Leitsatz (amtlich)

Es besteht eine Vermutung dafür, daß eine vom Erblasser als Testamentsvollstreckerhonorar bezeichnete Vergütung den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit auch insoweit zuzurechnen ist, als sie einen angemessenen Betrag übersteigt.

 

Orientierungssatz

1. Wird eine an sich unter § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG fallende Tätigkeit (hier Testamentsvollstreckertätigkeit) im Rahmen eines freien Berufs i.S. der Nr. 1 der Vorschrift ausgeübt, so ist sie der Haupttätigkeit zuzurechnen (vgl. BFH-Rechtsprechung und FG-Rechtsprechung). Das gilt auch, wenn der Testamentsvollstrecker seine freiberufliche Praxis in einer Sozietät ausübt.

2. Betriebseinnahmen sind alle Zugänge in Geld oder Geldeswert, die durch den Betrieb veranlaßt sind. Betriebseinnahmen können auch dann vorliegen, wenn der Steuerpflichtige als Betriebsinhaber unentgeltliche Zuwendungen erhält (vgl. Rechtsprechung: RFH, BFH, BGH).

 

Normenkette

EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 2221; EStG § 18 Abs. 1 Nr. 3, § 4 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr 1983 zusammen mit einem Sozius als Steuerberater tätig. Zu seinen Mandanten zählte der im Oktober 1982 verstorbene Kaufmann A (Erblasser). Der Kläger war seit vielen Jahren mit dem Erblasser und dessen Familie freundschaftlich eng verbunden. Er genoß das uneingeschränkte Vertrauen des Erblassers und verwaltete auch dessen Privatvermögen.

Der Erblasser hatte am 23.August 1973 ein Testament errichtet, in dem er u.a. ein Vermächtnis zugunsten des Klägers in Höhe von 20 000 DM verfügt hatte. Außerdem hatte er Testamentsvollstreckung angeordnet. Zu gemeinschaftlichen Testamentsvollstreckern hatte er den Kläger und Rechtsanwalt B bestimmt. Als Honorar war für beide Testamentsvollstrecker insgesamt das Eineinhalbfache der üblichen Vergütung vorgesehen.

Mit Testament vom 4.Juli 1974 änderte der Erblasser diese letztwillige Verfügung und setzte den Kläger zum alleinigen Testamentsvollstrecker ein. Für den Fall, daß der Kläger für dieses Amt nicht zur Verfügung stünde, ordnete er gemeinschaftliche Testamentsvollstreckung durch den Notar C und den Bankdirektor D an; falls auch diese wegfielen, sollte das Nachlaßgericht zwei gemeinschaftliche Testamentsvollstrecker bestimmen.

Nach § 2 des Testaments vom 4.Juli 1974 sollten die Testamentsvollstrecker für die Konstituierung des Nachlasses ein Honorar in Höhe von 4 v.H. des steuerlichen Nachlaßwertes erhalten. Im Jahre 1975 änderte der Erblasser das Testament erneut, indem er weitere Vermächtnisse aussetzte. Das Vermächtnis zugunsten des Klägers und die Testamentsvollstreckerregelung blieben unverändert.

Nachdem der Erblasser im Oktober 1982 verstorben war, trat der Kläger das Testamentsvollstreckeramt an. Die ihm in § 2 des Testaments zuerkannte Konstituierungsgebühr betrug 1 134 720 DM (Nachlaßwert 28 368 533 DM). Davon flossen dem Kläger im Streitjahr 965 220 DM zu.

Der Kläger hatte mit seinem Sozius vereinbart, daß Einnahmen und Ausgaben, die mit der hier in Rede stehenden Testamentsvollstreckung zusammenhingen, ihm, dem Kläger, allein zugerechnet werden sollten.

Der Kläger vertritt die Auffassung, um dem wahren Willen des Erblassers Rechnung zu tragen, müsse das Konstituierungshonorar rechtlich aufgeteilt werden. Nur 1 v.H. sei als übliches Honorar anzusehen, das nach § 18 Abs.1 Nr.3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) einkommensteuerpflichtig sei. Der Rest in Höhe von 3 v.H. müsse als Vermächtnis angesehen werden, das der Erblasser ihm als Freund der Familie habe zuwenden wollen. Dieser Teil unterliege der Erbschaftsteuer. Eine Erhöhung der Gebühr für die Konstituierung des Nachlasses über den üblichen Satz hinaus sei um so weniger gerechtfertigt, als er für diese Tätigkeit lediglich 52 Arbeitsstunden benötigt habe. Das für die Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt U folgte zunächst der Rechtsauffassung des Klägers und erließ einen nach § 165 Abs.1 der Abgabenordnung (AO 1977) vorläufigen Erbschaftsteuerbescheid. Das beklagte, für die Einkommensteuer zuständige, Finanzamt (FA) behandelte dagegen das gesamte Honorar als Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit und erhöhte dementsprechend die Einkünfte des Klägers für das Streitjahr um 684 909,99 DM.

Gegen den entsprechenden Einkommensteuerbescheid erhob der Kläger nach erfolglosem Einspruch Klage zum Finanzgericht (FG). Das FG wies die Klage ab, nachdem es die Witwe des Erblassers als Zeugin gehört hatte.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom FG zugelassenen Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Einkommensteuerbescheid 1983 in der Weise zu ändern, daß seine Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit um 684 909,99 DM niedriger angesetzt werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger die Testamentsvollstreckung im Rahmen seiner freiberuflichen Tätigkeit (§ 18 Abs.1 Nr.1 EStG) durchgeführt hat.

Wird eine an sich unter § 18 Abs.1 Nr.3 EStG fallende Tätigkeit im Rahmen eines freien Berufs i.S. der Nr.1 der Vorschrift ausgeübt, so ist sie der Hauptberufstätigkeit zuzurechnen (Senatsurteil vom 28.Juni 1973 IV R 77/70, BFHE 110, 34, BStBl II 1973, 729; FG Hamburg, Urteil vom 13.April 1988 I 364/85, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1989, 21 m.w.N.; allgemeine Meinung). Das gilt unbeschadet des Umstandes, daß der Kläger seine freiberufliche Praxis in einer Sozietät ausübte; denn jedenfalls machte er sich bei der Testamentsvollstreckertätigkeit seine berufliche Vorbildung und Erfahrung zunutze. Im Streitfall wird das dadurch besonders deutlich, daß der Kläger auf die --als Steuerberater erworbenen-- Kenntnisse der Vermögensverhältnisse des Erblassers zurückgreifen konnte.

2. Das FG konnte ohne Rechtsirrtum zu dem Ergebnis gelangen, daß das gesamte streitige "Honorar" zu den Betriebseinnahmen des Klägers aus seiner freiberuflichen Tätigkeit als Steuerberater gehörte.

Betriebseinnahmen sind alle Zugänge in Geld oder Geldeswert, die durch den Betrieb veranlaßt sind (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18.März 1982 IV R 183/78, BFHE 136, 76, BStBl II 1982, 587 m.w.N.). Den Gegensatz hierzu bilden Einnahmen, für deren Zufluß nicht der Betrieb, sondern private Umstände die Veranlassung gegeben haben.

Dabei sind als betrieblich veranlaßt nicht nur solche Einnahmen zu werten, die aus der Sicht des Unternehmers Entgelt für betriebliche Leistungen darstellen. Betriebseinnahmen können entgegen der Ansicht des Klägers auch dann vorliegen, wenn der Steuerpflichtige als Betriebsinhaber unentgeltliche Zuwendungen erhält. Auf dieser Rechtsauffassung beruht bereits das Urteil des Reichsfinanzhofs (RFH) vom 9.Oktober 1935 VI A 84/35 (RStBl 1936, 139), in dem eine besondere Vergütung, die ein Patient dem Arzt neben dem Honorar aus Dankbarkeit oder aus einem Gefühl der Verpflichtung heraus gewährte, als Einnahme aus der ärztlichen Tätigkeit behandelt wurde. Der BFH hat diese Rechtsprechung fortgeführt (Urteile vom 21.November 1963 IV 345/61 S, BFHE 78, 475, BStBl III 1964, 183; vom 13.Dezember 1973 I R 136/72, BFHE 111, 108, BStBl II 1974, 210; vom 22.Juli 1988 III R 175/85, BFHE 154, 218, BStBl II 1988, 995). Auch der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich ihr angeschlossen (Urteil vom 12.April 1989 3 StR 472/88, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1990, 333). Ein Beispiel für solche betrieblich oder beruflich veranlaßten unentgeltlichen Zuwendungen sind insbesondere die Treueprämien, mit denen der Kläger den über das Übliche hinausgehenden Teil der streitigen Testamentsvollstreckergebühr vergleicht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 78, 475, BStBl III 1964, 183).

Was für freigebige Zuwendungen unter Lebenden gilt, muß auch für solche von Todes wegen gelten. Daher hindert allein der Umstand, daß bei Festsetzung einer unangemessen hohen Vergütung durch den Erblasser der unangemessene Teil bürgerlich-rechtlich als Vermächtnis zugunsten des Testamentsvollstreckers angesehen wird (Palandt/Edenhofer, Bürgerliches Gesetzbuch, 49.Aufl., § 2221 Anm.1; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluß vom 12.Dezember 1972 1 Z 70/71, Betriebs-Berater --BB-- 1973, 114) nicht, daß einkommensteuerlich die Vergütung in vollem Umfang den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit zuzurechnen ist (vgl. FG Berlin, Urteil vom 11.Februar 1986 V 396/84 rkr., EFG 1986, 603; Stuhrmann in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 18 B Rdnr.221; Sommer in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 18 Rdnr.176; Nieland in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, § 18 Rdnr.297). Die gegenteilige Auffassung (Oberfinanzdirektion --OFD-- Hamburg, Steuererlasse in Karteiform --StEK--, Einkommensteuergesetz, § 18 Nr.65; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 18 EStG Anm.129; Möhring/Seebrecht, BB 1977, 1561) übersieht, daß sich im Einkommensteuerrecht die Relevanz von Einnahmen und Ausgaben allein nach deren Veranlassung richtet. Besteht ein tatsächlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang mit einer Einkunftsart, so ist eine Einnahme den jeweiligen Einkünften zuzurechnen, unabhängig welcher bürgerlich-rechtliche Rechtsgrund der Vermögensmehrung zugrunde liegt.

Dem gefundenen Ergebnis steht das Urteil des RFH vom 28.April 1938 III e 33/37 (RStBl 1938, 517) nicht entgegen. Der RFH hatte in diesem Urteil entschieden, daß die für Testamentsvollstreckung angesetzte Vergütung bei der Erbschaftsteuer nur in angemessener Höhe abziehbar sei. Da die Erbschaftsteuer an den bürgerlich-rechtlichen Rechtsgrund (z.B. "freigiebige Zuwendung") anknüpft, ist es denkbar, daß die Erben den unangemessen hohen Teil einer Testamentsvollstreckervergütung nicht als Kosten der "Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses" (§ 10 Abs.5 Nr.3 des Erbschaftsteuergesetzes --ErbStG--), sondern nur als Vermächtnis (§ 10 Abs.5 Nr.2 ErbStG) abziehen dürfen. Diese Frage hat der Senat nicht zu entscheiden.

Ob der wirtschaftliche und tatsächliche Zusammenhang einer die üblichen Sätze übersteigenden Testamentsvollstreckervergütung mit den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit gegeben ist, richtet sich nach den objektiven Verhältnissen des Einzelfalls (vgl. BFH-Urteil vom 9.Mai 1985 IV R 184/82, BFHE 143, 466, BStBl II 1985, 427), deren Feststellung dem FG obliegt. Es besteht aber eine Vermutung dafür, daß eine vom Erblasser als Testamentsvollstreckerhonorar bezeichnete Vergütung tatsächlich und rechtlich mit der Testamentsvollstreckung zusammenhängt; denn sie ist im Gegensatz zum Vermächtnis dadurch gekennzeichnet, daß der Testamentsvollstrecker sie nur dann erhält, wenn er sein Amt ausübt. Mag sie, soweit sie unangemessen hoch ist, auch nicht als Gegenleistung für die Testamentsvollstreckertätigkeit anzusehen sein, so wird sie doch regelmäßig als Motivation zu einer besonders sorgfältigen Amtsausübung dienen.

3. Die vom FG festgestellten Umstände sind nicht geeignet, diese Vermutung zu widerlegen. Sie bestätigen sie vielmehr.

Die Witwe des Erblassers hat als Zeugin ausgesagt, der Erblasser habe seinerzeit auf ihren Einwand, daß das für den Kläger vorgesehene Legat in Höhe von 20 000 DM zu gering sei, erklärt, der Kläger bekomme ja schon die Testamentsvollstreckergebühr in Höhe von 4 v.H. Daraus konnte das FG den Schluß ziehen, daß der Erblasser dem Kläger ein den Betrag von 20 000 DM übersteigendes Legat gerade nicht zuwenden wollte. Die Verknüpfung der ungewöhnlich hohen Gebühr mit dem Testamentsvollstreckeramt wird dadurch deutlich, daß den Ersatztestamentsvollstreckern dieselbe Gebühr zustehen sollte. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die Ersatztestamentsvollstrecker die Gebühr nur gemeinsam erhielten und daß für sie der Arbeitsaufwand größer gewesen wäre als für den Kläger. Dieser Gesichtspunkt könnte allenfalls als weiteres Indiz dafür angesehen werden, daß die Gebühr für den Kläger allein unangemessen hoch war. Hierauf kommt es --wie oben unter 2. ausgeführt-- jedoch nicht an. Aus demselben Grund kann es dahinstehen, ob das FG zu Recht davon ausgegangen ist, daß der im Streitfall als Bemessungsgrundlage für die Gebühr vorgesehene steuerliche Nachlaßwert wegen der darin enthaltenen Einheitswerte so niedrig war, daß die Gebühr sich im Ergebnis nicht wesentlich von einem nach dem (üblicherweise zugrunde gelegten) Bruttoverkehrswert berechneten Honorar unterschied.

Die Witwe des Erblassers hat ferner sowohl in ihrer Zeugenaussage als auch in einem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 6.Februar 1983 ausgeführt, daß für die Höhe des Honorars der Wunsch maßgeblich gewesen sei, der Kläger möge auch ihr nach dem Tod ihres Mannes beratend zur Seite stehen. Dieser naheliegende Wunsch des Erblassers richtete sich ebenfalls auf ein künftiges Verhalten des Klägers, das mit seinem Beruf in unmittelbarem Zusammenhang stand. Auch wenn, wie die Zeugin ausgesagt hat, die ihr gegenüber erbrachte Beratungstätigkeit gesondert abgerechnet wurde, diente die Testamentsvollstreckervergütung dazu, eine besondere Qualität der Beratung zu sichern.

Unbeachtlich ist, daß es für die Höhe der streitigen Vergütung auch private Gründe, nämlich die Freundschaft zwischen dem Erblasser und dem Kläger gegeben haben mag. Die Regel, daß bei einer privaten Mitveranlassung die betriebliche oder berufliche Veranlassung außer Betracht bleibt, gilt nur für die Beurteilung der Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben oder Werbungskosten. Sie leitet sich aus der besonderen Vorschrift des § 12 Nr.1 EStG her.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63395

BFH/NV 1990, 90

BStBl II 1990, 1028

BFHE 161, 552

BFHE 1991, 552

BB 1990, 2330 (L)

DB 1990, 2505-2507 (LT)

DStR 1990, 737 (KT)

HFR 1991, 93 (LT)

StE 1990, 430 (K)

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