Leitsatz (amtlich)

1. Der Arbeitnehmer, der die Eintragung eines Freibetrages auf der Lohnsteuerkarte beantragt, hat die Richtigkeit seiner Angaben auf Verlangen nachzuweisen bzw. glaubhaft zu machen.

2. Die Eintragung eines Freibetrages darf das FA nicht von vornherein ablehnen, indem es, ohne in eine Prüfung der Glaubhaftigkeit der Angaben eingetreten zu sein, den Antragsteller auf einen späteren Ermäßigungsantrag nach Leistung der betreffenden Ausgaben oder auf das Lohnsteuer-Jahresausgleichsverfahren verweist.

2. Die Prüfung, ob durch eine Abordnung oder eine mehrtägige Dienstreise usw. dem Arbeitnehmer höhere berufsbedingte Aufwendungen entstanden sind, als ihm vom Arbeitgeber ersetzt wurden, muß den je in Betracht kommenden Aufwand und Ersatz insgesamt erfassen; es können nicht einzelne Zeitspannen oder Vorgänge ausgeklammert werden.

2. Die Zulassung einer Revision kann vom FG auch ohne Antrag ausgesprochen werden.

 

Normenkette

EStG §§ 9, 40; LStDV §§ 20, 27; AO § 170 f., § 205; FGO § 115 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Kläger (verheiratet, ein Kind) war im Streitjahr 1969 bei einem FA als Regierungsassessor beschäftigt. Nach dem Ausbildungsplan waren drei Lehrgänge an der Bundesfinanzakademie in Siegburg vorgesehen. An dem ersten Lehrgang hatte er bereits im Oktober 1968 teilgenommen. Die weiteren Lehrgänge standen, als er im November 1968 einen Antrag auf Lohnsteuerermäßigung für das Jahr 1969 stellte, noch aus; sie waren auf die Zeit vom 28. Mai bis 20. Juni und vom 22. September bis 17. Oktober 1969 festgesetzt.

In seinem Antrag auf Lohnsteuerermäßigung machte der Kläger geltend, daß ihm aus der Teilnahme an den Lehrgängen Kosten für zwei Familienheimfahrten in Höhe von je 160 DM und ein Verpflegungsmehraufwand von insgesamt 252 DM entstehen würden. Die OFD zahle für die ersten 14 Tage je 35 DM, für die zweiten 14 Tage je 12 DM Tagegeld. Darin sei der Ersatz der Aufwendungen für Verpflegung und Unterkunft enthalten. Bezüglich der ersten 14 Tage stelle er keinen Antrag; dagegen reichten die Tagegelder der zweiten 14 Tage nicht aus, um die Kosten für Unterkunft und Verpflegung zu decken. Er beantrage deshalb, für die zweiten 14 Tage den seinen Dienstbezügen entsprechenden Pauschbetrag für Verpflegungsmehraufwand aus Abschn. 21 Abs. 4 LStR 1968 in Höhe von 23 DM je Tag anzusetzen. Außerdem sei bei den Sonderausgaben zu berücksichtigen, daß er an die Barmer Ersatzkasse im Jahr 1 080 DM Krankenversicherungsbeiträge zahle, wozu ihm sein Dienstherr monatlich 10 DM Zuschuß steuerfrei gebe.

Das FA lehnte es noch im November 1968 ab, auf der Lohnsteuerkarte des Klägers Aufwendungen für Familienheimfahrten und Verpflegungskosten einzutragen, die erst mit den künftigen Lehrgängen in Siegburg im Zusammenhang stünden. Die Krankenkassenbeiträge erkannte es zwar als Sonderausgabe an, aber nur insoweit, als sie den Zuschuß überstiegen.

Mit der Sprungklage trug der Kläger vor: Das FA sei im November 1968 verpflichtet gewesen, die voraussichtlichen Aufwendungen für die beiden Lehrgänge auf der Lohnsteuerkarte 1969 zu berücksichtigen. Er habe die Kosten von zwei Familienheimfahrten und seines gegenüber dem Tagegeld höheren Verpflegungsmehraufwandes glaubhaft gemacht. Dafür, daß die Aufwendungen als Werbungskosten anzuerkennen seien, berufe er sich auf die Urteile des BFH VI 305/64 vom 18. Februar 1966 (BFH 86, 85, BStBl III 1966, 385) und VI 33/65 vom 15. Dezember 1967 (BFH 90, 493, BStBl II 1968, 150). Die Kürzung der Krankenkassenbeiträge um den monatlichen Arbeitgeberzuschuß von 10 DM, der ihm nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 LStDV steuerfrei gezahlt werde, sei unzulässig; die Steuerbefreiung dürfe nicht dadurch rückgängig gemacht werden, daß ihm der Sonderausgabenabzug verweigert werde (vgl. die Entscheidung des BFH VI 123/62 U vom 27. September 1963, BFH 77, 592, BStBl III 1963, 536, und das Urteil des FG Berlin vom 14. Juni 1968, EFG 1968, 520).

In der mündlichen Verhandlung vom 27. Juni 1969 vor dem FG erklärte das FA, es erkenne die durch eine Familienheimfahrt von dem bereits beendeten Lehrgang in Siegburg entstandenen Werbungskosten nunmehr an; im übrigen beantragte es Klageabweisung.

Das in den EFG 1969, 560 veröffentlichte Urteil des FG erging dahin, daß das FA auf der Lohnsteuerkarte des Klägers für 1969 einen weiteren Freibetrag von 656 DM einzutragen habe, davon 318 DM vorläufig. Wie die beiden Zahlen errechnet sind, ist aus dem Urteil nicht ersichtlich. Das FG ließ die Revision zu.

In der Begründung wird ausgeführt: Nach § 40 Abs. 1 und 2 EStG habe der Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf Eintragung eines Freibetrages auf der Lohnsteuerkarte, wenn er zumindest glaubhaft mache, daß ihm im folgenden Kalenderjahr bestimmte Aufwendungen entstehen würden. Der Unsicherheit bezüglich künftiger Aufwendungen trügen § 27 Abs. 2 und 3 LStDV Rechnung. Das Wort "kann" in § 27 Abs. 3 Satz 1 LStDV bringe nur zum Ausdruck, daß das FA unter bestimmten Voraussetzungen eine Eintragung im Gegensatz zur Regel des § 27 Abs. 2 LStDV als vorläufig bezeichnen könne. Da der Kläger für das Jahr 1969 die Teilnahme an einem zweiten Lehrgang in Siegburg ausreichend glaubhaft gemacht habe, sei sein mit der Klage geltend gemachter Anspruch auf Eintragung eines entsprechenden Freibetrages im Grunde gerechtfertigt. Nach Auffassung des Gerichts hätten jedoch die Voraussetzungen für eine Vorläufigkeit der Eintragung vorgelegen, weshalb das FA verurteilt worden sei, die auf den zweiten Lehrgang in 1969 entfallenden Werbungskosten des Klägers "vorläufig" einzutragen. Der Eintragungsanspruch des Klägers sei auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Mit dem BFH sei das FG der Auffassung, daß Mehraufwendungen, die einem Beamten durch eine Abordnung erwüchsen und nicht durch Trennungsgeld oder sonstige Zuschüsse des öffentlichen Dienstherrn gedeckt würden, Werbungskosten darstellten. Die dem Beamten gezahlten Gelder seien nicht so auf den Einzelfall abgestimmt, wie das bei Vereinbarungen zwischen privaten Arbeitgebern und Arbeitnehmern der Fall sein könne. Die Vergütungssätze seien vielmehr lediglich nach Gehaltsgruppen gestaffelt, ohne besondere Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Der Auffassung des FA über eine Gesamtverrechnung (Einbeziehung der ersten 14 Tage des Aufenthaltes in Siegburg) sei nicht zu folgen. Sowohl die LStR als auch die maßgebenden Bestimmungen des öffentlichen Rechts - Bundesreisekostengesetz, Trennungsgeldverordnung - beruhten auf einer Pauschalierung von Tagessätzen. Es sei nicht angängig, dieses System durch dinen Gesamtvergleich zu durchbrechen, andernfalls nicht homogene Größenordnungen zueinander in Beziehung gebracht würden. Der auf die Werbungskosten bezogene Antrag des Klägers sei daher im vollen Umfang begründet. Wegen der Bedeutung des Monatszuschusses von 10 DM für die anzuerkennenden Sonderausgaben verbleibe das FG bei seiner im Urteil vom 14. Juni 1968 (a. a. O.) niedergelegten Rechtsauffassung.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung der §§ 40 EStG und 20, 27 Abs. 1 und 3, 20a Abs. 2 Nr. 2 LStDV. Das FG habe den Unterschied zwischen den steuerlichen Reisekostenpauschbeträgen im Abschn. 24 LStR und der Reisekostenvergütung nach dem Bundesreisekostengesetz nicht ohne weiteres als Werbungskosten anerkennen dürfen, sondern hätte vom Kläger Nachweis verlangen müssen. Auch sei der Aufenthalt in Siegburg als einheitlicher Vorgang zu behandeln gewesen. Einmalige oder unregelmäßige Aufwendungen müßten zudem in der Regel nach Leistung nachgewiesen werden und könnten dann erst berücksichtigt werden; ungewisse Aufwendungen dürften nicht eingetragen werden. Habe aber das FG auch die zweite Dienstreise im Jahre 1969 als glaubhaft angesehen, dann habe es die Eintragung auf der Lohnsteuerkarte nicht als vorläufig anordnen dürfen. Auch sei dem FG bei Ermittlung des vorläufig einzutragenden Betrages offenbar ein Rechenfehler unterlaufen; es sei sonst nicht verständlich, wie es zu den 318 DM gekommen sei. Der monatliche Zuschuß von 10 DM sei zu Unrecht als abzugsfähige Sonderausgabe anerkannt worden; dem BFH-Urteil VI 123/62 U (a. a. O.) habe ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 21. November 1968 abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision des FA als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, sie als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

I.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Revision des FA nicht unzulässig.

Die Revisionssumme von 1 000 DM ist zwar unstreitig nicht überschritten, das FG hat die Revision jedoch ausdrücklich zugelassen. Damit sind die Voraussetzungen der Zulässigkeit einer Revision nach § 115 Abs. 1 FGO erfüllt. Dem Gesetz ist nichts dafür zu entnehmen, daß die Revision nur auf Antrag eines der am Rechtsstreit Beteiligten zugelassen werden dürfe oder daß die Zulassung durch das FG mit besonderen Worten zu begründen sei.

Der Kläger geht, wie seine Erwiderung auf die Revision des FA zeigt, selbst davon aus, daß die Zulassung aus dem Grunde des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO geschah. Dem FG konnte z. B. die Auslegung von § 27 Abs. 3 LStDV in Verbindung mit § 40 Abs. 2 und 3 EStG Anlaß sein, der Sache grundsätzliche Bedeutung beizumessen und dem BFH als dem obersten Bundesgericht in Steuersachen Gelegenheit zu einer Entscheidung zu geben. Hat aber das FG die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO aus vertretbaren Gründen zugelassen, so ist der BFH daran gebunden; eine Nachprüfung wäre auch nur bei offensichtlich nicht begründetem Anlaß zulässig (BFH-Entscheidungen VI R 297/66 vom 7. August 1967, BFH 90, 29, BStBl III 1967, 789, und IV 241/64 vom 27. März 1969, BFH 95, 214, BStBl II 1969, 353).

Die antragslose Zulassung verletzt nicht den § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO. Diese Vorschrift, nach der das Gericht bei der Entscheidung über das Klagebegehren nicht hinausgehen darf, betrifft das Klagebegehren. Die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO berührt aber den sachlichen Inhalt der FG-Entscheidung gar nicht und ist ihrem Wesen nach überhaupt nicht Inhalt der den Rechtsstreit für die Instanz beendenden Urteilsformel. Der übliche Ausspruch der Zulassung der Revision im räumlichen Anschluß an den Entscheidungstenor dient zwar der Rechtsklarheit, sie kann aber auch wirksam in der Begründung oder in der Rechtsmittelbelehrung ausgesprochen werden (BFH-Entscheidungen VI 96/64 vom 12. Februar 1965 in HFR 1965, 557; VI R 321/66 vom 12. April 1967, BFH 88, 361, BStBl III 1967, 396). Die Zulassung der Revision ist eine durch das FG gegebenenfalls von Amts wegen zu treffende, in der Streitsache neutrale Nebenentscheidung, die lediglich - vielfach beiden Parteien - eine verfahrensmäßige, in § 115 FGO aus objektiven rechtspolitischen Gründen (Einheitlichkeit der Rechtsprechung, Rechtsklarheit, Weiterentwicklung des Rechts) zugelassene Möglichkeit einräumt.

Die Meinung des Klägers, das FA habe keine den Verfahrensvorschriften des § 120 FGO entsprechende Begründung der Revision geliefert, ist gleichfalls unzutreffend. Das FA hat im Schriftsatz vom 18. November 1969 unter Anführung ziffernmäßig benannter, nach seiner Meinung verletzter Gesetzesvorschriften sich mit dem Urteil des FG in über mehr als sieben Schreibmaschinenseiten unter verschiedenen Gesichtspunkten auseinandergesetzt. Damit ist der formalen Begründungspflicht aus § 120 FGO Genüge getan. Sie hat nichts damit zu tun, ob und wieweit den Ausführungen sachlich gefolgt werden kann.

II.

Die Revision des FA führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Allerdings kann der Meinung des FA über die Bedeutung der §§ 40 EStG, 27 LStDV nicht beigetreten werden. Nach § 40 Abs. 1 EStG sind für die Berechnung der Lohnsteuer auf Antrag des Arbeitnehmers bestimmte Ausgaben vom Arbeitslohn abzuziehen, wozu insbesondere Werbungskosten und Sonderausgaben gehören. Die vom Arbeitslohn abzuziehenden Beträge "hat" das FA nach § 40 Abs. 2 EStG auf die Lohnsteuerkarte einzutragen. Diesen Grundsätzen entspricht § 27 Abs. 1 LStDV. Zugleich hat das FA nach § 27 Abs. 2 LStDV der Eintragung den Vorbehalt des Widerrufs beizufügen. Diese Bestimmung hängt zusammen mit § 96 AO. Nach der Rechtsprechung ist die Eintragung eines steuerfreien Betrages auf der Lohnsteuerkarte eine Vergünstigung (Bewilligung) im Sinne des § 96 AO, auf die der Steuerpflichtige bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen Rechtsanspruch hat (vgl. Entscheidung des BFH VI 69/55 U vom 12. Mai 1955, BFH 61, 39, BStBl III 1955, 213). Solche begünstigende Verfügungen sind, von dem Fall der Erschleichung abgesehen (§ 96 Abs. 2 AO), trotz formaler Bestandskraft nach § 96 Abs. 1 AO im Rahmen eines gerechten und billigen Ermessens für die Zukunft grundsätzlich zurücknehmbar oder einschränkbar, wenn der Widerrruf vorbehalten ist. § 27 Abs. 2 LStDV setzt daher für die Eintragung auf der Lohnsteuerkarte kein neues Recht, sondern enthält nur eine Anwendung von § 96 AO.

Die vorstehenden Ausführungen zu § 40 Abs. 2 EStG und § 27 Abs. 1 LStDV sind nicht so zu verstehen, als würde die Eintragungspflicht des FA allein durch das Begehren des Steuerpflichtigen begründet. Vielmehr gilt auch hier die allgemeine Auskunfts- und Nachweispflicht des Steuerpflichtigen aus §§ 170, 171 AO, d. h. der Arbeitnehmer hat die Tatsachen, mit denen er den Abzug nach § 40 EStG rechtfertigen will, auf Verlangen des FA zu beweisen oder mindestens glaubhaft zu machen. Es leuchtet ein, und dem FA ist darin beizutreten, daß zukünftige Vorgänge schwieriger glaubhaft zu machen oder gar zu "beweisen" sind als solche, die sich in der Vergangenheit abgespielt haben. Dabei sind wiederum laufende Ausgaben - wie Schuldzinsen, Beiträge zu Versicherungen, Bausparkassen, Berufsverbänden, Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte - leichter glaubhaft zu machen als einmalige oder vereinzelt auftretende Aufwendungen. Um dem FA die Entscheidung über Anträge, bei denen gewisse Zweifel - z. B. an der ernstlichen Absicht oder an der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen - offenbleiben, besonders in Fällen von größerer Bedeutung zu erleichtern, kann das FA nach § 27 Abs. 3 LStDV der Eintragung den Vermerk "vorläufig" beifügen. Damit ist den Interessen beider Beteiligten gedient: Der Arbeitnehmer hat auf seiner Steuerkarte die von ihm begehrte Eintragung; andererseits ist die richtige Besteuerung dadurch gesichert, daß das FA im Rahmen des nunmehr nach § 4 Abs. 2 JAV von Amts wegen durchzuführenden Jahresausgleichs den klaren Nachweis der zweifelhaften Aufwendung verlangen kann. Auch § 27 Abs. 3 LStDV setzt kein neues selbständiges Recht; über ihn - siehe die Ermächtigung in § 40 Abs. 3 EStG - wird lediglich § 100 AO für das Lohnsteuerverfahren zur Anwendung gebracht.

Es ist mithin rechtlich zutreffend, wenn das FG die Auffassung des FA, es könne in solchen zweifelhaften Fällen schlechthin und von vornherein von der Eintragung absehen und den Arbeitnehmer auf einen späteren Ergänzungseintrag oder auf das Lohnsteuer-Jahresausgleichsverfahren verweisen, mit der Gesetzeslage für nicht vereinbar hält. Das FA mißversteht auch den Abschn. 42 Abs. 3 LStR. In diesem wird zwar gesagt, die vorläufige Eintragung von Freibeträgen sei zu beschränken auf Fälle erheblicher zu schätzender Aufwendungen mit besonders schwieriger vorausschauender Beurteilung der Verhältnisse. Der Ton dieser Regelung liegt aber auf dem Wort "vorläufige", nicht auf "Eintragung".

Im Grunde handelt es sich bei den verschiedenen Möglichkeiten, die hier dem FA gegeben sind, um Fragen der tatsächlichen Würdigung. Unter Umständen kann das Vorbringen eines Antragstellers so dürftig und unzureichend sein, daß eine Eintragung in die Lohnsteuerkarte nicht in Betracht kommt, auch nicht mit dem Vermerk der Vorläufigkeit. Im Streitfall ist das FG davon ausgegangen, der Kläger werde auch an dem Lehrgang im Herbst 1969 in Siegburg teilnehmen und entsprechende Werbungskosten haben. Im Rahmen der ihm obliegenden Tatsachenwürdigung (§ 96 Abs. 1 FGO) konnte das FG zu diesem Ergebnis gelangen.

An die insoweit rechtlich einwandfrei zustande gekommene Tatsachenwürdigung ist der Senat nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden. Wenn das FG bei den mit der Veranstaltung in Siegburg zusammenhängenden Werbungskosten die Hinzufügung eines Vorläufigkeitsvermerks auf der Lohnsteuerkarte anordnete, kann das FA sich nicht belastet fühlen, sollte dadurch doch nur die steuerlich richtige Erhebung der Lohnsteuer gesichert werden, indem dem FA die nachträgliche Überprüfung der tatsächlichen Aufwendungen des Klägers vorbehalten blieb.

2. Macht ein Arbeitnehmer für seine Berufsfortbildung Aufwendungen, so sind diese grundsätzlich Werbungskosten, soweit sie nicht vom Arbeitgeber erstattet werden und soweit sie nicht gleichzeitig wesentlich der privaten Lebensführung dienen (§§ 9 und 12 Nr. 1 Satz 2 EStG). Daß die Teilnahme des Klägers an den Lehrgängen der Bundesfinanzakademie dessen weiterer fachlicher Schulung diente, kann nicht zweifelhaft sein. Die Kosten der Reise nach Siegburg und zurück sowie die Kosten des dortigen Aufenthaltes, insbesondere für Unterbringung und Verpflegung, kommen also als Werbungskosten in Betracht, soweit sie dem Kläger nicht von der Behörde ersetzt und deshalb nicht von ihm getragen werden.

Wie dem FA zuzugeben ist, entsprach es höchstrichterlicher Rechtsprechung, wenn bisher für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes nach dem Grundsatz verfahren wurde, daß die den Beamten nach den einschlägigen Bestimmungen steuerfrei gezahlten Ersatzleistungen die jeweils dienstlich notwendigen Kosten deckten, etwaige Mehraufwendungen also in den Bereich der individuellen Lebensführung fielen (siehe z. B. noch die BFH-Entscheidung VI 349/57 U vom 7. November 1958, BFH 68, 22, BStBl III 1959, 9). Diese Rechtsprechung ist aber aufgegeben worden. So hat der BFH in der Entscheidung VI 305/64 (a. a. O.) Mehraufwendungen, die einem Beamten oder Angestellten des öffentlichen Dienstes durch Abordnung oder Versetzung erwachsen und die nicht durch die vom öffentlichen Dienstherrn gezahlten Trennungsentschädigungen oder Beschäftigungstagegelder gedeckt sind, als Werbungskosten anerkannt; wie sich aus der Begründung dieses Urteils ergibt, fallen unter die steuerlich zu berücksichtigenden Mehraufwendungen auch die Kosten von Familienheimfahrten (siehe zu letzterem ferner § 3 Nr. 2, § 5 der Trennungsgeldverordnung vom 12. August 1965 - BGBl I 1965, 808 -). An der Rechtsauffassung, nach der auch bei Beamten die durch den Dienst veranlaßten, aber vom Dienstherrn nicht ersetzten Aufwendungen Werbungskosten sind, hat der Senat gegenüber Einwendungen der Finanzverwaltung in dem Urteil VI R 274/67 vom 14. Februar 1969 (BFH 95, 161, BStBl II 1969, 341) festgehalten. Er sieht auch nach erneuter Prüfung keinen Anlaß, von ihr abzugehen.

Die Auffassung des FG, dem Kläger seien durch die Teilnahme an den Siegburger Lehrgängen Werbungskosten entstanden, soweit seine durch die Teilnahme veranlaßten Aufwendungen die Ersatzleistungen des Dienstherrn überstiegen hätten, ist daher entgegen der Meinung des FA rechtlich einwandfrei. Dem FG kann jedoch nicht darin gefolgt werden, daß für die Ermittlung der Höhe der anzuerkennenden Werbungskosten die Lehrgänge zeitlich aufgespaltet werden könnten. Die Teilnahme an jedem Lehrgang ist nicht bloß rechtlich (der dienstlichen Anweisung nach), sondern auch wirtschaftlich ein einheitlicher Vorgang. Das muß dann ebenso gelten, wenn geprüft werden soll, ob dem Kläger tatsächlich gegenüber den erhaltenen Vergütungen ein Mehr an Ausgaben entstanden ist. Will der Kläger ebenso wie ein Steuerpflichtiger, dem nichts ersetzt wird, den in Abschn. 21 Abs. 4 LStR vorgesehenen Pauschbetrag für Mehraufwendungen für Verpflegung in Anspruch nehmen, dann kann er aber auch nicht besser stehen als ein solcher Steuerpflichtiger; vielmehr kann er wie dieser den Pauschbetrag nur für alle Tage der Reise in Anspruch nehmen (vgl. Abschn. 21 Abs. 4 Nr. 3 Buchst. f LStR 1968). Dementsprechend muß, wenn der Kläger den Ansatz des Pauschbetrages wählt, dieser insoweit als ersetzt angesehen werden, als der Kläger Ersatz durch seinen Dienstherrn erhalten hat. Mag auch in kostenrechtlichen oder steuerlichen Bestimmungen für Tagesgelder oder Übernachtungskosten jeweils nach Tagen oder Nächten gerechnet werden, so ändert das nichts daran, daß die je gegebene Reise einheitlich betrachtet werden muß, wenn steuerlich ein Mehraufwand geltend gemacht werden soll. So wenig einzelne Tage einer Reise oder - wie hier - eines Lehrgangs - etwa der dritte, fünfte, neunte usw. Tag - aus dem Gesamtzusammenhang herausgelöst werden können, ist eine Herauslösung eines bestimmten Zeitraums zulässig, in dem zwar bestimmte hintereinander liegende Tagesgruppen zusammengefaßt, andere aber ausgespart werden. Ebenso unzulässig wäre eine Ausklammerung der Sache nach, indem bei einheitlicher Abgeltung (oder Pauschalierung) von Übernachtungs- und Verpflegungsaufwand etwa nur die Übernachtungen und die dafür erhaltenen Ersatzbeträge außer Betracht bleiben sollen. Es würde sich um eine dem tatsächlichen und wirtschaftlichen Vorgang zuwiderlaufende willkürliche Zerreißung handeln.

Auch darin kann dem angefochtenen Urteil nicht gefolgt werden, daß es die dem Kläger steuerfrei gezahlten und von ihm an die Barmer Ersatzkasse weitergeleiteten 120 DM in den Kreis der Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG (§ 20a Abs. 2 Nr. 2 LStDV) einbezieht. Das steht im Widerspruch zu dem Urteil des Senats VI 92/55 U vom 28. März 1958 (BFH 66, 693, BStBl III 1958, 266), nach dem in den Fällen, in denen ein Arbeitgeber Ausgaben zur Zukunftssicherung seines Arbeitnehmers macht und bei der Steuerberechnung einen Freibetrag gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 LStDV berücksichtigt, der Arbeitnehmer in Höhe des Freibetrages keine Sonderausgaben geltend machen kann. Nach dem Urteil ist der Freibetrag von 312 DM kein absoluter Freibetrag; er müsse vielmehr mit dem Sonderausgabenabzug in Verbindung gebracht werden; es sei nicht gerechtfertigt, einen Betrag, der nach den allgemeinen Bestimmungen an sich als Arbeitslohn angesetzt werden müsse, steuerfrei zu lassen und den gleichen Betrag nochmals als Sonderausgabe einkommensmindernd abzusetzen (zustimmend: Oeftering-Görbing, Das gesamte Lohnsteuerrecht, § 2 Anm. 28, Bl. 46, 1, und Hartz-Meeßen, Lohnsteuer, Stichwort "Zukunftssicherung von Arbeitnehmern" unter Nr. 4 S. 336). An dieser Auffassung hat der Senat in seinem Urteil VI R 171/68 vom 13. August 1971 (BStBl II 1972, 57) gegenüber den Angriffen im Urteil des FG Berlin vom 14. Juni 1968 (a. a. O.) festgehalten. Auf die Veröffentlichung wird verwiesen. Dort ist auch ausgeführt, daß aus dem Urteil des Senats VI 123/62 U (a. a. O.) für den gegenwärtigen Fall nichts hergeleitet werden kann, weil damals die Beihilfen zur Krankenversicherung einer Besteuerung als Einkünfte aus Leibrente gemäß § 22 EStG unterlegen hatten.

Die Sache wird, weil nicht spruchreif, gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO an das FG zurückverwiesen. Vorstehenden Ausführungen entsprechend wird das FG nunmehr festzustellen haben, ob die im Jahre 1969 durch den Besuch der Lehrgänge in Siegburg veranlaßten Ausgaben, legt man den Pauschsatz oder die tatsächlich entstandenen Aufwendungen zugrunde, insgesamt höher sind als die dem Kläger erstatteten Beträge. Was den Pauschsatz angeht, so wird das FG zu prüfen haben, ob wirklich die für Dienstreisen vorgesehenen in Betracht kommen. Mit Rücksicht auf die Abordnung scheinen die für den Fall doppelter Haushaltsführung vorgesehenen näher zu liegen. Das FG wird zweckmäßigerweise seine Berechnung in das Urteil aufnehmen, damit sie von den Beteiligten und gegebenenfalls vom BFH überprüft werden kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413031

BStBl II 1972, 139

BFHE 1972, 477

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