Leitsatz (amtlich)

Bestellt ein geschiedener unterhaltsverpflichteter Ehemann seiner unterhaltsberechtigten früheren Ehefrau einen Nießbrauch an Wirtschaftsgütern, so sind die Einkünfte aus den Wirtschaftsgütern der Ehefrau zuzurechnen, wenn der Nießbrauch bürgerlich-rechtlich wirksam bestellt ist und die Beteiligten alle Folgerungen aus der Nießbrauchsbestellung ziehen.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 3, § 12 Abs. 2

 

Streitjahr(e)

1960, 1961

 

Tatbestand

Der inzwischen verstorbene Steuerpflichtige (Stpfl.) war seit dem 7. März 1952 von seiner ersten Frau alleinschuldig geschieden. Die Vermögensauseinandersetzung wurde durch den Vertrag vom 2. November 1951 geregelt. Die Zahlungen des Stpfl. für den Unterhalt seiner geschiedenen Frau waren zunächst durch den Vertrag vom 27. Januar 1952 festgelegt. Am 9. November 1959 schlossen der Stpfl. und seine frühere Frau einen Vertrag "über die Ablösung der Unterhaltspflicht und einen Vermögensaustausch". Danach sollte die frühere Ehefrau wegen des Gesundheitszustandes des Stpfl. durch Versachlichung ihrer Einkommensgrundlage so sichergestellt werden, daß sie auf den Unterhaltsanspruch verzichten konnte. Der Stpfl. trat ihr deshalb für ihre Lebenszeit "als Nießbrauch die Dividende von nominell 20.000 DM bzw. nach Aufstockung von nominell 80.000 DM Aktien" der AG ab, für die er tätig war; außerdem trat er ihr "20 % seines Anteils = 2,5 % des Gewinns" der AG "in weiterer Abgeltung ihres Unterhaltsanspruchs" ab.

Bei einer Betriebsprüfung bei der AG im Jahre 1963 stellte der Prüfer fest, daß der Stpfl. die seiner früheren Frau auf Grund des Vertrages vom 9. November 1959 zugeflossenen Beträge (Dividenden und Gewinnanteile) nicht in seine Einkünfte aufgenommen hatte. Nach der Ansicht des Prüfers hätte der Stpfl. aber die Beträge als seine Einkünfte ansetzen müssen, weil es sich um Unterhaltsleistungen handle, die nach § 12 Ziff. 2 EStG nicht absetzbar seien. Das Finanzamt (FA) erhöhte für 1960 und 1961 die Einkünfte des Stpfl. aus selbständiger Arbeit und aus Kapitalvermögen entsprechend.

Die Sprungberufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) rechnete, besonders unter Berufung auf das Urteil des Senats VI 27/56 U vom 8. Februar 1957 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 64 S. 550 - BFH 64, 550 -, BStBl III 1957, 207), die auf Grund des unentgeltlichen Nießbrauchs der früheren Frau zugeflossenen Einkünfte dem Stpfl. zu. Der Verzicht der Frau auf den Unterhalt sei keine Gegenleistung für die Nießbrauchsbestellung gewesen; der Nießbrauch sei vielmehr zur Erfüllung der Unterhaltsansprüche bestellt worden. Ob ein Unterhaltsverpflichteter seine Verpflichtungen unmittelbar durch Zahlung oder mittelbar durch Bestellung eines Nießbrauchs erfülle, sei für die Anwendung des § 12 Ziff. 2 EStG unerheblich; in beiden Fällen handle es sich um eine Einkommensverwendung des Verpflichteten.

Mit der Revision wird unrichtige Anwendung des Einkommensteuerrechts, insbesondere des § 12 Ziff. 2 EStG gerügt. Es wird geltend gemacht, die Lage der geschiedenen Frau habe sich durch die Nießbrauchbestellung grundlegend geändert; denn sie sei dadurch von der Stellung des Stpfl. unabhängig geworden. Wenn eine geschiedene Frau einen Nießbrauch erhalte, dann seien die ihr auf Grund des Nießbrauchs zugeflossenen Einkünfte nicht mehr Unterhaltsleistungen ihres früheren Mannes, sondern originäre Einkünfte der Frau. Die Annahme des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH VI 27/56 U (a. a. O.), daß die auf Grund des Nießbrauchs bezogenen Einkünfte zunächst dem Mann und erst über diesen der Frau zugeflossen seien, sei mit dem BFH-Urteil IV 149/50 U vom 2. März 1951 (BFH 55, 233, BStBl III 1951, 87) unvereinbar. Begründe der Nießbrauch eine eigene Einkunftsquelle, so müsse dies für die entgeltliche und für die unentgeltliche Bestellung gelten; denn maßgebend sei allein die Einräumung des Nießbrauchsrechts. Habe die Ehefrau als Nießbraucherin eigene Einkünfte, dann könne § 12 Ziff. 2 EStG nicht angewandt werden, weil der Ehemann keine Zuwendungen gemacht habe.

Es wird beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die angefochtenen Bescheide 1960 und 1961 dahin zu ändern, daß die Einkommensteuer unter Außerachtlassung der der geschiedenen Frau zugeflossenen Beträge festgesetzt wird.

Der Vorsteher des FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision muß zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.

Das FG hat seiner Entscheidung die Grundsätze des Urteils VI 27/56 U (a. a. O.) zugrunde gelegt. Wie der Senat in dem Urteil VI 124/65 vom 6. Juli 1966 (BFH 86, 578) entschieden hat, ist das Urteil VI 27/56 U (a. a. O.) aber nicht dahin zu verstehen, daß § 12 Ziff. 2 EStG bei einer unentgeltlichen Bestellung eines Nießbrauchs durch einen Unterhaltsverpflichteten schlechthin eingreife und die dem Unterhaltsberechtigten auf Grund des Nießbrauchs zufließenden Einkünfte immer dem Unterhaltsverpflichteten zuzurechnen seien. Ist tatsächlich ein Nießbrauch bürgerlich-rechtlich wirksam begründet worden und ziehen die Beteiligten daraus auch alle Konsequenzen, so schließt § 12 Ziff. 2 EStG nicht aus, die Einkünfte dem Nießbrauchsberechtigten zuzurechnen.

Das Urteil des FG, das § 12 Ziff. 2 EStG bei unentgeltlicher Nießbrauchbestellung zugunsten eines Unterhaltsberechtigten offenbar in jedem Fall anwenden will, war danach aufzuheben. Weil es nach den bisherigen Feststellungen fraglich erscheint, ob die Abtretung der Dividende und des Gewinnanteils eine ernstliche bürgerlich-rechtlich wirksame Nießbrauchbestellung im Sinne des Urteils VI 124/65 war, die die Beteiligten auch tatsächlich durchgeführt haben, war die Sache zur nochmaligen Prüfung an das FG zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 425784

BFHE 1966, 674

BFHE 86, 674

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