Entscheidungsstichwort (Thema)

Refinanzierungszinsen für Darlehen eines Gesellschafter-Geschäftsführers an seine GmbH

 

Leitsatz (NV)

1. Ist der Geschäftsführer einer GmbH in nicht nur unbedeutendem Umfang an der Gesellschaft beteiligt, ist die Übernahme einer Bürgschaft zugunsten der GmbH regelmäßig nicht durch das Dienstverhältnis veranlasst.

2. Zinsen, die der Geschäftsführer für ein nach Vollbeendigung der GmbH aufgenommenes Darlehen zur Refinanzierung der Bürgschaftszahlungen geleistet hat, können nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1, § 19 Abs. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG des Saarlandes (Urteil vom 05.08.2002; Aktenzeichen 1 K 331/02; EFG 2002, 1435)

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war mit 90 v.H. am Stammkapital einer GmbH beteiligt. Er war auch deren Geschäftsführer. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist seine Ehefrau. Sie hielt 10 v.H. des Stammkapitals der GmbH.

Im Jahr 1992 wurde die GmbH wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen im Handelsregister gelöscht. Die kreditgebende Bank nahm daraufhin den Kläger für die Verbindlichkeiten der GmbH aus einer von den Klägern gemeinsam übernommenen Bürgschaft in Anspruch. Die Kläger nahmen daraufhin zur Tilgung dieser Schuld mehrere Darlehen auf. Die Schuldzinsen machten sie in den Streitjahren 1993 bis 1996 als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit geltend.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte in den Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre den Abzug der Schuldzinsen mit der Begründung ab, dass infolge des Wegfalls der Einkunftsquelle eine Berücksichtigung weder bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit noch bei den Einkünften aus Kapitalvermögen in Betracht komme. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Die Schuldzinsen seien als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften der Kläger aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass der erforderliche wirtschaftliche Zusammenhang der Schuldzinsen mit der Kapitalanlage durch die Auflösung der Gesellschaft und damit durch die Beendigung der einkunftsrelevanten Tätigkeiten der Kläger nicht unterbrochen worden sei. Die unterschiedliche Behandlung nachträglicher Schuldzinsen durch den Bundesfinanzhof (BFH) bei den Gewinneinkünften einerseits und den Überschusseinkünften andererseits sei nicht zu rechtfertigen. Der aus Art. 3 des Grundgesetzes (GG) abgeleitete Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung erfordere es, dass die Erwerbsaufwendungen bei allen Einkunftsarten inhaltlich grundsätzlich gleichbehandelt würden (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2002, 1435).

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§§ 2 Abs. 2 Nr. 2, 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Zur Begründung verweist es auf die langjährige Rechtsprechung des BFH, nach der in der Zeit nach der Veräußerung oder dem Verlust einer Kapitalanlage anfallende Aufwendungen nicht mehr als (nachträgliche) Werbungskosten abziehbar seien.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Die geltend gemachten Schuldzinsen können weder als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit noch als Werbungskosten bei den Einkünften der Kläger aus Kapitalvermögen abgezogen werden (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, § 19, § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG).

1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Schuldzinsen nicht durch das Dienstverhältnis des Klägers zur GmbH veranlasst waren. Ist der Arbeitnehmer einer GmbH in nicht nur unbedeutendem Umfang an der Gesellschaft beteiligt, so ist die Übernahme einer Bürgschaft oder anderer Sicherheiten zu Gunsten der GmbH regelmäßig nicht durch die berufliche Tätigkeit, sondern durch die Gesellschafterstellung des Arbeitnehmers veranlasst (BFH-Urteil vom 20. Dezember 1988 VI R 55/84, BFH/NV 1990, 23; zur Zuordnung von Darlehen und Bürgschaften zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit einerseits, den Einkünften aus Kapitalvermögen andererseits, vgl. auch BFH-Urteile vom 7. Mai 1993 VI R 38/91, BFHE 171, 275, BStBl II 1993, 663, und vom 12. Mai 1995 VI R 64/94, BFHE 177, 472, BStBl II 1995, 644). Davon ist auch im Streitfall auszugehen. Besondere Umstände, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Damit sind auch die für die Begleichung der Bürgschaftsschuld aufgewendeten Darlehenszinsen sachlich nicht den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zuzuordnen.

2. Die Schuldzinsen sind auch nicht als Werbungskosten bei den Einkünften der Kläger aus Kapitalvermögen abzuziehen.

Der BFH hat die Finanzierungskosten einer im Privatvermögen gehaltenen GmbH-Beteiligung nicht den Anschaffungskosten zugerechnet, sondern sie als laufende Werbungskosten im Rahmen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, § 20 EStG behandelt. Er hat jedoch den Abzug von Zinsen aus Refinanzierungsdarlehen für die Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen wesentlichen Beteiligung nach der Veräußerung der Beteiligung oder der Auflösung der Gesellschaft als sog. nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen aus rechtssystematischen Gründen abgelehnt, soweit sie nicht auf die Zeit vor der Veräußerung oder Auflösung entfallen (BFH-Urteil vom 19. Januar 1993 VIII R 74/91, BFH/NV 1993, 714, m.w.N., und Beschlüsse vom 27. November 1995 VIII B 16/95, BFH/NV 1996, 406, unter 2.c der Gründe, sowie vom 23. September 1998 VIII B 115/97, BFH/NV 1999, 310). Neue erhebliche, bisher nicht berücksichtigte Gesichtspunkte haben weder das FG noch die Kläger vorgetragen.

Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass nachträgliche Aufwendungen des Anteilseigners, soweit sie --wie der Verlust durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasster Darlehen oder Bürgschaften-- zu den nachträglichen Anschaffungskosten gehören, auch noch berücksichtigt werden können, wenn sie nach Abschluss der Liquidation der Gesellschaft anfallen (vgl. u.a. Senatsurteile vom 26. Januar 1999 VIII R 32/96, BFH/NV 1999, 922, m.w.N.; vom 12. Dezember 2000 VIII R 22/92, BFHE 194, 108, BStBl II 2001, 385, unter II.2. der Gründe). Die von § 17 EStG erfassten Aufwendungen sind im Rahmen einer stichtagsbezogenen Gewinnermittlung zum Zeitpunkt der Veräußerung der Beteiligung oder der Liquidation der Gesellschaft zu berücksichtigen und --soweit sie in diesem Zeitpunkt noch nicht vorhersehbar waren-- rückwirkend in die Gewinnermittlung einzubeziehen (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 21. Dezember 1993 VIII R 69/88, BFHE 174, 324, BStBl II 1994, 648, und die weiteren Nachweise bei Schmidt/Weber-Grellet, Einkommensteuergesetz, 22. Aufl., § 17 Rz. 131). Die hiervon abweichende Beurteilung der Schuldzinsen zur Finanzierung der nachträglichen Anschaffungskosten oder der Veräußerungskosten ist eine Folge der gesetzlichen Regelung, nach der auch bei Beteiligungseinkünften i.S. von § 17 EStG die laufenden Aufwendungen nach den für Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltenden Grundsätzen zu beurteilen sind. Mit dem Wegfall der Einkünfteerzielung entfällt --ungeachtet der Veranlassung der Aufwendungen durch den Erwerb oder die Sicherung der Beteiligung-- auch der erforderliche wirtschaftliche Zusammenhang der Schuldzinsen mit der Einkunftsart.

Bei diesem Ergebnis kann offen bleiben, ob die Schuldzinsen tatsächlich --wie das FG angenommen hat-- durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst waren. Da insoweit nichts anderes gilt als für die Bürgschaftsschuld selbst, hätte das FG aufklären müssen, ob die Übernahme der Bürgschaft durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst war. Das ist hier zumindest zweifelhaft. Finanzierungsmaßnahmen des Gesellschafters sind nur dann durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, wenn und insoweit sie eigenkapitalersetzenden Charakter haben; denn nur das mit einer solchen Finanzierungsmaßnahme verbundene Haftungsrisiko rechtfertigt es, sie den gesellschaftsrechtlichen Einlagen gleichzustellen (ständige Rechtsprechung, vgl. für Bürgschaftsverpflichtungen u.a. BFH-Urteile in BFHE 194, 108, BStBl II 2001, 385, unter II.4. der Gründe, m.w.N.). Da die Bürgschaften zu Gunsten der GmbH nach Aktenlage bereits 1988 übernommen wurden und nicht krisenbestimmt waren, dürfte es auch aus diesem Grunde an dem erforderlichen wirtschaftlichen Zusammenhang der Schuldzinsen mit den Einkünften aus Kapitalvermögen fehlen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1255525

BFH/NV 2005, 54

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