Leitsatz (amtlich)

Die Darlehensforderung eines Genossen (Einzelhändlers) gegen seine Wareneinkaufsgenossenschaft gehört jedenfalls dann zum notwendigen Betriebsvermögen des Genossen, wenn das Darlehen den Betrieb der Genossenschaft fördert und der Genosse von der Genossenschaft einen erheblichen Teil seiner Waren bezieht.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, § 5

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Schuhwareneinzelhändler. Sein Umsatz betrug im Streitjahr (1966) rd. 1,3 Mio. DM, sein erklärter Gewinn aus Gewerbebetrieb 149 141 DM. Sein Wareneinkauf belief sich im Streitjahr auf 978 433 DM. Den überwiegenden Teil des Wareneinkaufs deckte der Kläger von einer Wareneinkaufsgenossenschaft in F., deren Mitglied er ist. Der Genossenschaftsanteil stand am 31. Dezember 1966 als Anlagevermögen mit 13 500 DM zu Buche. Der Kläger hatte in früheren Jahren eine Forderung aus laufender Darlehensgewährung an die Genossenschaft bilanziert. Im Streitjahr - wie mindestens auch schon im vorausgegangenen Jahr - war die Darlehensforderung, die sich am 31. Dezember 1966 auf 121 779 DM belief, nicht mehr als Betriebsvermögen ausgewiesen. Die Zuführung zu den Darlehensbeträgen (im Streitjahr 20 000 DM) stammte aus Betriebsmitteln. Der Kläger behandelte den Vorgang als Entnahme. Die Zinserträge - bis 30. Juni 1966 5 v. H., ab 1. Juli 1966 5,5 v. H. (insgesamt 5 480 DM) - erklärte der Kläger bei der Einkommensteuerveranlagung als Einkünfte aus Kapitalvermögen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) erließ aufgrund des Ergebnisses einer Betriebsprüfung berichtigte Einkommensteuer- und Gewerbesteuermeßbescheide, wobei er bei der Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrags für den Erhebungszeitraum 1966 die genannten Zinserträge als Gewerbeertrag behandelte.

Die Sprungklage blieb ohne Erfolg. Das FG führte aus, daß die Darlehensforderung zum notwendigen Betriebsvermögen des Klägers gehöre (§ 4 Abs. 1 EStG) und die Darlehenszinsen daher den gewerblichen Gewinn (§ 7 GewStG) erhöhten. Unstreitig sei, daß die Mitgliedschaft bei der Einkaufsgenossenschaft in den betrieblichen Bereich falle. Daher führten die Gewinnausschüttungen der Genossenschaft zu Betriebseinnahmen des Klägers. Es gehöre zum Wesen einer Genossenschaft, die Betriebe der Mitglieder zu fördern (§ 1 des Genossenschaftsgesetzes - GenG -). Im Streitfall habe dieser Zweck darin bestanden, den Mitgliedern durch den genossenschaftlichen Wareneinkauf im großen möglichst günstige Einkaufsbedingungen zu verschaffen. Dieser Zweck werde durch die Verfügbarkeit flüssiger Mittel entscheidend gefördert. Das sei mit Hilfe der Darlehen der Genossen geschehen. Auf diese Weise werde mittelbar der Betrieb des Genossen gefördert (vgl. Urteil des RFH vom 10. Februar 1938 III 219/37, RStBl 1938, 325; Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 14. März 1961 X A 118/61, EFG 1961, 485; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 8 ff. zu § 4 EStG). Dies müsse jedenfalls dann gelten, wenn die Geschäftsbeziehungen einen so bedeutenden Umfang hätten wie im Streitfall. Der Kläger sei dadurch mit seiner Einkaufsgenossenschaft geschäftlich so eng verbunden, daß es nicht in seinem Belieben stehen könne, die Darlehen als betriebliche oder private Vorgänge zu behandeln. Ohne rechtliche Bedeutung sei, daß es sich um täglich abrufbare Gelder gehandelt habe und der Zinssatz besonders günstig gewesen sei, auch, daß der Kläger den größeren Teil des Darlehens später (im Jahr 1968) für private Zwecke, nämlich zum Erwerb einer Eigentumswohnung, abgerufen habe. Der Kläger habe die Darlehensbeträge tatsächlich über mehrere Jahre der Genossenschaft überlassen und bis zu ihrem Ablauf hätten sie eine ausschließlich betriebliche Funktion erfüllt.

Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

In seiner Revision beantragt der Kläger, die Vorentscheidung aufzuheben und die Darlehenszinsen bei der Ermittlung des Gewerbeertrages außer Ansatz zu lassen. Der Kläger rügt unrichtige Anwendung der Vorschriften des § 4 Abs. 1 EStG und des § 7 GewStG. Er führt aus, es komme auf den Nutzen der Darlehensforderung für den Betrieb des Darlehensgebers, nicht auf den Nutzen der Genossenschaft an. Ein solcher Nutzen habe hier nicht vorgelegen. Der Kläger sei einer von mehreren tausend Genossen und damit seien durch seine Darlehensgewährung an die Genossenschaft vor allem die anderen Genossen gefördert worden, welche keine oder niedrigere Darlehen gegeben hätten. Für ihn, den Kläger, habe es sich nur um eine günstige Kapitalanlage durchaus privaten Charakters gehandelt. Die Geschäftsbeziehungen zur Genossenschaft seien davon völlig verschieden gewesen und seien demnach auch buchtechnisch getrennt behandelt worden. Daher sei die Ansicht des FG, die Darlehen hätten eine ausschließlich betriebliche Funktion erfüllt, unzutreffend. Der Umstand, daß die Darlehensmittel aus dem Betrieb stammten, sei für die hier zu entscheidende Frage ohne Bedeutung (vgl. Urteile des BFH vom 28. April 1970 VI R 183/67, BFHE 99, 196, BStBl II 1970, 621; vom 12. Juni 1974 I R 212/73, BFHE 113, 279, BStBl II 1974, 734).

Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind notwendiges Betriebsvermögen alle Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb dergestalt dienen, daß sie objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb bestimmt sind (vgl. BFH-Urteile vom 30. April 1975 I R 111/73, BFHE 115, 500, BStBl II 1975, 582; vom 23. Juli 1975 I R 6/73, BFHE 117, 141, BStBl II 1976, 179), es sei denn, daß es sich um Wirtschaftsgüter des notwendigen Privatvermögens handelt (vgl. BFH-Urteil vom 22. Juli 1966 VI 12/65, BFHE 86, 482, BStBl III 1966, 542). Eine Darlehensforderung gehört somit dann zum notwendigen Betriebsvermögen, wenn die Gewährung des Darlehens auf einem Vorgang beruht, der in den betrieblichen Bereich fällt (vgl. BFH-Urteile I R 212/73; vom 26. Februar 1975 I R 50/73, BFHE 115, 432, BStBl II 1975, 573, mit weiteren Nachweisen).

a) Mit der Vorinstanz ist davon auszugehen, daß die Darlehensforderung eines Genossen gegen seine Genossenschaft nicht schon deshalb notwendiges Betriebsvermögen des Genossen ist, weil der Genossenschaftsanteil zu seinem Betriebsvermögen gehört. Es treffen insoweit die Erwägungen zu, die den BFH in Fällen der Darlehensgewährung durch Gesellschafter von Kapitalgesellschaften veranlaßt haben, zwischen der bilanzrechtlichen Behandlung des Gesellschaftsanteils einerseits und derjenigen der Darlehensforderung andererseits zu trennen (vgl. BFH-Urteile vom 12. März 1964 IV 376/62 U, BFHE 79, 524, BStBl III 1964, 424; vom 11. März 1976 IV R 185/71, BFHE 118, 353, BStBl II 1976, 380). In jedem Fall ist danach zu prüfen, ob die Darlehenshingabe als solche betrieblich veranlaßt war. Denn das der Kapitalgesellschaft gewährte Darlehen kann privater Natur sein, obgleich die Beteiligung zum Betriebsvermögen gehört (Urteil IV R 185/71). Umgekehrt kann das Darlehen betrieblich sein, obwohl sich die Beteiligung im Privatvermögen des Darlehensgebers befindet (Urteil IV 376/62 U).

b) Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf Darlehensforderungen von Genossen gegen ihre Genossenschaft ist die Eigenart der genossenschaftlichen Beziehungen zu berücksichtigen. Die Mitgliedschaft des Genossen bildet in der Regel die Grundlage von Geschäftsbeziehungen zwischen dem Genossen und der Genossenschaft. Die Genossenschaft bezweckt "die Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs" (§ 1 Abs. 1 GenG). Jeder Nutzen der Genossenschaft kommt deshalb grundsätzlich den Genossen nach Maßgabe des Umfangs ihrer Geschäftsbeziehungen zu der Genossenschaft zugute. Bei einer Einkaufsgenossenschaft, wie im Streitfall, liegt der betriebliche Vorteil der Genossen in der verbilligten Warenbeschaffung einschließlich der Warenrückvergütungen. Die Förderung der Finanzierung der Genossenschaft liegt jedenfalls, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, dann von vornherein im betrieblichen Interesse des einzelnen Mitglieds, wenn dieses aus der der laufenden Geschäftsbeziehung mit der Genossenschaft einen ins Gewicht fallenden Nutzen zieht. Geschieht eine solche Förderung durch die Gewährung von Darlehen, dann gehört die Darlehensforderung zum notwendigen Betriebsvermögen des Genossen. Denn die Darlehenshingabe beruht in diesem Fall auf einem Vorgang, der dem betrieblichen Bereich zuzurechnen ist und der deshalb als i. S. der Rechtsprechung "betrieblich veranlaßt" zu werten ist (vgl. BFH-Urteile I R 212/73 und I R 50/73, mit weiteren Nachweisen).

2. Im Streitfall lag die Darlehensgewährung nach den rechtlich einwandfreien Feststellungen des FG im betrieblichen Interesse des Klägers.

a) Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß durch die Darlehensgewährungen der Betrieb der Genossenschaft objektiv gefördert worden ist. Die Genossenschaft war infolge der günstigen Finanzierung in der Lage, ihre betriebliche Zweckbestimmung, Einkaufsvergünstigungen auszunutzen, besser zu erfüllen. Gegen diese Würdigung, die durch Erfahrungssätze gedeckt ist, hat der Kläger keine Einwendungen erhoben. Die Genossenschaft legte auch, wie der Kläger selbst vorgetragen hat, Wert auf die Darlehensmittel. Sie war bestrebt, die Kündigungszeiten dieser Guthaben der Mitglieder zu verlängern. Wie vorteilhaft die Darlehensgewährungen für die Genossenschaft offensichtlich waren, läßt sich nicht zuletzt daraus erkennen, daß die Genossenschaft in der Lage war, einen Zins in Höhe von 5 bis 5,5 v. H. zu gewähren, obwohl es sich um täglich fällige Guthaben der Genossen handelte.

b) Das FG hat weiter festgestellt, daß der Kläger an den vergünstigten Einkaufsmöglichkeiten der Genossenschaft in erheblichem Umfang beteiligt war. Er hat den überwiegenden Teil seiner beträchtlichen Wareneinkäufe bei der Genossenschaft gedeckt. Schon aus diesem Grunde erweist sich der Einwand des Klägers, die Vorteile der Darlehensgewährung seien vor allem anderen Genossen, auch solchen, die keine Darlehen gewährt hätten, zugute gekommen, als nicht stichhaltig.

Nach alledem stand die Darlehensgwährung, obwohl freiwillig zustande gekommen, in engem Zusammenhang mit der laufenden erheblichen Geschäftsbeziehung des Klägers zu der Einkaufsgenossenschaft. Sie war deshalb i. S. der angeführten Rechtsprechung betrieblich veranlaßt. Der Kläger hätte daher die Darlehensforderung nicht als entnommen behandeln und ausbuchen dürfen. Die Forderung blieb vielmehr (notwendiges) Betriebsvermögen. Das FA hat somit die Darlehenszinsen mit Recht den gewerblichen Gewinn gemäß § 7 GewStG zugerechnet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72604

BStBl II 1978, 53

BFHE 1978, 330

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