Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Bedeutung der Rechtsform für die Abgrenzung der körperschaftsteuerpflichtigen und der nichtkörperschaftsteuerpflichtigen Personenvereinigungen nach § 1 KStG.

 

Normenkette

KStG § 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob eine im Handelsregister als KG eingetragene Gesellschaft der Körperschaftsteuer unterliegt. Die auf den 18. August 1952 gegründete Gesellschaft wurde am 27. April 1953 unter der Firma Bäcker-Einkauf A. KG im Handelsregister eingetragen, nach dem der genossenschaftliche Prüfungsverband der vorher angestrebten Gründung einer Genossenschaft die Zustimmung versagt hatte. Bei der Gründung bestand die Gesellschaft aus dem persönlich haftenden Gesellschafter A., 6 Kommanditisten und 24 stillen Gesellschaftern, die nach dem Gesellschaftsvertrag dieselben Rechte wie die Kommanditisten hatten. Die Gesamtzahl der Kommanditisten und stillen Gesellschafter stieg bis zum 30. September 1953 auf 34, bis 30. September 1954 unter Berücksichtigung eines Todesfalles und des Ausscheidens eines weiteren Mitglieds auf 41 und bis zum 30. September 1955 auf 52. Im Gesellschaftsvertrag ist u. a. die Wahl eines Aufsichtsrats und eines Vorsitzenden durch die jährlich abzuhaltende Generalversammlung sowie die Zahlung von Umsatzrückvergütungen vorgesehen. Der Kommanditist, wie der stille Gesellschafter haben eine Einlage von 600 DM zu leisten. Der persönlich haftende und vertretungsberechtigte Gesellschafter A. hat nur seine Arbeitskraft eingebracht. Er erhält ein vom Aufsichtsrat festzusetzendes Gehalt und eine zusätzliche Vergütung von 1% der erzielten Umsätze. Darüber hinaus nimmt er weder am Gewinn der Gesellschaft teil, noch stehen ihm im Falle der Auseinandersetzung und Auflösung der Gesellschaft weitere Ansprüche zu. Ein Kapitalkonto wird für ihn nicht geführt. Am Verlust der Gesellschaft ist er im Innenverhältnis solange nicht beteiligt, als das übrige Gesellschaftsvermögen zur Deckung ausreicht. Ferner ist im § 7 des Vertrages bestimmt, daß die Gesellschaft durch den Tod des persönlich haftenden Gesellschafters nicht aufgelöst wird, sondern daß seine Gesellschaftsrechte auf ein von ihm zu benennendes Mitglied der Familie A. übergehen. Die Gültigkeit dieser Bestimmung ist auf die Dauer von 20 Jahren begrenzt, falls nicht die Generalversammlung einer anderen Regelung zustimmt. In ihrer Wirksamkeit ist sie außerdem davon abhängig, daß der Gesellschaft mindestens 40 Kommanditisten oder stille Gesellschafter angehören.

Das Finanzamt behandelte die Gesellschaft als nichtrechtsfähigen Verein und zog sie in den Jahren 1952 und 1953 zu einer Körperschaftsteuer von 250 DM bzw. 1 030 DM heran. Es handle sich nicht um eine Kommanditgesellschaft. Der persönlich haftende Gesellschafter sei kein Mitunternehmer. Er stehe in einem angestelltenähnlichen Verhältnis. Seiner Haftungsverpflichtung komme keine wesentliche Bedeutung zu. Nach dem Gesamtbild handle es sich um eine Genossenschaft. Durch den Zusammenschluß der Bäcker sei die Förderung des Erwerbs und der Wirtschaft der Mitglieder mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs bezweckt. Die Vereinigung habe keine geschlossene Mitgliederzahl. Sie habe die Organe einer Genossenschaft. Alle Mitglieder außer dem Geschäftsführer A. leisteten die gleiche Einlage. Mangels Eintragung im Genossenschaftsregister könne sie nicht als Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft im Sinne des § 1 des Gesetzes betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften und des § 1 Abs. 1 Ziff. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) behandelt werden. Sie sei ein nichtrechtsfähiger Verein. Sie genieße daher nicht die Vergünstigung des § 36 der Verordnung zur Durchführung des Körperschaftsteuergesetzes.

Die Gesellschaft machte hiergegen geltend: Da die Gründung der Genossenschaft am Widerstand des genossenschaftlichen Prüfungsverbandes gescheitert sei, habe man zur Gründung der KG schreiten müssen. Der eingeschlagene Weg sei zwar nicht alltäglich; er entspreche aber dem angestrebten wirtschaftlichen Erfolg und sei rechtlich zulässig. Das Finanzamt übersehe, daß die Zahl der Kommanditisten nach dem Handelsregister feststehe und nur die Zahl der stillen Gesellschafter steigen könne. Von einem laufenden Wechsel der Gesellschafter könne nicht gesprochen werden. Die der Gesellschaft beigetretenen Mitglieder hätten fast sämtlich ihre Mitgliedschaft aufrechterhalten. Die theoretische Möglichkeit des Wechsels falle nicht ins Gewicht. Die Anteile der verstorbenen Mitglieder seien in allen Fällen von den Erben übernommen worden. Der Gesellschafter A. erfülle die Voraussetzungen des Komplementärs der KG. Er trage in vollem Umfange das Risiko des Geschäftes. Die Behandlung der Gesellschaft als Verein entspreche daher nicht dem geltenden Recht.

Das Finanzgericht folgte dem Finanzamt. Es handle sich im Ergebnis um eine nicht eingetragene Genossenschaft, die nach der Rechtsauffassung des bürgerlichen Rechts einen nichtrechtsfähigen Verein darstelle (vgl. Zülow-Henze-Schubert, Die Besteuerung der Genossenschaft, 3. Aufl. S. 7; Lang-Weidmüller, Genossenschaftsgesetz, 26. Aufl. § 13 Anm. 1). Dem Finanzamt sei darin beizupflichten, daß der persönlich haftende Gesellschafter nicht Mitunternehmer sei. Die Gesellschaft habe eine nicht geschlossene Mitgliederzahl und sei nach den Grundsätzen eines Vereines organisiert. Die Voraussetzungen des § 6 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) seien allerdings nicht gegeben. Es liege kein Mißbrauch von Formen- und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts vor. Die Veranlassung für die Gründung der KG sei die Nichtanerkennung der Genossenschaft durch den Prüfungsverband und das Bedürfnis der Bäcker nach einer Haftungsbeschränkung gewesen. Die Gesellschaft müsse aber aus den oben dargestellten Gründen steuerlich als Verein behandelt werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

Das geltende Recht unterwirft im § 1 KStG nur bestimmte Personenvereinigungen der Körperschaftsteuer. Zu diesen körperschaftsteuerpflichtigen Personenvereinigungen gehören die handelsrechtlichen Personenvereinigungen (OHG und KG) nicht. Die Gewinnanteile der Gesellschafter stellen hier Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Ziff. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -), nicht Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) dar.

Die Rechtsprechung hat bei der Besteuerung der Rechtsform insbesondere für die Abgrenzung der Körperschaftsteuerpflichtigen und nichtkörperschaftsteuerpflichtigen Personenvereinigungen wesentliche Bedeutung zugemessen. In der Entscheidung I 216/43 vom 21. März 1944 (Reichssteuerblatt - RStBl - 1944 S. 396) hat der Reichsfinanzhof nachdrücklich darauf hingewiesen, daß die Körperschaftsteuerpflicht mit der Rechtsform verknüpft sei. Es sei dabei ohne Bedeutung, ob betriebliche oder persönliche Gründe für die Gründung einer Kapitalgesellschaft maßgebend gewesen seien. Diese Rechtsauffassung hat der Reichsfinanzhof insbesondere auch auf Organverhältnisse zwischen Ober- und Untergesellschaften angewandt. Das Organ sei subjektiv körperschaftsteuerpflichtig. Betriebsaufspaltungen seien nicht ohne weiteres als Verstöße gegen § 1 Abs. 3 und gegen § 6 StAnpG anzusehen. Im einzelnen siehe die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs zu dieser Frage, Steuer und Wirtschaft (StuW) 1947 Spalten 405 ff. Der Senat ist der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs in der Entscheidung I 119/56 U vom 25. Juni 1957 (Bundessteuerblatt - BStBl - 1957 III S. 303, Slg. Bd. 65 S. 181) ausdrücklich gefolgt. Gleiche Auffassungen vertritt auch Die Entscheidung des Obersten Finanzgerichtshofs III 4/45 S vom 7. Mai 1947 (Slg. Bd. 54 S. 208, StuW 1947 Nr. 24). Die Anknüpfung der Besteuerung an die bürgerlich-rechtlich gewählte Form entspricht auch dem Wunsche der Steuerpflichtigen. Es wird auf diese Weise ein größerer Grad von Rechtssicherheit geschaffen. Der Kaufmann kann seine Entschlüsse auf zuverlässigen Grundlagen aufbauen. Die ordentlichen Gerichte, so insbesondere der Bundesgerichtshof, haben die Rechtsgestaltung der Kapitalgesellschaft bei Haftungsfragen gleichfalls als entscheidend angesehen, so die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs II ZR 168/54 vom 30. Januar 1956 (Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Steueranpassungsgesetz § 6 Rechtsspruch 21, Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 20 S. 4) und II ZB 11/56 vom 9. Oktober 1956 (StRK, Steueranpassungsgesetz § 5 Rechtsspruch 17, Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 21 S. 378). Siehe zu dem Problem auch Serick "Rechtsform und Realität Juristischer Personen" (Walter de Gruyter & Co Berlin, J. C. B. Mohr-Paul Siebeck-Tübingen) S. 12 ff., S. 104 ff., S. 203 ff.

Auch bei der Gründung einer Personengesellschaft in Verbindung mit ihrer Eintragung in das Handelsregister hat die Rechtsprechung es wesentlich auf die formale Gestaltung abgestellt. Der Reichsfinanzhof und der Bundesfinanzhof haben wiederholt ausgesprochen, daß zwar die Eintragung einer Gesellschaft in das Handelsregister als Handelsgesellschaft nur deklaratorischen Charakter habe (so Entscheidungen des Bundesfinanzhofs IV 246/50 S vom 22. August 1951, BStBl 1951 III S. 181, Slg. Bd. 55 S. 449, und I 351/56 U vom 16. September 1958, BStBl 1958 III S. 462). Es bestehe aber die Vermutung, daß eine derartige in das Handelsregister eingetragene Personengesellschaft tatsächlich ein Handelsgewerbe betreibe (Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 65/51 U vom 29. Januar 1952, BStBl 1952 III S. 99, Slg. Bd. 56 S. 252, sowie I 351/56 U). Im Streitfall erkennt das Finanzgericht an, daß die Gesellschaft die formellen Voraussetzungen einer handelsrechtlichen Personengesellschaft erfüllt und die Eintragung im Handelsregister nicht zu Unrecht erfolgt ist. Im Gegensatz zum Finanzamt lehnt es deshalb § 6 StAnpG ab. Seine Ansicht entspricht den in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 131/57 U vom 8. Januar 1958 (BStBl 1958 III S. 97, Slg. Bd. 66 S. 250) dargestellten Grundsätzen. Die Gesellschaftsform wurde nicht zu einer mißbräuchlichen Umgehung von Steuern gewählt. Die Gründung einer eingetragenen Genossenschaft war auf Hindernisse gestoßen.

Das Finanzgericht stützt seine Entscheidung im wesentlichen darauf, daß der Komplementär nicht Mitunternehmer sei. Diese Würdigung kann der Gesellschaft die Eigenschaft einer KG im steuerlichen Sinn nicht nehmen. Wie auch die Vorinstanz nicht bestreitet, ist die bürgerlich-rechtliche Haftungsverpflichtung des Komplementärs erfüllt. Allein die Annahme, daß seine Bezüge steuerlich im Ergebnis nicht als Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sondern als Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit anzusehen seien, kann nicht die Körperschaftsteuerpflicht der KG bewirken. Gleichartige Erwägungen berührten bereits das Problem der steuerlichen Beurteilung einer GmbH und Co. KG als Personengesellschaft. Hier kann die Haftung der KG durch entsprechende Gestaltung des Komplementärs wesentlich eingeschränkt werden. Trotzdem hat die Entscheidung I 351/56 U die GmbH und Co. KG als Personengesellschaft im steuerlichen Sinne anerkannt. In der Entscheidung I 88/53 U vom 12. Januar 1954 (BStBl 1954 III S. 101, Slg. Bd. 58 S. 496) hat der Senat der Tatsache, daß die Beteiligung der Kommanditisten an den stillen Reserven einer Personengesellschaft vertraglich ausgeschlossen war, für den Streitfall keine entscheidende Bedeutung zugemessen.

Auch die Möglichkeit, daß im vorliegenden Falle die stillen Gesellschafter erheblich wechseln können und ihre Zahl nicht festgelegt ist, spricht nicht gegen eine KG. Das Handelsrecht läßt diese Gestaltung zu.

Es mag zutreffen, daß bei der Anknüpfung an die Rechtsform Grenzfälle auftreten können, wo wirtschaftlich betrachtet zwischen einer körperschaftsteuerpflichtigen und einer nichtkörperschaftsteuerpflichtigen Personenvereinigung keine beachtlichen Unterschiede bestehen. Der Gesetzgeber gibt dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit, die ihm günstig erscheinende Form zu wählen. Diese Entscheidungsfreiheit hat zur Folge, daß er an seine Wahl gebunden bleibt und die steuerlichen Folgen hieraus zu tragen hat.

Da es sich somit im Streitfalle um eine handelsrechtliche Personengesellschaft handelt, müssen die Grundsätze des Einkommensteuerrechts auf die Gesellschafter angewandt werden. Es ist nicht zulässig, die Gesellschaft der Körperschaftsteuer zu unterwerfen.

Die Vorentscheidungen werden deshalb ersatzlos aufgehoben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409218

BStBl III 1959, 50

BFHE 1959, 130

BFHE 68, 130

BB 1959, 146

DB 1959, 127

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