Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachweis der Voraussetzungen für eine steuerfreie Ausfuhrlieferung

 

Leitsatz (NV)

1. Die Finanzbehörde beurteilt, ob der als materielle Voraussetzung für die Steuerfreiheit der Ausfuhrlieferung geforderte Ausfuhrnachweis durch den vom Unternehmer vorgelegten Beleg geführt worden ist, als Vorfrage bei der Entscheidung über die Steuerfestsetzung und nicht durch selbständig anfechtbaren Verwaltungsakt.

2. Zu den Anforderungen an den Nachweis der Ausfuhr jugendgefährdender Schriften in ein Land, in das die Einfuhr dieser Gegenstände strafbar ist.

 

Normenkette

UStG 1967 § 6 Abs. 1-2; 2. UStDV § 1 Abs. 1, 2 Nr. 2; UStDV 1980 § 8 Abs. 1, § 9

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) lieferte jugendgefährdende Schriften (Bücher und Magazine) amerikanischer Herkunft vom Inland an Abnehmer in die Schweiz. Die Einfuhr dieser als unzüchtig angesehenen Schriften war nach Schweizer Recht strafbar (Art. 36 Abs. 4 des Schweizerischen Bundesgesetzes über das Zollwesen, Art. 55 der Vollziehungsverordnung).

Der Kläger schaffte für den Transport der Schriften einen VW-Bus mit Spezialeinbauten an. Er mietete in Grenznähe auf deutscher Seite eine Wohnung mit Garage, benutzte verschiedene Grenzübergänge und verschiedene Fahrzeugkennzeichen und meldete seine Fahrzeuge zu diesem Zweck auf andere Halter um. Gleichwohl wurden einzelne Frachten beschlagnahmt.

Bei einer Einreise in die Schweiz am . . . 1973 wurde der Kläger von der Bezirksstaatsanwaltschaft Zürich wegen der Einfuhr unzüchtiger Schriften in Untersuchungshaft genommen, nach Zahlung einer Kaution aber wieder freigelassen. Zu einer Verurteilung kam es nicht. Der Kläger zeichnete die einzelnen Lieferungen in die Schweiz auf selbst entworfenen Formularen auf, die mit ,,Lieferschein gleichzeitig Ausfuhr- und Abnehmerbescheinigung für Umsatzsteuerzwecke" überschrieben worden waren. Auf ihnen waren Angaben über die Anschrift des Abnehmers, den Übergabetag und die Bezeichnung der Liefergegenstände vorgesehen. Nicht angegeben waren trotz dafür vorgesehener Rubriken die Zahl der Packstücke und die Menge der Liefergegenstände. Die Bestätigung der Übergabe der Liefergegenstände war durch Unterschrift der Abnehmer vorgesehen. Sie fehlte jedoch in allen Fällen. Außerdem führte der Kläger ein Jahresverzeichnis ,,Auslandsexport", das er folgendermaßen unterteilt hatte: ,,Laufende Nummer, Ausgangsrechnung vom, Kundenanschrift, Ausfuhr am, Rechnungsbetrag, bezahlt am, Warenbezeichnung, bestätigt durch, Belege". Unter ,,bestätigt durch" war das Verkehrsmittel (z. B. Bahn, Kraftfahrzeug) angegeben worden, mit dem die Liefergegenstände in die Schweiz befördert worden waren. Als ,,Belege" führte der Kläger Tankquittungen und Reisekostenabrechnungen an.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) versagte dem Kläger in den Umsatzsteuerbescheiden für 1970 bis 1972 die von ihm für Ausfuhrlieferungen in die Schweiz begehrte Steuerfreiheit, weil er keine Ausfuhrbelege mit einer Ausfuhrbestätigung durch deutsche Zollstellen vorgelegt habe. Der Kläger wandte dagegen vor dem Finanzgericht (FG) u.a. ein, es sei unzumutbar, von ihm derartige Ausfuhrbelege zu verlangen, zumal aus den vorgelegten Beschlagnahmeprotokollen der Schweizer Behörden erkennbar sei, daß die Lieferungsgegenstände in die Schweiz gelangt seien.

Das FG wies die Klage in dem hier interessierenden Streitpunkt ab.

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren auf Festsetzung der Umsatzsteuer für die Streitjahre entsprechend seinen Steuererklärungen weiter. Er rügt die fehlerhafte Anwendung des § 1 Abs. 1, Abs. 2 der Zweiten Verordnung zur Durchführung des Umsatzsteuergesetzes (Mehrwertsteuer) - 2. UStDV - vom 11. Oktober 1967 (BGBl I 1967, 980, BStBl I 1967, 364) durch das FG. Zur Begründung macht er u.a. geltend, seine Belege genügten den Anforderungen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben, die Umsatzsteuerbescheide 1970 bis 1972 zu ändern und die Umsatzsteuer auf . . . festzusetzen.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Das FG hat zu Recht entschieden, daß die Lieferungen des Klägers von jugendgefährdenden Schriften an Abnehmer in der Schweiz nicht als Ausfuhrlieferungen (§ 4 Nr. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1967 - UStG 1967 -) steuerfrei sind, weil er die Voraussetzungen der Ausfuhr (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1967) dieser Gegenstände nicht durch dafür bestimmte Belege (§ 6 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 UStG 1967, § 1 Abs. 2 Nr. 2 der 2. UStDV) nachgewiesen hat.

a) Eine steuerfreie Ausfuhrlieferung (§ 4 Nr. 1 UStG 1967) liegt vor, wenn der Unternehmer Lieferungen an einen ausländischen Abnehmer bewirkt hat (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, Satz 2 UStG 1967), der Gegenstand der Lieferung in das Ausland gelangt ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1967), die Ausfuhr des Gegenstandes der Lieferung durch Belege nachgewiesen worden ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 UStG 1967) und die vorstehenden Voraussetzungen auch buchmäßig nachgewiesen worden sind (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 UStG 1967). Wie der Ausfuhrnachweis (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 UStG 1967) und der buchmäßige Nachweis (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 UStG 1967) zu führen sind, hat der Bundesminister der Finanzen (BMF) mit Zustimmung des Bundesrates aufgrund gesetzlicher Ermächtigung (§ 6 Abs. 2 UStG 1967) in § 1 und § 2 der 2. UStDV bestimmt. Der Ausfuhrnachweis ist von dem Unternehmer durch Belege im Bundesgebiet zu führen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. UStDV, jetzt § 8 Abs. 1 UStDV 1980). Aus den Belegen muß sich eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben, daß der Gegenstand in das Ausland gelangt ist (§ 1 Abs. 1 Satz 2 der 2. UStDV, jetzt § 8 Abs. 1 Satz 2 UStDV 1980). Wenn der Unternehmer die Ausfuhr des Gegenstands nicht durch einen Beauftragten vornehmen läßt, soll der Ausfuhrnachweis regelmäßig durch einen Beleg geführt werden (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 der 2. UStDV, jetzt § 9 UStDV 1980). Dieser soll eine Ausfuhrbestätigung der Grenzzollstelle enthalten (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. d der 2. UStDV, jetzt § 9 Nr. 4 Satz 1 UStDV 1980).

b) Die Regelungen über den Ausfuhrnachweis in § 1 Abs. 2 Nr. 2 der 2. UStDV sind von der Ermächtigung in § 6 Abs. 2 UStG 1967 gedeckt (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. Oktober 1979 V B 5/79, BFHE 129, 226, BStBl II 1980, 110).

c) Unbedenklich ist, daß § 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 der 2. UStDV der Finanzbehörde einen Entscheidungsspielraum bei der Beurteilung einräumt, ob der Ausfuhrnachweis geführt worden ist. Der Wortlaut des § 1 Abs. 2 Nr. 2 der 2. UStDV schließt nicht aus, daß die Finanzbehörde in Ausnahmefällen auch einen Beleg mit einem anderen Inhalt als Ausfuhrnachweis anerkennen darf, sofern sich die Ausfuhr aus der Urkunde eindeutig und leicht nachprüfbar ergibt (§ 1 Abs. 1 Satz 2 der 2. UStDV). Die Finanzbehörde entscheidet darüber nicht durch selbständig anfechtbaren Verwaltungsakt. Vielmehr beurteilt sie, ob der als materielle Voraussetzung für die Steuerfreiheit der Ausfuhrlieferung geforderte Ausfuhrnachweis (BFH-Urteil vom 28. Februar 1980 V R 118/76, BFHE 130, 118, BStBl II 1980, 415, Anmerkung in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1980, 347, und Weiß, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1980, 162) durch den vom Unternehmer vorgelegten Beleg geführt worden ist, als Vorfrage bei der Entscheidung über die Steuerfestsetzung nach pflichtgemäßem Ermessen unter Beachtung der in § 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 der 2. UStDV aufgestellten Richtlinien (vgl. BFH-Urteil vom 21. Dezember 1961 V 160/59 S, BFHE 74, 565, BStBl III 1962, 209 zu § 14 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz i.d.F. vom 1. September 1951 - UStDB - mit entsprechendem Wortlaut).

Die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Finanzbehörde in dieser Vorfrage für die Steuerfestsetzung kann das FG - wie auch andere nach pflichtgemäßem Ermessen im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung zu treffende Ermessensentscheidungen der Finanzbehörde - in vollem Umfang und nicht nur in den Grenzen gemäß § 102 FGO im Verfahren gegen den Steuerbescheid überprüfen. Es hat dabei, wie sich aus § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ergibt, nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden.

d) Das FG hat revisionsrechtlich unangreifbar entschieden, daß der Kläger die Ausfuhr der jugendgefährdenden Schriften in die Schweiz nicht in der für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1, § 6 Abs. 1 UStG 1967 geforderten Weise nachgewiesen hat.

Der Nachweis darf nur durch Belege (§ 6 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 UStG 1967, § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. UStDV) geführt werden. Der Beleg ist tatbestandliche Voraussetzung für die Umsatzsteuerbefreiung einer Ausfuhrlieferung (BFHE 130, 118, BStBl II 1980, 415). Fehlt diese Voraussetzung, ist der Umsatz steuerpflichtig, auch wenn die Lieferung tatsächlich an einen ausländischen Abnehmer erfolgt ist (vgl. BFH-Urteil vom 29. Januar 1959 V 43/58 U, BFHE 68, 310, BStBl III 1959, 121). Der Nachweis durch Beleg kann nicht durch Zeugenbeweis oder auf sonstige Weise geführt werden. Deshalb hat das FG zutreffend die angebotene Vernehmung der Fahrer und Abnehmer des Klägers als Zeugen abgelehnt und den Ausfuhrnachweis auch durch die finanzbehördliche Anerkennung der Reisekosten für Geschäftsfahrten in die Schweiz nicht als geführt angesehen.

Die von dem Kläger vorgelegten Belege entsprechen den gesetzlichen Anforderungen an einen Ausfuhrnachweis nicht. Sie ergeben - gemessen an den Voraussetzungen des § 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 der 2. UStDV - nicht eindeutig und leicht nachprüfbar, daß die Schriften, für deren Lieferung der Kläger die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 1, § 6 Abs. 1 UStG 1967 begehrt, in das Ausland gelangt sind. Die Belege des Klägers enthalten keine Ausfuhrbestätigung der Grenzzollstelle und keine gleichwertige Bestätigung anderer Zollstellen bei einer Ausfuhr im gemeinschaftlichen Versandverfahren (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. d der 2. UStDV), mit denen die Ausfuhr regelmäßig nachgewiesen wird.

In Ausnahmefällen kann der Unternehmer den Ausfuhrnachweis durch Beleg auch ohne die Bestätigung der Ausfuhr durch eine Zollbehörde führen. Ausnahmefälle sind vorhanden, wenn es dem Unternehmer unmöglich oder unzumutbar ist, die Bestätigung einer Zollstelle zu erlangen. In diesen Fällen muß der Unternehmer die Ausfuhr durch einen Beleg mit einer gleichwertigen Bestätigung eindeutig und leicht nachprüfbar nachweisen. Ob die Bestätigungen der Abnehmer ausreichend wären, erscheint zweifelhaft; aber selbst diese fehlen.

Nach den im Zusammenhang mit der Ausfuhr von dem FG getroffenen Feststellungen, zu denen auch die Würdigung dieses Sachverhalts gehört, war es dem Kläger möglich und auch zumutbar, sich die Ausfuhrbestätigung bei den deutschen Grenzzollstellen zu beschaffen. An diese Feststellungen ist der Senat gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Es genügt, daß die tatsächlichen Schlußfolgerungen - wie im Streitfall - möglich sind. Sie brauchen nicht zwingend zu sein. Danach ist revisionsrechtlich unangreifbar festgestellt, daß der Kläger durch die ihm bei der Einfuhr der unzüchtigen Schriften in die Schweiz drohende Bestrafung nicht gehindert war, sich ihre Ausfuhr durch inländische Grenzzollstellen bescheinigen zu lassen.

Da kein Ausnahmefall vorliegt, erfüllen die Eigenbelege des Klägers mit den beigefügten Tankquittungen und Reisekostenabrechnungen die Anforderungen an den Beleg über den Ausfuhrnachweis nicht. Die Beschlagnahmeprotokolle der Schweizer Behörden erfüllen diese Voraussetzungen ebenfalls nicht. Sie beweisen, wie das FG zutreffend entschieden hat, die Rücksendung, aber keine Lieferung der Waren. Der neue Tatsachenvortrag, daß Schweizer Zollbeamte bei der Grenzabfertigung durch deutsche Zollbehörden von den einzuführenden Gegenständen hätten Kenntnis erhalten können, kann in der Revision nicht berücksichtigt werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415181

BFH/NV 1988, 125

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