Leitsatz (amtlich)

1. Die Rechtsgrundsätze des Beschlusses des Großen Senats vom 29. Mai 1972 GrS 4/71 (BFHE 106, 504, BStBl II 1973, 5) über die Obergrenze für die Angemessenheit der Gewinnbeteiligung eines als Gesellschafter aufgenommenen Familienangehörigen sind nicht ohne weiteres übertragbar auf Gesellschaftsverhältnisse zwischen Familienangehörigen, die nicht auf einer Schenkung des Gesellschaftsanteils durch den bisherigen Alleinunternehmer (Vater) beruhen, sondern in der Weise zustande gekommen sind, daß der in die Gesellschaft aufgenommene Familienangehörige dem Unternehmen aus eigenen Mitteln neues Kapital zuführt.

2. Gleichwohl ist auch in derartigen Fällen zu prüfen, ob die dem Familienangehörigen eingeräumte Gesellschafterstellung und insbesondere die ihm zugebilligte Gewinnbeteiligung angemessen ist.

2. Den Maßstab für die Prüfung, ob die Gewinnverteilung angemessen ist, bildet in diesen Fällen die unter Fremden übliche Gestaltung.

 

Normenkette

EStG § 15 Nr. 2; StAnpG § 1 Abs. 2-3

 

Tatbestand

Streitig ist, inwieweit bei einer KG, deren Gesellschafter Familienangehörige waren, die im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Gewinnverteilung einkommensteuerrechtlich anzuerkennen ist.

In den Streitjahren 1953 bis 1957 waren Gesellschafter der Klägerin zu 1., einer KG, die ein Großhandelsunternehmen betreibt, der Kaufmann V, dessen Ehefrau M und deren gemeinsame Tochter T, die Klägerin zu 2. V war Komplementär, M und T waren Kommanditisten. Seit Ende 1954 waren nach dem ursprünglichen Sachvortrag der Kläger außerdem die beiden Kinder der Kommanditistin T aus erster Ehe, die im Jahre 1940 geborene ET und der im Jahre 1942 geborene ES, als stille Gesellschafter an der KG beteiligt. ET und ES sind nunmehr Kommanditisten der Klägerin zu 1.

Die KG ist aus einer 1930 gegründeten GmbH hervorgegangen, die 1937 in eine KG umgewandelt worden war. Gesellschafter der KG waren damals V als Komplementär und seine Ehefrau M als Kommanditistin. 1945 trat deren gemeinsame Tochter T als weitere Kommanditistin in die KG ein.

Die Kommanditeinlagen von M und T betrugen je 30 000 RM. Am Gewinn war jeder der drei Gesellschafter zu 1/3 beteiligt.

Unter dem Datum vom 21. Dezember 1954 schlossen die Gesellschafter der KG einen Vertrag zur Neuregelung der Beteiligungsverhältnisse. In diesem Vertrag heißt es, das ausgewiesene Kapital der drei Gesellschafter belaufe sich auf 90 000 DM. Die Kommanditeinlagen seien bisher noch nicht auf DM umgestellt gewesen. Dies werde nachgeholt, und zwar in der Weise, daß die Kommanditeinlage von M auf 30 000 DM und die Kommanditeinlage von T auf 10 000 DM umgestellt werde und T zum Ausgleich weitere 20 000 DM als stille Beteiligung erhalte. Die restlichen 30 000 DM des Gesamtkapitals seien Kapital des Komplementärs V. T habe ihre stillen Beteiligungen mit je 10 000 DM an ihre Kinder ET und ES verschenkt. Entsprechend den neu festgesetzten Beteiligungsverhältnissen werde der Gewinn ab 1. Januar 1954 in der Weise verteilt, daß V und M je 1/3 und T, ET und ES je 1/9 erhielten.

Die Kommanditistin M verstarb am 16. März 1964. Sie wurde je zur Hälfte von ihrem Ehemann V und ihrer Tochter T beerbt. Der Komplementär V verstarb am 27. Juli 1964. Alleinerbin war seine Tochter T.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte, das FA, rechnete in dem ursprünglichen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid für 1953 in Übereinstimmung mit der abgegebenen Erklärung den festgestellten Gewinn den Gesellschaftern der KG zu je 1/3 zu. In gleicher Weise verfuhr das FA im ursprünglichen Gewinnfeststellungsbescheid für 1954; hier wich das FA allerdings insofern von der Erklärung der KG ab, als es von dem festgestellten Gewinn nicht T, ET und ES je 1/9, sondern statt dessen allein T 1/3 zurechnete, da die im Vertrag vom 21. Dezember 1954 vereinbarte Rückbeziehung der Begründung einer stillen Gesellschaft steuerlich nicht anerkannt werden könne.

Bei den vorläufigen einheitlichen Gewinnfeststellungen für 1955 bis 1957 rechnete das FA entsprechend den abgegebenen Erklärungen den festgestellten Gewinn dem Komplementär V zu 1/3, der Kommanditistin M zu 1/3, der Kommanditistin T zu 1/9 und den stillen Gesellschaftern ET und ES zu je 1/9 zu.

1960 fand bei der KG eine Betriebsprüfung statt, die die Jahre 1953 bis 1957 umfaßte. Der Prüfer war der Meinung, daß die vorgenommene Gewinnverteilung wirtschaftlich den Leistungen der Gesellschafter nicht gerecht werde und deshalb steuerlich nicht anerkannt werden könne. Nach der Struktur des Unternehmens hänge dessen Erfolg entscheidend von der persönlichen Leistung des Geschäftsführers ab. Nur auf seinen Einsatz sei die Steigerung der Umsätze und Gewinne zurückzuführen. Das eingesetzte Kapital spiele im Vergleich dazu keine Rolle. Dies sei bei der vorgenommenen Gewinnverteilung nicht berücksichtigt worden. Der Prüfer schlug vor, von dem Gewinn dem Komplementär vorab 50 v. H. als Vergütung für die Geschäftsführung und die Übernahme des Haftungsrisikos zuzurechnen und den Restgewinn (nach Abzug der Tätigkeitsvergütung für die Kommanditistin T) wie vertraglich vorgesehen zu verteilen. Das FA schloß sich dieser Auffassung an und erließ am 15. August 1962 auf dieser Grundlage berichtigte Gewinnfeststellungsbescheide für 1953 bis 1957.

Während des Einspruchsverfahrens änderten der Prüfer und das FA zuungunsten der Beteiligten ihre Rechtsansicht dahin, daß nach der Rechtsprechung des BFH einem nicht mitarbeitenden Kommanditisten nur eine angemessene Verzinsung seiner Einlage und einem stillen Gesellschafter nur eine Verzinsung seiner Einlage in Höhe von etwa 20 v. H. zugestanden werden könne. Demgemäß sei der Gewinn der KG, wie folgt, zu verteilen: Den beiden stillen Gesellschaftern sei ab 1955 jeweils eine Kapitalverzinsung von 20 v. H. ihrer Einlage nach dem jeweiligen Stand am 1. Januar eines jeden Jahres zuzubilligen. Der Kommanditistin T sei vorweg ihre Tätigkeitsvergütung und der Kommanditistin M die Vergütung für die Überlassung von Wirtschaftsgütern zuzurechnen. Von dem verbleibenden Gewinn seien für die Jahre 1953 bis 1954 den beiden Kommanditistinnen je 15 v. H. dieses Gewinns und für die Jahre 1955 bis 1957 der Kommanditistin M (bzw. deren Erben) 15 v. H. und der Kommanditistin T nach der Schenkung der stillen Beteiligungen an ihre Kinder 1/3 von 15 v. H. = 5 v. H. des Restgewinns zuzurechnen. Der gesamte übrige Gewinn entfalle auf den Komplementär V bzw. dessen Erben. Der neuerliche Einwand, die stillen Beteiligungen seien in Wahrheit Kommanditbeteiligungen, könne nicht anerkannt werden. Auf dieser Grundlage erließ das FA am 12. Januar 1965 eine Einspruchsentscheidung.

Die Berufung, die nach Inkrafttreten der FGO als Klage zu behandeln war, hatte nur zu einem geringen Teil Erfolg.

Mit der Revision beantragen die Kläger, das angefochtene Urteil aufzuheben und die unstreitigen Gewinne mit je 1/3 auf die Gesellschafter V, M und T zu verteilen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG, weil die tatsächlichen Feststellungen des FG nicht ausreichen, um abschließend zu beurteilen, ob, wie die Revision will, der Klägerin zu 2. für die Streitjahre in ihrer Eigenschaft als damaliger Kommanditistin und in ihrer Eigenschaft als unmittelbare und mittelbare Alleinerbin der Kommanditistin M höhere Gewinnanteile zugerechnet werden können als ihr vom FA bei Berücksichtigung der Ausführungen des FA zuzurechnen wären.

Offen ist, ob M und T ihre Kommanditbeteiligungen von V ganz oder teilweise geschenkt erhielten oder entgeltlich, d. h. gegen eine aus eigenen Mitteln aufgebrachte Einlage, erwarben. Das FG hat diese Feststellungen nunmehr nachzuholen und sodann - anders als im angefochtenen Urteil - gemäß § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO in der Sache selbst zu entscheiden, d. h. die als angemessen erkannte Gewinnzurechnung vorzunehmen.

Dabei ist folgendes zu beachten:

1. Der Große Senat des BFH hat in seinem Beschluß vom 29. Mai 1972 GrS 4/71 (BFHE 106, 504, BStBl II 1973, 5) eingehend zu der Frage Stellung genommen, ob und inwieweit der vereinbarte Gewinnanteil eines durch Schenkung eines Kommanditanteils in das väterliche Unternehmen aufgenommenen Kindes einkommensteuerrechtlich anzuerkennen ist. Danach seien nur die der schenkungsweise eingeräumten Einkunftsquelle angemessenen Gewinnanteile als eigene Einkünfte des bedachten Kindes anzuerkennen, die darüber hinausgehenden Gewinnanteile hingegen private Zuwendungen zwischen Familienangehörigen und damit eine Einkommensverwendung des Schenkers. Bei Beurteilung der Frage, welche Gewinnanteile der schenkungsweise eingeräumten Einkunftsquelle zuzuordnen seien, müsse davon ausgegangen werden, daß im allgemeinen nur diejenigen Gewinnanteile angemessen seien, die auf einer Gewinnverteilungsabrede beruhten, bei der sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses auf längere Sicht eine durchschnittliche Rendite von nicht mehr als 15 v. H. des tatsächlichen Werts der Beteiligung ergebe.

Die dargestellten Rechtsgrundsätze gelten unmittelbar nur für die Beurteilung von Kommanditanteilen, die der Vater seinen im Unternehmen nicht mitarbeitenden Kindern schenkungsweise einräumte. Sie lassen sich entsprechend anwenden auf Kommanditanteile, die der Ehemann der Ehefrau schenkte, weil die Problemstellung insoweit gleichliegt, sofern die Ehefrau im Unternehmen nicht mitarbeitet. Sie sind aber nicht ohne weiteres anwendbar auf entgeltlich erworbene Kommanditanteile, insbesondere also einen Kommanditanteil, der einem Familienangehörigen als Entgelt für die Zuführung von Mitteln eingeräumt wird, die das Unternehmen benötigt oder die ihm doch förderlich sind (siehe hierzu auch nachfolgend zu Ziff. 2).

Im Streitfall ist den tatsächlichen Feststellungen des FG nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, ob M und T ihre Kommanditanteile ganz oder teilweise durch Schenkung des V erwarben. Sollte dies zu bejahen sein, was für den aus einer Umwandlung einer GmbH hervorgegangenen Kommanditanteil der M davon abhängig ist, ob sie den GmbH-Anteil durch Schenkung erwarb, so wird das FG die Angemessenheit des vereinbarten Gewinnverteilungsschlüssels anhand der vom Großen Senat entwickelten Rechtsgrundsätze erneut zu prüfen und dabei auch das Urteil des erkennenden Senats vom 29. März 1973 IV R 158/68 (BFHE 109, 47, BStBl II 1973, 489) zu berücksichtigen haben.

2. Der Beschluß des Großen Senats beruht unter anderem auf der Annahme, daß die Aufnahme von Kindern als Gesellschafter im Wege der Schenkung nicht mit Gestaltungen verglichen werden könne, die unter Fremden vorkämen. Diese Annahme trifft nicht zu für Gesellschaftsverhältnisse zwischen Familienangehörigen, die nicht auf einer Schenkung des Gesellschaftsanteils durch den bisherigen Alleinunternehmer (Vater) basieren, sondern in der Weise zustande gekommen sind, daß der in die Gesellschaft aufgenommene Familienangehörige dem Unternehmen aus eigenen Mitteln neues Kapital zuführt. Auf die steuerliche Beurteilung derartiger Gesellschaftsverhältnisse sind deshalb die Grundsätze der Entscheidung des Großen Senats nicht ohne weiteres übertragbar.

Gleichwohl ist auch in derartigen Fällen zu prüfen, ob die dem Familienangehörigen eingeräumte Gesellschafterstellung, insbesondere die ihm zugebilligte Gewinnbeteiligung, angemessen ist. Denn nur insoweit, als dies zutrifft, können die aus dem Gesellschaftsanteil fließenden Gewinnanteile als eigene Einkünfte des Familienangehörigen angesehen werden, die aus einer durch Entgelt erworbenen Einkunftsquelle originär dem Familienangehörigen zuwachsen. Maßstab für die Prüfung der Angemessenheit der Gewinnverteilung ist in derartigen Fällen die unter Fremden übliche Gestaltung (vgl. BFH-Urteil vom 14. Februar 1973 I R 131/70 (BFHE 108, 527, BStBl II 1973, 395, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des BFH).

Sollten im Streitfall M und T ihre Kommanditanteile als Entgelt für aus eigenen Mitteln aufgebrachte Kapitaleinlagen erworben haben, so wird demnach das FG zu prüfen haben, welche Gewinnbeteiligung V für gleichartige Leistungen einem fremden Dritten eingeräumt hätte, welcher Gewinnverteilungsschlüssel also innerhalb einer gleichartigen Gesellschaft zwischen Fremden vereinbart worden wäre. Wesentlich wird dabei insbesondere sein, welche Bedeutung die unternehmerische Leistung des Komplementärs V im Verhältnis zum Kapitaleinsatz aller Gesellschafter für den Ertrag des Unternehmens nach dessen besonderer Struktur hatte, inwieweit das Unternehmen die zugeführten Mittel benötigte oder diese doch dem Unternehmen nützlich waren und inwieweit T den Gesellschaftszweck nicht nur durch eine Kapitaleinlage, sondern auch durch ihre - allerdings mindestens bereits teilweise gesondert honorierte - Mitarbeit förderte. Dabei wird das FG auch zu beachten haben, daß als angemessene Gewinnbeteiligung regelmäßig nicht etwa eine Kapitalverzinsung im Sinne eines festen Hundertsatzes der Kapitaleinlage (oder des jeweiligen Kapitalkontenstandes) in Betracht kommt, weil dies mit der für eine Kommanditbeteiligung im allgemeinen kennzeichnenden Gewinnabhängigkeit der für die Einlage zu leistenden Vergütung nicht Vereinbar wäre. Vielmehr ist anzunehmen, daß bei einer Gesellschaftsgründung zwischen Fremden dem Kommanditisten ein bestimmter Hundertsatz vom Gewinn eingeräumt worden wäre, der auf der Grundlage des Gewinnes, der nach den Erfahrungen der Vergangenheit und vernünftiger kaufmännischer Beurteilung der Zukunft zu erwarten war, zwar einerseits zu einer angemessenen Rendite der Einlage des Kommanditisten führt, aber andererseits auch dem Komplementär neben einer mindestens gleichhohen Rendite seiner Einlage eine angemessene Vorabvergütung seiner Sonderleistungen (Unternehmertätigkeit, Haftungsrisiko) sichert. Ein diesen Grundsätzen entsprechender Gewinnverteilungsschlüssel ist der Besteuerung dann auch zugrunde zu legen, wenn sich die spätere Ertragslage günstiger oder ungünstiger als erwartet gestaltet, dies gilt nur dann nicht, wenn der Komplementär nach dem Gesellschaftsvertrag und den ergänzenden gesetzlichen Vorschriften die Möglichkeit hat, eine Korrektur einer Gewinnverteilungsabrede (und demnach auch der als angemessen ermittelten und dann als vereinbart zu unterstellenden Gewinnverteilungsabrede) zu erzwingen und die Abweichung des wirklichen vom erwarteten Verlauf so grundlegend ist, daß zwischen Fremden eine solche Korrektur vorgenommen worden wäre, das Unterlassen einer Korrektur deshalb auf privaten Gründen beruht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70617

BStBl II 1973, 866

BFHE 1974, 238

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge