Leitsatz (amtlich)

Die Kartellsteuerverordnung vom 20. Dezember 1941 (RStBl 1941, 953) ist ungültig (rechtsunwirksam).

 

Normenkette

KartStV vom 20. Dezember 1941; KStG § 6 Abs. 1 S. 2; AO a.F. § 12

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - ein Kartell in der Rechtsform der GmbH - hat nach dem Gesellschaftsvertrag die wirtschaftlichen Interessen ihrer im Streitjahr (1965) 24 Gesellschafter wahrzunehmen, insbesondere die Produktion und den Absatz der von den Gesellschaftern in ihren im Uniongebiet gelegenen Betrieben hergestellten Materialien im Einvernehmen mit den Abnehmern zu regeln. Ausgenommen von dieser Kartellregelung sind Lieferungen der Gesellschafter außerhalb des Uniongebietes sowie Lieferungen an einen Großabnehmer.

Soweit Lieferungen der Kartellbindung unterliegen - und soweit grundsätzlich nicht gebundene Lieferungen über die Klägerin erfolgen -, vereinbart die Klägerin die Verkaufspreise und -bedingungen mit den Abnehmern. Die Lieferungen erfolgen unter der Firma der Klägerin. Diese rechnet mit ihren Gesellschaftern nach festgelegten Regeln ab. Zur Deckung ihrer Verwaltungskosten erhebt sie einen Rabatt vom Umsatz, der so festgesetzt wird, daß bei ihr kein Gewinn entsteht.

Das Bundeskartellamt hat zum Gesellschaftsvertrag die Erlaubnis nach § 5 Abs. 2 und 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 27. Juli 1957 (i. d. F. vom 3. Januar 1966, BGBl I 1966, 37) - GWB - erteilt, für das Streitjahr durch Beschluß vom 15. März 1963.

Neben dem der Satzung entsprechenden Verkauf für ihre Gesellschafter ist die Klägerin im Streitjahr in einer Reihe weiterer Geschäfte tätig geworden, deren Rechtsfolgen zwischen ihr und dem Beklagten und Revisionsbeklagten (FA) streitig sind:

Die Klägerin traf für ihre Gesellschafter und für andere Firmen des gleichen Industriezweiges (Nichtgesellschafter) sogenannte Empfehlungsabkommen mit Lieferanten über den Bezug von Betriebsstoffen, Ersatzteilen und anderen Waren. In diesem Rahmenabkommen vereinbarte die Klägerin für die einkaufenden Firmen Rabatte zu Sätzen, deren Höhe nach den Bezugsmengen des gesamten Firmenkreises gestaffelt war. Die Lieferungen wurden zwar zwischen den jeweiligen Bestellern und den Lieferanten unmittelbar vereinbart und abgewickelt. Die Rabatte wurden jedoch jeweils nach Ablauf eines Kalenderjahres insgesamt an die Klägerin als Treuhänderin ausgezahlt und von ihr an die einzelnen Firmen weitergegeben. An ihre eigenen Gesellschafter und die Gesellschafter einer befreundeten Gruppe reichte die Klägerin die Rabatte in voller Höhe weiter, während sie von den Rabatten aller übrigen durch die Rahmenabkommen erfaßten Firmen dagegen 10 v. H. einbehielt.

Das FA sieht in diesen Geschäften eine Betätigung, die über den Kreis der Hilfsgeschäfte hinausgeht, die für Firmen zulässig sind, die nach der Verordnung über Körperschaftsteuer, Vermögensteuer und Gewerbesteuer der Kartelle und Syndikate (Kartellsteuerverordnung - KartStV -) vom 20. Dezember 1941 (RGBl I 1941, 791, RStBl 1941, 953) besteuert werden. Es sieht darin, daß die Klägerin für ihre Gesellschafter - insoweit - unentgeltlich tätig wurde und ihr Vermögen den Gesellschaftern - insoweit - unentgeltlich zur Verfügung stellte, eine verdeckte Gewinnausschüttung, die es auf jährlich 5 v. H. des Stammkapitals schätzte.

Die von der Klägerin gemäß § 45 FGO unmittelbar zum FG erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das FG führte aus:

Die Körperschaftsteuer der Klägerin sei für das Streitjahr nicht nach den Vorschriften der KartStV, sondern nach den allgemeinen Vorschriften des KStG festzusetzen, da die Klägerin kartellfremde Geschäfte durchgeführt und ihren Gesellschaftern verdeckt Gewinne ausgeschüttet habe, deren Höhe mit 45 000 DM anzunehmen sei.

Da die KartStV selbst nichts darüber aussage, welcher Art Tätigkeiten die Anwendbarkeit der KartStV erlaube oder aber ausschließe, sei Auslegung nach dem Sinn und Zweck ihrer Vorschriften geboten. Dabei sei von Bedeutung, daß nach dem Erlaß des RdF vom 20. Dezember 1941 (RStBl 1941, 954) der Zweck der KartStV die Vermeidung der Doppelbesteuerung der Kartelle und Syndikate einerseits und ihrer Mitglieder andererseits sei. Daraus folge, daß ihre Anwendung auf diejenigen Kartelle und Syndikate beschränkt bleiben müsse, die lediglich die vom Bundeskartellamt erlaubten Geschäfte betrieben, dagegen eine als Kartell zugelassene Gesellschaft nicht erfasse, die sich über diesen Rahmen hinaus am Markt betätige. Die Abgrenzung der zugelassenen von den nichtzugelassenen Geschäften habe in Anlehnung an Abschn. 53 KStR zu erfolgen. Als zugelassen seien danach Zweckgeschäfte, Gegengeschäfte, Hilfsgeschäfte und steuerunschädliche, weil mit dem Zweck des Kartells zusammenhängende Nebentätigkeiten anzusehen.

Gehe man hiervon aus, so stelle sich die von der Klägerin - als einem Verkaufskartell - ausgeübte, in ihrer steuerrechtlichen Beurteilung streitige Tätigkeit der Verschaffung von Einkaufsrabatten nicht als Hilfsgeschäft dar, weil diese Tätigkeit zwar als Teilbereich eines Einkaufskartells, nicht aber eines Verkaufskartells denkbar sei. Sie sei mithin in die Kategorie der Nebengschäfte einzuordnen, die mit der Produktion und dem Absatz der Mitglieder der Klägerin zumindest insoweit in keinerlei wirtschaftlichem Zusammenhang gestanden hätten, als die Klägerin im Nichtmitgliedergeschäft tätig geworden sei.

Nachdem die Klägerin mit ihren Geschäften den Kreis der kartelleigenen Aufgaben verlassen habe, sei es für ihre Besteuerung ohne Bedeutung, ob sie mit ihrer kartellfremden Tätigkeit einen Überschuß erzielt habe, der zur Senkung der allgemeinen Verwaltungskostenbeiträge der Mitglieder verwendet worden sei, und ob der Umfang der kartellfremden Tätigkeit mehr oder weniger groß gewesen sei (wobei dahinstehen könne, ob dies auch bei völlig unbedeutenden Nebengeschäften zu gelten habe). Auch darauf, daß die Klägerin nach ihrer Satzung keine Gewinne machen dürfe und nach Maßgabe ihrer Abrechnung mit den Mitgliedern im Streitjahr auch keine Gewinne erzielt habe, komme es angesichts der Rechtsform der Klägerin (als einer GmbH) nicht an (Hinweis auf die Urteile des BFH vom 18. September 1962 I 113/61 U, BFHE 75, 599, BStBl III 1962, 485, zur Frage der besonderen steuerrechtlichen Behandlung der allein im Rahmen ihrer Aufgabenstellung tätigen Verkaufsgesellschaften, und vom 3. Juli 1968 I 83/65, BFHE 93, 514, BStBl II 1969, 14, zur Frage der verdeckten Gewinnausschüttung durch Leistungen an die Gesellschafter gegen ein unangemessen niedriges Entgelt).

Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision der Klägerin mit dem Antrag, unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung nach ihrem Schlußantrag erster Instanz zu erkennen. Zur Begründung läßt sie ausführen:

Die Klägerin sei ein Rationalisierungskartell. Es sei deshalb schon vom Prinzip her gesehen unrichtig, die von ihr erzielten, auf die Senkung der Vertriebskosten abzielenden Einkaufsrabatte anders zu beurteilen als die im Vertrieb erzielten Kostendegressionseffekte. Nach § 5 GWB erhielten Kartelle nur dann die Erlaubnis zum Kartellvertrag, wenn der Kartellbehörde der doppelte Rationalisierungseffekt nachgewiesen werde, nämlich ein in Preisstabilität, Sortenbereinigung und großer Lieferkapazität bestehender Rationalisierungserfolg für die Allgemeinheit und ein im Geringhalten der eigenen Betriebskosten (auch soweit sie an das Kartell gezahlt werden müßten) bestehender Rationalisierungserfolg der Kartellmitglieder.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Soweit die Finanzverwaltung in Abschn. 2 KStR und das FG in der angefochtenen Entscheidung die Weitergeltung und damit die Rechtsgültigkeit der KartStV im Grundsatz bejahen, vermag der erkennende Senat ihnen nicht zu folgen.

Wie das BVerfG im Beschluß vom 12. Februar 1969 1 BvR 687/62 (BVerfGE 25, 216, 225, BStBl II 1969, 364, 367) ausgeführt hat, konnte nach § 12 AO in seiner damals geltenden Fassung der RdF zur Durchführung und zur Ergänzung der vom Reich erlassenen Steuergesetze Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften erlassen. Obwohl eine solche Ermächtigung den Anforderungen des Grundgesetzes (GG) nicht entspricht (vgl. Art. 129 Abs. 3 GG), kann eine auf sie gestützte Rechtsverordnung auch heute noch als rechtswirksam angesehen werden, wenn sie als Ergänzung eines Gesetzes nicht gegen Grundsätze oder Sinn eben dieses Gesetzes verstößt.

Die auf § 12 AO als Ermächtigungsgrundlage gestützte KartStV enthält - insbesondere in ihren §§ 1 und 4 - keine Ergänzung, sondern eine Änderung des KStG, wenn sie Kartelle und Syndikate "ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform" für unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig erklärt und damit auch Gesellschaften des bürgerlichen Rechts, die sich zur Durchführung ihrer Kartellaufgaben einer Organ-Kapitalgesellschaft bedienen, der KSt unterwirft, und wenn sie - zur Vermeidung der Doppelbesteuerung - aus Vereinfachungsgründen bestimmt, daß sich alle Vermögenszuführungen seitens der Gesellschafter (mit Ausnahme der Einzahlungen auf das Grund- oder Stammkapital von Kartellen und Syndikaten in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft) gewinnerhöhend und alle Vermögenszuführungen an ihre Gesellschafter gewinnmindernd auswirken, soweit nicht der Ausnahmefall des § 4 Abs. 2 Nr. 2 KartStV vorliegt. Weil die KartStV somit in wesentlichen Teilen durch die Ermächtigung nicht gedeckt ist, ist sie ungültig.

Die Regelung in § 4 KartStV ist mit den Vorschriften in § 6 Abs. 1 und § 7 KStG unvereinbar, nach denen es für die Ermittlung des Einkommens einer den Vorschriften des KStG unterliegenden Körperschaft oder Personenvereinigung ohne Bedeutung ist, ob das Einkommen verteilt wird oder nicht, und auch verdeckte Gewinnausschüttungen das steuerpflichtige Einkommen nicht mindern dürfen. Ausnahmen von dem die Doppelbesteuerung des Gewinns körperschaftsteuerpflichtigen Körperschaften und Personenvereinigungen mit Körperschaftund mit Einkommensteuer sicherstellenden Vorschriften bestimmenden Grundsatz bedürfen einer gesetzlichen Regelung. Das FA verweist in diesem Zusammenhang zutreffend auf die Ausführungen des erkennenden Senats im Urteil vom 17. November 1966 I 280/63 (BFHE 87, 253, BStBl III 1967, 118), nach denen der Grundsatz der Doppelbesteuerung in diesen Fällen ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung nicht aufgegeben werden darf (wie es bei Anerkennung eines Organverhältnisses zwischen einer Kapitalgesellschaft und einem Einzelkaufmann als Organträger hinsichtlich der Gewinne der Kapitalgesellschaft ohne die - nunmehr gegebene - gesetzliche Regelung in § 7a Abs. 1 Nr. 3 KStG der Fall gewesen wäre).

2. Die Klägerin konnte mit ihrer Klage auch unter den Gesichtspunkten der Organschaft oder der echten Einund Verkaufsgesellschaft keinen Erfolg haben. Denn für ihre Anerkennung als Organgesellschaft und für die Behandlung ihrer Ausschüttungen an die Gesellschafter als Betriebsausgaben fehlte es angesichts der Rechtsform eines Teiles ihrer Gesellschafter an einer gesetzlichen Grundlage, im übrigen aber an einer entsprechenden Gewinn- und Verlust-Ausschlußvereinbarung zwischen ihr und ihren Gesellschaftern, die durch den Gesellschaftsvertrag nicht als ersetzt angesehen werden konnte. Als echte Ein- und Verkaufsgesellschaft ihrer 24 Gesellschafter konnte die Klägerin nicht angesehen werden, weil sie nach den nicht bestrittenen Feststellungen des FG nicht nur für ihre Gesellschafter, sondern auch für Nichtgesellschafter gegen Entgelt tätig geworden ist (Hinweis auch auf das BFH-Urteil I 113/61 U).

 

Fundstellen

Haufe-Index 71024

BStBl II 1974, 695

BFHE 1975, 105

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