Entscheidungsstichwort (Thema)

Abfindung an Bruder als Anschaffungskosten

 

Leitsatz (NV)

Erhält ein Sohn von der Mutter ein Mehrfamilienhaus im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen, wobei er sich verpflichtet, an den Bruder eine Abfindung zu zahlen, und der Bruder sich als am Nachlaß des Vaters und am künftigen Nachlaß der Mutter für abgefunden erklärt (Erbverzicht), so gehört die an den Bruder gezahlte Abfindung zu den Anschaffungskosten des Hauses.

 

Normenkette

EStG § 7 Abs. 4, § 7b; EStDV § 11d; BGB §§ 2050, 2325, 2346

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erhielt durch einen ,,Grundstücksübergabe- nebst Erbverzichtsvertrag" vom . . . 1978 von seiner Mutter ein mit einem Mehrfamilienhaus bebautes Grundstück im Wege vorweggenommener Erbfolge übertragen. Die Mutter behielt sich ein Wohnrecht im Obergeschoß vor. Der Kläger verpflichtete sich, an seinen Bruder eine Abfindung von . . . DM zu zahlen. Mit Erhalt der Summe erklärte sich der Bruder als am Nachlaß des Vaters und am künftigen Nachlaß seiner Mutter einschließlich Pflichtteilsansprüchen für abgefunden; die Mutter nahm die Erbverzichtserklärung an. Zur Erfüllung der Zahlungsschuld nahm der Kläger einen Kredit in gleicher Höhe auf.

In der Einkommensteuererklärung 1979 machte der Kläger auf diesen Kredit zurückzuführende Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Das Finanzamt (- FA -) ließ den Betrag in der Einkommensteuerveranlagung unberücksichtigt. Mit dem Einspruch verlangte der Kläger den Abzug der Zinsen und eine zusätzliche Absetzung für Abnutzung (AfA) von 2 v. H. auf den Betrag der Abfindung; der Einspruch blieb jedoch erfolglos. Dagegen sah das Finanzgericht (FG) in den Zahlungen an den Bruder Anschaffungskosten auf das erlangte Grundstück; es berücksichtigte neben dem Zinsbetrag als Werbungskosten eine zusätzliche AfA von . . . DM unter Annahme eines Gebäudeanteils von 85 v. H. am Grundstückswert.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

 

Entscheidungsgründe

Auf die Revision des FA muß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen werden.

1. Zu Recht hat das FG allerdings die vom Kläger an seinen Bruder geleisteten . . . DM als Anschaffungskosten beurteilt. Hierin lagen Ausgleichszahlungen, die nach den Grundsätzen des Beschlusses des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) als Anschaffungskosten anzusehen sind; auf diese Entscheidung wird Bezug genommen. Dem steht nicht entgegen, daß der Bruder des Klägers im Vertrag vom . . . 1978 einen Erbverzicht erklärt hat; zu Unrecht folgert das FA hieraus, daß der Kläger einen Teil seiner Leistung für diesen Erbverzicht erbracht habe.

Der Erbverzicht ist ein Vertrag zwischen dem Erblasser und seinen gesetzlichen Erben (§ 2346 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -); dementsprechend hat im Streitfall auch die Mutter des Klägers und nicht dieser den Erbverzicht angenommen. Ein Erbverzicht kann vereinbart werden, um dem Erblasser die uneingeschränkte Verfügungsmöglichkeit über den Nachlaß zu verschaffen; er wird in der Regel mit Leistungen des Erblassers abgegolten (vgl. dazu BFH-Urteile vom 10. April 1953 IV 384/52 U, BFHE 57, 400, BStBl III 1953, 157; vom 4. Februar 1975 VIII R 71/70, BFHE 114, 539, BStBl II 1975, 529); er kann aber auch mit der Übertragung von Vermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge verbunden sein, um Streitigkeiten der Miterben wegen eines Ausgleichs des Empfangenen gemäß § 2050 BGB oder eine Pflichtteilsergänzung nach § 2325 BGB zu vermeiden (vgl. BFH-Urteil vom 4. September 1959 VI 176/58, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Einkommensteuergesetz, § 12 Nr. 2, Rechtsspruch 22; Coing, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1967, 1777).

Ob im Streitfall das eine oder das andere vorliegt, kann dahinstehen. Denn die Zahlung des Klägers findet ihre Grundlage allein in der Vermögensübertragung durch seine Mutter und ist von ihm geleistet worden, um die Verfügung über das erlangte Grundstück zu erhalten; auf dieser Grundlage beruht auch die seinem Bruder gemäß § 328 Abs. 2 oder § 330 BGB als begünstigtem Dritten eingeräumte Forderung (vgl. BFH in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847). Welche steuerlichen Folgen sich aus der Zahlung im Verhältnis zwischen der Mutter des Klägers und seinem Bruder ergeben, ist vorliegend nicht zu beurteilen.

2. Das FG hat die dem Kläger gemäß § 7 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zustehende AfA unzutreffend berechnet.

Die Übertragung des Grundstücks ist in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuspalten (vgl. BFH-Urteil vom 17. Juli 1980 IV R 15/76, BFHE 131, 329, BStBl II 1981, 11). Zu diesem Zweck muß der vom Kläger geleistete Betrag zum Verkehrswert des Grundstücks abzüglich des Wertes des der Mutter vorbehaltenen Wohnrechts ins Verhältnis gesetzt werden; die Bestellung des Wohnrechts stellt keine Gegenleistung des Klägers dar, vielmehr hat die Mutter insoweit Vermögen zurückbehalten (vgl. BFH-Urteil vom 28. Juli 1981 VIII R 124/76, BFHE 134, 130, BStBl II 1982, 378). Die gesamte dem Kläger zustehende AfA errechnet sich aus der anteiligen von ihm nach § 11 d der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) fortzuführenden AfA seiner Mutter und der auf die Anschaffungskosten entfallenden Gebäude-AfA. Dieser Gesamtbetrag ist jedoch um den AfA-Anteil zu kürzen, der auf die von der Mutter benutzten Räumlichkeiten entfällt, sofern es sich dabei um eine abgeschlossene Wohnung handelt (vgl. BFH-Urteile vom 7. Dezember 1982 VIII R 166/80, BFHE 139, 23, BStBl II 1983, 660; vom 16. Juli 1985 IX R 1/79, BFH/NV 1985, 77; vom 8. August 1990 IX R 122/86, BFHE 162, 244, BStBl II 1991, 171). Ist dies der Fall, so ist der Nutzungswert der Wohnung der Mutter zuzurechnen. Erfüllt der Kläger hinsichtlich der von der Mutter genutzten Wohnung nicht den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, so kann er insoweit auch keine Werbungskosten abziehen.

Hierzu wird das FG noch Ermittlungen anzustellen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63584

BFH/NV 1991, 679

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