Entscheidungsstichwort (Thema)

Anschlußrechtsprechung zum Kontentrennungsbeschluß

 

Leitsatz (NV)

Die Finanzierungsfreiheit gestattet es dem Unternehmer, zunächst dem Betrieb Barmittel ohne Begrenzung auf einen Zahlungsmittelüberschuß zu entnehmen und im Anschluß hieran betriebliche Aufwendungen durch Darlehen zu finanzieren. Welcher Art die privaten Aufwendungen sind, für die die Barmittel entnommen werden, ist unerheblich.

Der Unternehmer ist berechtigt, sich der Kontentrennung zu bedienen, z. B. die Kasseneinnahmen auf ein Konto einzuzahlen, das nur privaten Auszahlungen dient. Betriebliche Auszahlungen von einem nur dem betrieblichen Zahlungsverkehr gewidmeten anderen Kontokorrentkonto und der dadurch verursachte Schuldsaldo auf diesem Konto sind trotz der vorhergehenden Barentnahmen ausschließlich betrieblich veranlaßt.

Wird diese betrieblich veranlaßte Kontokorrentschuld durch einen langfristigen Kredit abgelöst, so ist auch dieses langfristige Darlehen eine Betriebsschuld; die hierfür anfallenden Schuldzinsen sind Betriebsausgaben.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4; AO 1977 § 42; GG Art. 3

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1987 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger betreibt eine Apotheke. Seinen Gewinn ermittelt er gemäß §5 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Mit Kaufvertrag vom 31. März 1987 erwarb der Kläger das mit einem Einfamilienhaus bebaute Grundstück A-Straße 5 in X. Der Kaufpreis betrug 348 402 DM.

Der Kläger unterhielt bei der Kreissparkasse das Kontokorrentkonto ... (Konto A). Am 21. April 1987 richtete er dort ein weiteres Kontokorrentkonto ... (Konto B) mit der Kontobezeichnung " ... -Apotheke, Inhaber ... " ein. In der Folgezeit zahlte der Kläger die Einnahmen aus der Apotheke auf das neu eingerichtete Konto. Auf diesem bestand am 10. Juni 1987 ein Guthaben von 112 482 DM. Hiervon überwies der Kläger am selben Tag 112 000 DM als Kaufpreisrate für das Einfamilienhaus.

Über das Konto A hatte der Kläger nach dem 21. April 1987 laufend seine betrieblichen Ausgaben beglichen. Am 10. Juni 1987 überwies er von diesem Konto eine Kaufpreisrate in Höhe von 228 000 DM für das Einfamilienhaus. Der Schuldsaldo belief sich danach auf 387 781,43 DM. Dem Konto A wurden am 16. Juni 1987 mit Wertstellung per 10. Juni 1987 drei Darlehen mit einem Gesamtauszahlungsbetrag von 366 500 DM gutgeschrieben. Den Darlehen lagen Verträge mit der Kreissparkasse über 1.) 50 000 DM (Disagio 3 000 DM), 2.) 115 000 DM (Disagio 2 300 DM) und 3.) 220 000 DM (Disagio 13 200 DM) zugrunde. Im August 1987 löste der Kläger das Konto B auf.

In seiner Bilanz zum 31. Dezember 1987 wies der Kläger nur das Darlehen Nr. 2 über 115 000 DM als Verbindlichkeit aus. Dementsprechend zog er die Schuldzinsen sowie den auf die Laufzeit berechneten Anteil des Disagios als Betriebsausgaben ab.

Nach einer Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) davon aus, daß das Darlehen nicht betrieblich veranlaßt sei. Das FA erhöhte den Gewinn um 3 985 DM. Es zog den Teil der Schuldzinsen, die vor Bezug des Einfamilienhauses angefallen waren, und das Disagio gemäß §10 e Abs. 6 Satz 1 EStG vom Gesamtbetrag der Einkünfte ab.

Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage hat das Finanzgericht (FG) stattgegeben. Es führt im wesentlichen aus: Nach dem Beschluß des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88 (BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817) sei maßgeblich für die Zuordnung eines Kredits zum privaten oder betrieblichen Bereich, für welche Zwecke das Darlehen verwendet werde. Auf dem Kontokorrentkonto A seien private Aufwendungen im wesentlichen durch die Überweisung der Kaufpreisrate für das private Einfamilienhaus in Höhe von 228 000 DM entstanden. Diese private Schuld sei aber durch die Darlehen Nrn. 1 und 3 über insgesamt 253 800 DM Auszahlungssumme abgedeckt worden. Die übrigen Schulden auf dem Konto A seien durch betriebliche Aufwendungen entstanden. Der Kläger habe durch Gutschrift des Darlehens Nr. 2 auf dem Kontokorrentkonto A entgegen dem ursprünglichen Verwendungszweck tatsächlich betriebliche Schulden getilgt. Eine andere Beurteilung sei nicht deshalb geboten, weil der Kläger bewußt betriebliche Einnahmen auf das Konto B geleitet und so indirekt den Schuldsaldo des Kontos A um 112 482 DM erhöht habe. Dem Betriebsinhaber, der -- wie der Kläger -- nicht überschuldet sei, stehe es frei, ob er seinen Finanzbedarf über Eigen- oder Fremdmittel decke.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung des §4 Abs. 4 EStG.

Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Klägerin ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.

Das Bundesministerium der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten.

Der erkennende Senat hat im vorliegenden Verfahren mit Beschluß vom 28. Juni 1995 XI R 34/93 (BFHE 178, 395, BStBl II 1995, 877) den Großen Senat des BFH wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage angerufen, ob Schuldzinsen für ein Darlehen, mit dessen Valuta ein betrieblich begründeter Sollsaldo auf einem betrieblichen Kontokorrentkonto ausgeglichen, das aber im zeitlichen Zusammenhang mit dem Erwerb eines zur Eigennutzung bestimmten Wohngrundstücks aufgenommen wird, als Betriebsausgaben abziehbar sind, wenn die Betriebseinnahmen auf einem anderen Konto angesammelt werden, um eine betragsmäßig der Darlehensvaluta entsprechende Kaufpreisrate für das Grundstück zu zahlen. Der Große Senat des BFH hat die Frage mit Beschluß vom 8. Dezember 1997 GrS 1-2/95 (BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193) bejaht.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Sie wird nach §126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückgewiesen.

Zu Recht hat das FG Disagio und Schuldzinsen des Darlehens Nr. 2 als Betriebsausgaben anerkannt.

Betriebsausgaben sind Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind (§4 Abs. 4 EStG). Diese betriebliche Veranlassung ist dann gegeben, wenn die Zinsen für eine Verbindlichkeit geleistet werden, die durch den Betrieb veranlaßt ist und deshalb zum Betriebsvermögen gehört. Maßgebend ist allein der tatsächliche Verwendungszweck des Darlehens.

Der Große Senat betont in seinem Beschluß vom 8. Dezemer 1997 die Finanzierungsfreiheit des Unternehmers, die es ihm gestattet, zunächst dem Betrieb Barmittel ohne Begrenzung auf einen Zahlungsmittelüberschuß zu entnehmen und im Anschluß hieran betriebliche Aufwendungen durch Darlehen zu finanzieren; welcher Art die privaten Aufwendungen sind, für die die Barmittel entnommen werden, ist unerheblich. Der Unternehmer ist berechtigt, sich der Kontentrennung zu bedienen, z. B. die Kasseneinnahmen auf ein Konto einzuzahlen, das nur privaten Auszahlungen dient. Betriebliche Auszahlungen von einem nur dem betrieblichen Zahlungsverkehr gewidmeten anderen Kontokorrentkonto und der dadurch verursachte Schuldsaldo auf diesem Konto sind trotz der vorhergehenden Barentnahmen ausschließlich betrieblich veranlaßt. Wird diese betrieblich veranlaßte Kontokorrentschuld durch einen langfristigen Kredit abgelöst, so ist auch dieses langfristige Darlehen eine Betriebsschuld; die hierfür anfallenden Schuldzinsen sind Betriebsausgaben. An dieser Rechtsfolge ändert sich nichts dadurch, daß der langfristige Kredit ursprünglich für andere Zwecke eingesetzt werden sollte, daß zwischen seiner Zuführung auf das negative betriebliche Kontokorrentkonto und der Verwendung der im Unternehmen vorhandenen und auf einem Einnahmekonto gesondert verbuchten Barmittel zur Bestreitung privater Ausgaben ein zeitlicher Zusammenhang besteht und daß das Umschuldungsdarlehen und die entnommenen Barmittel betragsmäßig völlig oder nahezu völlig gleich sind. Die Kontentrennung ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Der erkennende Senat verweist im übrigen zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Großen Senats im Beschluß vom 8. Dezember 1997.

Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze war im Streitfall das Darlehen Nr. 2 über 115 000 DM betrieblich veranlaßt. Disagio und Darlehenszinsen sind als Betriebsausgaben abziehbar. Der Kläger löste mit diesem Darlehen eine ausschließlich betrieblich veranlaßte Kontokorrentschuld auf dem Konto A ab. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat gemäß §118 Abs. 2 FGO gebunden ist, wurden vom Konto A private Aufwendungen im wesentlichen durch die Überweisung der Kaufpreisrate für das private Einfamilienhaus in Höhe von 228 000 DM getätigt. Im übrigen diente dieses Konto der Finanzierung der Betriebsausgaben. Da die private Schuld durch die Darlehen Nrn. 1 und 3 über insgesamt 253 800 DM Auszahlungssumme mit Wertstellung zum Tag der Überweisung der Kaufpreisrate abgedeckt wurde, diente das Darlehen Nr. 2 nicht der Finanzierung einer Entnahme.

Es stellt keinen Rechtsmißbrauch dar, daß der Kläger in zeitlichem Zusammenhang mit der Entstehung des Sollsaldos auf dem Konto A seine Betriebseinnahmen auf dem getrennten Konto B angesammelt hat, um hiervon eine Kaufpreisrate von 112 000 DM zu bezahlen, und daß er das langfristige Darlehen Nr. 2 mit der Auszahlungssumme über 112 700 DM zur Umschuldung der betrieblichen Kontokorrentschuld verwendet hat. Es stand dem Kläger frei, seinen betrieblichen Finanzbedarf über Eigen- oder Fremdmittel zu decken. Da mit den Mitteln des Darlehens Nr. 2 tatsächlich eine betrieblich veranlaßte Kontokorrentverbindlichkeit umgeschuldet wurde, war dieses Darlehen eine Betriebsschuld.

 

Fundstellen

Haufe-Index 67571

BFH/NV 1998, 1090

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