Leitsatz (amtlich)

Die Bestimmung des § 21 GewStDV enthält eine sowohl mit dem Wortlaut des § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG zu vereinbarende als auch dem Sinngehalt dieser Vorschrift entsprechende Auslegung.

 

Normenkette

GewStG § 9 Nr. 1 S. 1, § 12 Abs. 3 Nr. 1; GewStDV § 21; BewDV a.F. § 33a

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtsgültigkeit der Vorschrift des § 21 GewStDV, soweit diese bestimmt, daß die nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG vorzunehmende Kürzung der Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 3 v. H. des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörigen Grundbesitzes hinsichtlich der zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörigen Grundstücke im Zustand der Bebauung von dem nach § 33a Abs. 1 oder 2 BewDV a. F. festgestellten Einheitswert vorzunehmen ist. Die Revisionsklägerin (Stpfl.) will dagegen den nach § 33a Abs. 3 BewDV a. F. festzustellenden besonderen Einheitswert als Grundlage für die Berechnung des Kürzungsbetrages berücksichtigt wissen.

Bei der Ermittlung des Gewerbeertrags der Stpfl. im Erhebungszeitraum 1962 (Streitjahr) war der Revisionsbeklagte (FA) zunächst in Übereinstimmung mit der Stpfl. von dem auf den 1. Januar 1960 festgestellten Einheitswert des zum Betriebsvermögen gehörenden Grundbesitzes (218 900 DM) ausgegangen. Angesichts größerer, im Jahre 1961 begonnener Baumaßnahmen der Stpfl. hatte das FA im Wege der Nachfeststellung gemäß § 33a Abs. 3 BewDV diesen Wert auf den 1. Januar 1962 mit 351 900 DM festgestellt (Einheitswertbescheid vom 10. Dezember 1963). Diese Feststellung blieb jedoch im Ergebnis auf den Einheitswert des gewerblichen Betriebes ohne Auswirkung, da die Grenzen für eine Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1962 nicht erreicht wurden (Schreiben des FA vom 13. Dezember 1963).

Gegen den einheitlichen Gewerbesteuermeßbescheid 1962 erhob die Stpfl. Einspruch mit dem Antrag, die Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG von 351 900 DM statt von 218 900 DM vorzunehmen. Einspruch und Berufung der Stpfl. blieben ohne Erfolg. Das FG, dessen Urteil in EFG 1965, 234 veröffentlicht ist, begründet seine Entscheidung wie folgt:

Die Vorschrift des § 9 Nr. 1 GewStG bezwecke die Gleichstellung der auf eigenem Grund und Boden wirtschaftenden, grundsteuerpflichtigen Unternehmer mit denjenigen, die ihren Betrieb in gemieteten Räumen unterhielten und die gezahlte Miete als Betriebsausgabe geltend machten. Die Kürzung der Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen werde pauschal mit 3 v. H. des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörenden Grundbesitzes vorgenommen.

Bei Grundstücken im Zustand der Bebauung werde auf den Feststellungszeitpunkt eine zweifache Einheitswertfeststellung vorgenommen. Der sogenannte Grundsteuerwert nach § 33a Abs. 1 und 2 BewDV a. F. umfasse nur den Grund und Boden sowie etwa bereits bezugsfertige Gebäude, der daneben für die Zwecke der Ermittlung des Gesamtwerts eines Gewerbebetriebs nach § 33a Abs. 3 BewDV a. F. festzustellende sogenannte Vermögensteuerwert zusätzlich auch die bis zum Feststellungszeitpunkt entstandenen Kosten für die im Bau befindlichen Gebäude und Gebäudeteile. Angesichts des Wortlauts des § 9 Nr. 1 GewStG könne es zweifelhaft erscheinen, welcher Einheitswert - der Grundsteuer- oder der Vermögensteuerwert - unter dem Begriff "Einheitswert des zum Betriebsvermögen gehörenden Grundbesitzes" zu verstehen sei. Die Klarstellung bringe § 21 GewStDV, der auf der Ermächtigung des Gesetzgebers in § 35c Nr. 1 Buchst. b GewStG beruhe. Danach sei als maßgeblicher Einheitswert im Sinne des § 9 Nr. 1 GewStG in diesen Fällen der Grundsteuerwert anzusehen. Die damit getroffene Regelung sei auch sinnvoll, da der Unternehmer nur in Höhe des Grundsteuerwerts mit Grundsteuer belastet sei, während er mit den Kosten im Bau befindlicher Gebäude zur Grundsteuer nicht herangezogen werde. Dem entspreche es, den Unternehmer auch nur in Ansehung der unmittelbar zum Ertrag beitragenden (bewirtschafteten) Grundstücke zu entlasten.

Hiergegen richtet sich die als Revision zu behandelnde Rb. der Stpfl., zu deren begründung sie folgendes vortragen läßt:

Die Vornahme der Kürzung nach dem Vermögensteuerwert führe keineswegs zu einem sinnwidrigen Ergebnis, da es - wie der BFH im Urteil I 61/50 U vom 16. Januar 1951 (BFH 55, 127, BStBl III 1951, 49) dargelegt habe - für die Vornahme der Kürzung nach § 9 Nr. 1 GewStG auf die tatsächliche Heranziehung eines Grundstücks zur Grundsteuer nicht ankomme. Nur ein sinnwidriges Ergebnis könne aber von der wortgetreuen Gesetzesanwendung freistellen. § 21 GewStDV enthalte somit eine nicht vertretbare Einengung der Vorschrift des § 9 Nr. 1 GewStG. wie auch die Zweifel des FG bezüglich der maßgeblichen Einheitswerte für die Kürzung nach § 12 Abs. 3 Nr. 1 GewStG zeigten. Da indes in beiden Vorschriften (§ 9 Nr. 1 und § 12 Abs. 3 Nr. 1 GewStG) nur von Einheitswerten schlechthin die Rede sei, müßten die vom FG im Hinblick auf § 12 Abs. 3 Nr. 1 GewStG geäußerten Zweifel auch im Hinblick auf § 9 Nr. 1 GewStG gelten.

Nachdem das FA inzwischen den angefochtenen Bescheid nach Durchführung einer Betriebsprüfung durch den Bescheid vom 9. Mai 1967 ersetzt hat, hat die Stpfl. gemäß §§ 68, 123 FGO beantragt, diesen zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

1. Wie das FG zutreffend dargelegt hat, soll die Vorschrift des § 9 Nr. 1 GewStG die zweimalige Besteuerung desselben Wirtschaftsguts, nämlich der Betriebsgrundstücke, durch die Gewerbe- und die Grundsteuer ausschließen. Der für die Ermittlung des Gewerbekapitals vorgeschriebenen Kürzung der Summe des Einheitswerts des gewerblichen Betriebes und der Hinzurechnungen um die Summe der Einheitswerte, mit denen die Betriebsgrundstücke in dem Einheitswert des gewerblichen Betriebes enthalten sind (§ 12 Abs. 3 Nr. 1 GewStG), entspricht bei der Ermittlung des Gewerbeertrags die Kürzung der Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 3 v. H. des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörenden Grundbesitzes, soweit er nicht zu Betriebstätten gehört, die außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes liegen (§ 9 Nr. 1 GewStG). Befindet sich ein Grundstück im Zustand der Bebauung, so bemessen sich nach der auch von den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit zu beachtenden Bestimmung des § 21 GewStDV die Kürzungen nach § 9 Nr. 1 und nach § 12 Abs. 3 Nr. 1 GewStG nach dem Einheitswert, der nach § 33a Abs. 1 oder 2 BewDV a. F. festgestellt worden ist.

Wie das FG des weiteren zutreffend dargelegt hat, erfaßt der für Grundbesitz im Zustand der Bebauung nach § 33a Abs. 1 oder 2 BewDV a. F. festzustellende Einheitswert allein den Wert des reinen Grund und Bodens sowie der etwa bereits bezugsfertigen Gebäude, während der nach § 33a Abs. 3 BewDV a. F. für Zwecke der Ermittlung des Gesamtwerts des gewerblichen Betriebes festzustellende Einheitswert (als ein besonderer Einheitswert: BFH-Urteil III 255/58 U vom 13. Januar 1961, BFH 72, 319, BStBl III 1961, 120) auch die bis zum Feststellungszeitpunkt entstandenen Baukosten der im Bau befindlichen Gebäude oder Gebäudeteile erfaßt. Würde man mit der Stpfl. - entgegen der Bestimmung des § 21 GewStDV - den Einheitswert nach § 33a Abs. 3 BewDV a. F. als den nach § 9 Nr. 1 GewStG maßgebenden Einheitswert ansehen, so würden die bis zum Feststellungszeitpunkt aufgewendeten Baukosten des Unternehmers weder von der Grundsteuer noch auch von der Gewerbesteuer erfaßt werden, da sie mit dem sogenannten Vermögensteuerwert von der Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen wieder abgezogen werden würden (vgl. Urteil des RFH I 6/43 vom 4. Mai 1943, RStBl 1943, 540). Diese Auslegung, soweit sie nach dem Wortlaut des Gesetzes für möglich gehalten werden sollte, entspricht nicht dem Sinn des Gesetzes, zumal wenn man bedenkt, daß der Einheitswert nach § 33a Abs. 3 BewDV a. F. in der Regel höher liegt als der Einheitswert bebauter Grundstücke, der gewöhnlich unter den Herstellungskosten liegt.

2. Mit Recht weist die Stpfl. allerdings darauf hin, daß ein Gesetz grundsätzlich nach seinem Wortlaut auszulegen ist, es sei denn, daß diese Auslegung dem Willen des Gesetzgebers offensichtlich widersprechen und zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen würde (BFH-Urteil VI 162/55 U vom 14. Februar 1958, BFH 66, 539, BStBl III 1958, 207). Im Wortlaut des Gesetzes kommt der objektivierte Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck (Urteile des BVerfG 2 BvH 2/52 vom 21. Mai 1952, BVerfGE 1, 299 ff., und 2 BvL 11/59, 11/60 vom 17. Mai 1960, BVerfGE 11, 126 ff.).

Der Stpfl. kann indes nicht gefolgt werden, wenn sie die in § 21 GewStDV gegebene Auslegung der Vorschrift des § 9 Nr. 1 GewStG für den Fall der Behandlung von Grundbesitz im Zustand der Bebauung für unvereinbar mit dem Wortlaut des Gesetzes hält, in ihr sogar eine bewußte Einschränkung des Gesetzes sieht. § 21 GewStDV regelt in einer sowohl mit dem Wortlaut als auch - wie oben dargelegt - mit dem Sinngehalt des Gesetzes zu vereinbarenden Weise die Auslegung der Vorschrift des § 9 Nr. 1 GewStG. Die Vorschrift ist also rechtsgültig und bindend (vgl. BFH-Urteil VI 62/64 vom 8. März 1967, BFH 88, 225, BStBl III 1967, 353).

Wenn der BFH im Urteil I 61/50 U (a. a. O.) ausgesprochen hat, daß es bei der Erfassung eines Betriebsgrundstücks durch die Grundsteuer vom Grundsatz her im Einzelfall für die Vornahme der Kürzung nach § 9 Nr. 1 GewStG nicht darauf ankommt, daß das Grundstück auch tatsächlich zur Grundsteuer herangezogen worden ist (was in dem dort entschiedenen Streitfall infolge kriegsbedingter Zerstörung des Grundstücks nicht der Fall war), so läßt sich diese Entscheidung doch nicht auf den vorliegenden Streitfall übertragen. Denn hier fehlt es, wie die Stpfl. selbst nicht verkennt, an der Erfassung der Kosten der im Bau befindlichen Gebäude oder Gebäudeteile durch die Grundsteuer vom Grundsatz her. Diese Kosten sind vielmehr, wie § 33a BewDV a. F. deutlich macht, durch ihre besondere Erfassung im Vermögensteuerwert sachlich von der Grundsteuer befreit. Sie können deshalb auch bei sinngemäßer Auslegung der Vorschrift des § 9 Nr. 1 GewStG nicht in Höhe von 3 v. H. von der Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen gekürzt werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 425897

BStBl II 1968, 65

BFHE 1968, 299

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