Leitsatz (amtlich)

1. Die Rechtmäßigkeit eines Bescheides, mit dem einem Arbeitgeber die Pauschalierung der Lohnsteuer untersagt worden ist, ist von dem FG sowohl nach der zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides als auch nach der zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gültigen Rechtslage zu überprüfen.

2. Hatte ein Arbeitgeber nur eine Person, z. B. seine Ehefrau, als Aushilfskraft beschäftigt und nur deren Bezüge pauschal versteuert, konnte das FA für die Zeit bis zum 31. Dezember 1974 die Pauschalierung der Lohnsteuer widerrufen bzw. versagen, wenn dies bei einer Einkommensteuerveranlagung zu einer nicht unerheblichen Steuerersparnis führen würde.

2. Für die Zeit ab 1. Januar 1975 kann das FA die Lohnsteuerpauschalierung in einem solchen Fall nicht wegen einkommensteuerlicher Auswirkungen, sondern nur mit der Begründung untersagen, daß sie bei objektiver Betrachtung zu einer "offensichtlichen", d. h. nicht unerheblichen, Lohnsteuerersparnis führe.

 

Normenkette

LStR 1972 Abschn. 52c Abs. 2; EStG 1975 § 40a Abs. 3; EStG 1974 § 42a Abs. 2 S. 1 Nr. 3

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 23.06.1978; Aktenzeichen 1 BvR 134/78)

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist als Kreismedizinaldirektor beschäftigt. Daneben betreibt er eine freiberufliche Praxis. Seine Ehefrau ist in seiner Praxis aufgrund eines steuerlich anerkannten Arbeitsverhältnisses als Aushilfskraft in geringem Umfang und gegen geringes Entgelt tätig. Seit dem Jahre 1972 pauschalierte der Kläger die für den Arbeitsverdienst seiner Ehefrau abzuführende Lohnsteuer nach Abschn. 52 c Abs. 2 LStR mit 10 v. H. des ausgezahlten Lohnes und die Kirchenlohnsteuer mit 7 v. H. der Lohnsteuer. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) widerrief mit Bescheid vom 12. März 1974 die Genehmigung zur Pauschalierung der Lohnsteuer rückwirkend ab 1. Januar 1974. Die OFD wies die Beschwerde mit Bescheid vom 2. Mai 1975 als unbegründet zurück.

Das FG wies die Klage im wesentlichen als unbegründet ab.

Im Revisionsverfahren trägt der Kläger vor: Das FG-Urteil verletze Art. 3 GG, denn in anderen Bundesländern werde die Lohnsteuerpauschalierung bei Ehegattenarbeitsverhältnissen von der Finanzverwaltung grundsätzlich anerkannt. Für die Zeit ab 1. Januar 1975 verletze das FG-Urteil § 40 a EStG 1975. Nach Absatz 3 dieser Vorschrift dürfe das FA eine Pauschalierung der Lohnsteuer nur untersagen, wenn die Pauschalsteuer offensichtlich von der nach den §§ 39 b bis 39 d EStG insgesamt zu erhebenden Lohnsteuer abweiche. Bei der im Streitfall sonst anzuwendenden Lohnsteuerklasse V sei die Abweichung vom Pauschalsteuersatz von 10 v. H. im Verhältnis zu anderen Lohnsteuerklassen am geringsten. Aus dem Wort "insgesamt" sei zu schließen, daß es bei der Frage der offensichtlichen Abweichung nicht auf ein individuelles Arbeitsverhältnis, sondern auf alle Arbeitsverhältnisse ankomme. Eine Untersagung komme daher im Streitfall, in dem nur ein Arbeitsverhältnis seiner Ehefrau vorliege, nicht in Betracht. Die Abweichung müsse im übrigen "offensichtlich" sein. Dies sei allein aus der Sicht des Arbeitgebers zu beurteilen, der die persönlichen Verhältnisse seiner Arbeitnehmer in der Regel nicht kenne. Es dürften daher keine Fragen berücksichtigt werden, die außerhalb des Betriebes lägen. Die individuellen steuerlichen Verhältnisse seiner Ehefrau seien folglich auch im Streitfall außer Betracht zu lassen. Die Untersagung stehe im Ermessen des FA. Es habe nicht die Befugnis, ein individuelles Arbeitsverhältnis aufzugreifen. Bei der Ermessensausübung dürften gemäß dem Urteil des BFH vom 28. April 1977 IV R 163/75 (BFHE 122, 121, BStBl II 1977, 553) wirtschaftlich gleichgelagerte Sachverhalte nicht unterschiedlich gewürdigt werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Rechtsgrundlage für die Pauschalierung der Lohnsteuer von Aushilfskräften war zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheides am 12. März 1974 § 42 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG 1974 (§ 35 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b der LStDV 1971).

Nach Abschn. 52 c Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 2 LStR 1972 soll die für die Pauschalierung erforderliche Genehmigung des FA grundsätzlich als erteilt gelten, es sei denn, daß das FA die Genehmigung im Einzelfall versagt oder widerruft. Der Senat braucht in diesem Verfahren nicht zu entscheiden, ob diese Regelung durch Verwaltungsanweisungen wirksam getroffen werden konnte. Denn der Bescheid des FA vom 12. März 1974 war, wie unten noch dargelegt wird, auch dann rechtswirksam, wenn die Verwaltungsanweisungen in Abschn. 52 c Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 2 LStR 1972 nicht durch das Gesetz gedeckt sein sollten.

a) Die Verwaltung hat in Abschn. 52 c Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 2 LStR 1972 die Ausübung des Widerrufs der generell erteilten Genehmigung zur Lohnsteuerpauschalierung in das pflichtgemäße Ermessen des FA gestellt. Da die Genehmigung grundsätzlich als erteilt gelten soll, ist ein Widerruf zulässig, wenn dies aus besonderen Gründen, insbesondere zur Vermeidung von Mißbräuchen, geboten erscheint. Dabei ist zu beachten, daß die Pauschalierung die Ermittlung der Lohnsteuer für den Arbeitgeber erleichtern, aber grundsätzlich nicht zu einer geringeren Lohnsteuer führen und insbesondere nicht Bezüge der Tarifprogression entziehen soll (vgl. Hartz-Meeßen-Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort "Pauschalierung der Lohnsteuer", I. Abs. 1); denn die Lohnsteuer ist nur eine besondere Erhebungsform der Einkommensteuer. Das gilt in gleicher Weise für Ehegattenarbeitsverhältnisse wie für Arbeitsverhältnisse unter Dritten.

Der Senat ist mit dem FG der Auffassung, daß das FA das ihm zustehende Ermessen im Streitfall fehlerfrei ausgeübt hat (§ 102 FGO). Das FA hat den Widerruf der generell als erteilt geltenden Genehmigung damit begründet, daß durch die Pauschalierung der Lohnsteuer gegenüber der Erfassung der Bezüge der Ehefrau des Klägers bei der gemeinsamen Einkommensteuerveranlagung der Eheleute eine durch das Gesetz nicht gedeckte, nicht unerhebliche Steuerminderung eintritt. Diese Erwägungen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Pauschalierung führte im Streitfall nicht zu einer wesentlichen Erleichterung bei der Ermittlung der Lohnsteuer, da der Kläger nur seine Ehefrau in Teilzeitarbeit beschäftigte und nur ihre Bezüge pauschalierte. Die Pauschalierung geschah nach der rechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung des FG offensichtlich nur zu dem Zweck, diese Einkünfte der Tarifprogression bei der gemeinsamen Einkommensteuerveranlagung des Klägers mit seiner Ehefrau zu entziehen. Denn bei Einbeziehung der Bezüge der Ehefrau in das Veranlagungsverfahren der Eheleute würde im Streitfall regelmäßig eine nicht unerheblich höhere Einkommensteuerbelastung entstehen, als wenn diese Bezüge pauschal mit 10 v. H. der Lohnsteuer unterworfen werden und bei der Veranlagung zur Einkommensteuer außer Betracht bleiben (Abschn. 52 c Abs. 2 Sätze 6 und 7 LStR 1972).

Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG wird nicht dadurch verletzt, daß die Lohnsteuerpauschalierung nach dem Vortrag des Klägers in anderen Bundesländern in gleichgelagerten Fällen anerkannt worden sei. Abgesehen davon, daß der Senat nicht an Verwaltungserlasse gebunden ist, sehen diese, wie z. B. die vom Kläger erwähnten Erlasse des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 15. September 1971 und 16. März 1972, ausdrücklich die Möglichkeit vor, die Genehmigung zur Lohnsteuerpauschalierung bei Ehegatten-Arbeitsverhältnissen zu versagen oder zu widerrufen, wenn dies zur Vermeidung von Mißbräuchen im Einzelfall geboten ist.

b) Sollte die Regelung in Abschn. 52 c Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 2 LStR 1972 mangels gesetzlicher Grundlage unwirksam sein, so wäre die Pauschalierung, die Gegenstand eines finanzamtlichen Widerrufs hätte sein können, noch nicht genehmigt. Die Widerrufsverfügung des FA vom 12. März 1974 wäre dann als Versagung der Genehmigung zur Lohnsteuerpauschalierung anzusehen. Eine Versagung der Genehmigung würde ebenfalls im pflichtgemäßen Ermessen des FA gelegen haben und jedenfalls nicht in einem engeren Rahmen zu handhaben sein als der Widerruf einer generell als erteilt geltenden Genehmigung nach Abschn. 52 c LStR 1972. Der Bescheid des FA vom 12. März 1974 wäre daher unter dem Gesichtspunkt einer Versagung der Genehmigung ebensowenig zu beanstanden wie ein Widerruf einer nach den Lohnsteuer-Richtlinien generell als erteilt geltenden Genehmigung.

c) Ob das FA dem Kläger die Pauschalierung auch rückwirkend untersagen konnte, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Das FG hat den Bescheid in seinem Urteil dahin abgeändert, daß er nur für die Zukunft, aber nicht zurück wirkt. Da nur der Kläger Revision eingelegt hat, ist der Bescheid, soweit das FG der Klage bereits stattgegeben hat, nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens.

2. Die Rechtslage bei der Lohnsteuerpauschalierung hat sich ab 1. Januar 1975 geändert. Nach § 40 a Abs. 1 EStG 1975 ist der Arbeitgeber kraft Gesetzes zur Pauschalierung der Lohnsteuer berechtigt. Das Betriebstätten-FA kann die Pauschalierung aber untersagen, "wenn die Pauschalsteuer offensichtlich von der nach den §§ 39 b bis 39 d insgesamt zu erhebenden Lohnsteuer abweicht" (§ 40 a Abs. 3 Satz 2 EStG 1975).

a) Nach den zutreffenden Ausführungen des FG ist das Begehren des Klägers, den Widerrufsbescheid des FA aufzuheben, auch nach der ab 1. Januar 1975 gültigen Rechtslage zu beurteilen. Der Bescheid des FA vom 12. März 1974, mit dem es dem Kläger gegenüber ohne zeitliche Beschränkung die Genehmigung zur Pauschalierung der auf die Bezüge der Ehefrau entfallenden Lohnsteuer widerrufen hat, ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, da er ein fortdauerndes Rechtsverhältnis, nämlich die steuerlichen Pflichten des Klägers als Arbeitgeber, für die Zukunft regelt. Solange dieser Bescheid besteht, ist dem Kläger die Pauschalierung untersagt. Diese Wirkung wurde durch das Inkrafttreten des § 40 a EStG 1975 am 1. Januar 1975 nicht aufgehoben. Durch die Rechtsänderung wurde dem Bescheid nicht die Rechtsgrundlage entzogen, da nach § 40 a Abs. 3 Satz 2 EStG 1975 eine Untersagung der Pauschalierung weiterhin möglich ist.

Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Klage im Streitfall um eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage handelt. Wird, wie hier, ein in die Zukunft wirkendes Verbot des FA zur Pauschalierung der Lohnsteuer mit der Klage angegriffen, so muß jedenfalls das FG bei seiner Entscheidung die Sach- und Rechtslage zur Zeit des Erlasses des Bescheides und zur Zeit des Ergehens der gerichtlichen Entscheidung berücksichtigen, wenn das FA, wie hier, an seiner Verfügung weiterhin festhält. Nach dem Verfassungsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG, der die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht bindet, muß die Regelung dieses Steuerrechtsverhältnisses durch das FA während der Wirksamkeit des Verwaltungsakts dem jeweils geltenden Recht entsprechen (vgl. zu dem ähnlichen Tatbestand der Untersagung der Ausübung eines Gewerbebetriebes Urteil des BVerwG vom 5. August 1965 I C 69.62, BVerwGE 22, 16 [23]). Das FG war im Streitfall zu einer Prüfung nach der ab 1. Januar 1975 eingetretenen Rechtslage um so mehr berufen, als die Beschwerdeentscheidung der OFD nach diesem Stichtag, nämlich am 2. Mai 1975, erging.

b) Das FG hat den Bescheid des FA vom 12. März 1974 zu Recht auch nach dem ab 1. Januar 1975 gültigen § 40 a Abs. 1 EStG 1975 für weiterhin rechtswirksam angesehen.

Nach dieser Vorschrift darf das FA bei seiner Entscheidung, ob es die Lohnsteuerpauschalierung untersagen will, nicht mehr wie bisher auf das einkommensteuerrechtliche Endergebnis, sondern es muß nur auf die Steuerbelastung abstellen, die sich bei Regelversteuerung im Lohnsteuerabzugsverfahren nach §§ 39 b bis 39 d EStG 1975 ergeben würde. Bei der eindeutigen Fassung des Gesetzes ist für eine andere Auslegung gegen seinen Wortlaut kein Raum. Der Senat tritt dem Kläger darin bei, daß bei der Abweichung von der "insgesamt" zu erhebenden Lohnsteuer auf die gesamte lohnsteuerliche Auswirkung bei allen beim selben Arbeitgeber beschäftigten Arbeitnehmern abzustellen ist. Daraus kann aber nicht der Schluß gezogen werden, daß eine Untersagung der Pauschalierung nach § 40 a Abs. 3 Satz 2 EStG 1975 bei nur einem Arbeitsverhältnis unzulässig ist. Denn für eine solche einschränkende Auslegung sind keine Gründe ersichtlich. Eine Abweichung von der sonst zu erhebenden Lohnsteuer ist "offensichtlich", wenn nach der Summe aller Umstände bei objektiver Betrachtung durch einen unbeteiligten Dritten eine nicht unerhebliche Abweichung der Pauschalsteuer von 10 v. H. zu der nach den §§ 39 b bis 39 d EStG 1975 insgesamt zu erhebenden Lohnsteuer vorliegt. Es kommt dabei weder auf die Sicht und die Kenntnisse des Arbeitgebers noch auf die des FA an. Der Gesetzgeber nimmt bei jeder Pauschalierung gewisse Abweichungen von der sonst zu erhebenden Steuer in Kauf. Das Wort "offensichtlich" zeigt nach Ansicht des Senats die Grenze an, von der ab das FA wegen betragsmäßig nicht unwesentlicher Abweichung die Pauschalierung der Lohnsteuer untersagen kann.

Unter diesem Gesichtspunkt hat das FG zu Recht geprüft, ob das FA auch für die Zeit nach dem 1. Januar 1975 an seinem ablehnenden Verhalten festhalten konnte. Diese Frage hat das FG ohne Rechtsverstoß bejaht. Nach der Berechnung des FG, die der Kläger im Revisionsverfahren nicht angegriffen hat, beträgt die durch die Pauschalierung regelmäßig eintretende Ersparnis im Monat 7,50 DM = 22,4 v. H. (Regelsteuer 33,50 DM, Pauschalsteuer 26 DM), bei einer Nettolohnvereinbarung sogar 16,30 DM = 38,5 v. H. (Regelsteuer 42,30 DM). Der Senat ist mit dem FG der Auffassung, daß eine Abweichung der Regelsteuer von der Pauschalsteuer schon von 22,4 v. H. nicht unerheblich und damit "offensichtlich" i. S. des § 40 a Abs. 3 Satz 2 EStG 1975 ist und die Untersagung der Pauschalierung rechtfertigt.

Durch diese Gesetzesanwendung werden entgegen der Ansicht des Klägers Ehefrauen von Steuerpflichtigen nicht generell benachteiligt. Beschäftigt ein Arbeitgeber nämlich nicht seine Ehefrau, sondern eine andere Person als alleinige Aushilfskraft, so sind die lohnsteuerlichen Auswirkungen bei einer Pauschalierung nach § 40 a EStG in gleicher Weise wie im Streitfall zu beurteilen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72608

BStBl II 1978, 61

BFHE 1978, 495

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