Leitsatz (amtlich)

Eine Eigentumswohnung oder ein Miteigentumsanteil an einem Gebäude können auf einem unbebauten Grundstück nicht für sich allein, sondern nur durch Errichtung des betreffenden Gebäudes "hergestellt" werden. Die Herstellung des Gebäudes ist regelmäßig nur Voraussetzung dafür, daß das Wohnungsbauunternehmen seiner Verpflichtung zur Verschaffung des Wohnungseigentums oder des Miteigentums nachkommen kann, nicht aber selbst Gegenstand dieser Verpflichtung. Der auf den Erwerb der Eigentumswohnung oder des Miteigentums zielende Vertrag kann nicht in einen - der Grunderwerbsteuer unterliegenden - Kauf des Anteils am unbebauten Grund und Boden und einen - nicht der Grunderwerbsteuer unterliegenden - Vertrag über die Herstellung des Gebäudes zerlegt werden.

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 S. 1; BGB § 94 Abs. 1 S. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin schloß am 17. September 1964 mit der X-Gesellschaft (im folgenden Gesellschaft) einen notariell beurkundeten "Kaufvertrag". § 3 des Vertrages hatte den Kauf des Miteigentumsanteils an einer Grundstücksfläche zum Preis von 12 405,18 DM zum Gegenstand. Für die Baukosten einer zu errichtenden Eigentumswohnung wurde ein Festpreis von 62 344, 82 DM vereinbart (§ 6 des Vertrages). Die Gesamtkosten beliefen sich dementsprechend auf 74 750 DM (§ 9 des Vertrages). In § 4 des Vertrages hieß es, daß sämtliche Miteigentümer das Grundstück im Rahmen des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) mit einem Wohngebäude unter Betreuung durch die Gesellschaft bebauen und gemäß § 3 WEG das Sondereigentum an bestimmten Wohnungen und Räumen mit den einzelnen Miteigentumsanteilen verbinden werden, wobei die Klägerin die im Vertrag bezeichnete Wohnung erhalten werde. Gleichzeitig bevollmächtigte die Klägerin die Gesellschaft unter Befreiung von der Vorschrift des § 181 BGB, den Vertrag über die Begründung des Wohnungseigentums mit den anderen Miteigentümern abzuschließen. Die Gesellschaft verpflichtete sich, das Gebäude schlüsselfertig bzw. bezugsfertig zu erstellen (§ 2 des Vertrages).

Wegen der Wohnung war bereits am 12. März 1963 ein auf den Namen des Ehemanns der Klägerin lautender privatschriftlicher Betreuungs-Vertrag (Vorvertrag) geschlossen worden, der bis auf einen Betrag von 250 DM bereits den im Vertrag vom 17. September 1964 vereinbarten Gesamtpreis und bestimmte Zahlungsmodalitäten enthielt. Laut Anerkennungsbescheid der Stadt Y wurden die Wohnungen am 25. September 1964 bezugsfertig. Die Klägerin hat ihre Wohnung am 5. Januar 1965 übernommen.

Das beklagte FA unterwarf den Vertrag vom 17. September 1964 mit Bescheid vom 7. Juli 1965 der Grunderwerbsteuer, wobei es die Steuer aus einer Gegenleistung von 74 750 DM berechnete.

Die Klägerin meint, die Grunderwerbsteuer hätte nur aus dem Preis für die Grundstücksfläche (12 405, 18 DM) berechnet werden dürfen, da sie das Bauherrnrisiko getragen habe.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Mit der Revision rügt die Klägerin unrichtige Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Bei der Beurteilung des Bauherrnrisikos habe das FG insbesondere nicht berücksichtigt, daß die Gesellschaft die Wohnung nicht mit eigenen Mitteln, sondern mit Fremdmitteln und mit Mitteln der Klägerin errichtet habe. Nach § 15 Nr. 2 des Vorvertrags hätte sie bei einem "Rücktritt" die bereits geleisteten Teilzahlungen erst dann zurückerhalten, wenn die Gesellschaft einen neuen Kaufinteressenten gefunden und dieser seinerseits die erforderlichen Geldleistungen an die Gesellschaft bewirkt hätte.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegt ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks begründet, der Grunderwerbsteuer. Grundstücke im Sinne des GrEStG sind Grundstücke im Sinne des bürgerlichen Rechts (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG). Zum Grundstück gehören auch die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Gebäude (§ 94 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dementsprechend erhielt die Klägerin durch den "Kaufvertrag" vom 17. September 1964 einen Anspruch auf Übereignung des Miteigentumsanteils am Grundstück einschließlich Gebäude zum Zweck der Begründung von Wohnungseigentum an der im Vertrag näher bezeichneten Wohnung gemäß § 3 WEG. Der "Kaufvertrag" vom 17. September 1964 kann nicht in einen Vertrag, der den Anspruch auf Übereignung des Anteils an der Grundstücksfläche begründet, und einen Vertrag über die Herstellung eines Gebäudes zerlegt werden. Zwar können grundsätzlich zwei derartige Verträge nebeneinander bestehen; es können dabei auch beide Verträge in einer Urkunde zusammengefaßt sein (Urteil vom 28. November 1967 II 102/63, BFHE 90, 534, BStBl II 1968, 186). Es müssen dann jedoch inhaltlich zwei verschiedene Verträge vorliegen, die unterschiedliche Rechte und Pflichten der Vertragspartner begründen, wobei der nicht der Grunderwerbsteuer unterliegende Vertrag die Verpflichtung des Bauunternehmers zur Herstellung eines Gebäudes enthalten muß. Während sich der Anspruch auf Übereignung auch auf ideelle Grundstücks- und Gebäudeteile beziehen kann, kann sich der Anspruch auf Herstellung nur auf das gesamte Gebäude beziehen. So kann auch eine Eigentumswohnung oder - vor Abschluß des Vertrages nach § 3 WEG - der Miteigentumsanteil an einem Gebäude auf einem unbebauten Grundstück nicht für sich allein, sondern nur durch Errichtung des betreffenden Gebäudes hergestellt werden. Die Herstellung des Gebäudes ist regelmäßig nur Voraussetzung dafür, daß das Wohnungsbauunternehmen seiner Verpflichtung zur Verschaffung des Wohnungseigentums oder Miteigentums nachkommen kann, nicht aber selbst Gegenstand dieser Verpflichtung. Dementsprechend kann auch der Erwerber einer Eigentumswohnung in der Regel allenfalls auf die Gestaltung der in sein Sondereigentum fallenden Wohnungsteile Einfluß nehmen; der bloße Miteigentümer hat mangels Sondereigentums nach § 1 Abs. 2 WEG nicht einmal diese Rechte. Regelmäßig bestimmt daher das Wohnungsbauunternehmen überwiegend oder allein die Plangestaltung und Bauausführung des Gebäudes und tritt auch gegenüber Behörden und Bauhandwerkern im eigenen Namen auf. So war es auch im Streitfall: Nicht die Klägerin (und die übrigen Miteigentümer), sondern die Gesellschaft ist den Behörden und Bauhandwerkern gegenüber im eigenen Namen aufgetreten. Die Gesellschaft hatte entscheidenden Einfluß auf Plangestaltung und Ausführung des Gesamtbauvorhabens. Die von der Klägerin geäußerten und tatsächlich berücksichtigten Sonderwünsche betrafen nur die Innenausstattung der für sie bestimmten Wohnung. Ebenso wie sich die Klägerin in dem "Kaufvertrag" vom 17. September 1964 - weder als Alleinschuldnerin noch als Gesamtschuldnerin mit den übrigen Miteigentümern - zur Zahlung der Baukosten des gesamten Gebäudes, sondern nur zur Zahlung der auf ihre Wohnung entfallenden Baukosten verpflichtete, war die Verpflichtung der Gesellschaft auf die Verschaffung nur des Miteigentums am Gebäude zwecks Begründung des im Vertrag genannten Wohnungseigentums und nicht auf die Herstellung des gesamten Gebäudes gerichtet. Der Vertrag vom 17. September 1964 zerfällt demgemäß nicht in zwei inhaltlich unterschiedliche Verträge, deren einer die Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber der Klägerin zur Übereignung des Miteigentumsanteils am unbebauten Boden und deren anderer die Verpflichtung der Gesellschaft zur Herstellung des gesamten Gebäudes zum Gegenstand gehabt hätte.

Diese Betrachtungsweise läßt für möglicherweise andersartige einkommensteuerrechtliche Gesichtspunkte keinen Raum. Das Einkommensteuerrecht knüpft unmittelbar an den Begriff des Bauherrn (§ 11c Abs. 3 EStDV) rechtliche Folgen (§ 7 Abs. 5 EStG). Einkommensteuerrechtlich kommt es deshalb unmittelbar darauf an, wer auf eigene Rechnung und Gefahr ein Gebäude baut oder bauen läßt (§ 11c Abs. 3 EStDV). Für die Grunderwerbsteuer kommt es dagegen im Fall des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG darauf an, ob das Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet, sich auf den bloßen Grund und Boden oder auf das Grundstück mit Gebäude bezieht. Für die Grunderwerbsteuer können die den Begriff des Bauherrn nach § 11c Abs. 3 EStDV bestimmenden Kriterien, zu denen auch das von der Klägerin in den Vordergrund gestellte Bauherrnrisiko gehört, nur hilfsweise herangezogen werden (vgl. Urteil vom 20. Februar 1974 II R 59/66, BFHE 112, 203, BStBl II 1974, 428). Das gilt insbesonders dann, wenn zwei Verträge vorliegen, und es nach dem Vertragsinhalt zweifelhaft ist, ob der sich auf das Gebäude beziehende Vertrag einen Anspruch auf Herstellung des Gebäudes oder zusammen mit dem sich auf Grund und Boden beziehenden Vertrag einen Anspruch auf Übereignung des Grundstücks mit Gebäude begründet (vgl. Urteil des BFH II 102/63). Der gesonderte Ausweis des auf den Grund und Boden und auf den Gebäudeteil entfallenden Preises und die offensichtlich von einkommensteuerrechtlichen Erwägungen beeinflußte Formulierung, daß die Miteigentümer das Grundstück mit einem Wohngebäude bebauen werden (§ 4 des Vertrags), ändern nichts daran, daß die Klägerin keinen auf die Herstellung eines Gebäudes gerichteten bürgerlich-rechtlichen Vertrag abgeschlossen hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71172

BStBl II 1975, 89

BFHE 1975, 545

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