Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufwendungen für die Verwaltung eines Wertpapierdepots als Werbungskosten

 

Leitsatz (NV)

Kann bei einer Kapitalanlage auf Dauer ein Überschuß der steuerpflichtigen Einnahmen über die Ausgaben erwartet werden, so sind Ausgaben für die Verwaltung der Kapitalanlage grundsätzlich auch dann Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, wenn neben den steuerpflichtigen Einnahmen auch steuerfreie Vermögensvorteile erzielt werden.

 

Normenkette

EStG §§ 9, 20

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Einen Teil seines aus Aktien und anderen Wertpapieren bestehenden Kapitalvermögens ließ der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) von der Bank verwalten. Der Verwaltungsauftrag vom 2. März 1983 enthält u.a. folgende Bestimmungen:

E (der Kläger) beauftragt hiermit das Bankhaus ... mit der Verwaltung der in seinem ,Sonderdepot für Verwaltungsauftrag bei der Bank liegenden Wertpapiere und seines Guthabens gegenüber der Bank auf dem ,Sonderkonto für Verwaltungsauftrag nach Maßgabe folgender Bestimmungen:

Die Bank übt die Verwaltung nach freiem Ermessen aus. Sie kann das Guthaben einschließlich der Erträgnisse aus dem Konto und Depot des Auftraggebers in allen Wertpapieren oder in sonstiger Weise anlegen, die sie als geeignet erachtet. Sie ist dabei weder an ein bestimmtes Land noch an eine bestimmte Währung gebunden. ... Die Bank ist jederzeit befugt, einmal gekaufte Wertpapiere oder sonstige Werte zu veräußern, Konversionsangebote anzunehmen, Bezugsrechte auszuüben oder bestmöglich zu verkaufen. ...

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1986 machten die Kläger die dem Kläger von der Bank berechneten Verwaltungsgebühren (6243,72 DM), die 0,75% pro Jahr des durchschnittlich verwalteten Vermögens betrugen, als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend.

Das Finanzamt (FA) lehnte dies mit der Begründung ab, die geltend gemachten Verwaltungskosten stünden allein mit der Anschaffung oder Veräußerung einer Einkunftsquelle im Zusammenhang.

Nach insoweit vergeblichem Einspruch, der aus anderen Gründen noch zu einer Erhöhung der Einkommensteuer führte, erhoben die Kläger Klage. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es setzte die Einkommensteuer des Streitjahres auf ... DM fest und ließ die Revision zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§ 9 des Einkommensteuergesetzes - EStG -).

Nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt stehe fest, daß die Verwaltungsgebühren in erster Linie für den Vermögensbestand geleistet worden seien. Aus der Bemessungsgrundlage für die Verwaltungsgebühren ließen sich keine Rückschlüsse auf den Zweck der Zahlung ziehen.

Die Auffassung des FG, daß Aufwendungen, die eine mehrfache Zweckrichtung aufwiesen und nicht unter § 12 Nr. 1 EStG fielen, keinem Abzugsverbot unterlägen, sei unzutreffend. So seien z.B. Aufwendungen für den Erwerb einer Einkunftsquelle nur im Rahmen von Absetzungen für Abnutzung (AfA) und für Substanzverringerung möglich. Aufwendungen im Zusammenhang mit der Veräußerung einer Einkunftsquelle seien nicht den laufenden Einkünften, sondern der Veräußerung zuzurechnen. Nur soweit die Verwaltungskosten nicht auf den Erwerb und die Veräußerung entfielen, könne eine Abzugsfähigkeit als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen in Betracht kommen. Da jedoch im Streitfall für die laufende Verwaltung der Wertpapiere bereits Depotgebühren gezahlt worden seien, bliebe für die Anerkennung eines Teils der Verwaltungsgebühren als Werbungskosten kein Raum.

Mit Verfügung vom 9. April 1991 änderte das FA den streitigen Einkommensteuerbescheid. Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 25. April 1991 gemäß § 68 FGO beantragt, den geänderten Einkommensteuerbescheid zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Das FG hat die streitigen Aufwendungen zu Recht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt (§§ 9 Abs. 1 Satz 1, 20 EStG).

Aufwendungen sind Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, wenn sie durch die Erzielung von Einnahmen im Rahmen des § 20 EStG veranlaßt sind (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. Juli 1981 VIII R 154/76, BFHE 134, 113, 116, BStBl II 1982, 37, und vom 27. Juni 1989 VIII R 30/88, BFHE 157, 541, BStBl II 1989, 934, m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind bei den hier streitigen Aufwendungen erfüllt.

Wie das FG festgestellt hat, sind die Verwaltungsgebühren zu trennen von den Gebühren, die üblicherweise bei An- und Verkauf von Wertpapieren anfallen. Die Verwaltungsgebühren sollen hier Entgelt dafür sein, daß die Bank ihren Sachverstand und ihre Erfahrung dafür einsetzt, daß sowohl möglichst hohe Erträge aus den Kapitalanlagen als auch Wertsteigerungen durch Umschichtungen erzielt werden. An diese Feststellungen ist der Senat gebunden; sie sind nicht durch zulässige und begründete Rügen angegriffen worden (§ 118 Abs. 2 FGO). Das FA behauptet zwar, der Erhalt und die Mehrung des Vermögens durch Vermögensumschichtung habe im Vordergrund der Vermögensverwaltung gestanden. Sollten damit die tatsächlichen Schlußfolgerungen des FG gerügt werden, so ist diese Rüge jedenfalls unbegründet, weil nicht ersichtlich ist, daß das FG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat.

Die Frage, ob Aufwendungen im Zusammenhang mit der Anschaffung und der Verwaltung von Wertpapieren Werbungskosten sind, hat die Finanzrechtsprechung wiederholt beschäftigt. Zunächst standen Aufwendungen zur Diskussion, die einerseits zwar in unmittelbarem Zusammenhang mit Kapitaleinnahmen standen, andererseits aber auch der Sicherung und Erhaltung des Kapitalstamms dienten. Mit dem Argument, daß die Sicherheit der Anlage auch der Sicherung der Erträge diene, haben Rechtsprechung (vgl. Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs - OFH - vom 26. März 1947 IV 1/47, RFHE 54, 198, 202; zustimmend BFH-Urteil vom 28. August 1952 IV 448/51 U, BFHE 56, 690, BStBl III 1952, 265) und Verwaltung (vgl. Abschn. 153 Abs. 1 Satz 3 der Einkommensteuer-Richtlinien) den Zusammenhang der Aufwendungen mit den Erträgen deshalb nicht verneint und die Aufwendungen insgesamt zum Abzug als Werbungskosten zugelassen. Die von Kessler (Finanz-Rundschau - FR - 1991, 342, 344) in der Entscheidung des OFH (RFHE 54, 198) gesehene Forderung nach Aufteilung der Aufwendungen vermag ihr der Senat nicht zu entnehmen. In der genannten Entscheidung hat der OFH (RFHE 54, 198) sich von der älteren Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH) distanziert, die den Werbungskostenbegriff bei den Einkünften aus Kapitalvermögen enger auslegte als bei den anderen Einkunftsarten (vgl. z.B. Urteil vom 16. Juni 1932 VI A 764/32, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1932, Nr. 925). Allerdings hat auch der RFH bereits Depotkosten, Versicherungsbeiträge und Safemiete als Werbungskosten berücksichtigt (Urteile vom 28. November 1928 VI A 1476/28, RStBl 1929, 65, und in StuW 1932, Nr. 925). Beiläufig hat er sogar allgemeine Verwaltungskosten als Werbungskosten anerkannt, wenn bei der Sorge für das Vermögen die Fürsorge und Aufsicht zur Erhaltung der Einkünfte im Vordergrund stehe (Urteil vom 29. Juli 1936 VI A 159/36, RStBl 1936, 967).

Der BFH hat im Urteil vom 26. November 1974 VIII R 266/72 (BFHE 114, 229, BStBl II 1975, 331 zu 4.) Depotgebühren zum Abzug als Werbungskosten zugelassen. Auch die Depotgebühren sind nicht ausschließlich und unmittelbar durch die Erträge der Wertpapiere veranlaßt. So sind sie nicht nur Entgelt für die Einziehung von Zinsen und Gewinnanteilen, sondern auch für die Verwahrung (§§ 2ff. des Depotgesetzes) und sonstige Verwaltungstätigkeiten der Bank (vgl. dazu AGB der Banken - Bedingungen für das Wertpapiergeschäft - Nrn.36 bis 39; Canaris in Großkommentar Handelsgesetzbuch, 3. Aufl., Bd. III/3 - 2. Bearbeitung - 1981 Rdnr. 2180f.). Der Senat beabsichtigt nicht, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Sollten daher Zweck des Verwaltungsauftrags im Streitfall auch die Sicherheit und der Bestand der Anlage (Vermögensbestand) sein, so hindert dieser Umstand nicht den vollen Abzug der streitigen Aufwendungen als Werbungskosten.

In den Urteilen vom 21. Juli 1981 hat sich der BFH schließlich mit der Frage befaßt, ob und inwieweit Finanzierungskosten im Zusammenhang mit der Anschaffung von Wertpapieren als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen sind. Dabei stellte der BFH entscheidend darauf ab, ob auf Dauer gesehen voraussichtlich mit (steuerpflichtigen) Überschüssen der Kapitalanlage zu rechnen ist (grundsätzlich VIII R 154/76, BFHE 134, 113, BStBl II 1982, 37, zu 3. b). Wenn dies bei den einzelnen Kapitalanlagen zu bejahen ist - ein bescheidener Überschuß genügt -, sind die damit zusammenhängenden Aufwendungen Werbungskosten. Davon geht der Senat auch im Streitfall aus. Das Verhältnis der steuerpflichtigen Kapitaleinkünfte der Kläger zu den insgesamt geltend gemachten Werbungskosten gibt insoweit keinen Anlaß zu Bedenken (vgl. zur Gesamtbeurteilung des Aktiendepots in diesem Zusammenhang BFH-Urteil vom 24. März 1992 VIII R 12/89, BFHE 168, 415, BStBl II 1993, 18, zu 2.). Das FG geht ferner davon aus, daß jeder Anlagegegenstand im Streitjahr steuerpflichtige Erträge erbringen konnte bzw. erbracht hat. Diese Feststellung ist von der Revision nicht in substantiierter Form angegriffen worden (§ 118 Abs. 2 FGO).

In den Urteilen vom 21. Juli 1981 hat sich der BFH ferner mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Zinsen auch dann in vollem Umfang Werbungskosten sind, wenn zwar die steuerpflichtigen Erträge der Kapitalanlage höher sind als die geltend gemachten Aufwendungen, ein Teil der Gewinne aber thesauriert wird - sich also erst bei der Anteilsveräußerung auswirkt - (VIII R 128/76, BFHE 134, 119, BStBl II 1982, 36) oder die Wertpapiere auch in der Hoffnung auf (steuerfreie) Wertsteigerungen (VIII R 154/76, BFHE 134, 113, BStBl II 1982, 37 zu 3. b) oder Kursgewinne (VIII R 200/78, BFHE 134, 121, BStBl II 1982, 40 zu festverzinslichen Wertpapieren) angeschafft worden waren. Der BFH hat dies bejaht. Er zieht dabei auch die Schwierigkeiten in Erwägung, die einer Aufteilung in solchen Fällen entgegenstehen (BFHE 134, 113, 117, BStBl II 1982, 37; ebenso bereits der OFH, RFHE 54, 198, 202, bezüglich allgemeiner Verwaltungskosten).

Der erkennende Senat bleibt bei dieser seit vielen Jahren gefestigten Rechtsprechung. Kann also bei einer Kapitalanlage auf Dauer ein Überschuß der steuerpflichtigen Einnahmen über die Ausgaben erwartet werden, so sind die Ausgaben grundsätzlich auch dann in vollem Umfang Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (§§ 9 Abs. 1, 20 EStG), wenn neben den steuerpflichtigen Einnahmen auch steuerfreie Vermögensvorteile erzielt werden. Eine Aufteilung der Ausgaben ist aber in einer Reihe von Fällen denkbar, über die hier nicht zu entscheiden ist. So bleibt offen, ob aufzuteilen ist, wenn unter den Erträgen solche aus § 17 oder § 23 EStG sind. Ferner war nicht der Fall zu entscheiden, daß der Steuerpflichtige konkrete Anweisungen hinsichtlich der Kapitalanlage erteilt oder daß sich sonst eindeutig seine Absicht ergibt, vor allem steuerfreie Wertsteigerungen zu realisieren (vgl. dazu auch BFH-Urteile vom 15. Dezember 1987 VIII R 281/83, BFHE 154, 456, BStBl II 1989, 16; in BFHE 168, 415, BStBl II 1993, 18). Davon ist bei einem Verwaltungsauftrag, wie er hier vorliegt, nicht auszugehen.

Der Senat weicht damit nicht von seinem Urteil in BFHE 154, 456, BStBl II 1989, 16 ab. Darin hat der Senat Provisionen, die gesondert für steuerfreie Gewinne aus dem Verkauf von Wertpapieren sowie für Wertsteigerungen bei Wertpapieren gezahlt wurden, nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (§§ 9 Abs. 1, 20 EStG) anerkannt. Er hat in diesem Urteil offengelassen, wie ein einheitliches Entgelt für die dauerhaft erfolgreiche Anlage des Kapitalvermögens zu behandeln ist; um ein solches Entgelt handelt es sich aber im Streitfall.

Auch in der Literatur wird - soweit sie nicht Vermögensverwaltungskosten allgemein als Werbungskosten anerkennt (vgl. Klatt, Der Betrieb - DB - 1984, 469; Pöllath, Die Information über Steuer und Wirtschaft - Inf - 1983, 437; Pöllath/Wenzel, DB 1989, 2448; ohne Einschränkung bei Verwaltungskosten auch Stuhrmann in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 14. Aufl., § 20 EStG Rdnr. 373; Schmidt/ Heinicke, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., § 20 Anm. 55) - überwiegend die Ansicht vertreten, daß Kosten der Verwaltung des Kapitalvermögens zu Werbungskosten zählen, solange nicht die Absicht, steuerfreie Wertsteigerungen zu erzielen, im Vordergrund steht (vgl. v.Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 9 Anm. B 734; ähnlich Conradi in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 20 EStG Rdnr. 305), z.B. bei konkreten Anweisungen an den Vermögensverwalter (Horlemann in Steuerwarte 1990, 63; weitergehend, Carl, Inf 1993, 196; Werbungskosten allgemein verneinend dagegen Kessler, FR 1991, 342; Wenzig, Inf 1983, 156). Das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 24. Februar 1986 5 K 155/85, rkr., (Entscheidungen der Finanzgerichte 1986, 486) befürwortet grundsätzlich eine anteilige Berücksichtigung als Werbungskosten, allerdings unter Hinweis auf das insoweit überholte BFH-Urteil in BFHE 114, 229, BStBl II 1975, 331.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64516

BFH/NV 1994, 225

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