Entscheidungsstichwort (Thema)

Korrektur bei Inanspruchnahme zu hoher Absetzungen für Abnutzung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Überhöht vorgenommene AfA auf ein Wirtschaftsgut des Anlagevermögens sind nicht in der ersten noch offenen Schlußbilanz zu korrigieren (Anschluß an das BFH-Urteil vom 11.Dezember 1987 III R 266/83, BFHE 152, 128, BStBl II 1988, 335).

2. Bemessungsgrundlage der AfA für die Restnutzungsdauer bleiben die --ungekürzten-- Anschaffungs- oder Herstellungskosten.

 

Normenkette

EStG § 7 Abs. 1 S. 1, Abs. 5, § 4 Abs. 2 S. 1

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Erbengemeinschaft, deren Beteiligte Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen und den Gewinn durch Bestandsvergleich nach den §§ 4 Abs.1, 5 Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermitteln.

Zum Betriebsvermögen gehört ein Gebäude, das vom Erblasser 1966 erstellt und nach § 7 Abs.5 EStG degressiv abgeschrieben wurde. Nach der bis zum 2.Haushaltsstrukturgesetz vom 16.Dezember 1981 geltenden Gesetzesfassung betrug der Abschreibungssatz für das Jahr der Fertigstellung und die darauffolgenden elf Jahre jeweils 3,5 %. Dieser Zeitraum war mit dem Gewinnfeststellungsjahr 1977 abgelaufen. Anstatt von nun an die Absetzung für Abnutzung (AfA) mit 2 % vorzunehmen, behielt die Klägerin in den Folgejahren den erhöhten Abschreibungssatz bei, wobei sie die AfA offen in ihren Bilanzen auswies. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) übernahm den Gewinn unbeanstandet aus den Feststellungserklärungen in die Gewinnfeststellungsbescheide 1978 bis 1981. Die Bescheide für 1978 bis 1980 wurden bestandskräftig.

Nach einer 1986 durchgeführten Betriebsprüfung wurde der Fehler erkannt. Das FA änderte mit Bescheid vom 18.August 1986 die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangene Gewinnfeststellung 1981, indem es den Buchwert des Gebäudes in der Bilanz zum 31.Dezember 1981 erfolgswirksam um die zu Unrecht geltend gemachten AfA-Beträge (4 827 DM x 4 *= 19 308 DM) aufstockte.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Zur Begründung führt das Finanzgericht (FG) im wesentlichen aus, das FA habe den Gebäudewert in der Schlußbilanz des Streitjahres zum 31.Dezember 1981 zutreffend ermittelt. § 5 Abs.6 EStG verweise zur Gewinnermittlung auf die Vorschrift des § 6 Abs.1 Nr.1 EStG. Danach seien abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um die AfA nach § 7 EStG anzusetzen. Damit seien die nach dieser Vorschrift zulässigen und nicht die vom Steuerpflichtigen tatsächlich geltend gemachten AfA-Beträge gemeint. Das FA habe daher zu Recht den Gebäudewert in der ersten offenen Schlußbilanz aufgestockt. Obwohl damit der Klägerin die in den Vorjahren zu Unrecht gewährten Steuervorteile genommen würden, werde formell nicht in Verjährung und Bestandskraft eingegriffen, da die Gewinnfeststellung des Streitjahres weder verjährt noch bestandskräftig gewesen sei. Materiell sei ohnehin der Ermittlung des zutreffenden Totalgewinns gegenüber der Ermittlung der einzelnen Periodengewinne der Vorrang einzuräumen. Deshalb gehe auch die Ermittlung des Gesamtgewinns der Verjährung oder Bestandskraft eines einzelnen Jahres vor (Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29.November 1965 GrS 1/65 S, BFHE 84, 392, BStBl III 1966, 142; Urteile vom 2.Mai 1984 VIII R 239/82, BFHE 141, 312, BStBl II 1984, 695; vom 22.Januar 1985 VIII R 29/82, BFHE 143, 71, BStBl II 1985, 308). Es bestehe entgegen dem BFH-Urteil vom 11.Dezember 1987 III R 266/83, BFHE 152, 128, BStBl II 1988, 335 kein Anlaß, mit der Korrektur von Fehlern, die bei den zurückliegenden Ermittlungen von Periodengewinnen unterlaufen seien, bis zum Ausscheiden des unrichtig bilanzierten Wirtschaftsgutes zu warten. Diese Auffassung sei problematisch, da dem Steuerpflichtigen dann dauerhaft ein Zinsvorteil verbleibe, der im Streitfall das Doppelte der ursprünglichen Steuerminderung ausmache.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vom FG wegen Divergenz zum BFH-Urteil in BFHE 152, 128, BStBl II 1988, 335 zugelassenen Revision.

Sie beantragt, das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 24.Oktober 1989 I K 42/87 aufzuheben und den geänderten Gewinnfeststellungsbescheid vom 18.August 1986 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.Januar 1987 dahingehend abzuändern, daß der Gewinn aus Gewerbebetrieb ohne die Aufstockung des Gebäudewertes um 19 308 DM festgestellt wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der Neufeststellung des Gewinns aus Gewerbebetrieb 1981 entsprechend dem Antrag der Klägerin.

1. Die Klägerin ist als Erbengemeinschaft selbst beteiligtenfähig. Aus der beim FG eingereichten Klageschrift ergibt sich eindeutig, daß die Erbengemeinschaft als solche Klage erhoben hat.

2. Entgegen der Vorentscheidung sind die überhöhten AfA-Beträge der Wirtschaftsjahre 1978 bis 1980 nicht in der Weise zu korrigieren, daß der Gebäudewert in der Bilanz zum 31.Dezember 1981 erfolgswirksam aufgestockt wird.

Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die der Abnutzung unterliegen, sind nach § 6 Abs.1 Nr.1 Satz 1 EStG mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um die nach § 7 EStG zulässige AfA, anzusetzen. Nach der Fertigstellung des Gebäudes im Jahre 1966 haben der Erblasser bzw. später die Klägerin degressive AfA gemäß § 7 Abs.5 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Neuregelung der Absetzungen für Abnutzung bei Gebäuden vom 16.Juni 1964 (BGBl I 1964, 353) geltend gemacht. Danach beträgt der AfA-Satz im Jahr der Fertigstellung und den darauffolgenden elf Jahren jeweils 3,5 %, in den darauffolgenden 20 Jahren 2 % und in den darauffolgenden 18 Jahren 1 %.

Die Klägerin hat zwar zu Unrecht abweichend von dieser Regelung über das Jahr 1977 hinaus eine Abschreibung in Höhe von 3,5 % vorgenommen, wodurch sich ein fehlerhafter Bilanzansatz ergeben hat. Der erkennende Senat schließt sich jedoch dem Urteil des III.Senats in BFHE 152, 128, BStBl II 1988, 335 darin an, daß die Berichtigung eines Bilanzwertes dann nicht geboten ist, wenn sich der Fehler in den folgenden Jahren durch Ansatz des zutreffenden AfA-Satzes von selbst aufhebt. Diese Ansicht stützt sich auf die Rechtsprechung zu Fallgestaltungen, in denen der Steuerpflichtige in früheren Jahren zu geringe AfA-Beträge abgezogen und somit den Restbuchwert in der Schlußbilanz des vorangegangenen Wirtschaftsjahres zu hoch ausgewiesen hat (vgl. BFH- Urteil vom 3.Juli 1980 IV R 31/77, BFHE 131, 229, BStBl II 1981, 255). In einem derartigen Fall ist grundsätzlich, sofern eine Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert ausscheidet, die unterbliebene AfA durch Verteilung des überhöhten Restbuchwertes auf die Restnutzungsdauer nachzuholen. Entsprechendes gilt auch im umgekehrten Fall der Inanspruchnahme zu hoher AfA (Schmidt/ Drenseck, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 11.Aufl., § 7 Anm.1 d; Blümich/Brandis, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 14.Aufl., § 7 Anm.320; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 20.Aufl., § 7 Anm.187; Kirchhof/ Söhn/Werndl, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 7 Anm.A 47).

Die Entscheidungen des BFH in BFHE 84, 392, BStBl III 1966, 142, in BFHE 141, 312, BStBl II 1984, 695 und in BFHE 143, 71, BStBl II 1985, 308 stehen dem nicht entgegen. Danach ist ein rückwirkender Fehlerausgleich nur insoweit vorzunehmen, als vorangegangene Veranlagungen und die ihnen zugrunde liegenden Bilanzen noch geändert werden können und geändert worden sind oder ein Fehler in diesen Bilanzen sich bisher steuerlich nicht ausgewirkt hat. Die Berichtigung eines fehlerhaften Bilanzansatzes nicht bereits an der Quelle, sondern erst in der Schlußbilanz des ersten Jahres, für das eine --erfolgswirksame-- Berichtigung noch möglich ist, soll die richtige Besteuerung des einzelnen Geschäftsvorfalles und damit die Ermittlung des zutreffenden Totalgewinns sichern. Die periodengerechte Gewinnermittlung tritt demgegenüber im Hinblick auf den Bilanzenzusammenhang und den daraus notwendigerweise resultierenden Fehlerausgleich in den Hintergrund. Das Gebot, einen fehlerhaften Bilanzwert auch dann zu berichtigen, wenn dieser Fehler auf den Totalgewinn ohne Auswirkung bleibt, läßt sich aus diesen Entscheidungen nicht herleiten.

Entgegen der Ansicht des FG schließt auch der wirtschaftliche Zinsvorteil, den die Klägerin durch die Inanspruchnahme überhöhter AfA erlangt hat, die Annahme eines Fehlerausgleichs in den Folgejahren nicht aus. Der BFH ist in seinem Beschluß in BFHE 84, 392, BStBl III 1966, 142 offensichtlich davon ausgegangen, daß Zinsvorteile oder -nachteile, die sich für den Steuerpflichtigen aus der unzutreffenden Bewertung eines Wirtschaftsguts oder dem Ansatz eines unzutreffenden AfA-Satzes ergeben, bei der Prüfung, ob der formelle Bilanzenzusammenhang in den Folgejahren zu einem automatischen Fehlerausgleich führt, außer Betracht bleiben müssen. Anderenfalls käme es in diesen Fällen nie zu einem automatischen Fehlerausgleich.

Nach den Feststellungen des FG liegt ferner kein Verhalten der Klägerin vor, das nach Treu und Glauben eine andere Behandlung als nach den in der Entscheidung in BFHE 152, 128, BStBl II 1988, 335 aufgestellten Grundsätzen gebieten würde. Die überhöhten AfA-Beträge führen auch zu keiner Kürzung der Bemessungsgrundlage.

Der Restbuchwert des Gebäudes ist bis zur vollen Absetzung nach § 7 Abs.5 EStG mit den dort bestimmten AfA-Sätzen zu verteilen. Bemessungsgrundlage der AfA sind nach § 7 Abs.1 Satz 1 EStG die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Wirtschaftsguts. Da das Gesetz insoweit keine Lücke aufweist, stellt sich die Frage einer analogen Anwendung des § 11c Abs.2 der Einkommensteuer- Durchführungsverordnung nach Auffassung des Senats nicht (Paus, Deutsche Steuer-Zeitung 1988, 622; a.A. BFHE 152, 128, BStBl II 1988, 335 in einem obiter dictum).

3. Dem FA wird gemäß § 100 Abs.2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufgegeben, den Gewinn aus Gewerbebetrieb 1981 unter Berücksichtigung der Ausführungen unter II. 2. anderweitig zu berechnen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64750

BFH/NV 1993, 54

BStBl II 1993, 661

BFHE 171, 271

BFHE 1994, 271

BB 1993, 1485

BB 1993, 1485-1486 (LT)

DB 1993, 1649 (LT)

DStR 1993, 1137 (KT)

DStZ 1993, 536 (KT)

HFR 1993, 567 (KT)

StE 1993, 391 (K)

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