Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Grundsätze des Urteils des Bundesfinanzhofs I 11/58 S vom 5. Mai 1959 (BStBl 1959 III S. 369) gelten auch für solche Gesellschafter-Geschäftsführer, die an der Kapitalgesellschaft zu mehr als 50 v. H. beteiligt sind.

Das Verbot der Vergütung für in der Vergangenheit liegende Dienstleistungen (Urteil des Bundesfinanzhofs I 47/55 U vom 11. Oktober 1955, BStBl 1955 III S. 397, Slg. Bd. 61 S. 515) gilt in der Regel nicht für solche Gesellschafter-Geschäftsführer, die zu weniger als 25 v. H. an der Kapitalgesellschaft beteiligt sind.

Bei der Prüfung der Angemessenheit der laufenden Bezüge und der Pensionszusage ist die Pensionszusage in der Regel mit dem Betrag der Jahresnettoprämie anzusetzen.

 

Normenkette

KStG § 6; EStG § 4 Abs. 1, § 5; StAnpG § 1 Abs. 2

 

Tatbestand

An der im Jahr 1946 gegründeten, sich mit der Herstellung von Kleider- und Mantelstoffen befassenden GmbH waren im Veranlagungszeitraum 1954 das Ehepaar A. mit 80 v. H. und der Gesellschafter B. mit 20 v. H. beteiligt. Die drei zu Gesellschafter-Geschäftsführern bestellten Gesellschafter bezogen ein Jahresgehalt von je 9900 DM. Ende 1954 machte die GmbH ihren Gesellschafter-Geschäftsführern gleichlautende Pensionszusagen. Danach sollten die Gesellschafter-Geschäftsführer unter der Voraussetzung, daß sie bei Vollendung des 60. Lebensjahres noch in den Diensten der GmbH stünden, eine monatliche Altersrente von 675 DM auf Lebenszeit erhalten. Die gleiche Rente sollte ihnen für den Fall gezahlt werden, daß sie während der Laufzeit der Arbeitsverträge durch Unfall oder Krankheit erwerbsunfähig würden.

Auf Grund dieser Zusagen wies die GmbH in der Bilanz vom 31. Dezember 1954 eine einer Einmalprämie entsprechende Rückstellung von insgesamt 77 095 DM zu Lasten des Gewinns aus. Mit Rücksicht darauf, daß die Zusagen ausdrücklich auch im Hinblick auf die bereits abgelaufene Dienstzeit der Gesellschafter-Geschäftsführer gemacht worden seien, hielt die GmbH die Bildung dieser nach versicherungsmathematischen Grundsätzen berechneten Einmalrückstellung für zulässig.

Das Finanzamt war der Auffassung, daß die Summe der laufenden Gehälter und der auf die drei Gesellschafter-Geschäftsführer entfallenden Teile der Rückstellung die für die Tätigkeit der Gesellschafter-Geschäftsführer angemessenen Vergütungen überstiegen, und sah in der Rückstellung von 77 095 DM in Höhe von 36 000 DM eine verdeckte Gewinnausschüttung.

Die Sprungberufung der GmbH hatte Erfolg. Das Finanzgericht begründete seine Entscheidung wie folgt. Bis zum Inkrafttreten des § 6a des Einkommensteuergesetzes (EStG), also für die Veranlagungszeiträume bis einschließlich 1954, könne nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 113/52 U vom 10. Februar 1953 (BStBl 1953 III S. 102, Slg. Bd. 57 S. 254) für Pensionszusagen, die im Laufe der Dienstzeit gegeben würden, eine Einmalrückstellung gebildet werden, soweit sich die Pensionszusage als Entgelt für die bereits geleisteten Dienste darstelle. Das Urteil des Bundesfinanzhofs I 47/55 U vom 11. Oktober 1955 (BStBl 1955 III S. 397, Slg. Bd. 61 S. 515), wonach Gehaltszahlungen für eine frühere Tätigkeit von Gesellschaftern im Dienst ihrer Gesellschaft steuerlich nicht anerkannt würden, sei nur auf Fälle anwendbar, in denen der Gesellschafter-Geschäftsführer in der Vergangenheit unentgeltlich für die Gesellschaft tätig gewesen sei. Es sei demnach lediglich zu prüfen, ob die Gesamtbezüge der Gesellschafter-Geschäftsführer, also Gehalt und Wert der Pensionszusage, unangemessen hoch seien. Dabei sei die Istführung zur Pensionsrückstellung kein geeigneter Maßstab für die Bewertung der dem Gesellschafter-Geschäftsführer gemachten Pensionszusage, da die GmbH ein Wahlrecht habe, ob sie ihre Pensionsverpflichtung bilanzmäßig ausweisen wolle oder nicht. Die Rückstellung selbst bedeute keine Zuwendung an die Gesellschafter-Geschäftsführer. Auch wenn man an Stelle der Istzuführung die Sollzuführung, also die Zuführung, die sich bei versicherungsmathematischer Gleichverteilung des erforderlichen Deckungskapitals vom Zeitpunkt der Zusage bis zum Zeitpunkt des Versorgungsfalles ergebe, der Prüfung der Angemessenheit zugrunde lege, gewinne man keinen geeigneten Wertmaßstab. Denn wegen der Zinsauswirkung stiegen die Sollzuführungen von Jahr zu Jahr an. Die Sollzuführung berücksichtige mithin wohl die Belastung des Unternehmens durch die Zusage, aber nicht den Wert der Zuwendung an den Berechtigten. Der Wert der Zusage liege für den Begünstigten allein in dem, was er erspare, weil er selbst die Mittel für seine Zukunftssicherung nicht aufzubringen brauche. Dieser Wert sei gleich der Jahresprämie, die der begünstigte Gesellschafter- Geschäftsführer für einen entsprechenden Versicherungsbetrag aufwenden müßte, wenn Verwaltungs- und Abschlußkosten nicht berücksichtigt würden. Gehe man von diesen Grundsätzen aus, so sei die Rückstellung nicht zu beanstanden, da die laufenden Gehälter der Gesellschafter-Geschäftsführer zuzüglich der Jahresnettoprämien die Beträge nicht überstiegen, die auch das Finanzamt als angemessene Vergütungen bezeichnet habe.

 

Entscheidungsgründe

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) erstrebt der Vorsteher des Finanzamts die Wiederherstellung des Körperschaftsteuerbescheides. Seine Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Der Senat hat in dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil I 11/58 S vom 5. Mai 1959 die Grundsätze dargelegt, nach denen die Zulässigkeit von Pensionsrückstellungen für den Gesellschafter- Geschäftsführer einer Einmann-Kapitalgesellschaft zu beurteilen ist. Danach kommt es entscheidend darauf an, ob nach den Erfahrungen des Lebens ernsthaft damit gerechnet werden kann, daß der Pensionsfall tatsächlich eintreten wird, wie es im Vertrag vorgesehen ist. Nur dann handelt es sich um eine ernsthafte Verpflichtung. Die Lebenserfahrung zeigt, daß die Gesellschafter von Einmann-Kapitalgesellschaften bis in ihr hohes Alter, ja meist bis zum Tode, gehaltsbeziehende Geschäftsführer bleiben. Da ein solcher Gesellschafter in aller Regel nicht dartun kann, daß es bei ihm anders sein wird, kann die Pensionsrückstellung steuerlich nur in besonders gelagerten Fällen anerkannt werden. Im einzelnen wird auf das Urteil I 11/58 S verwiesen. Dieselben Grundsätze sind auch auf die Fälle anzuwenden, in denen der Gesellschafter- Geschäftsführer allein oder zusammen mit seiner Ehefrau und seinen von ihm abhängigen Kindern die Kapitalgesellschaft so weitgehend beherrscht, daß die Fortdauer seiner Tätigkeit als Geschäftsführer im wesentlichen von seinem Willen abhängt, weil widersprechende Interessen anderer Gesellschafter entweder nicht bestehen oder der Geschäftsführer auf diese Interessen keine Rücksicht zu nehmen braucht. Dabei wird man in der Regel die Anteile von Ehegatten zusammenrechnen müssen, weil ihre gesellschaftlichen Interessen gleichlaufen. Im allgemeinen liegen die bezeichneten Voraussetzungen bei einer Beteiligung von mehr als 50 v. H. vor. Da das Finanzgericht diese aus der Entscheidung des Senats I 11/58 S sich ergebenden Folgerungen nicht berücksichtigen konnte, muß die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen werden. Das Finanzgericht wird der GmbH die Möglichkeit geben, zu diesen Rechtsgrundsätzen und ihrer Anwendung auf den vorliegenden Fall Stellung zu nehmen.

Was die Pensionsrückstellung für den nur mit 20 v. H. beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführer B. anlangt, so bietet der Inhalt der Akten keinen Anhalt für die Annahme, daß die Pensionszusage gegenüber diesem Gesellschafter-Geschäftsführer nicht ernsthaft war und daß der Geschäftsführer bei Eintritt der Voraussetzungen der Rentenzahlung nicht tatsächlich zum Pensionsbezieher werden wird. Die Auffassung des Finanzgerichts, daß das Urteil des Bundesfinanzhofs I 47/55 U, wonach Gehaltszahlungen für die frühere Tätigkeit von Gesellschaftern im Dienst der Kapitalgesellschaft steuerlich nicht anerkannt werden, nur daß angewendet werden kann, wenn der Gesellschafter- Geschäftsführer in der Vergangenheit ohne jede Vergütung in seiner Eigenschaft als Gesellschafter tätig gewesen sei, ist nicht zutreffend. Auch eine in der Vergangenheit gewährte Vergütung für die Dienstleistung des Gesellschafter-Geschäftsführers darf rückwirkend nicht erhöht werden, so daß auch für die Zeit bis zum 31. Dezember 1954 für die in der Vergangenheit liegenden Dienstleistungen des Gesellschafter-Geschäftsführers keine Einmalrückstellung zu Lasten des steuerlichen Gewinns gebildet werden darf. Das Verbot, Dienstleistungen oder sonstige Leistung des Gesellschafters für die Vergangenheit zu vergüten, gilt aber nur für solche Gesellschafter, die einen ins Gewicht fallenden Einfluß auf die Kapitalgesellschaft ausüben können und bei denen die Gesellschaftereigenschaft nicht offensichtlich gegenüber der Angestellteneigenschaft zurücktritt. Das Verbot der Rückwirkung ist deshalb in der Regel bei solchen Gesellschafter- Geschäftsführern nicht anzuwenden, die zusammen mit ihren Angehörigen oder ihnen sonst nahestehenden Personen zu weniger als 25 v. H. an der Kapitalgesellschaft beteiligt sind. Das Finanzgericht wird erneut prüfen müssen, für welche vergangenen Jahre der Gesellschafter-Geschäftsführer B. durch die Pensionszusage eine Vergütung für geleistete Dienste erhalten sollte. Soweit bei versicherungsmathematischer Gleichverteilung des bis zum Rentenfall anzusammelnden Kapitals auf diese vergangenen Jahre und auf die Zeit bis zum Eintritt des Pensionsfalls die Vergangenheit belastet wird, ist nach den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs I 113/52 U zu verfahren und eine Einmalrückstellung zuzulassen.

Bei der Berechnung des notwendigen Deckungskapitals wird das Finanzgericht zu beachten haben, daß steuerlich eine auf das 60. Lebensjahr abgestellte Pensionszusage in der Regel nicht anerkannt werden kann und daß das 65. Lebensjahr der Berechnung zugrunde gelegt werden muß. Nach dem Wortlaut der Pensionsvereinbarung ist die Altersrente nicht davon abhängig, daß der Gesellschafter- Geschäftsführer B. seinen aktiven Dienst beendet. Es muß der GmbH die Möglichkeit gegeben werden, klarzustellen, daß der Rentenfall bei Erreichung des 65. Lebensjahres nur dann eintreten soll, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer kein Gehalt mehr bezieht. Lehnt sie das ab, kann die Rückstellung nicht zugelassen werden.

Was die Prüfung der Angemessenheit der aus laufenden Bezügen und einer Pensionszusage bestehenden Vergütung des Gesellschafter- Geschäftsführers B. anlangt, so ist dem Finanzgericht darin beizustimmen, daß bei der Berechnung des Wertes der Pensionszusage nicht von der Einmalrückstellung ausgegangen werden darf. Da die GmbH zur Bildung einer Rückstellung nicht verpflichtet ist, kommt es für die Angemessenheit der Vergütung auf die tatsächliche Zuführung zur Rückstellung nicht an. Grundsätzlich wird man schon deshalb, um die Pensionsrückstellung mit einem jährlich gleichbleibenden Betrag anzusetzen, von der Jahresnettoprämie ausgehen müssen. Im übrigen dürften bei einem Gesellschafter- Geschäftsführer, der zu weniger als 25 v. H. an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist, in der Regel keine Bedenken gegen die Angemessenheit seiner Bezüge zu erheben sein.

Die Vorentscheidung war sonach aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409456

BStBl III 1959, 374

BFHE 1960, 299

BFHE 69, 299

BB 1959, 947, 984

DB 1959, 1036

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