnung nicht entgegen.

bb) Zwischen dem Einkommensteuerbescheid und dem Abrechnungsbescheid besteht auch keine Bindung gemäß § 182 Abs.1 AO 1977 dergestalt, daß die Körperschaftsteuer in dem Abrechnungsbescheid nur insoweit zu berücksichtigen ist, als sie im Einkommensteuerbescheid als Einnahme gemäß § 20 Abs.1 Nr.3 EStG angesetzt und keine Vergütung nach §§ 36b, 36c oder 36d EStG beantragt oder durchgeführt worden ist (s. Widmann, Finanz- Rundschau 1989, 224, 228; Brenner in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 36 Rdnr.A 264; Wassermeyer in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 20 Rdnr.E 13). Die Einnahmen gemäß § 20 Abs.1 Nr.3 EStG werden im Einkommensteuerbescheid nicht gesondert festgestellt. Sie werden in ihm nicht als besonderer Betrag ausgewiesen und sind als Teil der im Bescheid erfaßten Einkünfte wie diese lediglich unselbständige Besteuerungsgrundlagen i.S. des § 157 Abs.2 AO 1977.

8. Die Vorentscheidung verletzt demnach kein Bundesrecht. Sie ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Revision war deshalb als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64826

BStBl II 1994, 191

BFHE 172, 370

BFHE 1994, 370

BB 1994, 58

BB 1994, 58 (L)

DB 1994, 613-615 (LT)

DStR 1994, 318 (KT)

HFR 1994, 216-217 (LT)

StE 1994, 10 (K)

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