Leitsatz (amtlich)

Der Norddeutsche Rundfunk übt auch insoweit öffentliche Gewalt aus, als er einer anderen deutschen Rundfunkanstalt oder einem Rundfunkverband in der Erfüllung öffentlicher Aufgaben Beistand leistet und dafür Unkostenersatz oder eine angemessene Entschädigung erhält. Diese Leistungen sind daher nicht steuerbar.

 

Normenkette

UStG § 2 Abs. 3, § 4 Nr. 22; UStDB § 19

 

Tatbestand

I.

Der Kläger und Stpfl., der Norddeutsche Rundfunk (NDR), ist eine von den Ländern Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg errichtete gemeinsame Anstalt des öffentlichen Rechts mit dem Sitz in Hamburg. Er war gemäß § 11 des Staatsvertrags über die Liquidation des Nordwestdeutschen Rundfunks (NWDR) und die Neuordnung des Rundfunks im bisherigen Sendegebiet des NWDR vom 16. Februar 1955 (Li-Staatsvertrag: Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt -- HGuVOBl -- I 1955 S. 116) neben dem "Westdeutschen Rundfunk Köln" (WDR) Mitglied des "Nord- und Westdeutschen Rundfunkverbandes" (NWRV), der seinerseits wiederum als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit dem Sitz in Hamburg von den Vertragsländern des NDR und dem Lande Nordrhein-Westfalen gegründet worden war. Außerdem gehört der Stpfl. mit allen Länder-Rundfunkanstalten und den Anstalten des Bundes der "Arbeitsgemeinschaft der öffentlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland" (ARD) an. Diese wurde von den Rundfunkanstalten als Gesellschaft gegründet und mit der Satzung vom 9. Juni 1950 (abgedruckt unter der Nr. 456 der Slg. von Dr. Ludwig Delp "Das gesamte Recht der Presse, des Buchhandels, des Rundfunks und des Fernsehens") ausgestattet.

Streitig ist, ob die folgenden Lieferungen und sonstigen Leistungen des NDR in der Zeit vom 1. Februar bis 31. Dezember 1956 und in den Jahren 1957 und 1958 umsatzsteuerpflichtig sind:

1. Die Mitglieder des ARD tauschen in technisch verschiedenartiger Weise gegenseitig Programme aus. Dieser Austausch ist grundsätzlich kostenfrei. Gibt aber der Stpfl. an die übernehmende Anstalt Bandkopien weiter, so gehen diese in deren Eigentum über. Dafür erhält der Stpfl. den Materialwert der Bänder erstattet.

2. Im Rahmen dieses innerdeutschen Austausches übermittelt der Stpfl. anderen Rundfunkanstalten Programme auch über Sonderleitungen der Post. Er muß diese Leitungen von Fall zu Fall anfordern und dafür Gebühren entrichten. Auch diese Gebühren werden dem Stpfl. von den das Programm übernehmenden Anstalten erstattet.

3. Nach der gesetzlichen Aufgabenverteilung hatte u. a. der NWRV das Fernsehen zu betreiben, seine Mitglieder hatten ihn dabei zu unterstützen. Nach der Satzung des NWRV war von diesem Verband neben dem Gemeinschaftsprogramm je ein Regionalprogramm für die Sendebereiche der Mitglieder auszustrahlen, dessen Planung und Produktion jedem Mitglied oblag. In den Veranlagungszeiträumen 1957 und 1958 erhielt der Stpfl. vom NWRV Mittel zur Herstellung des Regionalprogramms.

4. Der Stpfl. stellte dem NWRV Räume, Einrichtungsgegenstände und Fahrzeuge gegen Entgelt zur Verfügung. Außerdem überließ er ihm zeitweise seine Arbeitnehmer gegen Erstattung der Unkosten.

5. In den Jahren 1957 und 1958 konnte der NWRV Sendeanlagen des Stpfl. gegen die bloße Erstattung der Betriebskosten benützen.

6. Die in Nr. 4 aufgezählten Leistungen erbrachte der Stpfl. auch gegenüber dem NWDR i. L. und wurde dafür in gleicher Weise entschädigt.

7. Der WDR erstattete dem Stpfl. u. a. Reisekosten für Reporter, Druck- und Papierkosten für den Programmdruck des gemeinsamen Mittelwellenprogramms und Aufwendungen für Auslandskorrespondenten.

8. Der Stpfl. unterhält in Wittsmoor eine Meß- und Empfangsstation. Die Kosten hierfür tragen alle Mitglieder der ARD. Der Stpfl. vereinnahmte in den Jahren 1957 und 1958 die anteiligen Beiträge der anderen Mitglieder.

9. Schließlich erhielt der Stpfl. auch noch von anderen als den bisher einzeln genannten Länderanstalten, darunter auch vom Saarländischen Rundfunk, Entschädigungen für die Nutzung seiner Einrichtung und Erstattung seiner Auslagen insbesondere der Reisekosten für Sportreporter. Dazu kommen im Jahre 1957 ... DM und im Jahre 1958 ... DM, die die amerikanische Rundfunkanstalt RIAS an den Stpfl. für die Überlassung von Sendungen bezahlt hat.

Das FA zog den Stpfl. wegen dieser Umsätze zur Umsatzsteuer heran.

Der Stpfl. ist der Meinung, alle diese Lieferungen und sonstigen Leistungen habe er im Rahmen der ihm durch Gesetz zugewiesenen Pflichten (§ 5 des Staatsvertrags über den Norddeutschen Rundfunk vom 16. Februar 1955 -- NDR-Staatsvertrag -- HGuVOBl I 1955, 197 ff., §§ 7, 10, 12 a des Li-Staatsvertrags) jedenfalls aber als Amtshilfe nach Art. 35 GG und damit in Ausübung hoheitlicher Gewalt erbracht.

Seine Sprungberufung gegen die Umsatzsteuerbescheide für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Dezember 1956 sowie für die Jahre 1957 und 1959 hatte teilweisen Erfolg. Das FG stellte den Stpfl. insoweit von der Umsatzsteuer frei, als die Zahlungen des NWRV für die Herstellung des Regionalprogramms die Besteuerungsgrundlage gebildet hatten (Nr. 3 oben). Die Veranstaltung dieser Sendungen beurteilte das FG als Ausübung hoheitlicher Gewalt. In allen anderen streitigen Fällen folgte es der Auffassung des FA.

Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien mit der Rb. Sie rügen beide die Verletzung des Steuerrechts. Sie halten insbesondere die Anwendung des § 2 Abs. 3 UStG durch das FG für fehlerhaft. Das FA macht außerdem geltend, es liege ein Verfahrensverstoß vor und erklärt dazu: Das FG habe seiner Amtsermittlungspflicht nach § 243 Abs. 1 AO a. F. nicht genügt. Für die Entscheidung über die Steuererheblichkeit der Produktion des Regionalprogramms (vgl. Nr. 3 des Tatbestandes) sei es nämlich -- wenn § 2 Abs. 3 UStG richtig angewendet und damit die Ausübung öffentlicher Gewalt verneint werde -- von Bedeutung, ob der NWRV die Zuschüsse auf Grund der §§ 12, 23 Abs. 2 des Li-Staatsvertrags oder nach § 10 Abs. 4 der zu den Akten des FG gegebenen Satzung des NWRV erhalten habe. In diesem Falle liege nämlich ein steuerbarer Leistungsaustausch vor, da der Stpfl. gemäß § 12 Buchst. a des Li-Staatsvertrags das von ihm hergestellte Regionalprogramm nicht selbst veranstalten könne, sondern es zur Veranstaltung an den NWRV liefern müsse und der NWRV nach § 19 Abs. 4 des Li-Staatsvertrags verpflichtet sei, Mittel für das Regionalprogramm der Mitglieder bereitzustellen. Nur unter Anwendung des § 23 Abs. 2 des Li-Staatsvertrags lasse sich die Auffassung des FG, die Programmlieferungen an den NWRV seien nicht steuerbar, im Ergebnis vertreten, da die in dieser Vorschrift vorgesehenen Geldleistungen des NWRV an seine Mitglieder nicht als Gegenleistungen, sondern als Ausschüttungen der Überschüsse aus den vom NWRV vereinnahmten Fernsehgebühren zu beurteilen seien. Ob die eine oder andere Rechtsgrundlage gegeben sei, habe der Tatsachenaufklärung bedurft.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsmittel sind seit dem Inkrafttreten der FGO am 1. Januar 1966 als Revisionen zu behandeln. Die Revision des Stpfl. ist überwiegend begründet. Der Revision des FA muß der Erfolg versagt bleiben.

II.

Die strittigen Lieferungen und sonstigen Leistungen sind nach § 2 Abs. 3 UStG nicht steuerbar, wenn sie als Ausübung öffentlicher Gewalt zu beurteilen sind. Auf die Verfahrensrüge braucht in diesem Fall nicht eingegangen zu werden.

Der Stpfl. ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (KöR) und daher subjektiv zur Ausübung öffentlicher Gewalt befähigt (§ 19 Abs. 4 UStDB)). Diese Eigenschaft allein gibt aber seinen Leistungen noch keinen hoheitlichen Charakter, zumal diese nicht gegenüber Gewaltunterworfenen, sondern gegenüber gleichgeordneten Rechtssubjekten (anderen Rundfunkanstalten) ausgeführt wurden und Beistandshandlungen zu Tätigkeiten sind, die wiederum nicht im Rahmen eines Über- und Unterordnungsverhältnisses, sondern zur bloßen Daseinsvorsorge für das Publikum ausgeführt werden. Nach § 19 Abs. 1 UStDB sind aber die Leistungen einer KöR ganz allgemein schon dann nicht steuerbar, wenn sie nur der Erfüllung "öffentlich-rechtlicher Aufgaben" dienen. Darunter fallen auch die der Daseinsvorsorge. Bei Leistungen außerhalb eines Über- und Unterordnungsverhältnisses ist allerdings § 2 Abs. 3 UStG nur mit "großer Vorsicht" anzuwenden (Gutachten des RFH V D 1/37 vom 9. Juli 1937, RFH 42, 253, RStBl 1937, 1306). Nach der ständigen Rechtsprechung des RFH, die der erkennende Senat übernommen und fortgeführt hat (vgl. Entscheidungen des BFH V 84/52 U vom 9. Februar 1953, BFH 57, 221, BStBl III 1953, 86; V 131/62 U vom 1. April 1965, BFH 82, 263, BStBl III 1965, 339 mit weiteren Nachweisen) müssen diese Leistungen aus der Staatsgewalt abgeleitet sein und staatlichen Zwecken dienen; sie sind Hoheitsaufgaben, wenn sie der KöR durch Gesetz oder Verordnung ausdrücklich zugewiesen oder ihr eigentümlich und -- wenn auch nicht ausschließlich -- so doch in ganz erheblichem Umfang oder im Regelfalle vorbehalten sind.

Die strittigen Leistungen des Stpfl. weisen, von einer geringen Ausnahme abgesehen, alle Merkmale auf, die für die Anwendung des § 2 Abs. 3 UStG bestimmend sind.

III.

Entscheidungserheblich ist vor allem die Frage, ob die durch das entgeltliche Liefern oder Leisten des Stpfl. bewirkte Zusammenarbeit mit seinem Rundfunkverband oder mit Rundfunkanstalten zu den öffentlich-rechtlichen Aufgaben des Stpfl. gehört. Diese Rechtslage kann nur dann gegeben sein, wenn die Tätigkeit zu der oder durch die der Stpfl. Beistand leistet, selbst Ausübung hoheitlicher Gewalt ist. Da der Stpfl. in erster Linie durch Herstellen von Sendungen (Nr. I, 3) oder durch Mitwirkung bei der Programmproduktion der Leistungsempfänger (Nrn. I, 4, 6, 7, 9) Beistand geleistet hat, ist vor allem zu untersuchen, ob die Produktion von Rundfunk- und Fernsehsendungen als Ausübung hoheitlicher Gewalt zu beurteilen ist.

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 28. Februar 1961 (BVerfGE Bd. 12, 205 [244 ff. und Leitsatz 7 a]) kann es nicht mehr zweifelhaft sein, daß die Veranstaltung von Rundfunksendungen (Fernsehsendungen) nach der deutschen Rechtsentwicklung eine öffentliche und, wenn sie durch Gesetz einer KöR zugewiesen ist, sogar staatliche Aufgabe ist. Unter Veranstaltung versteht das BVerfG nach den Ausführungen auf S. 251 bis 253 und 260 bis 262 a. a. O. die Ausstrahlung, Gestaltung und Beschaffung des Programms einschließlich der eigenen Programmproduktion durch die einzelnen oder durch zusammenwirkende Rundfunkanstalten. Die Veranstaltung von Sendungen ist dem Stpfl. auch in dieser umfassenden Weise durch Gesetz übertragen worden, und zwar durch den in Landesrecht übergeleiteten NDR-Staatsvertrag.

1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 dieses Gesetzes ist die Aufgabe des Stpfl. u. a. "die für die Allgemeinheit bestimmte Verbreitung von Nachrichten und Darbietungen in Wort, Ton und Bild". Daß diese Vorschrift dem NDR nicht nur eine technische Aufgabe zuweist, ist aus § 4 ersichtlich. Die hiernach dem NDR auferlegten Pflichten setzen nämlich mindestens voraus, daß dem NDR auch die Programm gestaltung obliegt. Da eine Programmgestaltung für Rundfunk- und Fernsehsendungen im Rahmen der Selbstverwaltung und der herkömmlichen Praxis der Rundfunkanstalten aber nicht denkbar ist, ohne die Beschaffung der Sendegegenstände durch die Rundfunkanstalt selbst, so muß auch die dazu notwendige Tätigkeit zu den durch § 3 zugewiesenen und damit zu den öffentlich-rechtlichen Aufgaben des Stpfl. gehören. Da der NDR zweifelsfrei seine Einnahmen für die Beschaffung von Sendegegenständen verwenden kann, ist auch aus der Verweisung in § 21 des NDR-Staatsvertrags ersichtlich, daß § 3 dieses Vertrags die Beschaffungstätigkeit mitumfaßt. Denn nach dieser Bestimmung dürfen "die Einnahmen des NDR ... nur für die in diesem Vertrag bestimmten Aufgaben (§ 3) einschließlich der gemeinschaftlichen Aufgaben des Deutschen Rundfunks verwendet werden".

Die Sendungen werden auf vielfältige Weise beschafft; sei es, daß der Stpfl. die zur unmittelbaren Darbietung geeigneten Ereignisse und Veranstaltungen aufsucht sowie etwa erforderliche Rechte zur öffentlichen Verbreitung erwirbt (z. B. Staatsakte, Sportveranstaltungen, Aufführungen in Konzertsälen und Theatern), daß er Unternehmer (Musiker, Schauspieler, Politiker, Wissenschaftler u. a. ) einzeln oder in Gruppen ausschließlich für Rundfunkdarbietungen verpflichtet, daß er fremde, auf Tonoder Bildträger aufgenommene Produktionen und Aufführungsrechte erwirbt oder sei es, daß er selbst Darbietungen in Wort, Ton oder Bild herstellt. Es ist unbestritten und allgemein bekannt, daß die Rundfunkanstalten herkömmlicherweise einen erheblichen Teil des Programms durch Eigenproduktion ausfüllen und übernommene Fremdproduktionen durch eigene Mitwirkung beeinflussen. Den gesetzlich umrissenen Charakter ihres Gesamtprogramms kann eine Rundfunkanstalt mit dem zufälligen Angebot fremder Hersteller von Sendungen gar nicht wahren. Will sie ihrer gesetzlichen Gesamtverpflichtung (§ 4 des NDR-Staatsvertrags) nachkommen, so muß sie die Produktion von Sendungen betreiben und fremde Produktionen weitgehend steuern (vgl. dazu BVerfG, a. a. O., S. 260 unten!). Bei mannigfachen Sendungen ist auch die Programmgestaltung von der Herstellung nicht zu trennen (z. B. Interviews, Diskussionen, Nachrichtensendungen, Ansagen).

Die eigene Herstellung von Sendungen gehört deshalb wie jede andere Beschaffungstätigkeit zu den dem Stpfl. durch Gesetz übertragenen, ihm eigentümlichen und vorbehaltenen Aufgaben.

Im Gegensatz zur Rechtsauffassung des dem Rechtsstreit beigetretenen Bundesministers der Finanzen steht dieser Entscheidung die Tatsache nicht entgegen, daß sich der Stpfl. bei der Programmherstellung privatrechtlicher Mittel bedient. Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, daß nach § 19 Abs. 1 UStDB die Ausübung hoheitlicher Gewalt nicht nur als Betätigung im Rahmen eines Über- und Unterordnungsverhältnisses zu verstehen ist, sondern jede Tätigkeit umfaßt, die einer KöR als öffentlichrechtliche Aufgabe zugewiesen oder ihr eigentümlich und vorbehalten ist. Das Kriterium der Ausübung hoheitlicher Gewalt im umsatzsteuerrechtlichen Sinn ist also nicht der öffentlich-rechtliche Charakter der Tätigkeit, sondern der öffentlich-rechtliche Charakter der Aufgabe. Es ist deshalb möglich, daß die Tätigkeit der öffentlichen Hand insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge von den Normen des bürgerlichen Rechts begrenzt und geschützt wird, gleichwohl aber umsatzsteuerrechtlich als Ausübung öffentlicher Gewalt zu behandeln ist. Für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung der Programmherstellung als staatliche Aufgabe der Rundfunkanstalten besagt es daher nichts, daß der Bundesgerichtshof (BGH) in seiner Entscheidung vom 27. Februar 1962 -- I ZR 118/60 (Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen -- BGHZ -- Bd. 37 S. 1 ff.) den Veranstaltungen des NWRV den zivilrechtlichen Schutz des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb zukommen ließ und ihnen den Charakter des hoheitlichen Handelns abgesprochen hat.

2. Das gleiche gilt für das Zusammenwirken des Stpfl. mit anderen Rundfunkanstalten oder Rundfunkverbänden im Rahmen der Programmherstellung sowie bei der technischen Sendetätigkeit (Nrn. I, 2, 5 und 8), deren eigene Natur als öffentlich-rechtliche Aufgabenerfüllung weder dem Senat noch den Parteien zweifelhaft erscheint.

Nach § 5 des NDR-Staatsvertrags kann der NDR "im Rahmen seiner Aufgaben Vereinbarungen mit anderen Rundfunkanstalten zum Zwecke gemeinsamer Programmgestaltung oder der gemeinsamen Durchführung bestimmter Aufgaben abschließen". Es ist offenbar, daß der Stpfl. mit dieser Bestimmung nicht nur zum Abschluß der Vereinbarungen, sondern auch zu deren Durchführung ermächtigt werden sollte. Zu den dem Stpfl. zugewiesenen, ihm eigentümlichen und vorbehaltenen Aufgaben gehört es also auch, daß er die Versorgung seines Sendegebietes durch andere, mit ihm durch Vereinbarungen zusammengeschlossene Träger der Rundfunkhoheit oder im Zusammenwirken mit diesen durchführen läßt, ferner auch, daß er für diese anderen Rundfunkanstalten tätig wird und zur Erfüllung der von diesen unmittelbar zu verrichtenden Aufgaben mitwirkt. Durch § 5 des NDR-Staatsvertrags wird also jedenfalls das Zusammenwirken des Stpfl. in Angelegenheiten des Rundfunkwesens mit anderen Rundfunkanstalten im Rahmen von ausdrücklichen Vereinbarungen selbst zur wesenseigenen hoheitlichen Aufgabe. Außerdem hat der Stpfl. nach § 12 Buchst. a Satz 2 des Li-Staatsvertrags den NWRV in dessen Aufgabe, den Betrieb des Fernsehens, zu unterstützen und ihm insbesondere die aus der Auflösung des NWDR übernommenen Fernseheinrichtungen (Studios, Strahler usw.) zur Verfügung zu stellen. In der amtlichen Begründung zu dieser Vorschrift ist die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Produktion von Sendungen ausdrücklich als Pflichtaufgabe hervorgehoben.

3. Mit Recht hat daher das FG die Herstellung des für das Sendegebiet des Stpfl. bestimmten Fernseh-Regionalprogramms durch den Stpfl. und die Lieferung dieses Programms an den NWRV, der seinerseits nach § 12 Buchst. a des Li-Staatsvertrags das Fernsehen auch für das Sendegebiet des Stpfl. zu verbreiten hat, als Ausübung hoheitlicher Gewalt beurteilt (Nr. 3 des Sachverhalts). Die Tatsache, daß der Stpfl. einen Teil seiner Auslagen für die Herstellung des Programms vom NWRV ersetzt erhält, kann den hoheitlichen Charakter der Leistungen des Stpfl. nicht auslöschen. Bei dieser "Gegenleistung" handelt es sich nämlich, gleichgültig, ob sie nach § 23 Abs. 1 des Li-Staatsvertrags in Verbindung mit § 10 Abs. 4 der Satzung des NWRV (Mittelbereitstellung für das Regionalprogramm) oder nach § 23 Abs. 2 des Li-Staatsvertrags (Verteilung der Überschüsse aus den Fernsehgebühren) bezahlt wurden, immer um die Ausstattung des Stpfl. mit den finanziellen Mitteln zur Erfüllung seiner hoheitlichen Aufgabe. Denn die Fernsehgebühren des Sendegebiets vereinnahmt gemäß § 22 Abs. 2 des Li-Staatsvertrags der NWRV.

Auf den mit der Verfahrensrüge behaupteten Sachverhalt kommt es deshalb nicht an.

4. Im Gegensatz zur Rechtsauffassung des FG fallen unter die dem Stpfl. in § 5 des NDR-Staatsvertrags und § 12 Buchst. a des Li-Staatsvertrags zugewiesenen hoheitlichen Aufgaben auch die entgeltliche Überlassung von Einrichtungsgegenständen und Fahrzeugen sowie die Gestellung von Arbeitskräften gegen Auslagenersatz (Nr. I, 4), ferner auch die Bereitstellung der Fernsehstudios etc. gegen Betriebskostenerstattung (Nr. I, 5). Auch bei diesen Leistungen des Stpfl. handelt es sich um das als staatliche Aufgabe übertragene Zusammenwirken mit dem NWRV. Von der Herstellung und Lieferung des Regionalprogramms unterscheiden sich diese Leistungen deshalb lediglich nach ihrer Bedeutung im Rahmen der Gesamtheit der dem Stpfl. obliegenden öffentlichen Funktionen. Dabei ist es ohne rechtliche Auswirkung, daß sich die Leistungen in Handlungen erschöpfen, die die Ausstattung mit Hoheitsgewalt nicht voraussetzen und -- soweit es sich nicht um die Überlassung spezieller Programmherstellungs- und Sendeeinrichtungen handelt -- ebensogut von privaten Wirtschaftsunternehmen erbracht werden könnten. Denn es ist, wie der Senat bereits im Urteil V 131/62, a. a. O. ausgesprochen hat, den KöR auch eigentümlich und vorbehalten, wenn nicht sogar haushaltsmäßig geboten, daß sie die technischen Vor- und Nebenarbeiten zu ihren nach außen in Erscheinung tretenden hoheitlichen Handlungen selbst durchführen. Der genannte Erarbeitungsvorgang, der eine hoheitliche Betätigung voraussetzt, ist deshalb in die Ausübung der öffentlichen Gewalt einbezogen. Dieser Grundsatz gilt gleichermaßen, ob nun eine KöR in der Aufgabenerfüllung auf sich allein gestellt ist oder ob sie hierzu -- wie der Stpfl. in den in Frage stehenden Fällen -- gemeinschaftlich mit anderen KöR berufen ist. Auch in diesem Falle bleiben die Lieferungen und sonstigen Leistungen an die im Rahmen der staatlichen Aufgabenerfüllung mitwirkenden Körperschaften Tätigkeiten, die der unmittelbaren Erfüllung der der leistenden Körperschaft eigentümlichen Aufgabe dienen und damit Ausfluß ihres Eigenlebens sind. Sie können deshalb auch nicht als wirtschaftliche Betätigung im Wettbewerb mit privaten Unternehmern beurteilt werden, mögen diese Leistungen auch einen angemessenen Auslagenersatz einbringen. Solche Ausgleichungen werden im öffentlich-rechtlichen Beistandsverhältnis allgemein als gerechtferigt angesehen. Der öffentlich-rechtliche Charakter der Aufgabenerfüllung erleidet hierdurch keine Veränderung (vgl. Maunz-Dürig, Kommentar zum Grundgesetz Rdnr. 10 zu Art. 35 GG; von Mangold-Klein, Das Bonner Grundgesetz Anm. V, 5 zu Art. 35 GG, und Mole, Deutsches Verwaltungsblatt 1954 S. 697 ff. [699]).

Nach Auffassung des Senats gilt dies auch für den Fall, daß KöR die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Vereinbarungen untereinander in den Formen des privaten Rechts treffen. Diese Möglichkeit lassen auch sowohl § 12 Buchst. a des Li-Staatsvertrags wie § 5 des NDR-Staatsvertrags zu.

5. Diese Grundsätze sind auch für die gegen Entgelt erbrachten Leistungen des Stpfl. an den NWDR i. L. (Nr. I, 6) anzuwenden. Nach § 7 des Li-Staatsvertrags war vorgesehen, die bisherigen Aufgaben des NWDR auf den neu errichteten NWRV und auf dessen Mitglieder nach den tatsächlichen Möglichkeiten allmählich übergehen zu lassen. Der NWDR i. L. war deshalb in der Zeit seiner Liqidation tatsächlich und rechtlich an der Aufgabenerfüllung des NWRV beteiligt. Aus diesem Grunde müssen die Leistungen des Stpfl. an die in der Auflösung stehende Anstalt ebenso als Ausübung öffentlicher Gewalt beurteilt werden, wie die Leistungen an den Verband selbst.

6. Schließlich gehören zu den Leistungen, die der Stpfl. nach § 5 des NDR-Staatsvertrags als hoheitliche Aufgabe zu erfüllen hat, auch die Bereitstellung der Meß- und Empfangsstation in Wittsmoor gegen anteilige Erstattung der Betriebskosten durch die Mitglieder der ARD. Dieses Zusammenwirken beruht unbestrittenermaßen auf einer Vereinbarung zwischen den ARD-Mitgliedern und dient unstreitig der gemeinsamen Durchführung einer bestimmten sendetechnischen Aufgabe.

7. Was den Programmaustausch im Rahmen der ARD gegen Bezahlung des Materialwerts der hierzu benützten Tonbänder (Nr. I, 1) oder gegen Erstattung der Postgebühren für Sonderleistungen anlangt, so kann es dahingestellt bleiben, ob sich diese Leistungen auf Grund des § 5 des NDR-Staatsvertrags als Ausübung öffentlicher Gewalt beurteilen lassen. Denn es ist fraglich, ob solche Einzelabmachungen "Vereinbarungen" im Sinne dieser Vorschrift sind, und es kann auch aus dem vom FG festgestellten Sachverhalt nicht eindeutig entnommen werden, wie weit diese Abmachungen zum Zwecke "gemeinsamer" Programmgestaltung abgeschlossen wurden.

Nach der Natur der staatlichen Aufgabe, die allen Rundfunkanstalten des Bundesgebiets, insbesondere dem Stpfl. durch die §§ 3 bis 5 des NDR-Staatsvertrags gestellt ist, muß aber auch in einem derartigen Programmaustausch die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe gesehen werden (vgl. BVerfG a. a. O. S. 251, das für das Fernsehen von einer "finanziell bedingten Überregionalität der Veranstaltungen" spricht).

Wie jede KöR hat der Stpfl. seinen Aufgaben in einer möglichst vollkommenen Weise zu genügen. Da die Veranstaltungen von Rundfunk- und insbesondere von Fernsehsendungen beträchtliche finanzielle Aufwendungen erfordern und die Hörergebühren möglichst niedrig gehalten werden sollen, können die einzelnen Anstalten dem öffentlichen Bedürfnis um so besser entsprechen, je mehr sie zusammenwirken. Die gegenseitige, von Ländergrenzen unabhängige Beistandsleistung, die den Behörden des Bundesgebiets in Art. 35 GG sogar verfassungsrechtlich ausdrücklich zur Pflicht gemacht ist, muß deshalb als eine den Rundfunkanstalten im besonderen Maße wesenseigene öffentliche Aufgabe anerkannt werden. In verschiedenen Ländergesetzen ist diese Aufgabe den Rundfunkanstalten auch ausdrücklich zugewiesen (§ 3 des Bayerischen Rundfunkgesetzes vom 22. Dezember 1959 -- bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt (GVBl) 1959, 314; § 5 des WDR-Gesetzes vom 25. Mai 1954 -- GVBl NRW 1954, 151; § 12 des Saarländischen Rundfunkgesetzes vom 2. Dezember 1964 -- Amtsblatt Saar 1964, 1111), verschiedene besondere Beistandsleistungen sind in gegenseitigem Abkommen der Rundfunkanstalten vereinbart und die tatsächliche Übung, die auch aus den diesem Rechtsstreit zugrunde liegenden Vorgängen deutlich wird, beweist, daß die Rundfunkanstalten die gegenseitige Beistandsleistung als eine ihnen vorbehaltenen Aufgabe betrachten.

Wie schon oben ausgeführt, wird die öffentlich-rechtliche Natur dieser Leistungen nicht dadurch verändert, daß die ersuchte KöR von der ersuchenden einen angemessenen Auslagenersatz erhält. Wenn der Stpfl. Kopien seiner Programme auf Tonträgern abgibt oder Sendungen auf Sonderleitungen der Post übermittelt, so bedient er sich lediglich der zur Erfüllung seiner hoheitlichen Aufgabe notwendigen sachlichen Mittel. Er betätigt sich aber nicht als Unternehmer. Der Grundsatz, daß der private Unternehmer nicht durch den Wettbewerb steuerlich begünstigter KöR benachteiligt werden darf (Entscheidung des RFH V 293/38 vom 9. Februar 1940, RFH 48, 135, RStBl 1940, 575, und Entscheidung des BFH V 120/59 U vom 13. April 1961, BFH 73, 84, BStBl III 1961, 298) wird von diesen Leistungen nicht berührt.

8. Diese Erwägungen gelten entsprechend auch für die weiteren Leistungen, die der Stpfl. gegen anteiligen oder vollständigen Auslagenersatz an den WDR (Nr. 7 des Sachverhalts) und an andere deutsche Rundfunkanstalten erbracht hat. Dabei kann wiederum dahingestellt bleiben, ob die gegenüber dem WDR erbrachten Leistungen (Überlassung von Reportagen, insbesondere auf dem Gebiet des Sports; Programmdruck) nicht sogar im Rahmen der dem Stpfl. gesetzlich ausdrücklich vorbehaltenen Aufgabe der Vereinbarungen zum Zwecke der gemeinsamen Durchführung bestimmter Aufgaben im Sinne des § 5 des NDR-Staatsvertrags liegt und schon aus diesem speziellen Grunde Ausübung hoheitlicher Gewalt ist.

Der Senat hat auch keine Bedenken, die in Nr. III, 7 dargelegten Grundsätze auf die geringfügigen Leistungen des Stpfl. an den Saarländischen Rundfunk anzuwenden, da das Saarland bereits vor den im Streit stehenden Veranlagungszeiträumen in die Bundesrepublik aufgenommen war und die organisatorische Neuordnung des Rundfunks als KöR bereits im Gange war.

9. Anders als die bisher behandelten Leistungen des Stpfl. muß jedoch die entgeltliche Überlassung von Sendungen an die von den USA auf deutschem Boden betriebene Rundfunkstation RIAS behandelt werden (Nr. I, 9). Bei diesen Leistungen handelt es sich nicht um die Erfüllung einer durch Gesetz oder Herkommen zugewiesenen Aufgabe. Für die gegenteilige Auffassung des Stpfl. geben weder das GG noch die für den Stpfl. maßgebenden Rundfunkgesetze einen rechtlichen Anhaltspunkt. Auch aus dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten über den Betrieb gewisser Rundfunkanlagen innerhalb der Bundesrepublik vom 11. Juni 1952 (BGBl II 1952, 515) sind derartige Anhaltspunkte nicht zu gewinnen. Bei den Leistungen an RIAS, die dem Stpfl. im Jahre 1957 einen Betrag von ... DM und im Jahre 1958 ... DM eingebracht haben, handelt es sich deshalb um Hilfsgeschäfte unternehmerischer Art. Sie sind steuerbar. Auch für die Anwendung der Befreiungsvorschriften in der Umsatzsteuerverordnung zum Truppenvertrag (TV-UStVO) vom 23. Oktober 1956 (BGBl I 1956, 837) ist kein Raum. Der Stpfl. selbst hat das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzung des § 1 TV-UStVO nicht dargetan.

10. Die Überzeugung des Senats, daß die meisten der im Streit stehenden Leistungen des Stpfl. als Ausübung öffentlicher Gewalt nicht steuerbar sind, wird auch durch den Hinweis des FA auf § 4 Nr. 22 UStG nicht erschüttert.

Diese Vorschrift lautet: "Von den unter § 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei die Umsätze der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten, jedoch nur, soweit sie in Rundfunkhörer- und Fernsehteilnehmergebühren bestehen". Dieser Text wurde durch das 9. Gesetz zur Änderung des UStG vom 18. Oktober 1957 (BGBl I 1957, 1743, BStBl I 1957, 506) mit Wirkung vom 1. Juli 1957 in das UStG eingefügt, zu einem Zeitpunkt also, zu dem alle Rundfunkanstalten des Bundesgebiets als KöR organisiert waren. Der vom FA gezogene Schluß, daß der Gesetzgeber beim Erlaß dieser Vorschrift die Steuerbarkeit aller Leistungen der Rundfunkanstalten unterstellt und somit in deren Handlungen keine Ausübung öffentlicher Gewalt gesehen hat, kann deshalb nicht von der Hand gewiesen werden. Dies gilt um so mehr, als aus den vom FG herangezogenen Motiven des Gesetzes ersichtlich ist, daß die Rechtsauffassungen über die Natur der den Rundfunkanstalten obliegenden Leistungen damals noch widersprüchlich waren. Die Rechtslage wurde aber durch die Entscheidung des BVerfG vom 28. Februar 1961 (a. a. O.) eindeutig dahin geklärt, daß die Rundfunkanstalten staatliche Aufgaben erfüllen. Sie üben daher im Sinne des Umsatzsteuerrechts öffentliche Gewalt aus. Die Vorschrift des § 4 Ziff. 22 UStG hat damit ihre Bedeutung verloren. Die ihr zugrunde liegende Rechtsauffassung, daß die Tätigkeit der Rundfunkanstalten des öffentlichen Rechts keine Ausübung der Staatsgewalt sei, ist selbst nicht Gesetz geworden. Sie ist nur ein Motiv für die Befreiung von der Umsatzsteuer und hat keine Auswirkung auf die Auslegung des Begriffs der Ausübung öffentlicher Gewalt in § 2 Abs. 3 UStG.

11. Die Revision des FA mußte deshalb zurückgewiesen werden, der Revision des Stpfl. war im wesentlichen stattzugeben. Der Senat konnte jedoch die Umsatzsteuer nicht endgültig berechnen, da das FG die tatsächlichen Voraussetzungen für die Vergünstigungen des Stpfl. nach dem Gesetz zur Förderung der Wirtschaft von Berlin (West) in der Fassung vom 9. September 1952 (BGBl I 1952, 621, BStBl I 1952, 777) nicht behandelt hat. Es war deshalb geboten, die Berechnung der Umsatzsteuer gemäß §§ 121, 101 Satz 2 FGO dem FA zu überlassen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412663

BStBl III 1967, 582

BFHE 1967, 164

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