Leitsatz (amtlich)

Eine prämienunschädliche Verwendung von Bausparbeiträgen liegt auch vor, wenn sich der Bausparer vor Ablauf der gesetzlichen Sperrfrist an der Finanzierung des Erwerbs eines Mehrfamilienhauses beteiligt, damit seine Angehörigen im Sinne des § 10 StAnpG in dem erworbenen Haus unverzüglich eine Wohnung beziehen können.

 

Normenkette

WoPG 1960 § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 3

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger hat Ende 1962 einen Bausparvertrag über eine Bausparsumme von 10 000 DM abgeschlossen. Für 1962 hat er 1 700 DM und für 1963 1 711,86 DM auf den Vertrag eingezahlt. Antragsgemäß ist ihm jeweils eine Wohnungsbauprämie von 400 DM (zusammen 800 DM) gewährt worden.

Anfang Mai 1963 erklärte der Revisionskläger der Bausparkasse schriftlich sein Einverständnis, „daß … Herr K. meinen Vertrag auf sich selbst überträgt”. K., der spätere Schwiegersohn des Revisionsklägers, teilte kurz darauf der Bausparkasse mit, daß er den Bausparvertrag in Vollmacht des Revisionsklägers auf sich selbst übertragen habe. Die Bausparkasse forderte den Revisionskläger bzw. K. auf, vor der Genehmigung der Übertragung entsprechend ihren allgemeinen Vertragsbedingungen 50 DM zu zahlen. K. lehnte die Zahlung ab. Die Bausparkasse überwies an den Revisionskläger einen Zwischenfinanzierungsbetrag von 4 000 DM, ohne zuvor die „Übertragung des Bausparvertrages” auf K. genehmigt zu haben. Einen weiteren Betrag von 5 200 DM überwies die Bausparkasse an K. am 8. September 1964. Mit dem Zwischenfinanzierungsbetrag von 4 000 DM kaufte K. im Jahre 1963 ein Mehrfamilienhaus. K. heiratete im Jahre 1964 die Tochter des Revisionsklägers und bezog danach mit dieser eine Wohnung in dem Mehrfamilienhaus. Der Revisionskläger selbst hat bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des FG am 20. Oktober 1966 noch keine Wohnung in dem Mehrfamilienhaus bezogen.

Das FA – Beklagter und Revisionsbeklagter – forderte von dem Revisionskläger die Wohnungsbauprämie von zusammen 800 DM zurück, weil der Bausparvertrag vor Ablauf der Sperrfrist zwischenfinanziert worden sei. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.

Die Klage blieb erfolglos. Das FG führte im wesentlichen aus: Da der Bausparvertrag des Revisionsklägers zwischenfinanziert worden sei, liege eine Beleihung der Ansprüche des Klägers aus dem Bausparvertrag im Sinne des § 2 WoPG vor. Die beleihung des Vertrags sei prämienschädlich, weil der Revisionskläger die empfangenen Beträge nicht selbst unmittelbar zum Wohnungsbau verwendet habe. Eine unmittelbare Verwendung zum Wohnungsbau sei dann nicht anzunehmen, wenn – wie hier – die empfangenen Beträge zum Kauf eines Mehrfamilienhauses verwendet worden seien. Da die Ansprüche aus dem Bausparvertrag mangels Genehmigung seitens der Bausparkasse nicht rechtswirksam auf den späteren Schwiegersohn des Revisionsklägers übergegangen seien, sei nicht zu prüfen, ob der Schwiegersohn den Zwischenkredit zum Wohnungsbau für sich, für seine Ehefrau oder für den Revisionskläger verwendet habe.

Mit der Revision rügt der Revisionskläger die Verletzung von § 76 Abs. 1 und 2 FGO, § 2 Abs. 2 Satz 3 WoPG, § 2 Abs. 1 Sätze 3 und 4 WoPDV. Er trägt dazu im wesentlichen vor: Das FG habe gegen die Amtsermittlungs- und Fragepflicht verstoßen, weil es – ohne ihn zuvor auf diese Rechtsansicht aufmerksam gemacht zu haben – die von der Bausparkasse verlangte Übertragungsgebühr von 50 DM als „Kostenbeitrag” im Sinne der Bausparbedingungen angesehen habe. Kosten in dieser Höhe seien tatsächlich für eine Abtretungsgenehmigung offenkundig nicht entstanden. Materiell-rechtlich habe das FG verkannt, daß er die erhaltenen Mittel unverzüglich und unmittelbar zum Wohnungsbau verwendet habe. Denn als Wohnungsbau sei auch die Beteiligung an der Finanzierung des Erwerbs eines Mehrfamilienhauses anzusehen. Im übrigen habe er seinen Vertrag auf K. abgabenrechtlich wirksam übertragen, und dieser habe die Beträge prämienunschädlich verwendet. Die Bausparkasse habe von einer Genehmigung zwar bisher Abstand genommen, sie jedoch noch nicht endgültig verweigert. Die Abtretung sei deshalb bürgerlich-rechtlich allenfalls schwebend unwirksam. Abgabenrechtlich komme es darauf jedoch nicht an, was sich aus den §§ 1, 5 Abs. 2 und 3, 11 Nr. 4 StAnpG ergebe. Daß er bis zur Entscheidung über die Berufung weder eine Wohnung in dem Mehrfamilienhaus bezogen, noch die Freimachung einer Wohnung in die Wege geleitet habe, stehe einer Anerkennung der Beteiligung an der Finanzierung des Wohnungsbaues nicht entgegen. Denn ihm sei jedenfalls das Recht auf die erste freiwerdende Wohnung in dem Mehrfamilienhaus eingeräumt worden. Er habe jedoch nicht die erstbeste Wohnung des Hauses beziehen können, weil er wegen Krankheit und seines Alters auf eine Erdgeschoßwohnung mit Zentralheizung, Bad und WC in der Wohnung habe Wert legen müssen. Hierfür seien noch Umbauarbeiten erforderlich gewesen. Selbst wenn eine Überlassung einer Wohnung an ihn selbst nicht vorliege, so müsse genügen, daß einer seiner nächsten Angehörigen, nämlich seine Tochter, rechtzeitig eingezogen sei. Zudem habe er, wenn überhaupt, höchstens einen Teil der Bausparsumme von 10 000 DM prämienschädlich verwendet. Deshalb könne allenfalls nur der entsprechende Teil der Wohnungsbauprämien zurückgefordert werden.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision muß zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.

1. Die Verfahrensrüge, das FG habe gegen seine Amtsermittlungs- und Fragepflicht verstoßen, hat allerdings keinen Erfolg. Für die Vorentscheidung war es unwesentlich, ob die Übertragungsgebühr von 50 DM als „Kostenbeitrag” anzusehen und als solcher angemessen war oder nicht. Jedenfalls hat die Bausparkasse der Übertragung der Rechte aus dem Bausparvertrag nicht zugestimmt.

2. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 3 WoPG 1960 sind Beiträge an Bausparkassen dann nicht prämienbegünstigt, wenn vor Ablauf von sechs Jahren seit Vertragsschluß – von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen – die Bausparsumme ganz oder zum Teil ausgezahlt wird, geleistete Beiträge ganz oder zum Teil zurückgezahlt werden oder Ansprüche aus dem Bausparvertrag abgetreten oder beliehen werden; unschädlich ist jedoch die Auszahlung der Bausparsumme oder die Beleihung von Ansprüchen aus dem Bausparvertrag, wenn der Prämienberechtigte die empfangenen Beträge unverzüglich und unmittelbar zum Wohnungsbau verwendet, und die Abtretung, wenn der Erwerber die Bausparsumme oder die aufgrund einer Beleihung empfangenen Beträge unverzüglich und unmittelbar zum Wohnungsbau für den Abtretenden oder dessen Angehörige im Sinne des § 10 StAnpG verwendet.

a) Der Senat stimmt dem FG darin zu, daß eine wirksame Abtretung der Ansprüche aus dem Bausparvertrag von dem Revisionskläger auf seinen späteren Schwiegersohn nicht erfolgt ist. Zur Begründung wird insoweit auf die Ausführungen des Senats in dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil VI R 276/67 vom heutigen Tage (BStBl II 1969, 640) unter 2. a) Bezug genommen.

b) Der Revisionskläger hat die innerhalb der Sperrfrist empfangenen Beträge nicht selbst zum Wohnungsbau verwendet. Er hat sie zur Beteiligung an der Finanzierung des Erwerbs eines Mehrfamilienhauses weggegeben. Nach dem angeführten Urteil VI R 276/67, auf das auch insoweit Bezug genommen wird, ist diese Verwendung prämienunschädlich, wenn der Bausparer die Beträge einem Erwerber eines Hauses zur Verfügung stellt, der dem Bausparer eine Wohnung in dem erworbenen Haus bereitstellt, die der Bausparer unverzüglich beziehen kann und auch bezieht.

c) Allerdings hat der spätere Schwiegersohn dem Revisionskläger in dem erworbenen Haus nicht unverzüglich eine Wohnung bereitgestellt, die der Revisionskläger hätte beziehen können. Auf welche Umstände im einzelnen die Verzögerung in der Wohnungsüberlassung zurückzuführen ist, spielt keine Rolle. Es ist unbeachtlich, ob und gegebenenfalls wen insoweit ein Verschulden trifft (Hinweis auf das Urteil VI R 276/67 unter 3.). Der Revisionskläger hat den ausgezahlten Betrag also nicht unverzüglich zum Wohnungsbau für sich selbst verwendet.

d) Es ist jedoch davon auszugehen, daß eine prämienunschädliche Verwendung auch vorliegt, wenn der Bausparer den Beleihungsbetrag zur Beteiligung an der Finanzierung des Erwerbs eines Mehrfamilienhauses hingibt, damit seine Angehörigen im Sinne des § 10 StAnpG unverzüglich und unmittelbar eine Wohnung in dem erworbenen Haus beziehen können und auch beziehen. Zu dieser Auslegung kommt der Senat aus folgenden Erwägungen: Nach dem Urteil des BFH VI 274/63 U vom 19. Februar 1965 (BFH 82, 348, BStBl III 1965, 371) steht es der Gewährung einer Wohnungsbauprämie nicht entgegen, wenn ein Bausparer sich an der Finanzierung des Baues eines Hauses beteiligt, in dem er eine Wohnung erhält. Diese Auslegung des Gesetzes wurde wegen des mit dem WoPG verfolgten Zwecks, insbesondere auch wirtschaftlich schwächeren Bausparern die Beschaffung einer Wohnung zu ermöglichen, für vertretbar gehalten. In dem Urteil VI R 221/67 vom 22. März 1968 (BFH 92, 87, BStBl II 1968, 427) ist dann ausdrücklich gesagt, die Beteiligung an der Finanzierung eines Baues sei prämienunschädlich, wenn der Bausparer „oder ein Angehöriger” eine Wohnung in dem Gebäude erhalte. Diese noch weitergehende Begünstigung erscheint gerechtfertigt, weil nach § 2 Abs. 2 Satz 3, 2. Halbsatz letzte Alternative WoPG auch die Abtretung der Rechte aus dem Bausparvertrag prämienunschädlich ist, wenn der Abtretungsempfänger die Bausparsumme zum Wohnungsbau für den Abtretenden, also den Bausparer, oder „dessen Angehörige” verwendet. Es besteht kein vernünftiger Grund dafür, dem Abtretungsempfänger den prämienunschädlichen Wohnungsbau für Angehörige des Bausparers zu gestatten, es aber als prämienschädlich anzusehen, wenn der Bausparer sich an der Finanzierung des Baues eines Mehrfamilienhauses mit dem Ziel beteiligt, darin eine Wohnung für seine Angehörigen zu erlangen. Weitere Voraussetzung für die Prämienunschädlichkeit ist allerdings auch in diesen Fällen, daß der Bausparer oder seine Angehörigen in dem erworbenen Gebäude „unverzüglich und unmittelbar” eine Wohnung beziehen (§ 2 Abs. 2 Satz 3 WoPG).

Nach dem wiederholt angeführten Urteil VI R 276/67 ist auch die Beteiligung an dem Erwerb eines Mehrfamilienhauses gegen unverzügliche und unmittelbare Überlassung einer Wohnung an den Bausparer prämienunschädlich. Ist demnach aber nicht nur die Beteiligung an der Finanzierung eines Baues, sondern auch eines Erwerbs eines Hauses begünstigt, dann muß das in beiden Fällen in gleichem Umfang gelten. Das heißt, es ist nicht prämienschädlich, wenn der Bausparer die Bausparsumme dem Erwerber eines Hauses zur Verfügung stellt, um unverzüglich und unmittelbar für sich oder einen Angehörigen eine Wohnung in dem erworbenen Haus zu erhalten.

3. Da das FG von anderen rechtlichen Erwägungen ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie muß zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen werden.

Das FG hat zu prüfen, ob im Zeitpunkt der Auszahlung der Zwischenfinanzierungsbeträge eine Vereinbarung zwischen dem Revisionskläger und seinem späteren Schwiegersohn bestanden hat, daß die Hingabe dieser Beträge zum Wohnungsbau für den Schwiegersohn und seine Tochter (Angehörige im Sinne des § 10 StAnpG) erfolge. Wenn eine solche Vereinbarung vorgelegen haben sollte, dann muß das FG noch feststellen, ob die Angehörige des Revisionsklägers ihre Wohnung in dem Mehrfamilienhaus unverzüglich bezogen hat (Hinweis auf das Urteil VI R 276/67 unter 3.).

Kommt das FG danach zu dem Ergebnis, der Revisionskläger habe die von der Bausparkasse innerhalb der Sperrfrist ausgezahlten Beträge prämienschädlich verwendet, so hat der Revisionskläger die Wohnungsbauprämien von zusammen 800 DM in vollem Umfang zurückzuzahlen (Hinweis auf das Urteil VI R 276/67 unter 3. am Ende).

 

Fundstellen

Haufe-Index 557416

BStBl II 1969, 639

BFHE 1969, 293

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