Leitsatz (amtlich)

Werden Kinder (Enkel) am elterlichen (großelterlichen) Unternehmen beteiligt, so kann bei der Würdigung des Gesamtbildes in Grenzfällen für die Anerkennung der Kinder (Enkel) als Mitunternehmer sprechen, daß die Vertragsgestaltung den objektiven Umständen nach darauf abzielt, die Kinder (Enkel) an das Unternehmen heranzuführen, um dessen Fortbestand zu sichern.

 

Normenkette

EStG § 15 Nr. 2

 

Tatbestand

Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang. Streitig ist die Anerkennung einer Mitunternehmerschaft.

Bis zum 31. Dezember 1967 waren an der ... fabrik SOHG der Kläger und Revisionsbeklagte zu 2 (A) mit einem Kapitalanteil von 120 000 DM und (Frau S), die Mutter des A, geboren 1873, mit einem festen Kapitalanteil von 80 000 DM beteiligt. Mit Gesellschaftsvertrag vom 18. Januar 1968 wurde das feste Kapital auf 400 000 DM erhöht und die OHG in eine KG (die jetzige Klägerin und Revisionsbeklagte zu 1) umgewandelt. Neu aufgenommen wurde die einzige Tochter von A, (H), geboren 1951, die zugleich die einzige Enkelin der Frau S ist. H wurde vertreten durch einen Ergänzungspfleger. Ihren Kommanditanteil von 80 000 DM hatte sie in Höhe von 30 000 DM von ihrem Vater, in Höhe von 50 000 DM von ihrer Großmutter geschenkt erhalten.

Nach der Neufassung des Gesellschaftsvertrags waren ab 1. Januar 1968 an der KG A mit 240 000 DM als persönlich haftender Gesellschafter und Frau S und H jeweils mit 80 000 DM als Kommanditisten beteiligt.

Die Geschäftsführung obliegt nach dem Gesellschaftsvertrag allein A als persönlich haftendem Gesellschafter. Der Gesellschaftsvertrag sieht vor, daß der persönlich haftende Gesellschafter alle Maßnahmen, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb des Unternehmens hinausgehen, nur aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses vornehmen darf. Einzelne Geschäfte dieser Art sind im Gesellschaftsvertrag besonders bestimmt. Die Regelung gilt jedoch nicht, wenn und solange A persönlich haftender Gesellschafter ist. Für diese Zeit steht den Kommanditisten gegen seine Geschäftsführungsmaßnahmen auch kein Widerspruchsrecht i. S. des § 164 HGB zu. Zur Beschlußfassung über Änderungen des Gesellschaftsvertrags, Auflösung der Gesellschaft und Abtretung von Kapitalanteilen und Gesellschafterguthaben ist die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich. - Die Gewinnverteilung ist in der Weise geregelt, daß A vorab eine Tätigkeitsvergütung von 7 000 DM monatlich und einen Vorausgewinnanteil von 10 v. H. des Reingewinns für seine persönliche Haftung erhält. Der Restgewinn ist unter die Gesellschafter im Verhältnis ihrer festen Kapitalanteile zu verteilen (3/5, 1/5, 1/5). Er ist jeweils den Privatkonten der Gesellschafter gutzuschreiben. Die Guthaben oder Schulden auf Privatkonto sind mit 5 v. H. im Jahr zu verzinsen. - Entnommen werden können die Beträge zur Bezahlung der auf die Beteiligung und die Einkünfte hieraus entfallenden Steuern und öffentlichen Abgaben, die Tätigkeitsvergütungen und jährlich die für das vorausgegangene Geschäftsjahr gutgeschriebenen Zinsen des Guthabens auf Privatkonto. Weitergehende Entnahmen sind für sämtliche Gesellschafter nur aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses zulässig. - Alle Gesellschafter können mit sechsmonatiger Frist auf das Ende eines Geschäftsjahres kündigen; die Kündigung ist jedoch erst dann zulässig, wenn der Gesellschafter sein 26. Lebensjahr vollendet hat. Kündigt ein Gesellschafter, so erhält er bei seinem Ausscheiden nur den Buchwert seines Kapitalkontos. Im Falle der Liquidation sind die Liquidationsgewinne oder -verluste im Verhältnis der Kapitalanteile zu beurteilen.

Mit einem ersten Nachtrag zum Gesellschaftsvertrag vom Oktober 1969 trat Frau S ihren restlichen Kapitalanteil von 80 000 DM schenkweise an H ab und schied damit aus der Gesellschaft aus. Ihr Guthaben auf dem Privatkonto wurde in eine Darlehensforderung umgewandelt, die weiterhin zu verzinsen war. Der Gewinn des Jahres 1969 steht - was den Anteil der Frau S anbelangt - zu 3/4 dieser und zu 1/4 H zu.

Die Beteiligten verfolgten mit diesen Regelungen den Zweck, den Bestand des Unternehmens durch Erhöhung des festen Kapitals weiter zu sichern und den Übergang auf die nächste Generation zu erleichtern. H, der das gesamte Vermögen ihrer Großmutter und ihres Vaters später einmal zufallen soll, soll durch Übernahme von Kommanditanteilen stufenweise in die Gesellschaft und ihre künftige Stellung als Unternehmerin hineinwachsen.

Frau S ist inzwischen gestorben. Alleinerbe ist A.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) hat bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1968 den durch eine Betriebsprüfung festgestellten Gesamtgewinn nicht - wie beantragt - auf A, Frau S und H im Verhältnis 60 : 20 : 20 verteilt, sondern im Verhältnis 80: 20 : 0. Für das Jahr 1969 hat das FA den Gesamtgewinn in der Weise auf A und seine Mutter aufgeteilt, daß A der nach dem Gewinnverteilungsschlüssel auf H entfallenden Gewinnanteil voll zugerechnet wurde. Nach Auffassung des FA sprechen gegen die Annahme einer Mitunternehmerschaft von H die unbeschränkte Geschäftsführungsbefugnis des Vaters, die Beschränkung der Entnahmerechte, die bloße Buchwertabfindung bei Kündigung eines Gesellschafters und die Möglichkeit eines Selbstkontrahierens des A aufgrund einer Generalvollmacht seiner Mutter.

Der Einspruch gegen die einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheide 1968 und 1969 hatte keinen Erfolg. Der Klage gab das Finanzgericht (FG) im ersten Rechtsgang im wesentlichen statt. Der erkennende Senat hat diese Entscheidung mit Urteil vom 3. November 1976 I R 184/74 (nicht veröffentlicht) aus verfahrensrechtlichen Gründen aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Dieses hat im zweiten Rechtsgang nach Beseitigung der verfahrensrechtlichen Hindernisse der Klage erneut im wesentlichen stattgegeben.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung des § 15 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) a. F.

Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger und die im Verfahren vor dem FG beigeladene H beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

I. Das FG hat H zu Recht als Mitunternehmerin (§ 15 Nr. 2 EStG) anerkannt.

1. Nehmen Eltern oder Großeltern (vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29. Januar 1976 VI R 73/73, BFHE 118, 189, BStBl II 1976, 324) ihre Kinder oder Enkelkinder in der Weise in eine Familien-KG als Kommanditisten auf, daß sie ihnen die für die Kapitalanlage notwendigen Mittel schenken, so können die Kinder (Enkelkinder) nur dann als Mitunternehmer des Gewerbebetriebs der KG angesehen werden, wenn ihnen wenigstens annähernd die Rechte eingeräumt wurden, die einem Kommanditisten nach den Normen des HGB zukommen (vgl. BFH-Entscheidungen vom 29. Januar 1976 IV R 97/74, BFHE 118, 198, BStBl II 1976, 332, mit weiteren Nachweisen; vom 23. Juni 1976 I R 178/74, BFHE 119, 421, BStBl II 1976, 678). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, kann nach Auffassung des erkennenden Senats nicht losgelöst von dem Zweck gesehen werden, der mit der Beteiligung der Kinder (Enkel) im einzelnen Fall erreicht werden soll. Werden Kinder (Enkel) am elterlichen (großelterlichen) Unternehmen beteiligt, so kann bei der Würdigung des Gesamtbildes in Grenzfällen für die Anerkennung einer Mitunternehmerschaft sprechen, daß die Vertragsgestaltung nach den objektiven Umständen darauf abzielt, die Kinder an das Unternehmen heranzuführen, um dessen Fortbestand zu sichern. In einem solchen Fall dürfen im Hinblick auf die eine Mitunternehmerschaft begründende Rechtsposition der Kinder (Enkel) keine Anforderungen gestellt werden, deren Beachtung die Aufnahme von Abkömmlingen in das Unternehmen so sehr erschweren würde, daß sie praktisch unmöglich gemacht und damit den Fortbestand des Unternehmens gefährden würde. Gegen in diesem Sinne überspannte Anforderungen an die Mitunternehmerschaft hätte der erkennende Senat im Hinblick auf den verfassungsrechtlich garantierten Schutz der Familie (Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -) auch verfassungsrechtliche Bedenken.

2. Im Streitfalle hat das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß die vertragschließenden Parteien bezweckt haben, den Bestand des Unternehmens zu sichern und den Übergang auf die nächste Generation zu erleichtern. Diese Feststellung ist rechtsfehlerfrei zustande gekommen und daher für den erkennenden Senat gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bindend. Sie ist im Hinblick darauf möglich, daß H die einzige Tochter des A und die einzige Enkelin der Frau S ist und bei Vertragsabschluß immerhin annähernd 17, Jahre alt war. In diesem Alter ist das Interesse eines Jugendlichen an seiner beruflichen Zukunft im allgemeinen schon so ausgeprägt, daß er gegenüber der Aussicht, die ihm als künftigem Unternehmer geboten wird, offen und ggf. bereit ist, seinen weiteren Werdegang entsprechend auszurichten. Durch diese auf tatsächlichem Gebiet liegende Besonderheit unterscheidet sich der vorliegende Fall wesentlich von dem, den der IV. Senat des BFH im Urteil vom 29. Januar 1976 IV R 102/73 (BFHE 118, 181, BStBl II 1976, 328) zu beurteilen hatte. In diesem Fall waren die Kinder bei Abschluß des die Beteiligung begründenden Vertrags erst acht bzw. zwei Jahre alt, so daß nicht ernstlich davon gesprochen werden konnte, daß die Kinder für die Nachfolge im Unternehmen interessiert werden sollten.

3. Unter den dargelegten Umständen reicht die H im Streitfall eingeräumte Rechtsposition aus, um ein Unternehmerrisiko und eine gewisse Unternehmerinitiative zu bejahen und H die Eigenschaft einer Mitunternehmerin zuzuerkennen. Dafür sind folgende Gesichtspunkte entscheidend:

a) Es ist nicht zu verkennen, daß die Unternehmerinitiative der H gegenüber den Rechten ihres Vaters stark in den Hintergrund tritt. Aber zum einen gilt das gleiche auch für das Verhältnis der Frau S zu ihrem Sohn, die diesem zudem Generalvollmacht erteilt hatte. Zum anderen ist die Unternehmerinitiative des Kommanditisten schon nch den Vorschriften des HGB stark eingeschränkt (vgl. §§ 164, 166 HGB). Die Rechtsposition des Kommanditisten ist weitgehend auf eine kapitalmäßige Beteiligung beschränkt. Es erscheint unschädlich, daß H auch das Widerspruchsrecht i. S. des § 164 HGB nicht zusteht, wenn und solange ihr Vater persönlich haftender Gesellschafter ist, weil es gerade im Interesse des Fortbestands des Unternehmens sachlich gerechtfertigt ist, eine erhebliche Einwirkungsmöglichkeit solcher Gesellschafter auszuschließen, die noch kaufmännisch unerfahren sind und deren Fähigkeit zu unternehmerischen Entscheidungen auch für die Zukunft nicht abzusehen ist. Außerdem hat H eine gewisse Unternehmerinitiative immerhin insofern, als z. B. ohne ihre Zustimmung der Gesellschaftszweck nicht geändert werden darf. Auch die Kontrollrechte des § 166 HGB stehen ihr unvermindert zu.

b) Gleichfalls unschädlich ist es, daß nach den gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen H in der Entnahme ihrer Gewinnanteile beschränkt ist. Dieser Entnahmebeschränkung haben sich auch die übrigen Gesellschafter unterworfen, wenn auch A - was in Anbetracht seines unternehmerischen Einsatzes auch sachgerecht ist - seine Tätigkeitsvergütung entnehmen darf. Das Entnahmerecht ist im übrigen nicht völlig entzogen. H darf vielmehr - ebenso wie die übrigen Gesellschafter - jährlich die ihr für das vorausgegangene Geschäftsjahr gutgeschriebenen Zinsen ihres Guthabens auf dem Privatkonto entnehmen.

c) Durch ihre Verlustbeteiligung trägt H auch ein Unternehmerrisiko. Ihrer Teilhabe am Verlust kann im Streitfall die wirtschaftliche Bedeutung nicht etwa mit der Begründung abgesprochen werden, daß ein Verlust nicht ernstlich zu erwarten gewesen sei. Die KG betreibt eine ... fabrikation. Die ... branche war durch den Anstieg der Betriebsunkosten und die Verschärfung des Wettbewerbs in den zurückliegenden Jahren besonders gefährdet. Das Risiko des Verlustes wiegt im Streitfall um so schwerer, als H vor ihrem 26. Lebensjahr nicht durch Kündigung aus dem Unternehmen ausscheiden konnte. Die Ertragsentwicklung eines Unternehmens läßt sich - vor allem in der Branche der KG - auf die Dauer von zehn Jahren schwerlich voraussagen.

d) Die vorliegende Vertragsgestaltung ist - im Unterschied zu den gesellschaftsrechtlichen Regelungen bei zahlreichen anderen Familienunternehmen - besonders dadurch gekennzeichnet, daß die Dauer der Gesellschaft nicht von vornherein befristet war (vgl. z. B. BFH-Urteil IV R 73/73, verfassungsrechtlich nicht beanstandet durch Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 3. August 1976 1 BvR 216/76, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1976 S. 536) und A das Ausscheiden seiner Tochter als Kommanditistin auch nicht auf andere Weise, z. B. durch Kündigung kraft eigenen Rechts, herbeiführen und somit die seiner Tochter übertragene Rechtsposition nicht zurückerlangen konnte. H selbst konnte vor ihrem 26. Lebensjahr das Gesellschaftsverhältnis nicht kündigen. Damit sollte sie aber gerade an das Unternehmen gebunden und ihr das Ausscheiden aus dem Unternehmen erst zu einem Zeitpunkt gestattet werden, in dem sie reif genug war, die Folge einer solchen Maßnahme vernünftig abzuschätzen. Daß ein Kommanditist im Falle seines durch eigene Kündigung bedingten Ausscheidens aus einem Unternehmen nur den Buchwert seines Kapitalanteils nach dem Stand zur Zeit seines Ausscheidens erhält, ist auch unter Fremden nicht üblich (vgl. BFH-Entscheidung vom 22. Januar 1970 IV R 178/68, BFHE 98, 405, BStBl II 1970, 416).

II. Obwohl das FG danach H zu Recht als Mitunternehmerin anerkannt hat, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Das FG hat es nicht beanstandet, daß der nach Abzug bestimmter Beträge - wie z. B. der Tätigkeitsvergütung und des Vorausgewinnanteils für den persönlich haftenden Gesellschafter - verbleibende Gewinn im Verhältnis der Kapitalanteile an die Gesellschafter verteilt wird. Das FG hat dabei nicht hinreichend gewürdigt, daß eine solche Gewinnverteilung bei Familiengesellschaften nicht ohne weiteres anerkannt werden kann, sondern daß der H zugewiesene Gewinnanteil nach den Grundsätzen des Beschlusses des Großen Senats des BFH vom 29. Mai 1972 GrS 4/71 (BFHE 106, 504, BStBl II 1973, 5) auf seine Angemessenheit zu überprüfen ist. Diese Prüfung wird das FG nachholen müssen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73202

BStBl II 1979, 620

BFHE 1979, 202

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