Leitsatz (amtlich)

Die Gesellschaftsteuerpflicht einer freiwilligen Leistung nach § 2 Nr. 4 KVStG 1959 wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Gesellschafter mit der Gesellschaft einen Ergebnisübernahmevertrag abgeschlossen hat (BFHE 106, 123).

 

Normenkette

KVStG 1959 § 2 Nr. 4

 

Tatbestand

I. Die Klägerin, eine GmbH, hat im Jahre 1954 mit ihrer Alleingesellschafterin einen Ergebnisübernahmevertrag (EÜV) abgeschlossen.

Nach dem Inhalt des angefochtenen Urteils erhielt die Klägerin zum 31. Dezember 1959 von ihrer Gesellschafterin ein Darlehen, das ihr nach ausdrücklicher Vereinbarung zinslos zur Verfügung stand; X DM dieses Darlehens wurden im Wege einer Erhöhung des Stammkapitals in haftendes Kapital der Klägerin umgewandelt.

Soweit die Klägerin die restlichen Y DM des Darlehensbetrages zinslos nutzte, war damit nach Auffassung des beklagten FA teilweise der Tatbestand des § 2 Nr. 4 Buchst. c KVStG 1959 erfüllt. Es zog diesen Zinsvorteil für die Wirtschaftsjahre 1960/61 und 1961/62 insoweit zur Gesellschaftsteuer heran, als die Klägerin bei Zahlung solcher Zinsen in diesen Wirtschaftsjahren mit Verlust abgeschlossen oder einen ohnehin entstandenen Verlust vergrößert hätte.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

1. Die Gesellschafterin der Klägerin hat dieser unter anderem in den Wirtschaftsjahren 1960/61 und 1961/62 das Darlehenskapital zinslos zur Verfügung gestellt und ihr damit in diesen Zeiträumen Gegenstände zu einer den Wert nicht erreichenden Gegenleistung überlassen (§ 2 Nr. 4 Buchst. c KVStG 1959).

2. Die Einwände, welche die Klägerin gegen das angefochtene Urteil erhebt, sind nicht gerechtfertigt. Entgegen ihrer Auffassung hat ein zwischen Gesellschafter und Gesellschaft abgeschlossener EÜV auf die Besteuerung freiwilliger Leistungen nach § 2 Nr. 4 KVStG 1959 keinen Einfluß.

Die Leistungen nach § 2 Nr. 4 KVStG 1959 müssen geeignet sein, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Dabei genügt es, daß die Leistung aus sich heraus die "Eignung" hat, diese Werterhöhung zu bewirken. Wertmindernde Umstände können deshalb in den Kreis dieser Betrachtung nur insoweit einbezogen werden, als sie mit der werterhöhenden Eigenschaft der Leistung eng verknüpft sind. Ein Austausch gleichwertiger Leistungen aufgrund eines gegenseitigen Vertrages zwischen Gesellschaft und Gesellschafter schließt die Besteuerung aus. Ein EÜV ist jedoch nicht in der Weise auf den Austausch zwischen Ergebnisübernahme und freiwilligen Leistungen des Gesellschafters gerichtet, daß die freiwilligen Leistungen dem Grunde und der Höhe nach von dem abzuführenden Gewinn abhängig sind. Das hat auch die Klägerin für den vorliegenden Fall nicht behauptet. Der abzuführende Gewinn einer Gesellschaft ist zudem weder mit der Werterhöhung nach § 2 Nr. 4 KVStG 1959 noch mit dem Wert der Leistung nach § 8 Nr. 2 dieses Gesetzes identisch. Schließt die Gesellschaft das Wirtschaftsjahr mit Verlust ab, so unterbleibt sogar von vornherein jeder Vorgang, der als ein solcher Austausch angesprochen werden könnte; die in der freiwilligen Leistung verkörperte Kapitalzuführung bleibt der Gesellschaft erhalten und wird durch die Verlustübernahme noch erweitert. Im einzelnen wird auf die Gründe des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. April 1972 II 37/63 verwiesen (BFHE 106, 123, BStBl II 1972, 714).

a) Die Klägerin meint, der Wert eines Gesellschaftsrechts werde nach den Begriffsbestimmungen des Bewertungsgesetzes (BewG) durch s ä m t l i c h e wertbildenden Umstände geprägt. Dieser Wert der Gesellschaftsrechte sei auch Bezugspunkt des § 2 Nr. 4 KVStG 1959. Bei der Frage nach der werterhöhenden Eignung der freiwilligen Leistung dürfe man sich daher nicht auf die Prüfung solcher wertmindernder Umstände beschränken, die im Rahmen eines gegenseitigen Vertrages in wechselseitiger Beziehung zu der freiwilligen Leistung stehen. Diese Überlegung ist jedoch bereits im Ausgangspunkt nicht richtig. Die Vorschrift des § 2 Nr. 4 KVStG 1959 verlangt nur, daß die Leistungen "geeignet" sind, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Schon nach dem Wortlaut ist also nicht erforderlich, daß durch die Leistungen der Wert der Gesellschaftsrechte tatsächlich erhöht wird. Damit werden alle sonstigen - d. h. außerhalb des Rahmens der zu besteuernden Leistung stehenden - wertbildenden Umstände ausgeschlossen. Es kommt nur auf die Eignung der Leistung selbst an. Bei der Abgrenzung dieses Begriffs der werterhöhenden Eignung ist zu berücksichtigen, daß das Gesetz in § 2 Nr. 4 Buchst. c und d KVStG 1959 nur die Wertdifferenz zwischen Leistung und Gegenleistung aufgrund eines gegenseitigen Vertrages als steuerlich relevant ansieht. Dieser Umstand rechtfertigt es, generell bei der Frage nach der werterhöhenden Eignung einer Leistung im Rahmen eines gegenseitigen Vertrages die Gegenleistung zu berücksichtigen. Jenseits dieser Grenze ist eine Saldierung nicht erlaubt, so daß die Ergebnisabführung aufgrund eines EÜV außer Betracht bleiben muß.

Dieses Ergebnis entspricht auch dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Es will die Kapitalzuführung erfassen, sofern diese für die Gesellschaft einen geldwerten Vorteil darstellt. Das schließt die Berücksichtigung aller übrigen den Wert der Gesellschaftsrechte beeinflussenden Umstände aus. Wollte man der gegenteiligen Auffassung der Klägerin folgen, so müßte man nicht nur die Auswirkungen eines EÜV, sondern auch die gewinnmindernden Folgen anderer Verträge zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter bei der Besteuerung berücksichtigen. Auch ohne Abschluß eines EÜV wäre der zur Gesellschaftsteuer herangezogenen Gesellschaft nicht der Einwand verwehrt, die wertsteigernde Eignung der freiwilligen Leistung des Allein- oder Hauptgesellschafters werde dadurch wieder ausgeglichen, daß der Gesellschafter aufgrund seiner Machtstellung der Gesellschaft ein Darlehen zu einem für ihn (den Gesellschafter) vorteilhaften Zinssatz gegeben habe. Das gleiche müßte z. B. auch für den Verkauf eines Gesellschaftsgrundstückes unter Preis an den Gesellschafter gelten, wobei es keinen Grund gäbe, die Verrechnung auf solche freiwilligen Leistungen zu beschränken, die sich im gleichen Wirtschaftsjahr abgespielt haben wie der Grundstücksverkauf. Als weitere Konsequenz der von der Klägerin vertretenen Auffassung müßte man berücksichtigen, daß ein EÜV Ausdruck der Herrschaftsmacht des Gesellschafters über die Gesellschaft ist, so daß auch die Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag im Gesellschaftsverhältnis begründet sind (vgl. das BFH-Urteil vom 8. März 1972 II R 2/71, BFHE 105, 508, BStBl II 1972, 676). Es gäbe dann keinen Grund, im Bereich des Gesellschaftsteuerrechtes den Allein- oder Hauptgesellschafter einer Kapitalgesellschaft aufgrund seines ebenfalls im Gesellschaftsverhältnis begründeten Gewinnverteilungsanspruches nach § 29 Abs. 1 GmbHG bzw. § 60 Abs. 1 AktG 1965 schlechter zu stellen als denjenigen Gesellschafter, der mit der Gesellschaft einen EÜV abgeschlossen hat. Unstreitig hindern aber die Ansprüche nach § 29 Abs. 1 GmbHG bzw. § 60 Abs. 1 AktG 1965 die Besteuerung nach § 2 Nr. 4 KVStG 1959 nicht, und zwar selbst dann nicht, wenn nach dem Gesellschaftsvertrag der Gesellschafter Verluste der Gesellschaft durch Zuschüsse ausgleichen muß. Andernfalls wäre der Besteuerung nach § 2 Nr. 4 KVStG 1959 der Boden entzogen, eine Konsequenz, welche der Gesetzgeber nicht beabsichtigt haben kann.

Auf den Einwand der Klägerin, bei der Ermittlung des gemeinen Wertes von Gesellschaftsanteilen nach § 10 BewG a. F. sei auch der abgeschlossene EÜV zu berücksichtigen, kann es nach den vorstehenden Ausführungen nicht mehr ankommen. Überdies trifft ihre Ansicht ohnehin nicht zu, wie die Ausführungen des BFH in dem Urteil vom 25. Oktober 1974 III R 128/73 (BFHE 113, 531, BStBl II 1975, 83) zeigen.

Unerheblich ist auch der Einwand der Klägerin, das Darlehen hätte bei einer Veräußerung der Geschäftsanteile gekündigt oder in einen verzinslichen Kredit umgewandelt werden können. Abgesehen davon, daß der Senat diesen Vortrag neuer - d. h. im angefochtenen Urteil nicht festgestellter - Tatsachen im Revisionsverfahren nicht berücksichtigen kann, hat das FA nur die tatsächlichen Kapitalzuführungen besteuert. Deren werterhöhende Eignung könnte durch eine künftige Kündigung oder Verzinsung des Darlehens nicht beseitigt werden.

b) Nach Ansicht der Klägerin hat die von dem BFH in dem Urteil II 37/63 vertretene Auffassung auch in anderer Hinsicht Folgen, die nicht mit dem Sinn des § 2 Nr. 4 KVStG 1959 zu vereinbaren seien. Wenn eine Organgesellschaft trotz Zinsverzichtes der Muttergesellschaft überschuldet sei, so könne der Zinsverzicht schon begrifflich nicht geeignet sein, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bleibe der wert der Gesellschaftsrechte ohne und mit Zinsverzicht 0 DM. Indessen ist nicht einzusehen, inwiefern dieser von der Klägerin gezogene Schluß durch die Auffassung des BFH zur gesellschaftsteuerrechtlichen Bedeutung des EÜV bedingt sein soll. Er ergibt sich vielmehr auch ohne Abschluß eines solchen Vertrages und berücksichtigt nicht die Betrachtungsweise des § 2 Nr. 4 KVStG 1959, der - wie bereits aufgeführt - grundsätzlich nur auf die Leistung selbst und nicht auf deren Begleitumstände abstellt; denn nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 KVStG 1959 ermäßigt sich der Steuersatz u. a. bei Leistungen, soweit sie zur Deckung einer Überschuldung oder eines Verlustes am Stammkapital bzw. Grundkapital einer Kapitalgesellschaft erforderlich sind. Demnach spricht das Gesetz auch solchen Leistungen, welche eine Überschuldung nur teilweise beseitigen und den Wert der Gesellschaftsanteile nicht über 0 DM anheben, grundsätzlich ihre Eignung zur Erhöhung des Wertes der Gesellschaftsrechte nicht ab. Andernfalls hätte es einer Bestimmung über den ermäßigten Steuersatz nicht bedurft.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71340

BStBl II 1975, 415

BFHE 1975, 144

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge