Leitsatz (amtlich)

1. Unterhaltsleistungen dürfen im allgemeinen nur insoweit als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden, als sie in einem angemessenen Verhältnis zum Nettoeinkommen des Leistenden stehen und diesem nach Abzug der Unterhaltsleistungen noch die angemessenen Mittel zur Bestreitung des Lebensbedarfs für sich sowie gegebenenfalls für seine Ehefrau und seine Kinder verbleiben (sog. Opfergrenze).

2. Bei der Berechnung dieser sog. Opfergrenze ist Tz.2.5.2 des Schreibens des BMF vom 27.Juli 1984 IV B 6 - S 2352 - 16/84 (BStBl I 1984, 402) als zutreffende norminterpretierende Verwaltungsregelung zu beachten (Anschluß an BFH-Urteil vom 17.Januar 1984 VI R 24/81, BFHE 140, 261, BStBl II 1984, 522).

 

Orientierungssatz

In der Ausgestaltung der Opfergrenze in dem BMF-Schreiben vom 27.7.1984 (BStBl I 1984, 402) ist kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG zu erblicken. Für die Frage der Unterhaltsverpflichtung (und damit auch für die Frage der Opfergrenze) eines in der Bundesrepublik lebenden Gastarbeiters ist bis einschließlich zum Veranlagungszeitraum 1978 zunächst auf Recht und Wertvorstellungen des Heimatlandes abzustellen, aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung aber inländisches Zivilrecht bzw. inländische Wertvorstellungen als Grenze der Unterhaltspflicht anzusehen (Anschluß an BFH-Urteil vom 17.1.1984 VI R 244/80).

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1; EStG § 33a Abs. 1 S. 1, § 33 Abs. 2 S. 1; BGB §§ 1601, 1603 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wohnte im Streitjahr 1975 zusammen mit seiner Ehefrau in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik). Seine fünf Kinder lebten in Spanien. Er erzielte ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Bruttoarbeitslohn betrug 28 448 DM; der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ermittelte Einkünfte in Höhe von 27 304 DM.

In seinem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1975 machte der Kläger Unterhaltszahlungen an seine in Spanien lebenden Eltern in Höhe von 6 000 DM als außergewöhnliche Belastung geltend. Zahlungsnachweise wurden erbracht. Außerdem ergibt sich aus einer Bescheinigung des Bürgermeisters der Heimatgemeinde, daß die Eltern unterhaltsbedürftig sind. Aus zwei vorgelegten spanischen Schulbescheinigungen geht hervor, daß der Kläger für die Unterbringung zweier Söhne in einem Schulinternat Kosten in Höhe von je 52 500 Pesetas (ca. 2 100 DM) zu bezahlen hatte.

Das FA erkannte nur einen Betrag von 1 300 DM als außergewöhnliche Belastung an. Es errechnete diesen Betrag wie folgt:

DM DM

Arbeitslohn 28 448,--

abzüglich

---------

Weihnachts- und Arbeitnehmerfreibetrag

580,--

Werbungskostenpauschbetrag 564,--

Vorsorgeaufwendungen

bzw. Vorsorgepauschale 4 254,--

Sonderausgaben bzw.

Sonderausgabenpauschbetrag 480,--

Lohn- und Lohnkirchensteuer 3 607,-- 9 485,--

-------- ---------

Zwischensumme 18 963,--

zuzüglich

---------

Kindergeld, Arbeitslosen-

und Kurzarbeitergeld 3 300,--

andere Zuflüsse

z.B. erstattete Steuern 2 700,-- 6 000,--

-------- ---------

"Nettoeinkommen" 24 963,--

Opfergrenze 5 v.H. des "Nettoeinkommens" = 1 248,--

aufgerundet 1 300,--.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) erkannte einen Betrag von 4 000 DM als außergewöhnliche Belastung an. Es führte zur Begründung seiner Entscheidung aus: Die Begrenzung auf 4 000 DM ergebe sich aus der Ländergruppeneinteilung des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 26.Oktober 1979 IV B 6 - S 2365 - 85/79 (BStBl I 1979, 622). Die vom FA festgesetzte sog. Opfergrenze (im folgenden Opfergrenze) sei abzulehnen, weil sie die Zahl der unterstützten Personen im Verhältnis zur absoluten Höhe des Einkommens außer acht lasse. Unterhaltsleistungen von 4 000 DM seien dem Unterhaltsverpflichteten auch zumutbar. Das FG stellte folgende Rechnung auf:

DM DM

"Nettoeinkommen" (wie FA) 24 963,--

abzüglich Unterhalt für

- zwei im Internat

lebende Kinder

je 2 500,-- DM: 5 000,--

- drei weitere Kinder

je 2 000,-- DM: 6 000,-- 11 000,--

-------- ---------

13 963,--

- die Eltern: 4 000,--

---------

9 936,--.

Unter Berücksichtigung der Sozialhilfe --Regelsätze-- von 5 512 DM jährlich für den Kläger und seine Ehefrau verblieben diesen noch ausreichende Mittel, um einen gerade noch geringfügig über dem Niveau von Sozialhilfeempfängern liegenden Lebensaufwand zu bestreiten.

Gegen das Urteil wendet sich das FA mit der Revision. Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig (§ 33 Abs.2 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) Aufwendungen für den Unterhalt und eine etwaige Berufsausbildung von Personen, für die im Veranlagungszeitraum weder der Steuerpflichtige noch eine andere Person Anspruch auf Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) oder auf andere Leistungen für Kinder (§ 8 Abs.1 BKGG) hat, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, daß die Aufwendungen, höchstens jedoch ein Betrag von 3 000 DM im Kalenderjahr für jede unterhaltene Person, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs.1 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung --im folgenden: EStG--). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs.2 Satz 1 EStG).

2. Der BMF hat in seinem Schreiben vom 27.Juli 1984 (IV B 6 - S 2352 - 16/84, BStBl I 1984, 402 unter Tz.2.5.) allgemeine Regelungen für die Frage aufgestellt, inwieweit Unterhaltsleistungen der Höhe nach zwangsläufig sind. Im Hinblick auf die Person des Unterhaltsleistenden hat der BMF folgendes ausgeführt:

"2.5.2 Wenn die Notwendigkeit und Angemessenheit - bezogen auf den

Empfänger - festgestellt worden ist, ist darüber hinaus zu prüfen,

inwieweit der Steuerpflichtige zur Unterhaltsleistung unter

Berücksichtigung seiner Verhältnisse rechtlich, tatsächlich oder

sittlich verpflichtet ist. Dies ist nur der Fall, soweit die

Leistungen in einem vernünftigen Verhältnis zu seinen Einkünften

stehen und ihm nach Abzug der Unterhaltsleistungen genügend Mittel zur

Bestreitung des Lebensbedarfs für sich und ggf. für seine Ehefrau und

seine Kinder verbleiben (BFH-Urteil vom 17.Januar 1984 - BStBl II

S.522). In Anlehnung an diese Grundsätze sind Unterhaltsleistungen

nach § 33a Abs.1 EStG im allgemeinen höchstens insoweit als

außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, als sie einen bestimmten

Vomhundertsatz des Nettoeinkommens nicht übersteigen (Opfergrenze).

Der Vomhundertsatz beträgt 1 v.H. je volle 1 000 DM des

Nettoeinkommens, höchstens 50 v.H.. Dieser Vomhundertsatz ist um je 5

Punkte für die Ehefrau und jedes

Kind zu kürzen, höchstens um 25 Punkte.

Die Opfergrenze ist bei Unterhaltsleistungen für Kinder nicht

anzuwenden. Bei der Ermittlung des Nettoeinkommens sind alle

steuerpflichtigen und steuerfreien Einnahmen (z.B. Kindergeld und

vergleichbare Leistungen, Leistungen nach dem AFG, Berlin-Zulagen nach

§ 28 BerlinFG, Arbeitnehmersparzulagen nach § 12 4. VermBG) sowie

etwaige Steuererstattungen anzusetzen. Davon abzuziehen sind die

gesetzlichen Lohnabzüge (Lohn- und Kirchensteuern, Sozialabgaben) und

Werbungskosten (einschließlich etwaiger steuerlich anzuerkennender

Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung)."

Der Senat hält diese Verwaltungsregelung für eine zutreffende Auslegung des Begriffs "Zwangsläufigkeit".

a) Der VI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat in seinem Urteil vom 17.Januar 1984 VI R 24/81 (BFHE 140, 261, BStBl II 1984, 522, mit weiteren Nachweisen) entschieden, bei der in dem früheren Schreiben des BMF vom 26.November 1981 IV B 6 - S 2352 - 31/81 (BStBl I 1981, 744) angeordneten Opfergrenze habe es sich um eine norminterpretierende Verwaltungsregelung gehandelt. Solche Anweisungen würden die Steuergerichte nicht verpflichten, da die Gerichte nur an Gesetz und Recht gebunden sind. Die Gerichte könnten ihnen nur dann folgen, wenn sie eine zutreffende Auslegung des Gesetzes beinhalteten, in sich verständlich seien und dem Gleichheitssatz des Art.3 Abs.1 des Grundgesetzes (GG) entsprächen.

Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung für die Opfergrenzenregelung in BStBl I 1984, 402 an. Die Rechtsqualität der Regelung ist die gleiche geblieben; lediglich die Ausgestaltung im einzelnen hat sich geändert.

b) In seinem Urteil in BFHE 140, 261, BStBl II 1984, 522 hat der VI. Senat außerdem ausgeführt, daß sich die Frage, ob und inwieweit bei einem Unterhaltsverpflichteten bei Anwendung des § 33a Abs.1 i.V.m. § 33 Abs.2 EStG eine Opfergrenze zu beachten sei, bei der Prüfung der Unterhaltspflicht dem Grunde nach stelle. Der erkennende Senat teilt auch diese Rechtsauffassung des VI. Senats. Aus rechtlichen Gründen kann ein Steuerpflichtiger sich Unterhaltsleistungen "nicht entziehen", wenn er kraft Gesetzes hierzu verpflichtet ist. Dies ist im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern der Fall (§ 1601 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--). Eine Unterhaltspflicht entfällt jedoch, wenn der Verpflichtete bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren (§ 1603 Abs.1 BGB). Wird eine Unterhaltsverpflichtung aus rechtlichen Gründen dem Grunde nach bejaht, bedeutet die Verbindung mit dem "Nicht-Entziehen-Können" zugleich auch eine Aussage für die Höhe der Unterhaltsverpflichtung.

c) Die Frage, wie der angemessene Unterhalt im Sinn von § 1603 Abs.1 BGB zu berechnen ist, der dem Unterhaltsverpflichteten verbleiben muß, steht in Zusammenhang mit der Höhe seines Einkommens. Bei höherem Einkommen ist ein höherer Aufwand für die eigenen Lebensbedürfnisse des Unterhaltsleistenden anzusetzen. Dieser Erwägung wird die vom BMF gewählte Methode (BStBl I 1984, 402) zur Bemessung der Opfergrenze gerecht. Dem entspricht es, daß die sog. Düsseldorfer Tabelle (vgl. zuletzt Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1984, 2330) bei der Berechnung des angemessenen Selbstbehalts des Unterhaltsverpflichteten auch an die Höhe des Einkommens anknüpft.

Die progressive Ausgestaltung --Erhöhung der Opfergrenze mit wachsendem Einkommen durch Anwendung steigender Vomhundertsätze auf das Nettoeinkommen-- entspricht nicht nur der Regelung des § 1603 Abs.1 BGB, wonach der angemessene Unterhalt des Unterhaltsleistenden nicht gefährdet werden darf; sie stellt zudem sicher, daß auch Bezieher kleiner und kleinster Einkommen nicht von vornherein von der Steuerermäßigung des § 33a Abs.1 EStG ausgeschlossen werden; eine Forderung, die bereits der VI. Senat (Urteil in BFHE 140, 261, BStBl II 1984, 522) erhoben hat und der sich der erkennende Senat anschließt. Demgegenüber kann diesem Erfordernis durch Ansatz fester Beträge (z.B. der Regelsätze der Sozialhilfe) nicht Rechnung getragen werden. Der VI.Senat hat in seinem Urteil in BFHE 140, 261, BStBl II 1984, 522 zwar auch auf eine feste Opfergrenze abgestellt. Nach diesem Urteil ist die oberste Grenze der Opferbereitschaft dann erreicht, wenn dem Steuerpflichtigen, seiner Ehefrau und den minderjährigen unverheirateten Kindern nur so wenig für den eigenen Unterhalt verbleibt, daß ihnen --vom verbleibenden Betrag her gesehen-- Ansprüche auf die Regelsätze in der Sozialhilfe (§§ 11, 22 des Bundessozialhilfegesetzes --BSHG--) zuständen.

Die vom erkennenden Senat im vorliegenden Rechtsstreit vertretene Rechtsauffassung stellt keine Abweichung, sondern eine Fortentwicklung der Entscheidung des VI. Senats in BFHE 140, 261, BStBl II 1984, 522 dar. Die Regelsätze in der Sozialhilfe sollten nach jener Entscheidung nicht die Opfergrenze selbst, sondern nur die steuerlich maßgebende oberste Grenze der Opferbereitschaft bestimmen. Nachdem nun ein geeigneter Maßstab für die Bemessung einer Opfergrenze gefunden ist, kommt der im Urteil des VI. Senats in BFHE 140, 261, BStBl II 1984, 522 festgelegten Obergrenze im allgemeinen keine Bedeutung mehr zu.

Einige FG haben zwar zwischenzeitlich versucht, unter Fortführung der vom VI. Senat (Urteil in BFHE 140, 261, BStBl II 1984, 522) entwickelten Grundsätze eine Opfergrenze selbst zu bestimmen. So bezog sich z.B. das FG Münster in seinen Urteilen vom 21.Mai 1985 (II 897/85 L - n.v.; II 899/85 L - n.v.) und vom 19.Juni 1985 (II 1020/85 L - n.v.; II 1018/85 L - n.v.) auf die §§ 11, 21 und 22 BSHG und rechnete in die Opfergrenze folgende Beträge ein: Regelsätze, Zuschüsse zur Wohnungsmiete einschließlich Nebenkosten, Bekleidungs-, Heizungs-, Weihnachtsbeihilfen, Beihilfen für Hausrat, Einrichtung und Renovierung der Wohnung, Kosten für auswärtige Unterbringung von Kindern, Betreuung von Kindern, Steuerberatung, Familienheimfahrten, Berufsverbände, Urlaub und private und beruflich veranlaßte PKW-Fahrten, soweit angefallen. Das FG Baden-Württemberg, Außensenate in Stuttgart, rechnete in seinem Urteil vom 5.Juni 1985 IX 122/81 (IV 467/80) --Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1985, 616-- in die Opfergrenze neben dem Regelsatz die Wohnungsmiete und weitere bedarfsorientierte Zulagen (vgl. §§ 12 ff. BSHG) ein. Diese schätzte das FG bei einer dreiköpfigen Familie auf durchschnittlich 320 DM, bei einem Ledigen auf durchschnittlich 100 DM monatlich (zu letzterem: FG Baden- Württemberg, Urteil vom 17.Juli 1985 IX 159/82 - n.v.). Den Erwägungen dieser FG-Entscheidungen vermag der erkennende Senat in Anbetracht der vorstehend entwickelten Grundsätze nicht zu folgen.

d) Die Festlegung der Opfergrenze auf 1 v.H. je volle 1 000 DM des Nettoeinkommens hält der Senat für zutreffend, da diese Berechnung zu angemessenen Ergebnissen führt. Auch ist das Nettoeinkommen mit den entsprechenden Zu- und Abrechnungen als richtige Bezugsgröße gewählt; denn es gibt neben den bei der steuerrechtlichen Einkommensermittlung berücksichtigten Einkünften auch steuerfreie Einnahmen (z.B. --wie hier-- Kindergeld, Arbeitslosen- und Kurzarbeitergeld), welche die finanzielle Leistungsfähigkeit erhöhen und andererseits neben den Werbungskosten auch andere unabweisbare Ausgaben (z.B. Sozialabgaben, Lohn- und Lohnkirchensteuern), die diese Leistungsfähigkeit vermindern. Beides darf aber bei der Ermittlung des angemessenen eigenen Unterhalts und der Bemessung der Opfergrenze nicht unberücksichtigt bleiben. Ob neben den Beträgen, die der BMF in BStBl I 1984, 402, Tz.2.5.2 bei der Ermittlung des Nettoeinkommens berücksichtigt, auch noch der Saldo zwischen Sparbuchabhebungen und Sparbucheinzahlungen (so das FG Köln, Urteil vom 16.Oktober 1984 IX K 226/83, EFG 1985, 180) und/oder ein aufgenommener Kredit einzubeziehen sind, ist im Streitfall nicht entscheidungserheblich und kann daher offenbleiben.

e) Die Kürzung des Vomhundertsatzes um je 5 Punkte für die Ehefrau und jedes Kind berücksichtigt den Unterhaltsbedarf dieser Personen in vertretbarer Weise. Dagegen wird zwar vorgebracht, die Kürzung stelle einen Verstoß gegen Art.6 Abs.1 GG dar, da kinderreiche Familien mit mittleren und kleineren Einkommen von der Begünstigung des § 33a Abs.1 EStG generell ausgeschlossen würden. Bei einem verheirateten Steuerpflichtigen mit drei Kindern und einem Nettoeinkommen von 20 000 DM oder einem verheirateten Steuerpflichtigen mit vier Kindern und einem Nettoeinkommen von 25 000 DM betrage nämlich die Opfergrenze 0 DM (z.B. FG Köln, Urteil in EFG 1985, 180). Dieser Einwand kann jedoch zu keiner anderen Beurteilung führen. Er übersieht, daß die Kürzung gerade eine Entscheidung zugunsten der in Art.6 Abs.1 GG geschützten Familie darstellt. Denn eine solche Kürzung entspricht der angemessenen Bedürfnisbefriedigung dieser vorrangig unterhaltsberechtigten Personen (vgl. § 1609 BGB). Daß sich dies bei der Berechnung der Opfergrenze dahin auswirkt, daß im Rahmen von § 33a Abs.1 EStG nur geringere Beträge abziehbar sind, ist lediglich die (negative) Nebenwirkung einer richtigen Grundentscheidung zugunsten der Familie.

Die Kürzung des Vomhundertsatzes um 5 Punkte unabhängig davon, ob die unterhaltenen Personen (hier: die Kinder) im Inland oder im Heimatland leben, erscheint ebenfalls vertretbar, da inländische Grundsätze anzuwenden sind. Der Gesetzgeber hat nämlich die Frage der Unterhaltsverpflichtung (und damit auch die Frage der Opfergrenze) für Veranlagungszeiträume ab 1979 so geregelt, daß inländische Wertvorstellungen maßgebend sind (§ 33a Abs.1 Satz 4, 2.Halbsatz EStG 1979). Der BFH hat erst in seinem Urteil vom 17.Januar 1984 VI R 244/80 (BFHE 140, 250, BStBl II 1984, 527) dazu Stellung genommen, ob ausländische (so z.B. FG Münster, Urteil vom 13.März 1969 V 284/67 L, EFG 1969, 493; v. Bornhaupt im Betriebs-Berater --BB-- 1978, 1002) oder inländische Maßstäbe (so z.B. FG Düsseldorf, Urteil vom 29.November 1971 IX 214/70 L, EFG 1972, 122; FG Berlin, Urteile vom 24.September 1976 III 167/76, EFG 1977, 171, und vom 8.Juni 1979 III 496/77, EFG 1980, 21; FG München, Urteil vom 19.Juni 1980 V (X) 78/77 L, EFG 1980, 550, die in dem Einfügen von § 33a Abs.1 Satz 4, 2.Halbsatz EStG 1979 lediglich eine Klarstellung sehen) anzuwenden seien. Der VI. Senat hat in dem Urteil in BFHE 140, 250, BStBl II 1984, 527 mit ausführlicher Begründung zunächst auf Recht und Wertvorstellungen des Heimatlandes abgestellt, aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung aber inländisches Zivilrecht bzw. inländische Wertvorstellungen als Grenze der Unterhaltspflicht angesehen. Der erkennende Senat teilt diese Auffassung. Das bedeutet, daß diese 5 Prozentpunkte bei im Heimatland lebenden Unterhaltsempfängern keine Kürzung (evtl. entsprechend der Ländergruppeneinteilung des BMF in BStBl I 1979, 622) erfahren müssen.

Dem Verbilligungseffekt bei kinderreichen Familien wurde dadurch ausreichend Rechnung getragen, daß die Kürzung des Vomhundertsatzes auf 25 Punkte beschränkt ist.

Nachstehende Aufstellung zeigt, daß auch ein Vergleich in absoluten Zahlen zu vertretbaren Ergebnissen führt:

Nettoeinkommen Opfergrenze angemessener

bei Ledigen eigener Unterhalt

(Spalte 1 ./.

Spalte 2

10 000 10 v.H. = 1 000 9 000

15 000 15 v.H. = 2 250 12 750

20 000 20 v.H. = 4 000 16 000

25 000 25 v.H. = 6 250 18 750

30 000 30 v.H. = 9 000 21 000

40 000 40 v.H. = 16 000 24 000

50 000 50 v.H. = 25 000 25 000

Kürzung der Kürzungsbetrag für Opfergrenze bei

Opfergrenze je Ehefrau und drei Verheirateten

5 v.H. des Kinder mit drei Kindern

Nettoeinkommens (Spalte 2 ./.

für Ehefrau und Spalte 5)

Kinder

500 20 v.H., max. = 1 000 0

750 20 v.H., max.= 2 250 0

1 000 20 v.H. = 4 000 0

1 250 20 v.H. = 5 000 1 250

1 500 20 v.H. = 6 000 3 000

2 000 20 v.H. = 8 000 8 000

2 500 20 v.H. = 10 000 15 000.

Nach Überzeugung des Senats ist es z.B. nicht überhöht, bei einem Nettoeinkommen von 20 000 DM für den Unterhalt der Ehefrau und drei Kinder insgesamt 4 000 DM in Ansatz zu bringen.

f) Die Regelung des BMF in BStBl I 1984, 402 ist auch in sich verständlich. Insbesondere hat der BMF der Kritik des VI. Senats (Urteil in BFHE 140, 261, BStBl II 1984, 522) Rechnung getragen, der die unklare Formulierung des BMF-Schreibens (BStBl I 1981, 744) im Falle der Kürzung des Vomhundertsatzes bei berücksichtigungsfähigen Kindern beanstandet hatte. Nach der Neufassung des BMF-Schreibens in BStBl I 1984, 402 können nunmehr für jedes Kind 5 v.H. des Nettoeinkommens in Ansatz gebracht werden, unabhängig davon, ob für solche Kinder Anspruch auf Kindergeld oder sonstige Leistungen nach dem BKGG besteht.

g) In dieser Ausgestaltung der Opfergrenze in dem BMF-Schreiben in BStBl I 1984, 402 ist auch kein Verstoß gegen Art.3 Abs.1 GG zu erblicken. Die frühere Opfergrenzenregelung in BStBl I 1981, 744 war vom VI. Senat (Urteil in BFHE 140, 261, BStBl II 1984, 522) als unvereinbar mit Art.3 Abs.1 GG angesehen worden, da die Opfergrenze nur bei Nettoeinkommen bis 30 000 DM geregelt und bei höheren Nettoeinkommen das Ermessen jedes einzelnen Bearbeiters des FA entscheidend war. Die Anweisungen in BStBl I 1984, 402 berücksichtigen diese Einwände und führen auch bei höheren Nettoeinkommen zu einer genaueren Bestimmung der Opfergrenze. Sie entspricht damit dem Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung sowohl bei niedrigeren als auch bei höheren Nettoeinkommen. Insgesamt steht die Ausgestaltung der Opfergrenze durch das BMF-Schreiben in BStBl I 1984, 402 mit Sinn und Zweck des § 33a Abs.1 EStG i.V.m. § 33 Abs.2 EStG in Einklang und widerspricht nicht der Lebenserfahrung. Sie ist daher grundsätzlich auch von den FG zu beachten.

h) Neben den rechtlichen Erwägungen ist noch zu beachten, daß diese Regelung der Klarheit und Überschaubarkeit dient. Der Steuerpflichtige bzw. sein Berater können die Opfergrenze ohne Schwierigkeiten selbst ermitteln. Dies ist bereits während des Veranlagungs(bzw. Ausgleichs-)zeitraums möglich, so daß der Steuerpflichtige sich schon während des Jahres mit seinen Zahlungen auf die im Rahmen des § 33a Abs.1 EStG gegebene Abzugsmöglichkeit einstellen kann.

i) Da es sich, wie unter a) ausgeführt, bei der Opfergrenzenregelung des BMF in BStBl I 1984, 402 um eine norminterpretierende Regelung handelt, stellt sich nicht das Problem der Rückwirkung.

3. Die Vorentscheidung war aufzuheben, da das FG von anderen rechtlichen Gesichtspunkten ausgegangen ist. Die Streitsache ist entscheidungsreif.

Bei einem festgestellten Nettoeinkommen von 24 963 DM und sechs unterhaltsberechtigten Familienmitgliedern (Ehefrau und fünf Kinder) beträgt die Opfergrenze 0 DM. Im Streitfall sind keine Besonderheiten ersichtlich, die es ermöglichten, von diesem Ergebnis abzuweichen (vgl. dazu BMF in BStBl I 1984, 402: "... im allgemeinen ..."). Für das Bestehen einer weiterreichenden Verpflichtung zur Unterhaltsleistung aus tatsächlichen oder sittlichen Gründen liegen im Streitfall keine Anhaltspunkte vor. Abgesehen davon gelten die Grundsätze, die vorstehend für die auf Rechtsgründen beruhende Unterhaltspflicht entwickelt worden sind, in aller Regel entsprechend für eine auf tatsächlichen oder sittlichen Gründen beruhende Verpflichtung zum Unterhalt.

Die Klage war demnach abzuweisen.

Wegen des Verbots der Verböserung ist es dem Senat verwehrt, den Abzug als außergewöhnliche Belastung in vollem Umfang zu versagen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414485

BStBl II 1986, 852

BFHE 147, 231

BFHE 1987, 231

DStR 1986, 764-765 (LT1-2)

HFR 1987, 72-74 (ST)

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