Leitsatz (amtlich)

Beschließen die Gesellschafter einer GmbH nach Feststellung der Jahresbilanz, keinen Gewinn auszuschütten und eine vor Feststellung der Bilanz beschlossene und vorgenommene Vorabausschüttung zurückzuzahlen, obwohl sich aus der Jahresbilanz ein ausreichender Reingewinn ergibt, führt die Rückzahlung der Vorabausschüttung nicht zu negativen Einnahmen aus Kapitalvermögen.

 

Normenkette

EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war mit Mehrheit an einer GmbH beteiligt.

Am 15. April 1969 beschlossen die Gesellschafter der GmbH, für das Jahr 1968 einen Gewinn in Höhe von 300 v. H. des Stammkapitals vorab auszuschütten. Daraufhin wurde dem Kläger ein Betrag von 391 500 DM auf seinem Verrechnungskonto bei der GmbH gutgeschrieben. Der Kläger versteuerte diesen Betrag im Jahr 1969 als Einkünfte aus Kapitalvermögen.

Am 25. März 1970 stellten die Gesellschafter der GmbH die Bilanz zum 31. Dezember 1968 fest. Sie beschlossen, für das Jahr 1968 keinen Gewinn auszuschütten und die Vorabausschüttung zurückzuzahlen.

In Höhe von 65 688,75 DM war dem Kläger die Vorabausschüttung nicht in bar ausgezahlt, sondern auf dem Konto "Sonstige Verbindlichkeiten" gutgeschrieben worden.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) hatte bei der vorläufigen Veranlagung des Klägers für das Streitjahr 1970 entsprechend der Erklärung des Klägers negative Einkünfte aus Kapitalvermögen von 385 604 DM anerkannt. Der Kläger hatte seine Einkünfte wie folgt ermittelt:

Sonstige Einnahmen 5 896 DM

Rückzahlung Dividende 1968 391 500 DM

385 604 DM

Bei der berichtigten Veranlagung setzte das FA positive Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 5 596 DM an, weil es sich bei der Rückzahlung der Vorabausschüttung um eine gesellschaftliche Einlage handle.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Die Klage hatte dagegen zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat die Einkommensteuer unter Abänderung der Einspruchsentscheidung und des Einkommensteuerbescheids 1970 auf 592 640 DM festgesetzt. Zur Begründung seiner Entscheidung, die in Entscheidungen der Finanzgerichte 1978 S. 225 veröffentlicht ist, hat das FG ausgeführt, in Höhe von 325 811,25 DM sei kein Rückfluß der Vorabausschüttung anzunehmen.

Anders verhalte es sich mit den nicht zur Auszahlung gelangten 65 688,75 DM, die dem Kläger auf dem Konto "Sonstige Verbindlichkeiten" gutgeschrieben worden seien. Diese bisher bestehende Forderung des Klägers an die GmbH sei durch die im Jahr 1970 erfolgte Umbuchung mit der Rückforderung der GmbH saldiert und damit beglichen worden. Sie sei damit untergegangen und aus dem Vermögensbereich des Klägers ausgeschieden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des FA, mit der Verletzung des § 20 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gerügt wird. Nach Auffassung des FA liegen auch in Höhe von 65 688,75 DM keine negativen Einnahmen aus Kapitalvermögen vor, weil der Kläger die Vorabausschüttung ohne rechtliche oder tatsächliche Verpflichtung zurückgewährt habe. Eine Verpflichtung zur Rückgewähr der Vorabausschüttung hätte nur dann bestanden, wenn kein entsprechender Reingewinn erzielt worden wäre. Die Jahresbilanz der GmbH für 1968 weise aber einen Jahresgewinn aus, der die beschlossene Vorabausschüttung weit übersteige.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben.

Der Kläger teilt dagegen die Auffassung des FG und macht hilfsweise geltend, daß dann, wenn im Streitjahr 1970 keine negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen angesetzt würden, die Tantiemen des Gesellschafters (Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit) um den streitigen Betrag niedriger anzusetzen seien. Dem Gesellschafter sei auf Grund der Einbuchung der Rückforderung der GmbH eine um 65 688,75 DM verminderte Tantieme ausgezahlt worden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Auch in Höhe von 65 688,75 DM liegen keine negativen Einnahmen aus Kapitalvermögen vor (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG).

1. Die Vorabausschüttung der GmbH führte beim Kläger zu Einkünften aus Kapitalvermögen in Gestalt von Gewinnanteilen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Denn sie beruhte auf einem Gewinnverteilungsbeschluß (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. Januar 1977 I R 39/75, BFHE 122, 43, BStBl II 1977, 491). Auch die Gewinnausschüttung nach Ablauf des Geschäftsjahres aber vor Feststellung der Bilanz, wie sie im Streitfall vorgenommen wurde, ist eine "Vorabausschüttung".

Die Vorabausschüttung der GmbH ist dem Kläger zugeflossen (§ 11 EStG), auch soweit sie dem Kläger nicht in bar ausgezahlt, sondern - in Höhe von 65 688,75 DM - dem Konto "Sonstige Verbindlichkeiten" gutgeschrieben wurde. Da der Kläger beherrschender Gesellschafter der GmbH war, sind ihm die Gewinnanteile bereits zum Zeitpunkt der Beschlußfassung über die Vorabausschüttung zugeflossen (BFH-Urteile vom 30. April 1974 VIII R 123/73, BFHE 112, 355, BStBl II 1974, 541, und vom 8. Januar 1969 I R 91/66, BFHE 95, 215, BStBl II 1969, 347).

2. Die Vorabausschüttung einer GmbH ist allerdings an den Vorbehalt geknüpft, daß in dem betreffenden Geschäftsjahr tatsächlich ein Gewinn in Höhe der Vorabausschüttung entstanden wäre. Tritt diese Voraussetzung nicht ein, haben die Gesellschafter die empfangene Vorabausschüttung zurückzuzahlen (§ 812 Abs. 1 Satz 2 BGB; BFH-Urteil I R 39/75). Wenn es auch nach dem Urteil I R 39/75 keines weiteren Gewinnverteilungsbeschlusses nach Feststellung der Bilanz bedarf, bewirkt doch erst die Feststellung der Bilanz, in der - bei Vorabausschüttungen vor dem Bilanzstichtag durch Ansatz eines Ausgleichspostens auf der Aktivseite der Bilanz (BFH-Urteil I R 39/75) - ein Reingewinn in Höhe der Vorabausschüttung ausgewiesen ist, daß der Gewinnanspruch der Gesellschafter in Höhe der Vorabausschüttung als unentziehbarer, vom Mitgliedschaftsrecht losgelöster Gläubigeranspruch entsteht (§ 29 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -; Urteil des Reichsgerichts vom 12. Mai 1914 Rep II 96/14, RGZ 85, 43; Hachenburg/Goerdeler/Müller, Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 7. Aufl., § 29 Tz. 8, 12), mag auch schon vorher eine durch den Vorabausschüttungsbeschluß erheblich verstärkte Anwartschaft bestehen (Gschwendtner, Betriebs-Berater 1978 S. 109 - BB 1978, 109 -).

Daraus folgt jedoch nicht, daß im Streitfall der Betrag der Vorabausschüttung dem Kläger nicht zugeflossen sei. Wie in dem BFH-Urteil vom 1. März 1977 VIII R 106/74 (BFHE 122, 60, BStBl II 1977, 545) näher begründet ist, setzt das Zufließen von Einnahmen i. S. des § 11 EStG nicht voraus, daß dem Empfänger ein Wert endgültig verbleibt, es genügt, daß der Empfänger über einen Wert vorübergehend wirtschaftlich verfügen kann.

3. Durch die Zurückzahlung der Vorabausschüttung auf Grund des Beschlusses der Gesellschafter vom 25. März 1970 sind dem Kläger keine negativen Einnahmen aus Kapitalvermögen entstanden.

Voraussetzung für negative Einnahmen aus Kapitalvermögen ist, daß die Gesellschafter rechtlich oder tatsächlich verpflichtet sind, Gewinnanteile zurückzuzahlen (BFH-Urteil vom 19. Januar 1977 I R 188/74, BFHE 123, 124, BStBl II 1977, 847). In zeitlicher Hinsicht entstehen die negativen Einnahmen aus Kapitalvermögen allerdings erst, wenn die Gesellschafter die Gewinnanteile tatsächlich zurückzahlen (BFH-Urteil vom 2. November 1977 I R 92/75, BFHE 123, 492, BStBl II 1978, 102, mit weiteren Angaben über die Rechtsprechung). Das FG hat sich im Streitfall nur mit der Frage des Rückflusses der Vorabausschüttung in Höhe von 65 688,75 DM befaßt, ohne die vorrangige Frage zu prüfen, ob der Kläger rechtlich oder tatsächlich verpflichtet war, die Vorabausschüttung zurückzuzahlen.

Eine solche Verpflichtung hätte bestanden, wenn sich aus der Bilanz der GmbH für 1968 kein Reingewinn in Höhe der Vorabausschüttung ergeben hätte. Denn in diesem Fall wären die Gesellschafter, wie bereits bemerkt (oben Nr. 2), nach § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB rechtlich verpflichtet gewesen, die Vorabausschüttung zurückzuzahlen. Das BFH-Urteil VIII R 106/74 steht dieser Auffassung nicht entgegen. Denn dieses Urteil bejaht den Zufluß der Gewinnanteile im Jahr der Ausschüttung trotz späterer Aufhebung des Gewinnverteilungsbeschlusses. Über den Abfluß negativer Einnahmen in einem späteren Jahr war nicht zu entscheiden.

Aus der Einspruchsentscheidung, auf die im Urteil des FG Bezug genommen ist, aus dem übrigen vom FG festgestellten Sachverhalt wie auch aus der unbestrittenen Behauptung des FA in der Revision ergibt sich, daß in der festgestellten Bilanz der GmbH für 1968 ein Gewinn ausgewiesen war, der den Betrag der Vorabausschüttung überstieg. Daher bestand für den Kläger keine rechtliche Verpflichtung zur Zurückzahlung der Vorabausschüttung.

Eine rechtliche Verpflichtung zur Zurückzahlung der Vorabausschüttung wurde allerdings begründet durch den Beschluß der Gesellschafter vom 25. März 1970, für das Jahr 1968 keine Dividende auszuschütten und die Vorabausschüttung zurückzuzahlen. Dieser Beschluß konnte jedoch nur mit Zustimmung aller Gesellschafter gefaßt werden, weil, wie bereits aufgeführt (oben Nr. 2), durch den Beschluß über die Vorabausschüttung in Verbindung mit der Feststellung der Bilanz für 1968 ein unentziehbarer Gläubigeranspruch der Gesellschafter in Höhe der Vorabausschüttung entstanden ist. Da der Kläger nicht verpflichtet war, dem Beschluß zuzustimmen, beruhte die Zurückzahlung der Vorabausschüttung im Ursprung auf Freiwilligkeit. Dies hindert die Annahme negativer Einnahmen (BFH-Urteil I R 188/74).

Die Hilfserwägung des Klägers greift nicht durch. Selbst wenn der Anspruch der GmbH gegen den Kläger auf Zurückzahlung der Vorabausschüttung mit einem Tantiemeanspruch des Klägers verrechnet worden sein sollte, was im Widerspruch zu den tatsächlichen Feststellungen des FG steht, läge in dieser Verrechnung ein Zufluß der Tantieme.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73153

BStBl II 1979, 510

BFHE 1979, 514

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