Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Räumt eine Tochter ihren Eltern an ihrem Grundstück (Miteigentum) unentgeltlich bürgerlich-rechtlich wirksam den Nießbrauch ein, so steht § 12 Ziff. 2 EStG der Zurechnung der Einkünfte an die Eltern nicht entgegen, wenn aus der Nießbrauchbestellung alle steuerrechtlichen und bürgerlich- rechtlichen Folgerungen gezogen werden.

Soweit die Rechtsgrundsätze des Urteils VI 27/56 U vom 8. Februar 1957 (BFH 64, 550, BStBl III 1957, 207) dem entgegenstehen, hält der Senat daran nicht fest.

 

Normenkette

EStG § 2/3/6, § 7/4, § 12 Nr. 2, § 21/1

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit geht um die Zurechnung von Einkünften aus der Vermietung eines Grundstücks für das Jahr 1962. Das Grundstück steht im Miteigentum von Vater und Tochter. Beiden sind früher die Einkünfte je zur Hälfte zugerechnet worden. Im März 1961 hat die Tochter ihren Eltern an ihrem Miteigentum den Nießbrauch bestellt. Nach der Ansicht von Vater, Mutter und Tochter sind daraufhin die Einkünfte mit 75 v. H. dem Vater und mit 25 v. H. der Mutter zuzurechnen, während bei der Tochter nur die auf sie entfallenden Absetzungen für Abnutzung (AfA) anzusetzen sind.

Das Finanzamt (FA) verteilte bei der einheitlichen Feststellung der Einkünfte die Einkünfte in gleicher Weise wie früher auf Vater und Tochter. Nach der Auffassung des FA ist die Nießbrauchbestellung eine Einkommensverwendung der Tochter, die nach § 12 Ziff. 2 EStG an der steuerlichen Zurechnung der Einkünfte nichts ändert.

Die Sprungberufung hatte in diesem Streitpunkt Erfolg. Das Finanzgericht (FG) rechnete dem Vater einen überschuß von 3.780 DM, der Mutter einen solchen von 1.058 DM und der Tochter einen Verlust von 796 DM zu. Die als Werbungskosten geltend gemachte Schenkungsteuer für die Nießbrauchsübertragung setzte es nicht ab, weil diese Steuer nicht mit den Einkünften in Zusammenhang stehe.

Mit seiner Revision rügt der Vorsteher das FA unrichtige Anwendung des Einkommensteuerrechts. Nach seiner Ansicht führt die unentgeltliche Nießbrauchbestellung durch die Tochter nicht zu einer anderen Zurechnung der Einkünfte. Er beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.

Die Stpfl. beantragen, die Einkünfte nur auf Vater und Mutter zu verteilen und die auf die Nießbrauchbestellung für das Streitjahr gemäß § 30 ErbStG 1959 (§ 33 ErbStG 1951) gezahlte Schenkungsteuer von 42 DM von den Mieteinnahmen abzusetzen.

Die Stpfl. halten die Nießbrauchbestellung für eine dingliche Verfügung, die nicht die Einkünfte, sondern das Eigentum betreffen. Die Schenkung des Nießbrauchs sei, so machen sie geltend, der Schenkungsteuer unterworfen worden. Weil die Einnahmen aus der Vermietung, soweit sie früher der Tochter zugeflossen seien, ihnen aus dem Nießbrauch zuflössen, könne § 12 Ziff. 2 EStG nicht angewandt werden; diese Vorschrift beziehe sich nur auf Verfügungen über Einkünfte. Dem Nießbraucher seien die Nutzungen ebenso zuzurechnen wie dem Eigentümer. Daraus ergebe sich, daß die AfA, soweit sie seinerzeit auf die Tochter entfallen sei, nunmehr bei dem Vater und der Mutter als den Nießbrauchern abzusetzen seien. Die Schenkungsteuer sei bei der Ermittlung zu berücksichtigen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA kann keinen Erfolg haben. Mit dem FG ist davon auszugehen, daß der Nießbrauch dem Nießbrauchsberechtigten ein dingliches Recht gewährt, kraft dessen ihm die Nutzungen der Sache zustehen (§ 1030 BGB). Ist der Nießbrauch an einem Grundstück bestellt, so sind die aus der Vermietung sich ergebenden Einkünfte, wie das FG mit Recht annimmt, auch einkommensteuerlich dem Nießbraucher als unmittelbar in seiner Person entstanden zuzurechnen (Urteile des Senats VI 79/55 U vom 15. November 1957, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 56 S. 262 - BFH 56, 262 -, BStBl III 1958, 103; VI 216/62 U vom 30. August 1963, BFH 78, 147, BStBl III 1964, 59; VI 165/63 U vom 7. August 1964, BFH 80, 282, BStBl III 1964, 576).

Gegen die Zurechnung der Einkünfte beim Nießbraucher können sich allerdings Bedenken ergeben, wenn der Nießbrauchsberechtigte und der Nießbrauchbesteller zu den Personen gehören, die einander unterhaltsberechtigt bzw. unterhaltsverpflichtet sind. Nach § 12 Ziff. 2 EStG dürfen weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte "freiwillige Zuwendungen und Zuwendungen an eine gegenüber dem Stpfl. oder seinem Ehegatten gesetzlich unterhaltsberechtigte Person oder deren Ehegatten" abgezogen werden, "auch wenn diese Zuwendungen auf einer besonderen Vereinbarung beruhen".

Den Begriff "freiwillige Zuwendungen" legt der BFH so aus, daß es auf die Freiwilligkeit der einzelnen dem Unterhaltsberechtigten zufließenden Zuwendungen ankommt. Er verneint die Freiwilligkeit, wenn z. B. Leibrenten auf Grund eines formgültigen, unentgeltlichen Versprechens gezahlt werden; denn obwohl das Versprechen unentgeltlich und freiwillig gegeben ist, werden dann doch die einzelnen Rentenzahlungen nicht freiwillig, sondern auf Grund einer rechtsgültigen Verpflichtung geleistet (Urteil des Senats VI 154/57 U vom 17. Juli 1959, BFH 69, 218, BStBl III 1959, 345). Aus der Tatsache, daß im Streitfall der Nießbrauch den Eltern unentgeltlich und freiwillig bestellt wurde, ergeben sich also keine Bedenken gegen die Zurechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bei den Eltern.

Die zweite Alternative des § 12 Ziff. 2 EStG legt das FA zutreffend dahin aus, daß hier der Vater, die Mutter und die Tochter zu den unterhaltspflichtigen Personen im Sinne dieser Vorschrift gehören (Urteil des Senats VI 84/60 U vom 24. Februar 1961, BFH 72, 515, BStBl III 1961, 188). Wenn die Tochter die ihr als Miteigentümerin zustehenden anteiligen Mieteinkünfte ihren Eltern lediglich überlassen würde, so wären sie ihr zuzurechnen, gleichviel ob sie ohne besondere Verpflichtung von Fall zu Fall oder aber auf Grund eines formgültigen Schenkungsversprechens überlassen werden (vgl. z. B. Urteil des Senats VI 5/54 U vom 11. Januar 1957, BFH 64, 177, BStBl III 1957, 68, betreffend den Nutzungswert einer Wohnung, die ein Steuerpflichtiger unentgeltlich seiner Mutter überließ).

Anders ist es aber, wie das FG mit Recht annimmt, wenn die Einkünfte nicht lediglich obligatorisch "verlagert" werden, sondern auf Grund einer Nießbrauchbestellung. Da bei einer Nießbrauchbestellung die Einkünfte dem Nießbraucher unmittelbar aus seinem dinglichen Recht zufließen, so sind sie nicht mehr Zuwendungen im Sinne von § 12 Ziff. 2 EStG.

Wenn das FA sich für seine Auffassung auf das Urteil des Senats VI 27/56 U vom 8. Februar 1957 (BFH 64, 550, BStBl III 1957, 207) beruft, so ist zuzugeben, daß der Senat in diesem Urteil ausgeführt hat, eine unentgeltliche Nießbrauchbestellung zwischen einander unterhaltsverpflichteten Personen führe in der Regel nicht zu einer Verlagerung der Einkünfte auf den Unterhaltsberechtigten. Der Senat hat zwar grundsätzlich die auf Grund eines Nießbrauchs anfallenden Einkünfte dem Nießbrauchsberechtigten zugerechnet. Er hat trotzdem § 12 Ziff. 2 EStG für anwendbar gehalten, weil es wirtschaftlich keinen Unterschied mache, ob ein Steuerpflichtiger einer unterhaltsberechtigten Person den Unterhalt durch Zahlung der Wohnungsmiete oder dadurch gewährt, daß er ihr ein ihm gehörendes Einfamilienhaus überläßt, und zwar gleichviel, ob es obligatorisch oder auf Grund eines Nießbrauchs geschieht.

Der Senat bleibt bei der Auffassung, daß es für die Anwendung des § 12 Ziff. 2 EStG keinen Unterschied macht, wenn ein Steuerpflichtiger seiner Unterhaltspflicht nicht in der Form laufender Zahlungen, sondern durch Bestellung eines Nießbrauchs nachkommt, sofern der Unterhaltsberechtigte trotz des Nießbrauchs wirtschaftlich nicht anders gestellt wird, als ob er laufende Zahlungen erhalte. Der Senat stimmt aber - und insoweit schränkt er die Ausführungen im Urteil VI 27/56 U (a. a. O.) ein - dem FG darin zu, daß § 12 Ziff. 2 EStG nicht anwendbar ist, wenn ein Steuerpflichtiger seiner Unterhaltspflicht dadurch genügt, daß er dem Unterhaltsberechtigten bürgerlich-rechtlich wirksam den Nießbrauch in vollem Umfang mit Besitz- und Verwaltungsbefugnis einräumt und den Nießbrauch nicht etwa nur auf bestimmte vom Stpfl. festgelegte Beträge beschränkt. Das ist vor allem der Fall, wenn der Nießbrauch geschenkt wird und auch erbschaftsteuerrechtlich die Konsequenzen daraus gezogen werden. Ein bürgerlich-rechtlich wirksam begründeter Nießbrauch an einem Grundstück führt also zu eigenen Einkünften des Nießbrauchsberechtigten, wenn der Nießbrauchsberechtigte die Nutzungen tatsächlich zieht, das Grundstück in Besitz nimmt und es verwaltet. Eine steuerrechtlich zu beachtende Nießbrauchbestellung liegt dagegen nicht vor, wenn äußerlich alles beim alten bleibt und etwa nur die Erträge an den Nießbraucher abgeführt werden (vgl. auch Urteil des Senats VI 247/63 vom 28. August 1964, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1965 S. 22, betreffend die unentgeltliche Nießbrauchbestellung an einem durch den Steuerpflichtigen verpachteten Hof).

Im Streitfall hat die Tochter nach den Feststellungen des FG ihren Eltern den Nießbrauch in diesem Sinne steuerrechtlich wirksam eingeräumt. Weil der Vater Miteigentümer des Grundstücks ist und die Verwaltung geführt hat, bestehen keine rechtlichen Bedenken, wenn das FG die Einkünfte den Eltern zugerechnet hat, nachdem auch erbschaftsteuerrechtlich die Folgerung aus der Schenkung des Nießbrauchs gezogen wurden.

Wenn das FG bei der Berechnung dieser Einkünfte die AfA bei der Tochter angesetzt hat, so entspricht das der Rechtsprechung des Senats, z. B. in den Urteilen VI 255/62 vom 4. Dezember 1962 (Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 21, Rechtsspruch 132), VI 284/62 vom 8. April 1964 (Der Betrieb 1964 S. 1047) und VI 278/63 vom 19. Februar 1965 (HFR 1965 S. 407). Die Ausführungen der Stpfl. geben dem Senat keinen Anlaß, diese Rechtsprechung aufzugeben. Der durch die Nutzung bedingte Wertverzehr des Gebäudes fällt dem Eigentümer zur Last; er trifft nicht den Nießbraucher.

Zutreffend hat das FG es abgelehnt, den Jahresbetrag der Schenkungsteuer bei der Ermittlung der Einkünfte als Werbungskosten zu berücksichtigen. Diese Steuer hängt mit der Schenkung des Nießbrauchs, nicht aber mit den auf Grund des Nießbrauchs gezogenen Einkünften zusammen. Dagegen ist die Erbschaftsteuer als dauernde Last (§ 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG) abzusetzen (Urteil des Senats VI 339/63 U vom 5. April 1965, BFH 82, 315, BStBl III 1965, 360). Bei der einheitlichen Feststellung der Einkünfte sind allerdings Sonderausgaben nicht zu berücksichtigen; Sonderausgaben sind vielmehr nur im Einkommensteuer-Veranlagungsverfahren der Beteiligten anzusetzen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412182

BStBl III 1966, 584

BFHE 1966, 578

BFHE 86, 578

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