Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeitpunkt der Erledigung einer Prüfungsanordnung

 

Leitsatz (NV)

1. Die Außenprüfung ist abgeschlossen, wenn die prüfende Behörde den Abschluß ausdrücklich oder konkludent erklärt. In diesem Zeitpunkt erledigt sich eine gegen die Prüfungsanordnung anhängige Feststellungsklage in der Hauptsache. Soweit ein Verwertungsverbot in Betracht kommt, liegt hierin ein berechtigtes Interesse für eine Fortsetzungsfeststellungsklage.

2. Zum Umfang der Begründungspflicht einer Prüfungsanordnung.

 

Normenkette

FGO § 40 Abs. 1, § 100 Abs. 1 S. 4; AO 1977 §§ 121, 193 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt eine Bäckerei und Konditorei, die nach den im Jahre 1982 geltenden Abgrenzungsmerkmalen für die Einordnung der Betriebe in Größenklassen gemäß § 3 der Betriebsprüfungsordnung (Steuer) - BpO (St) - als Kleinbetrieb eingestuft war.

Mit Verfügung vom 18. Januar 1982, die mit keiner Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, ordnete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) bei dem Kläger unter Bezugnahme auf §§ 193, 194 der Abgabenordnung (AO 1977) eine Außenprüfung an, die sich auf die Veranlagungszeiträume 1977 bis 1979 erstrecken sollte. Die Außenprüfung begann am 20. Januar 1982, die Schlußbesprechung fand am 10. Februar 1982 statt.

Nach Erlaß der auf den Feststellungen der Außenprüfung beruhenden, mit Einspruch angefochtenen Änderungsbescheide legte der Kläger gegen die Prüfungsanordnung Beschwerde ein, die ohne Erfolg blieb.

Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen erhobenen Klage statt und hob die Prüfungsanordnung vom 18. Januar 1982 auf. Zur Begründung führte es aus:

Die Klage sei als Anfechtungsklage gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig. Die Wirkung der Prüfungsanordnung dauere bis zur rechtskräftigen Verwertung der aus der Prüfung folgenden Kenntnisse an, so daß zur Gewährleistung eines umfassenden Rechtsschutzes die Aufhebung der Prüfungsanordnung geboten erscheine.

Die Klage sei im Hinblick auf das Fehlen einer ausreichenden Begründung der Prüfungsanordnung auch begründet. Die bloße Bezugnahme auf die gesetzlichen Vorschriften reiche nicht aus, um den Grund für die Auswahl des Klägers erkennen zu lassen. Die Finanzbehörde müsse nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, welche Steuerpflichtigen wann und in welchem Umfang geprüft würden. Die Gründe für die Ausübung dieses Ermessens müßten gemäß § 121 Abs. 1 AO 1977 schriftlich insoweit angegeben werden, wie dies zum Verständnis der Prüfungsanordnung und zu ihrer Nachprüfung erforderlich sei. Eine gesetzlich vorgesehene Ausnahme vom Begründungszwang liege im Streitfall nicht vor.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des § 40 FGO sowie der § 121 Abs. 1 und 2 und § 193 Abs. 1 AO 1977.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

1. Das FG ist zu Unrecht von einer - zulässigen - Anfechtungsklage ausgegangen.

Nach § 40 Abs. 1 FGO kann mit der Anfechtungsklage nur die Aufhebung bzw. Änderung eines Verwaltungsaktes begehrt werden. Für die Erhebung einer derartigen Klage fehlt das Rechtsschutzinteresse, wenn sich der angefochtene Verwaltungsakt vor der Entscheidung durch das FG in der Hauptsache erledigt hat (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. April 1982 VIII R 36/70, BFHE 135, 264, BStBl II 1982, 407, und vom 5. April 1984 IV R 244/83, BFHE 140, 518, BStBl II 1984, 790).

Die Anordnung einer Außenprüfung gemäß § 196 AO 1977 ist Verwaltungsakt i. S. des § 118 AO 1977. Die in Form des Verwaltungsaktes gekleidete Regelung des Einzelfalles besteht darin, daß dem betroffenen Steuerpflichtigen aufgegeben wird, die Außenprüfung in dem in der Anordnung näher beschriebenen Umfang zu dulden. Die sich aus der Anordnung ergebende Duldungspflicht des Steuerpflichtigen endet mit dem Abschluß der Außenprüfung. Die Außenprüfung ist abgeschlossen, wenn die prüfende Behörde den Abschluß ausdrücklich oder konkludent erklärt (BFH-Urteil vom 17. Juli 1985 I R 214/82, BFHE 144, 333, BStBl II 1986, 21).

Nach den Feststellungen des FG fand die Schlußbesprechung zu der am 20. Januar 1982 begonnenen Außenprüfung am 10. Februar 1982 statt. Zum Zeitpunkt der Erhebung der Anfechtungsklage gegen die Prüfungsanordnung waren außerdem die auf den Prüfungsfeststellungen beruhenden Änderungsbescheide bereits ergangen. Die angefochtene Prüfungsanordnung hatte sich damit bei Klageerhebung bereits in der Hauptsache erledigt. Der Kläger hätte die behauptete Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung nur noch im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage i. S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO geltend machen können.

2. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO zu beurteilen.

a) Als solche ist die Klage im Streitfall zulässig. Zwar hat der Kläger die Aufhebung der Prüfungsanordnung beantragt. Das Begehren des Klägers ist jedoch durch Auslegung zu ermitteln, wobei das Gericht an die Fassung des Antrags nicht gebunden ist (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO).

Das Begehren des Klägers zielt auf die Feststellung eines Verwertungsverbotes. Ein Verwertungsverbot kommt jedoch nur in Betracht, wenn der Steuerpflichtige in dem dafür vorgesehenen Verfahren gegen die Rechtswidrigkeit der betreffenden Prüfungsmaßnahme angegangen ist (vgl. hierzu das Urteil des Senats vom 27. Juli 1983 I R 210/79, BFHE 139, 221, BStBl II 1984, 285). Aus diesem Grunde hat der Kläger auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, daß die Prüfungsanordnung rechtswidrig gewesen ist.

Der Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage steht auch nicht entgegen, daß sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung erledigt hatte (BFH-Urteil vom 7. August 1979 VII R 14/77, BFHE 128, 346, BStBl II 1979, 708).

b) Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist jedoch unbegründet. Die angefochtene Prüfungsanordnung war rechtmäßig; ihr fehlte insbesondere nicht die erforderliche Begründung.

Nach § 121 Abs. 1 AO 1977 muß ein schriftlicher Verwaltungsakt schriftlich begründet werden, soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich ist. Im Streitfall war eine Außenprüfung beim Kläger gemäß § 193 Abs. 1 AO 1977 schon aufgrund seiner gewerblichen Tätigkeit zulässig. Anders als im Fall des § 193 Abs. 2 AO 1977 hängt die Prüfungsanordnung vorliegend nicht von weiteren Voraussetzungen ab. Da den von § 193 Abs. 1 AO 1977 betroffenen Steuerpflichtigen bekannt ist, daß bei ihnen routinemäßig Prüfungen durchgeführt werden, braucht eine aus diesem Grunde erlassene Prüfungsanordnung nicht näher begründet zu werden; der Hinweis auf die Rechtsgrundlage reicht insoweit aus (BFH-Urteile vom 10. Februar 1983 IV R 104/79, BFHE 137, 404, BStBl II 1983, 286, und vom 28. April 1983 IV R 255/82, BFHE 138, 407, BStBl II 1983, 621).

3. Die Vorentscheidung, die auf anderen Rechtsüberlegungen beruht, war aufzuheben. Der Senat entscheidet selbst und weist die Klage ab.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414442

BFH/NV 1987, 626

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