Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Sonstiges Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Dem Unternehmerrisiko kommt für die Frage, ob ein Versicherungsvertreter selbständig oder unselbständig ist, im Rahmen des Gesamtbildes seiner Stellung eine besondere Bedeutung zu. Die Art der entfalteten Tätigkeit ist in der Regel nicht mehr von entscheidender Bedeutung. Insoweit gibt der erkennende Senat die besonders im Urteil des Reichsfinanzhofs V A 114/33 vom 15. Dezember 1933, RStBl 1934 S. 1208, Slg. Bd. 35 S. 214, begründete Rechtsprechung auf.

 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 1; EStG § 15 Nr. 1, § 19/1, § 19/1/1; LStDV § 1; UStG § 2 Abs. 2 Ziff. 1

 

Tatbestand

Streitig ist bei der Gewerbesteuer für die Erhebungszeiträume 1953 und 1954, ob und in welchem Umfang die Versicherungsvertreter A. und B. (Bg.) gewerbesteuerpflichtig sind.

Die Bg. übernahmen im schriftlichen Vertrag vom 1. Juli 1926 mit Versicherungsgesellschaften eine Generalagentur (Geschäftsstelle) dieser Gesellschaften. Nach diesem Vertrage waren sie unter anderem berechtigt und verpflichtet, nach Anleitungen der Gesellschaften Versicherungsverträge zu vermitteln, Haupt- und Spezialagenten anzulernen und zu überwachen, den Schriftwechsel mit den Versicherungsnehmern zu führen, den Versicherungsbestand zu verwalten, Schäden zu regulieren und die fälligen Gebühren und Prämien einzuziehen. Die Bg. trugen das Delkredere für alle ihnen unterstellten Haupt- und Spezialagenten und Geschäftsvermittler. Sie erhielten Vermittlungs- und Verwaltungsprovisionen, aus denen sie fast alle Unkosten der Agentur, wie Büromiete, Personalkosten (etwa sieben Angestellte im Innendienst), Kraftwagen und selbst Reisekosten zu decken hatten. Die Abschlußprovisionen betrugen etwa 10 v. H. der Gesamtprovisionen. Die Bg. unterhielten ein gemeinsames Büro, hatten eine gemeinsame Buchführung, in der alle Aufwendungen und Erträge aus der gemeinsamen Tätigkeit erfaßt wurden, und teilten den Erfolg ihrer Tätigkeit. Die Versicherungsgesellschaften nahmen auf Anweisung der Finanzverwaltung ab 1955 von den Provisionen den Lohnsteuerabzug vor.

Das Finanzamt behandelte die Bg. als Generalagenten mit gemischter Tätigkeit und sah sie grundsätzlich hinsichtlich ihrer verwaltenden Tätigkeit als unselbständig an. Es zog die Bg. aber nicht nur mit den Einkünften aus ihrer vermittelnden Tätigkeit, sondern mit allen Einkünften aus der Agentur deshalb zur Gewerbesteuer heran, weil die beiden Bg. eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts bildeten, bei der die Gesellschafter als Unternehmer anzusehen seien, und weil deshalb ihre Tätigkeit in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gelte (§ 2 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG).

Die Berufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht hob die einheitlichen, gegen die Gesellschaft ergangenen Gewerbesteuermeßbescheide 1953 und 1954 mit der folgenden Begründung ersatzlos auf. Die Gewerbesteuerpflicht der Bg. als Mitunternehmer einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts könne nicht auf § 2 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG gestützt werden. Das Finanzamt habe anerkannt, daß die Bg. Generalagenten mit gemischter Tätigkeit und hinsichtlich der verwaltenden Tätigkeit unselbständig seien. Die verwaltende Tätigkeit könne nur dann nach § 2 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG zu einer gewerblichen werden, wenn sie im Rahmen einer sich auf die verwaltende und die vermittelnde Betätigung erstreckenden Mitunternehmerschaft entfaltet worden sei. Eine solche Mitunternehmerschaft müsse verneint werden, weil es an einem gemeinsamen Anlagevermögen, einem echten Unternehmerrisiko und der Verfolgung eines gemeinsamen Zweckes fehle. Aus der Tatsache, daß die Bg. in einem gemeinsamen Büro tätig würden, eine Arbeitsteilung vereinbart hätten und sich die Einkünfte aus der Agentur teilten, könne nicht auf das Bestehen eines Gesellschaftsvertrages geschlossen werden. Die Frage der Gewerbesteuerpflicht müsse deshalb bei den beiden Versicherungsvertretern einzeln entschieden werden.

Auf Anregung des Senats beteiligte sich der Bundesminister der Finanzen am Verfahren und äußerten sich zur Rechtsfrage Verbände der Versicherungswirtschaft und der Angehörigen der Versicherungsvermittlung. Der Bundesminister der Finanzen begründete seine Auffassung, daß die Bg. in vollem Umfange gewerbesteuerpflichtig seien, wie folgt. Die Annahme eines Gewerbebetriebs setze eine selbständige Tätigkeit voraus (§ 1 Abs. 1 GewStDV 1955). Sei die Selbständigkeit zu verneinen, so sei der Versicherungsvertreter Arbeitnehmer und Angestellter im Sinne des § 84 Abs. 2 HGB. Da die Entscheidung zwischen selbständigen und nichtselbständigen Versicherungsvertretern für mehrere Rechtsgebiete von Bedeutung sei, sei eine einheitliche Auslegung des Begriffes der Selbständigkeit erwünscht. Weder das Gewerbesteuer- noch das Einkommensteuerrecht definiere den Begriff der selbständigen Tätigkeit im Sinne des § 1 GewStDV 1955 und § 2 Abs. 1 UStG. Dagegen bemühe sich § 1 LStDV um eine Abgrenzung des Arbeitnehmerbegriffs. Es sei anzunehmen, daß die dort entwickelte Definition auch für das Arbeitsrecht Bedeutung habe. überblicke man aber die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (z. B. Urteile V A 114/33 vom 15. Dezember 1933, RStBl 1934 S. 1208, Slg. Bd. 35 S. 214; VI A 778/33 vom 4. September 1935, RStBl 1935 S. 1513; VI 265/39 vom 24. Mai 1939, RStBl 1939 S. 940, Slg. Bd. 47 S. 45, und VI 208/43 vom 27. Oktober 1943, RStBl 1944 S. 156) im Zusammenhang, so lasse sich feststellen, daß die Abgrenzung der selbständigen von der unselbständigen Tätigkeit bei Versicherungsvertretern nur in verhältnismäßig geringem Umfang nach den im Arbeitsrecht entwickelten Grundsätzen beurteilt worden sei. Die Betonung der Art der Tätigkeit durch den Reichsfinanzhof habe schließlich zu der grundsätzlichen, zur Umsatzsteuer ergangenen Entscheidung V A 114/33 a. a. O. geführt, die den Generalagenten als selbständig ansehe, soweit er Abschlußprovisionen beziehe, und als unselbständig, soweit er verwaltend tätig sei und Inkassoprovisionen vereinnahme. Der Reichsfinanzhof stelle immer wieder in den Vordergrund, daß der Generalagent bei seinen Verwaltungsaufgaben weisungsgebunden, der selbständige Vermittlungsagent aber solchen Weisungen nicht unterworfen sei. Diese Auffassung erscheine kaum vertretbar, weil auch der selbständige Dienstverpflichtete weisungsgebunden sei. Wenn der Reichsfinanzhof darauf hinweise, daß den selbständigen Versicherungsagenten (Spezialagenten) die Tatsache, daß er in seiner Tätigkeit eigene geschäftliche Initiative entfalte, zum Gewerbetreibenden mache, so sei einzuwenden, daß eine solche Initiative auch vom Generalagenten erwartet und von ihm auch entwickelt werde. Auch das besonders vom Reichsfinanzhof hervorgehobene Vertrauensverhältnis zwischen dem Versicherungsunternehmen und dem Generalagenten sei kein Erkenntnismerkmal für die Unselbständigkeit, weil es auch den selbständigen Handelsvertreter mit dem Geschäftsherrn verbinde. Die neuere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs lasse eine gewisse Neuorientierung erkennen, indem sie auf die Eingliederung des Generalagenten in den Betrieb des Versicherungsunternehmens und auf sein Unternehmerrisiko entscheidendes Gewicht lege (Urteile des Bundesfinanzhofs IV 340/56 U vom 19. Februar 1959 und V 88/57 U vom 10. September 1959, BStBl 1959 III S. 425 und 437, Slg. Bd. 69 S. 438 und 474). Dieser Rechtsprechung sei beizutreten. Da die beiden Urteilen zugrunde liegenden Sachverhalte für die Generalagenten weitgehend typisch sein dürften, seien Generalagenten nur noch in verhältnismäßig seltenen Fällen ohne Unternehmerrisiko und damit als Arbeitnehmer tätig. Dieses Ergebnis sei auch nicht unbillig. Wer im eigenen Büro mit eigenen Arbeitskräften unter übernahme eines erheblichen Risikos tätig sei, werde regelmäßig allgemein nicht als Arbeitnehmer angesehen.

Demgegenüber schlossen sich die Verbände der Versicherungswirtschaft und der Angehörigen der Versicherungsvermittlung im wesentlichen der Auffassung der Bg. an. Sie legten in ihren Stellungnahmen entscheidendes Gewicht auf die bis ins einzelne gehende Weisungsgebundenheit des Generalagenten, aus der sich dessen persönliche Abhängigkeit und Unselbständigkeit ergebe. Der Generalagent sei auf Grund dieser Weisungsgebundenheit in den Betrieb des Versicherungsunternehmens als Leiter einer Geschäftsstelle des Versicherungsunternehmens eingegliedert und deshalb mit den seine verwaltende Tätigkeit abgeltenden Prämieneinnahmen nicht umsatzsteuerpflichtig (§ 2 Abs. 2 Ziff. 1 UStG). Die ihm aus der Verwaltung des übernommenen Bestandes an Versicherungsverträgen zufließenden Provisionseinnahmen seien so hoch, daß von einem echten Unternehmerrisiko nicht gesprochen werden könne, weil die durch die Verwaltung entstehenden Kosten ungefähr bekannt seien. Auch der unselbständige tätige Arbeitnehmer könne durch eine vom Umsatz oder Gewinn abhängige Vergütung an dem Erfolg seiner Tätigkeit beteiligt werden. Selbständig sei der Generalagent nur insoweit, als er Versicherungsverträge vermittle oder abschließe.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist begründet.

Die bestrittene Gewerbesteuerpflicht der Bg. hängt davon ab, ob sie einen Gewerbebetrieb im Sinne des EStG unterhalten und Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) erzielen (§ 2 Abs. 1, § 7 GewStG). Ein Gewerbebetrieb ist eine selbständige, nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt (§ 1 Abs. 1 GewStDV 1955). Aus diesen auf das Einkommensteuerrecht verweisenden Vorschriften ergibt sich, daß eine bestimmte Betätigung, die ihrer Natur nach nicht zu den Einkünften aus Landwirtschaft oder aus selbständiger Arbeit gehört, im allgemeinen nur entweder einen Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) darstellt oder zu lohnsteuerpflichtigen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) führt. Das folgt auch aus § 1 Abs. 3 und 4 LStDV. Danach liegt ein Arbeitsverhältnis vor, wenn die tätige Person ihre Arbeitskraft schuldet, d. h. wenn sie in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist; Arbeitnehmer ist aber nicht, wer umsatzsteuerpflichtige Entgelte für Lieferungen und Leistungen erhält, die er im Rahmen der von ihm selbständig ausgeübten gewerblichen und beruflichen Tätigkeit erbringt. Die bezeichneten Vorschriften bringen die Vorstellung und die Absicht des Gesetz- und Verordnungsgebers zum Ausdruck, daß auch zwischen der einkommen- und gewerbesteuerlichen Beurteilung einerseits und der Heranziehung der Entgelte zur Umsatzsteuer andererseits insofern ein enger Zusammenhang besteht, als die tätige Person nicht Arbeitnehmer und gleichzeitig für den Arbeitslohn umsatzsteuerpflichtiger Unternehmer sein kann. Das kommt auch in der mit den bezeichneten Begriffsbestimmungen des Gewerbebetriebs und der Arbeitnehmertätigkeit weitgehend übereinstimmenden Definition des Unternehmers und des Unternehmens in § 2 UStG zum Ausdruck. Danach wird eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit unter anderem nichtselbständig, d. h. im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, ausgeübt, soweit die tätige Person einem Unternehmen derart eingegliedert ist, daß sie den Weisungen des Unternehmens folgen muß (§ 2 Abs. 2 Ziff. 1 UStG). Die Eingliederung und die Weisungsbefugnis sind also sowohl im Einkommensteuer- und Gewerbesteuerrecht als auch im Umsatzsteuerrecht von entscheidender Bedeutung für die Beantwortung der Frage, ob die tätige Person ihre Arbeitskraft schuldet und Arbeitnehmer ist. Der erkennende Senat stimmt deshalb mit dem für die Umsatzsteuer zuständigen V. Senat darin überein, daß es bei den Generalagenten und sonstigen Versicherungsvertretern im allgemeinen nicht möglich ist, daß sie hinsichtlich derselben Einnahmen gewerbesteuerpflichtig sind, aber keine Umsatzsteuer zu entrichten haben. Das gilt auch für den umgekehrten Fall. Die Selbständigkeit oder Unselbständigkeit des Generalagenten ist also für die Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Gewerbesteuer nach denselben Grundsätzen zu beurteilen.

Der Bundesfinanzhof wich in den vom Bundesminister der Finanzen bezeichneten Entscheidungen IV 340/56 U (für die Gewerbesteuer) und V 88/57 U (für die Umsatzsteuer) von der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs insofern ab, als er im Rahmen des Gesamtbildes der Art der Betätigung des Versicherungsvertreters eine wesentlich geringere Bedeutung als bisher beimaß und das entscheidende Gewicht darauf legte, ob der Versicherungsvertreter seine Tätigkeit im Rahmen eines eigenen Betriebes mit einem ins Gewicht fallenden Unternehmerrisiko entfaltet. An dieser Auffassung hält der erkennende Senat in übereinstimmung mit dem Umsatzsteuersenat und dem IV. Senat fest.

Die Bg. waren Generalagenten, die eine Geschäftsstelle mehrerer Versicherungsunternehmen unterhielten und die im Rahmen ihrer verwaltenden Tätigkeit weitgehend den Weisungen der Versicherungsunternehmen zu folgen verpflichtet waren. Zur sogenannten verwaltenden Tätigkeit eines Generalagenten als Leiter einer Geschäftsstelle eines Versicherungsunternehmens wird man in übereinstimmung mit der Versicherungswirtschaft und der Verwaltungsausübung im wesentlichen die Durchführung, Abwicklung und laufende Betreuung der Versicherungsverträge, die Schadensregulierung, die Einstellung, Ausbildung und überwachung von Untervertretern und Maklern und schließlich die gesamte Abrechnung als Zahlstelle des Versicherungsunternehmens mit den Versicherungsnehmern und den Versicherungsvertretern rechnen müssen. Zu den Aufgaben des Generalagenten gehört aber nicht nur diese von der Versicherungswirtschaft als Beaufsichtigung und Verwaltung bezeichnete Tätigkeit, sondern auch eine möglichst weitgehende Ausdehnung des Neugeschäfts durch Abschluß oder Vermittlung neuer Versicherungsverträge. Das braucht nicht durch den Generalagenten unmittelbar selbst, sondern kann auch durch von ihm angestellte oder betreute Versicherungsvertreter geschehen. Wegen der sich aus der Vielseitigkeit der Betätigung des Versicherungsvertreters ergebenden Eigenart seiner Stellung zum Versicherungsunternehmen können im Rahmen des auch bei ihm entscheidenden Gesamtbildes aus der Art seiner Tätigkeit im allgemeinen keine Schlüsse daraus gezogen werden, ob der Versicherungsvertreter im Rahmen eines Gewerbebetriebs oder im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses im Sinne des Steuerrechts tätig wird. Denn sowohl die verwaltende als auch die unmittelbar auf den Abschluß neuer Verträge gerichtete Tätigkeit kann von Angestellten des Versicherungsunternehmens ebenso gut wie von selbständigen Handelsvertretern (§ 84 Abs. 1 HGB) ausgeübt werden. Die beiden Tätigkeiten lassen sich kaum voneinander eindeutig abgrenzen und weisen keine für Selbständigkeit und Nichtselbständigkeit sprechende Eigentümlichkeit auf. Die unmittelbar auf das Neugeschäft gerichtete Arbeitsleistung des Generalagenten unterscheidet sich ihrer Natur nach nicht von dem Teilgebiet der laufenden Bestandspflege, das mit Mitteln der Werbung, der überredung, des Kundendienstes, der Beratung und Betreuung darauf gerichtet ist, den Bestand zu erhalten und Kündigungen und Auflösungen von Verträgen entgegenzuwirken. Das, was unter der sogenannten verwaltenden Tätigkeit des Generalagenten zusammengefaßt wird, ist für das Versicherungsunternehmen nicht weniger wichtig als die Erweiterung des Neugeschäfts, und das Versicherungsunternehmen müßte für den Abschluß neuer Verträge ebenso Angestellte einsetzen wie für die Verwaltung und Abwicklung der laufenden Verträge, wenn es sich nicht selbständiger Handelsvertreter oder Gewerbetreibender bedienen würde.

Es wird auch in vielen Fällen wohl nicht zutreffen, daß die sogenannte verwaltende Tätigkeit schon ihrer Natur nach der Initiative und Gestaltungsmöglichkeit des Generalagenten einen wesentlich geringeren Spielraum läßt als die Bemühungen um den Abschluß neuer Verträge und daß deshalb bei der verwaltenden Tätigkeit viel umfangreichere, für eine Eingliederung sprechende Anweisungen des Versicherungsunternehmens erforderlich sind. Das mag in begrenztem Rahmen für den reinen Zahlungsverkehr, besonders für das Inkassogeschäft, zutreffen, der eine mehr mechanische Tätigkeit darstellt, die buch- und organisationsmäßig genau geregelt werden muß. Das gilt aber z. B. nicht für die Einstellung, die Betreuung und Anweisung von Versicherungsvertretern, für den persönlichen Kontakt und Verkehr mit den Versicherungsnehmern, für die Beratung und für das weite Gebiet der Schadensregulierung. Bei dieser bedeutsamen Tätigkeit des Generalagenten, die er, wenn auch nicht immer persönlich auszuführen, so doch zu überwachen hat, hängt der Erfolg nicht weniger von dem Einsatzwillen, der Geschicklichkeit und der Initiative des Generalagenten und seines Personals ab, als dies bei der Werbung neuer Kunden der Fall ist. Ins einzelne gehende Weisungen des Versicherungsunternehmens können sich unabhängig von der Art der Tätigkeit im wesentlichen nur auf das mehr mechanische Geschäft, wie z. B. Abrechnungen, Berichterstattungen und Formulare, auswirken. Der Erfolg eines Generalagenten hängt aber bei der verwaltenden ebenso wie bei der auf das Neugeschäft gerichteten Tätigkeit nicht von den Anweisungen, sondern von seiner Tätigkeit und Initiative ab. Die Anweisungen des Versicherungsunternehmers haben z. B. für die Schadensregulierung keine größere sachliche Bedeutung als für den Abschluß neuer Verträge. Da die sogenannte Verwaltungsgtätigkeit und die Abschlußtätigkeit ineinander übergehen, die Bestandspflege nicht nur der Verwaltung, sondern auch der Fortsetzung und Verlängerung laufender Verträge dient und die Inkassoprovisionen nicht ausschließlich ein Entgelt für die Mechanik des Einziehens darstellen, so muß die gesamte Tätigkeit des Generalagenten in der Regel einheitlich gewürdigt werden. Er kann als Leiter einer Geschäftsstelle des Versicherungsunternehmens nicht teils Angestellter und teils selbständiger Gewerbetreibender sein, wobei es unerheblich ist, welchen Umfang die sogenannte Verwaltungstätigkeit gegenüber dem Abschluß neuer Verträge hat.

Der Senat kann der Auffassung der Bg. und der Versicherungswirtschaft darin nicht folgen, daß es auf den Umfang der Weisungsgebundenheit des Generalagenten ankomme und daß aus der Weisungsgebundenheit auf die nach § 2 Abs. 2 Ziff. 1 UStG und § 1 Abs. 3 LStDV entscheidende Eingliederung geschlossen werden müsse. Das ist schon deshalb nicht möglich, weil, wie oben angeführt, der Umfang der Weisungsgebundenheit beim Abschluß- und Vermittlungsgeschäft nicht wesensverschieden und nicht geringer ist als bei einzelnen bedeutsamen Zweigen der Verwaltungstätigkeit. Es müssen demnach Grundsätze für die Entscheidung der Frage aufgestellt werden, unter welchen Voraussetzungen eine mit Weisungsbefugnis verbundene Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Versicherungsunternehmens anzunehmen ist. Fehlt es allerdings an einer Weisungsbefugnis, so liegt eine die Unselbständigkeit begründende Eingliederung in der Regel nicht vor. Da aber die Anweisungsbefugnis des Versicherungsunternehmens die Selbständigkeit des Generalagenten nicht ausschließt, müssen andere Merkmale gefunden werden, nach denen die Eingliederung zu beurteilen ist. Entscheidend kann dabei nur das Gesamtbild sein, wobei allerdings der Art der Tätigkeit wegen der dargelegten Eigentümlichkeiten des Berufs der Versicherungsvertreter keine besondere Bedeutung zukommt. Wichtig ist vielmehr die Ausgestaltung der Geschäftsstelle des Versicherungsunternehmens und der Stellung des Generalagenten zu diesem wirtschaftlichen Organismus.

Betrachtet man die von dem Generalagenten in der Geschäftsstelle entfaltete Tätigkeit ohne Berücksichtigung der sich auf alle Teile seiner Betätigung erstreckenden Weisungsgebundenheit, so ist die nach außen in Erscheinung tretende Bezeichnung seines Büros als Geschäftsstelle des Versicherungsunternehmens nicht entscheidend, weil es sich sachlich um sein eigenes Büro handelt. Denn da der Generalagent die Büroräume auf seinen Namen mietet, die in der Geschäftsstelle tätigen Arbeitnehmer selbst bezahlt und einstellt, den Umfang der Betriebsausgaben bestimmt und alle Unkosten der Geschäftsstelle zu tragen hat, so liegt sachlich nicht allein deshalb eine Geschäftsstelle oder eine Zweigniederlassung des Versicherungsunternehmens vor, weil der Generalagent seinen Betrieb nicht auf einen anderen übertragen kann. Diese Möglichkeit hat auch der selbständige Handelsvertreter nicht. Bei der Beurteilung des Gesamtbildes spricht die Unterhaltung eines eigenen Büros im allgemeinen dafür, daß der Generalagent eine gewerbliche Tätigkeit entfaltet und daß deshalb die seinem Gewerbebetrieb zuzurechnende Geschäftsstelle zwar dem Versicherungsunternehmen dient und Aufgaben erfüllt, die sonst das Versicherungsunternehmen durchführen müßte, aber nicht in den wirtschaftlichen Organismus des Versicherungsunternehmens eingegliedert ist. Für die Behandlung des Generalagenten als eines selbständigen Unternehmers spricht weiter, daß er ein gewisses Unternehmerrisiko trägt und in der Gestaltung seiner Betriebsausgaben nicht gebunden ist. Sein Unternehmerrisiko ist allerdings insofern beschränkt, als seine Provisionen für die Verwaltung des ihm überlassenen Versicherungsbestandes so bemessen sind, daß sie ihm ein bestimmtes Reineinkommen garantieren und er deshalb mit einem Verlust nicht zu rechnen braucht. Diese Gestaltung seiner Betriebseinnahmen und der vertraglichen Beziehungen zum Versicherungsunternehmen schließt aber nicht aus, daß sein Gewinn trotzdem sehr weitgehend von seiner Initiative, von seiner Tüchtigkeit und der Führung seines Büros abhängig ist. Das gilt nicht nur für das Abschlußgeschäft, sondern auch für viele Gebiete der verwaltenden Tätigkeit, z. B. für die Bestandspflege, für die Einstellung des geeigneten Personals und die Gestaltung der Betriebsausgaben. Es ist zwar richtig, daß auch ein Arbeitnehmer auf Provisionsbasis angestellt sein kann. Trotzdem sprechen die Abhängigkeit der Vergütung von der Arbeitsleistung, die Beschäftigung mehrerer eigener Arbeitskräfte und die Notwendigkeit sehr erheblicher Aufwendungen in einem eigenen Büro in solchen Grenzfällen entscheidend für die Selbständigkeit der tätigen Person, in denen andere, sonst wichtige Abgrenzungsmerkmale keine klare Entscheidung ermöglichen.

Bezeichnen die Beteiligten wie im vorliegenden Fall ihr Vertragsverhältnis als das eines selbständigen Handelsvertreters im Sinne des § 84 Abs. 1 HGB und lehnt es das Versicherungsunternehmen ausdrücklich ab, den Generalagenten als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsrechts anzuerkennen, so kann zwar diese Bezeichnung als solche für die rechtliche Würdigung keine entscheidende Bedeutung haben, weil es nicht auf die von den Beteiligten gewählte Bezeichnung, sondern auf das ankommt, was tatsächlich ist. Die Bedeutung der Betonung im Vertrag, daß der Generalagent kein Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsrechts sei, geht aber insofern über den Wert einer bloßen vertraglichen Bezeichnung hinaus, als die Beteiligten damit übereinstimmend ihre Auffassung zum Ausdruck bringen, daß der Generalagent keine unselbständige Tätigkeit im Rahmen des Versicherungsunternehmens in persönlicher Abhängigkeit ausübe. Denn das ist auch im Arbeitsrecht das entscheidende Merkmal des Arbeitsverhältnisses (Urteile des Bundesarbeitsgerichts 3 AZR 435/54 vom 9. April 1957 und 4 AZR 173/55 vom 8. August 1958, Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts, § 611 BGB, Mittelbares Arbeitsverhältnis Nrn. 2 und 3). Diese von den Beteiligten damit zum Ausdruck gebrachte Beurteilung ihres arbeitsrechtlichen Verhältnisses ist deshalb in Abgrenzungsfällen auch steuerlich von Bedeutung und spricht für die steuerliche Selbständigkeit des Generalagenten. Die Bg. und die Verbände der Versicherungswirtschaft haben keine Gründe dafür anführen können, warum im vorliegenden Fall zwar kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts, wohl aber im Sinne des Steuerrechts vorliegen soll. Der an sich zutreffende Hinweis darauf, daß sich diese beiden Begriffe nicht immer decken, genügt als Begründung deshalb nicht, weil jedenfalls in der Regel ein Arbeitsverhältnis des Arbeitsrechts auch ein Arbeitsverhältnis des Steuerrechts ist und aus sozialpolitischen Erwägungen eher die Tendenz besteht, den Begriff des Arbeitsverhältnisses im Sinne des Arbeitsrechts gegenüber dem des Steuerrechts auszudehnen. Es bedürfte deshalb schon einer ausführlichen Begründung, warum die behauptete arbeitsrechtliche Selbständigkeit im vorliegenden Fall mit einer steuerlichen Unselbständigkeit verbunden sein soll. Solche Gründe sind nicht ersichtlich.

Soweit sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, daß eine Aufteilung der einheitlichen Arbeitsleistung des Versicherungsvertreters in eine unselbständige verwaltende und in eine selbständige vermittelnde Tätigkeit in der Regel nicht gerechtfertigt ist und die Art der Tätigkeit keine entscheidende Bedeutung für die Abgrenzung der Selbständigkeit von der Unselbständigkeit hat, gibt der Senat im Benehmen mit dem V., IV. und VI. Senat die bisherige Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs auf. Dadurch, daß nunmehr im Rahmen des Gesamtbildes die Möglichkeit, durch besondere Initiative und Gestaltung der vom Generalagenten zu tragenden Betriebsausgaben die Höhe des Gewinns erheblich zu beeinflussen, und die von den Beteiligten gewollte arbeitsrechtliche Stellung des Generalagenten besonders wichtige Kennzeichen für die Selbständigkeit des Generalagenten sind, wird die Besteuerung der Versicherungsvertreter gegenüber der bisherigen, auf der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs aufbauenden Praxis nicht schwieriger gestaltet. Die hier für die rechtliche Beurteilung der Versicherungsvertreter entwickelten Grundsätze ergeben sich aus der Eigenart ihrer unterschiedlichen Betätigung, aus ihrer trotz der Weisungsgebundenheit bestehenden Unabhängigkeit in der Gestaltung ihres eigenen Betriebs und ihrer Zeiteinteilung und aus ihrer Stellung gegenüber dem Versicherungsunternehmen. Es ist sehr wohl möglich, daß bei anderen Berufen oder einer anderen Tätigkeit auch andere Merkmale im Rahmen des Gesamtbildes für die Selbständigkeit oder die Unselbständigkeit eine größere Bedeutung haben, als dies bei Versicherungsvertretern der Fall ist.

Geht man von diesen Grundsätzen aus, so ist anzunehmen, daß die Bg. eine einheitliche selbständige Tätigkeit im Rahmen eines Gewerbebetriebs entfalteten. Das ergibt sich daraus, daß sie allein im Innendienst sieben eigene Angestellte beschäftigten, die Miete der Büroräume bezahlten, alle Unkosten selbst zu tragen hatten und für die ihnen unterstellten Angestellten die Haftung übernehmen mußten. Dadurch konnten sie in erheblichem Umfang die Höhe ihres Gewinns beeinflussen. Sie führten mit eigenen Angestellten einen eigenen Betrieb, wie es das Merkmal selbständiger Kaufleute ist.

Da die Bg. ihre Tätigkeit im Rahmen einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts entfalteten, mußte ein einheitlicher Gewerbesteuermeßbetrag für diese Gesellschaft festgestellt werden (§ 2 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG). Die Bg. hatten sich nicht lediglich zu einer Bürogemeinschaft für die Ausübung mehrerer Gewerbebetriebe zusammengeschlossen, weil sie nicht nur die Unkosten des Büros nach irgendeinem Schlüssel, sondern den Erfolg der gemeinsamen Tätigkeit aufteilten. Daß die Einkünfte jedes der beiden Bg. nicht von dem Umfang und der Art der von jedem einzelnen entfalteten Tätigkeit abhingen und eine ins einzelne gehende Arbeitsteilung vorlag, mußte auf vertraglichen Vereinbarungen beruhen, die zur Annahme eines Gesellschaftsvertrags ausreichen. Der gemeinsame Zweck bestand in der Erzielung eines möglichst großen Erfolges durch die vermittelnde und verwaltende Tätigkeit. Zu diesem Zweck brachte jeder der beiden Gesellschafter seine Arbeitskraft ein. Für die Annahme der Gesellschaft spricht auch, daß beide Bg. stets nur zusammen unter der Bezeichnung einer Gemeinschaft nach außen auftreten.

Die angefochtene Entscheidung muß aufgehoben werden. Die Berufung wird als unbegründet zurückgewiesen.

 

Fundstellen

BStBl III 1961, 567

BFHE 1962, 827

BFHE 73, 827

StRK, GewStG:2/1 R 148

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